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“Carmen” by Georges Bizet libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |
Der Abdruck des deutschen Librettos erfolgt mit der freundlichen Genehmigung des Bärenreiter-Verlages, Kassel. |
Einleitung Nr. 1 Szene und Chor Ein Platz in Sevilla (Rechts der Eingang zur Tabakfabrik. Hinten, gegenüber dem Publikum eine Brücke, die von einer Seite der Bühne zur anderen reicht und auf die man von der Bühne aus über eine hinter dem Fabrikeingang befindlichen Wendeltreppe gelangt. Unten ist die Brücke offen. Vorne ist ein Wachlokal; davor führen drei Stufen zu einem überdeckten Gang. Wenn der Vorhang sich hebt, steht eine Gruppe von Soldaten (Dragoner von Almanza) vor der Wache. Sie rauchen und beobachten die Passanten. Lebhaftes Kommen und Gehen über den Platz. Die Szene ist voller Bewegung.) CHOR DER DRAGONER Diese Menge, im Gedränge! Wie das kommt, geht und bleibt! Seltsames Volk umher sich treibt. MORALÈS Müßig hier vor der Wache Halle, daß die Zeit geht hin, man raucht und schwatzt und mustert alle, die vorüberziehen. SOLDATEN und MORALÈS Diese Menge, im Gedränge! usw. (Micaëla tritt auf.) |
MORALÈS Doch seht, da kommt mit bangem Zagen ein Mädchen zu uns, irr ich nicht; sie blickt umher, scheint zu zögern und zu fragen. SOLDATEN Ihr beizustehen ist unsre Pflicht! MORALÈS (zu Micaëla) Was suchst du, hübsche Kleine? MICAËLA Ich? ich such einen Sergeant! MORALÈS Einen Sergeant? Das bin ich! MICAËLA Nein, Ihr seid der nicht, den ich meine, Don José - so wird er genannt. MORALÈS Don José? Er ist uns wohl bekannt. MICAËLA Ach ja? So find ich ihn hier? Sie verzeihen! MORALÈS Sergeant ist er, doch leider nicht in unsern Reihen. MICAËLA (enttäuscht) Nicht hier! Ich dachte ja. |
MORALÈS Nein, holdes Mädchen, er ist nicht da, doch warte hier und sei nicht bang, er kommt hierher, 's dauert nicht lang. Er kommt hierher, wenn wir die Runde machen und werden abgelöst durch neue Wachen. SOLDATEN und MORALES Er kommt hierher, usw. MORALÈS Willst du denn hier draußen bleiben, liebes Kind, ich lad' dich ein, lange Weile zu vertreiben, komm unterdess zu uns herein. MICAËLA Zu Euch? SOLDATEN und MORALÈS Zu uns! MICAËLA Nein, nein, nein, nein, ihr Herrn Soldaten, das kann nicht sein. MORALÈS Komm herein nur ohne Bangen, ich verspreche dir bestimmt, freundlich wirst du hier empfangen, in allen Ehren, wie sich's ziemt. |
MICAËLA Ich weiß wohl zu schätzen diese Ehr, doch meine ich, 's wird besser sein, ich komme hierher wieder zurück, wenn Sie die Runde machen und werden abgelöst durch neue Wachen. SOLDATEN und MORALÈS Bleibe doch hier, bis wir die Runde machen und werden abgelöst durch neue Wachen. MORALÈS Bleibe doch da! MICAËLA Nein, nein, nein, nein, das kann nicht sein! SOLDATEN und MORALÈS (umringen Micaëla) Bleibe doch da! MICAËLA Auf Wiedersehen, ihr Herrn Soldaten, das kann nicht sein! (Sie entkommt und läuft davon.) MORALÈS Seht hin sie eilen; wir müssen weilen. Freunde, kommt, laßt uns wieder sehn nach Leuten, die vorübergehen. CHOR Diese Menge, im Gedränge, usw. |
Nr. 2 Chor der Straßenjungen (In der Ferne hört man einen Militärmarsch mit Trompeten und Pfeifen. Die ablösende Wache naht, und ein Offizier kommt aus dem Wachlokal. Die Soldaten nehmen ihre Musketen und treten vor der Wache an. Passanten versammeln sich in einer Gruppe, um die Parade zu beobachten. Der Militärmarsch kommt immer näher. Schließlich erscheint die ablösende Wache und marschiert über die Brücke. Zuerst zwei Trompeter und zwei Pfeifer. Diesen folgt eine Horde kleiner Gassenjungen. Nach den Kindern Leutnant Zuniga und Unteroffizier Don José, dann die Dragoner.) KINDERCHOR Schnell herbeigestürmt wie's Wetter, kommen die Soldaten ja, hört der Trompete Geschmetter, Trateratatatatata! Wenn die Wachen aufmarschieren, gehen wir wie Soldaten mit, laßt uns voran defilieren. Eins! Zwei! im gleichen Schritt, Brust heraus, den Kopf nach oben, und die Arme ziehet an; Rasch! nun die Füße gehoben, so marschieren wir Mann für Mann! Wir sind da! usw. (Die ablösende Wache bleibt gegenüber der abziehenden Wache stehen. Die Offiziere salutieren mit ihren Degen und beginnen, leise miteinander zu sprechen. Die Wache wird abgelöst.) MORALÈS (zu Don José) Eben war ein |
bildhübsches Mädchen bei uns hier auf dem Platz und hat nach dir gefragt. Blaues Kleidchen und blonde Zöpfe. JOSÉ (Reprise) Das war sie, Micaëla! (Die alte Wache zieht vor der neuen vorbei. Die Gassenjungen nehmen wieder ihren Platz hinter den Trompetern und Pfeifern ein.) KINDERCHOR (Reprise) Schnell herbeigestürmt wie's Wetter, 's gehen die Soldaten ja, hört der Trompete Geschmetter: Trateratatata! Wenn die Wachen abmarschieren, gehen wir wie Soldaten mit, usw. (Die Soldaten, Gassenjungen und Neugierige verschwinden im Hintergrund. Der Klang des Chores, der Pfeifen und Trompeten wird schwächer. Inzwischen inspiziert der Kommandant der neuen Wache schweigend seine Männer. Wenn der Chor der Gassenjungen nicht mehr zu hören ist, gehen die Soldaten in das Wachlokal. Don José und Zuniga bleiben allein zurück.) Rezitativ ZUNIGA Ist nicht dort die Fabrik unsrer köstlichen Zigaretten, die so viele Mädchen beschäftigt? JOSÉ So ist's, mein Offizier! |
doch glaubet sicher mir, nirgends findet Ihr mehr so flatterhafte Mädchen! ZUNIGA Mag's drum sein, wenn sie nur schön sind! JOSÉ Ach, davon weiß ich wahrlich nichts, denn wenig kümmert mich wohl diese Gattung Mädchen! ZUNIGA Was dich bekümmert, Freund, ich weiß es wohl! 's ist ein junges, liebliches Mädchen, Micaëla, so nennt sie sich; blaues Kleidchen, und blonde Zöpfe. Nun, Freundchen, gesteh, hab ich recht? JOSÉ Ich gestehe, 's ist wahr, ich gesteh, daß ich sie liebe! Doch wie gerufen kommen von dort die Mädchen der Fabrik, sehet selbst, und urteilt, ob sie Euch gefallen! Nr. 3 Chor der Zigarettenarbeiterinnen (Die Fabrikglocke läutet. Junge Männer kommen |
auf den Platz, um die Zigarettenmädchen abzufangen. Die Soldaten kommen aus dem Wachlokal. Don José setzt sich auf einen Stuhl und nimmt, während er an einer kleinen Kette für seinen Zündstift arbeitet, keine Notiz von dem allgemeinen Kommen und Gehen.) JUNGE LEUTE Kommen wir herbei mit der Glocke Tönen, auf die Mädchen hier warten wir am Ort, - Gehen wir ihnen nach, diesen braunen Schönen, flüstern ihnen zu manches süße Wort. (In diesem Moment erscheinen die Mädchen; sie rauchen Zigaretten.) SOLDATEN Seht sie da! wie keck ohne Scheu diese Koketten kommen lachend, rauchen dabei ihre Zigaretten! ZIGARETTENARBEITERINNEN Sehet, wie Raucheswolken ziehn in die Lüfte kräuselnd dahin und verbreiten holde Düfte. Sanft betäubet, schlürft den Rauch mit den Lippen und wie im Hauch laßt uns süße Wonne nippen. Ist so ein Mann Liebe zu schwören bereit, - das ist Hauch. Sagt er, daß uns ist sein Leben geweiht, - leicht, wie Rauch. - Ein treues Herz in der Brust ist nur Hauch. - O süßer Schmerz. Liebeslust, |
das ist ein Hauch, - so leicht wie Rauch, ja! Seht, wie Rauchwolken ziehn, usw. SOLDATEN Doch wir sehen nicht Carmen in ihrer Mitte. (Carmen tritt auf.) ZIGARETTENARBEITERINNEN und JUNGE LEUTE Seht sie da! Carmen! Sie ist da, Carmencita! (Sie trägt ein Sträußchen Kassienblüten an ihrem Mieder und eine Kassienblüte im Mundwinkel. Die jungen Männer kommen mit Carmen herein. Sie folgen ihr, umringen sie und sprechen mit ihr. Sie flirtet auf lässige Weise mit ihnen. Don José sieht auf und nimmt dann ruhig seine Arbeit wieder auf.) JUNGE LEUTE Carmen, sieh, wir liegen zu Füßen dir, Carmen, sei artig, gib Antwort hier, und nenn uns den Tag, wo dein Sinn endlich bricht und wo dein sprödes Herz uns von Liebe spricht. Rezitativ CARMEN (mit einem Blick auf Don José) Wann ich Liebe euch schenk? fürwahr, das weiß ich nicht, wohl niemals vielleicht, 's kann morgen schon sein - eins weiß ich gewiß: Heute? - nein!! |
Nr. 4 Habanera CARMEN Ja, die Liebe hat bunte Flügel, solch einen Vogel zähmt man schwer; haltet fest sie mit Band und Zügel, wenn sie nicht will, kommt sie nicht her. Ob ihr bittet, ob ihr befehlet und ob ihr sprecht und ob ihr schweigt, nach Laune sie den erwählet und heftig liebt der stumm sich zeigt. Ja, die Liebe, usw. CHOR Ja, die Liebe hat bunte Flügel, usw. CARMEN Die Liebe von Zigeunern stammet, fragt nach Rechten nicht, Gesetz und Macht; liebst du mich nicht, bin ich entflammet, und wenn ich lieb, nimm dich in acht! CHOR Nimm dich in acht! Die Liebe von Zigeunern stammet, usw. CARMEN Glaubst den Vogel du schon gefangen, ein Flügelschlag, ein Augenblick, er ist fort und du harrst mit Bangen, eh du's versiehst, ist er zurück. Weit im Kreise siehst du ihn ziehen, halt ihn fest und er wird entfliehen, |
weichst du ihm aus, flugs ist er da! Ja, die Liebe, usw. CHOR Weit im Kreise siehst du ihn ziehen, usw. CARMEN Die Liebe von Zigeunern stammet, fragt nach Rechten nicht, Gesetz und Macht; liebst du mich nicht, bin ich entflammet, und wenn ich lieb, nimm dich in acht! Liebst du mich nicht, bin ich entflarmmet, usw. CHOR Nimm dich in acht! usw. Die Liebe von Zigeunern stammet, usw. Nr. 5 Szene JUNGE LEUTE Carmen, sieh wir alle folgen dir; Carmen! ach, sei artig, gib Antwort hier ! (Eine Pause. Die jungen Männer umringen Carmen, die einen nach dem anderen mustert. Dann geht sie aus dem Kreis und direkt auf Don José, der immer noch mit seiner kleinen Kette beschäftigt ist.) CARMEN Was machst du denn da? JOSÉ Ich? - eine Kette, um meine Gewehrnadel daran zu befestigen! |
CARMEN Eine Kette? - Eine Rosenkette? Eine Liebeskette? (Carmen wirft Don José die Kassienblüte zu. Er springt auf. Die Blüte ist ihm vor die Füße gefallen. Allgemeines Gelächter.) ZIGARETTENARBEITERINNEN (umringen Don José) Die Liebe von Zigeunern stammet, usw. (Die Fabrikglocke läutet wieder. Carmen und die anderen Zigarettenmädchen laufen in die Fabrik. Die jungen Männer etc. gehen ab. Die Soldaten gehen ins Wachlokal. Don José bleibt allein zurück. Er hebt die Blüte auf.) Rezitativ JOSÉ Ha! das heiß ich doch Unverschämtheit! Wie mit dem Sträußchen so geschickt sie mich traf, wie mit einer Kugel! Dieser Duft ist berauschend, und die Blume, wie schön! Und das Mädchen! Sollt wirklich Hexen es geben, ist sie eine ganz gewiß! MICAËLA José! JOSÉ O Micaëla! MICAËLA Ich bin da! |
JOSÉ Welche Freude! MICAËLA Mich hat die Mutter hergesendet! Nr. 6 Duett JOSÉ Wie? du kommst von der Mutter? MICAËLA Als Botin komm ich her und bring mit frohem Mute dieses Schreiben. JOSÉ Wie, ein Schreiben? MICAËLA Und noch dies Stückchen Gold, um aufzubessern deinen knappen Sold. Und noch, - JOSÉ Was noch? - MICAËLA Und noch, wie soll ich's sagen, und noch hat mir die Mutter etwas aufgetragen, von hohem Wert für einen guten Sohn, wohl mehr, als Gold und reicher Lohn. JOSÉ So sprich, mein Mädchen, was sie gegeben? Sag es mir! |
MICAËLA Nun wohlan, es sei! Was sie vom Herzen gab, ich überbring es treu! Sonntag war's, aus der Kirche gingen wir soeben, sie sprach zu mir mit sanftem Ton: Nun mach dich auf den Weg, nach der Stadt hinziehen, Gott sei mit dir, mein Kind, er wird den Pfad dir weisen, er führet sicher dich zu José, meinem Sohn. Sag dem teuren Kind meiner Schmerzen, Mutterliebe währt ew'ge Zeit, daß sie sein Bildnis trägt im Herzen, was er getan, sie gern verzeiht. Alles das, Micaëla, sag ihm, sag es ihm, und den heißen Kuß, den ich auf deine Lippen drücke, bring ihn dar als der Mutter Gruß. JOSÉ Einen Kuß meiner Mutter? MICAËLA Für den Sohn gab sie mir; und wie ich ihn empfing, geb ich ihn treulich dir! (Micaëla stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt Don José einen aufrichtigen, mütterlichen Kuß. |
Don José ist sehr bewegt und läßt es geschehen. Er sieht ihr in die Augen. Es herrscht einen Augenblick lang Schweigen.) JOSÉ Ich seh die Mutter dor t, sie ruft zurück mir im Bilde das stille Tal und das Haus, wo meine Wiege einst stand. Ach! gerne denk deiner ich, mein teures Heimatland, du stilles Tal, wo meine Wiege stand. Es schlägt mein Herz so stark und doch wird mir so milde, ich seh die Mutter dort, wo meine Wiege stand, ruft sie zurück im Bilde. MICAËLA Er sieht die Mutter dort sie ruft zurück ihm im Bilde das stille Tal und das Haus, sein teures Heimatland. Es schlägt sein Herz so stark und doch wird ihm so milde, er sieht die Mutter dort, wo seine Wiege stand, sie ruft zurück im Bilde. JOSÉ (auf die Fabrik schauend) Wer weiß es, welcher Dämon sich gegen mich wendet? |
Selbst in der Ferne schützt mich der Mutter Wort und dieser Kuß, den sie gesendet, entreißt mich der Gefahr, er sei mein Schirm und Hort. MICAËLA Die Gefahr dich bedroht? Welch Dämon kann das sein? O vertrau es mir an! JOSÉ Nichts! nein! Lasse das Fragen, sei ohne Sorgen, und sag mir, wann heimwärts du ziehst? MICAËLA Ich? Diesen Abend, und bin bei der Mutter schon morgen. JOSÉ Bei meiner Mutter? O sag, wenn du sie siehst: Daß ich sie lieb aus vollem Herzen, mein Dasein nur ihr ist geweiht; mög es lindern der Trennung Schmerzen, daß sie liebt und verzeiht. Daß ich treu dir ins Auge blicke, sag es ihr, und den heißen Kuß, den ich auf deine Lippen drücke, bring ihn dar, als des Sohnes Gruß. (Er küßt sie.) MICAËLA Ich schwör' es, den heißen Kuß, den gegeben du mir, |
José, wie ich's versprach, ich bring ihn treulich ihr. JOSÉ Ich seh die Mutter dor t! usw. MICAËLA Er sieht die Mutter dort! usw. Rezitativ JOSÉ Bleibe da, während hier den lieben Brief ich lese. MICAËLA Nicht doch, ich gehe jetzt und später kehr ich zurück. JOSÉ Warum willst du fort? MICAËLA Weil ich denke, daß es besser ist, wenn ich gehe; noch manches hab ich zu besorgen! JOSÉ Du kehrst zurück? MICAËLA Bald bin ich hier. (Sie geht.) JOSÉ Fürchte nichts, o Mutter! Dein Sohn wird deine |
Wünsche mit Freuden stets erfüllen. Lieb ich doch Micaëla, sie soll mein Weibchen sein, trotz deiner Blumen, du braune Hexe! Nr. 7 Chor (Gerade als er die Blüte aus seiner Jacke reißen will, gibt es große Aufregung in der Fabrik. Zuniga kommt, gefolgt von einigen Soldaten, auf die Bühne.) ZUNIGA Was ist dort geschehen? ERSTER ARBEITERINNENCHOR Kommt zu Hülf! hört ihr das Geschrei? ZWEITER ARBEITERINNENCHOR Kommt zu Hülf! Eilet schnell herbei! ERSTER ARBEITERINNENCHOR Carmen begann den Streit! ZWEITER ARBEITERINNENCHOR Nein, nein, sie ist nicht schuldig! 's ist nicht wahr! ERSTER ARBEITERINNENCHOR Sie war es, sie ist so ungeduldig, sie hat den erste n Streich getan. ZWEITER ARBEITERINNENCHOR Nein, höret sie nicht an! |
ALLE ARBEITERINNEN (umringen Zuniga) O hört uns an, o hört uns an, die hat's getan, o hört getan, usw. ZWEITER ARBEITERINNENCHOR (ziehen den Offizier auf ihre Seite) Mercédès beim Wickeln sprach: Mir ist zuwider das Laufen, möchte einen Esel kaufen, reiten bis hierher gemach. ERSTER ARBEITERINNENCHOR Carmen, wie es schon ihr Brauch, hob an mit spöttischen Mienen: Wozu soll ein Esel dienen? 's ging mit einem Besen auch. ZWEITER ARBEITERINNENCHOR Mercédès nichts schuldig blieb, ihr Mundwerk geht wie am Schnürchen: Wünsche ich mir so ein Tierchen, geschieht's ja nur dir zu Lieb! ERSTER ARBEITERINNENCHOR Auf dem Esel kannst verkehrt in Parade zu sitzen. Aus der Stadt mit Nesselspitzen, peitscht man dich, wie sich's gehört. ALLE ARBEITERINNEN Kaum heraus dieses Wort war, lagen sie sich in dem Haar. ZUNIGA Zum Teufel mit dem tollen Schreien! |
Hinein, José, und nehmt mit Euch zwei Mann, sehet nach, was es gibt und schafft Ruh ohne Zaudern. (Don José nimmt zwei Männer mit. Die Soldaten gehen in die Fabrik. Dies geschieht alles, während die Mädchen einander umherstoßen und sich miteinander streiten.) ERSTER ARBEITERINNENCHOR Carmen begann den Streit, usw. ZWEITER ARBEITERINNENCHOR Nein, nein! sie ist nicht schuldig!, usw. ZUNIGA Heda! Fort mit dem Weibsvolk und schafft freie Bahn. ALLE ARBEITERINNEN Mein Herr! Nein, höret sie nicht an!, usw. (Die Soldaten halten die Mädchen zurück. Carmen erscheint am Eingang der Fabrik, geführt von Don José und gefolgt von zwei Dragonern.) Nr. 8 Lied und Rezitativ JOSÉ Mein Offizier, ein Streit entspann sich droben, wohl zuerst nur in Worten, dann griff man zu den Messern, 's ward ein Mädchen verwundet. ZUNIGA Und durch wen? |
JOSÉ Hier durch diese! ZUNIGA (zu Carmen) Du hast's gehört, was hast du zu erwidern? CARMEN Tra la la la la la la la! Brenne, schneide und foltre, daß reden ich soll. Tra la la la la la la la! Doch ich trotz dem Himmel, dem Eisen, dem Feuer! ZUNIGA Keine Lieder will ich hören! Gib Antwort auf meine Frage sogleich! CARMEN Tra la la la la la la la! Das Geheimnis ist mein und ich hüte es wohl. Tra la la la la la la la! Ja, ich lieb ihn, im Tod noch ist er mir teuer. ZUNIGA Wenn du jetzt das Singen nicht läßt, nun so magst im Gefängnis du singen nach Lust! CHOR Ins Gefängnis mit ihr! (Carmen versucht, sich auf die Mädchen zu stürzen.) ZUNIGA (zu Carmen) Beim Teufel! |
Leicht, wie es scheint, führt dein Händchen das Messer! CARMEN Tra la la la... ZUNIGA 's ist doch schade! ja wirklich schade! Reizend ist sie in der Tat! Doch gilt es hier, Ernst ihr zu zeigen. Bindet ihr die Hände fest! (Zuniga geht. Eine kurze Pause. Carmen schaut auf und sieht Don José an. Dieser dreht sich um, geht ein paar Schritte zurück und geht wieder zu Carmen, die ihn während der ganzen Zeit beobachtet hat.) CARMEN Wo führst du mich hin? JOSÉ Nach dem Befehl folgst du mir ins Gefängnis! CARMEN Und kannst du mich nicht befreien? JOSÉ Leider nein, folgen muß ich dem Befehl! CARMEN Doch ich weiß, daß für mich |
den Befehlen des Chefs du trotzest, alles tust, was ich von dir will, und warum? Weil du mich liebst! JOSÉ Ich dich lieben? CARMEN Ja, José! Die Blume die ich dir geworfen, du weißt, die Blume der Hexe, die du in der Brust noch verbirgst, der Zauber wirkt schon. JOSÉ Sprich nicht mehr zu mir, schweige still! Nicht hör ich länger dich an! Nr. 9 Seguidilla und Duett CARMEN Draußen am Wall von Sevilla wohnet mein Freund Lillas Pastia, dort tanze ich die Seguidilla und trink Manzanilla! Dort bei meinem Freunde Lillas Pastia. Ach, besser ist es doch zu zweien, langweilig ist's allein zu sein, so soll mir, seinem Arm zu leihen, der Liebste mein Begleiter sein. Der Liebste mein? Ach, wenn ich ihn hätte! Ich jagt' ihn gestern erst davon! Mein armes Herz ist ohne Zweifel, frei, wie der Vogel in der Luft! |
Ich zähl die Liebsten dutzendweise, aber ich mag sie nicht. So schließt die Woche im Geleise, und wer mich liebt, den liebe ich. Wer kommt mir denn helfend entgegen, wer findet wohl das rechte Wort? 's ist nicht Zeit das zu überlegen, mit dem Liebsten muß schnell ich fort! Draußen am Wall von Sevilla, usw. JOSÉ Jetzt schweig - CARMEN Ich sprach ja nicht mit dir, ich sing für mich nur eben, dabei denk ich - das Denken, mein ich, ist wohl erlaubt. Ich denk an den Mann, lieb und wer t. An den Offizier, den ich lieb, mehr als mein Leben und dem mein Herz für ewge Zeit gehört. JOSÉ Carmen! CARMEN Mein Offizier ist, ich kann's nicht verhehlen, nicht Kapitän und nicht Leutnant, er ist nur Sergeant, doch, was hat ein Zigeunerkind auszuwählen? Bin zufrieden mit seinem Stand. JOSÉ (lockert die Stricke an Carmens Händen) |
Carmen, ach, mir schwinden die Sinne, kaum mehr weiß ich, was ich beginne, dein Versprechen es bindet dich. Wenn ich dich liebe, o Carmen! dann liebst du auch mich. CARMEN Ja... Wir tanzen dort die Seguidilla und trinken Manzanilla. JOSÉ Bei Lillas Pastia. Du hältst dein Wort? Carmen! Du hältst dein Wort? CARMEN Ach! Draußen am Wall von Sevilla, usw. (Mit ihren Händen hinter dem Rücken geht Carmen wieder zu ihrem Stuhl und setzt sich. Zuniga tritt ein.) Nr. 10 Finale ZUNIGA (zu José) Hier der Befehl! Nun geht und haltet gute Wache! CARMEN (beiseite zu José) Unterwegs geb ich dir einen Stoß |
mit der ganzen Kraft, und du lässest mich los. Strauchle dann, falle hin, das andere ist meine Sache. (Carmen stellt sich zwischen die beiden Dragoner, mit José an ihrer Seite. Die Mädchen und andere Personen kommen zurück auf die Bühne. Die Soldaten halten sie zurück. Carmen geht über die Bühne auf die Brücke zu.) Die Liebe von Zigeunern stammet, fragt nach Rechten nicht, Gesetz und Macht; liebst du mich nicht, bin ich entflammet, und wenn ich lieb nimm dich in acht! (Am Fuße der Brücke versetzt Carmen José einen Stoß, so daß er hinfällt. Verwirrung entsteht, und Carmen entflieht. In der Mitte der Brücke bleibt sie einen Augenblick lang sehen und wirft ihren Strick über die Brüstung der Brücke und läuft fort. Währenddessen umringen die Zigarettenmädchen Zuniga unter großem Gelächter.) Zwischenspiel |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |