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“Carmen” by Georges Bizet libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |
Der Abdruck des deutschen Librettos erfolgt mit der freundlichen Genehmigung des Bärenreiter-Verlages, Kassel. |
Nr. 18 Sextett und Chor Der Vorhang hebt sich und gibt den Blick auf eine wilde Gebirgsszenerie frei. (Es herrscht tiefe Dunkelheit in dieser völlig einsamen Gegend. Während der musikalischen Einleitung erscheint oben auf den Felsen ein Schmuggler, dann noch einer, danach zwei weitere und schließlich zwanzig; sie klettern über die Felsen. Einige tragen schwere Bündel auf ihren Schultern.) CHOR Nur mutig die Schlucht hinab, ihr Kameraden, dem, der waget, reicher Lohn gebührt. Doch behutsam auf rauhen Pfaden, ein falscher Tritt zum Abgrund führt. LE DANCAÏRE, LE REMENDADO, JOSÉ, CARMEN, MERCÉDÈS und FRASQUITA Trefflich belohnt die Mühe sich fürwahr; doch eh man an das Ziel gelangt, gilt's klug sein und verwegen. Wir führen hier ein Leben voll Gefahr; sie winket uns auf sonn'ger Höh, in tiefer Schlucht entgegen. Ob uns Blitze bedrohn oder tobt der Orkan, ob uns Felsen umstarren und Gießbäche schäumen, ob Soldaten wir finden auf unserer Bahn, die, in Dunkelheit spähend, die Pfade umsäumen, ohne Sorgen, nur mutig voran! |
ALLE Nur mutig die Schlucht hinab, usw. Rezitativ LE DANCAÏRE Ihr ruhet hier ein Stündchen aus, Kameraden! Wir wollen uns erst überzeugen, ob der Weg auch frei ist, am Walde die Bresche nicht mit Wachen besetzt ist. (Während dieser Szene kommen Carmen und José herein. Einige Zigeuner zünden ein Feuer an, in dessen Nähe Mercédès und Frasquita sich niederlassen. Die anderen hüllen sich in ihre Umhänge, legen sich hin und schlafen ein.) CARMEN (zu José) Worüber sinnest du? JOSÉ Ich erinnere mich, daß nicht weit von hier lebt eine brave Frau, die noch für ehrlich mich hält. Ach, leider täuscht sie sich! CARMEN Wer ist denn dieses Weibchen? JOSÉ Höre, Carmen, darüber laß jeden Scherz, 's ist meine Mutter! |
CARMEN Ei! nun! - geh doch wieder heim zu der Mutter; denn unser Handwerk paßt doch nicht für dich, und das beste wär wohl, wenn du heute noch gingest! JOSÉ Verlassen soll ich dich? CARMEN Und noch heute! JOSÉ Von dir mich trennen, Carmen? Sprichst du noch einmal solch ein Wort... CARMEN Willst du wohl gar mich morden? Seine Blicke! sie verzehren mich! Doch was liegt wohl daran? das Geschick mag sich erfüllen! Nr. 19 Terzett (Sie wendet sich von José ab und setzt sich zu Mercédès und Frasquita. Nach einem Moment der Unentschlossenheit geht José auch und streckt sich auf den Felsen aus. Während der zuletzt gewechselten Worte haben Mercédès und Frasquita Karten vor sich ausgebreitet.) |
MERCÉDÈS, FRASQUITA Mische! Hebe! Weissagen wir! Drei Karten sind da, viere hier; So lasset uns die Karten befragen, ja, ganz gewiß die Zukunft sie uns sagen; zeigt uns den Mann, der Liebe gesteht, und wer dies treue Herz verrät. O sagt, o sagt, o sagt! Nun denn, fang an. FRASQUITA Da, ein Jüngling, schmuck von Gestalt, sein Herz fühlt für mich süßes Wehe. MERCÉDÈS Der Meine ist reich, doch sehr alt, aber dennoch spricht er von Ehe. FRASQUITA Er entführt mich auf seinem Roß, sprengt mit mir in felsige Klause. MERCÉDÈS Ich sehe ein herrliches Schloß, in dem ich als Königin hause. FRASQUITA Ewig währ t die Liebe zu mir; jeder Tag bringt Lust nur und Freude. MERCÉDÈS Brillanten soviel ich nur mag. Silber und Gold, Perlen und Seide. FRASQUITA Wohl Hunderte folgen ihm nach, Banditenchef ist sein Gewerbe. |
MERCÉDÈS Da sieh! da sieh! und der Meinige! Ach! Ja! er stirbt! - Ach! ich bin Witwe und erbe. FRASQUITA und MERCÉDÈS (Reprise) Ach! Wie gut das ist, die Karten zu fragen, usw. (Sie beginnen wieder, die Karten zu befragen.) MERCÉDÈS Das Glück! FRASQUITA Die Lieb! CARMEN Laßt sehn, was für mich übrig blieb? (Sie fängt an, die Karten umzudrehen.) Carreau! Pique! - der Tod! Wohl les ich, was uns droht, früher für mich, später für ihn, der Tod! Wenn dir die Karten einmal bittres Unheil künden, vergebens mische sie, so oft du fragst, du wirst die gleiche Antwort finden, die Karten lügen nie! Ist dir bestimmt im Schicksalsbuch das Glück, der Segen, so mische unverzagt, stets auf dieselbe Art wird sich die Karte legen, die dir nur Gutes sagt. Hat aber prophezeit den Lebenslauf zu enden, des Schicksals Machtgebot, die Karten unerbittlich magst du drehn und wenden, sie künden stets den Tod. |
Dann mische zwanzigmal mit zitternd bangen Händen die Karten, unerbittlich, sie künden stets den Tod. (Sie deckt die Karten auf.) Mir droht der Tod, ewig der Tod. FRASQUITA und MERCÉDÈS Wie schön das ist, die Karten zu fragen, usw. CARMEN O düstres Los! Mir droht der Tod! Und mir der Tod! (Le Dancaïre und Le Remendado treten auf.) Rezitativ CARMEN Was gibt's? LE DANCAÏRE Wir wollen versuchen durchzukommen, hoffentlich wird's gehen! Ihr bleibt hier, José, bewachet unsre Waren. FRASQUITA Der Weg ist wohl nicht frei? LE DANCAÏRE Nein! Am Walle die Bresche, sie ist besetzt, drei Zöllner wachen dort, ich sah sie selbst! Ihr müßt uns von ihnen befrein! CARMEN Nehmet nur die Waren und geht! Ihr kommet durch, wir stehn dafür! |
Nr. 20 Ensemble CARMEN, MERCÉDÈS und FRASQUITA Ach, die Zöllner sind nur Sünder; lieben ja die Fraun und hübsche Kinder; und mancher spielt gerne den Galan, ach, laßt uns, wir schaffen freie Bahn. ALLE FRAUEN Ach, die Zöllner sind nur Sünder; usw. ALLE Zöllner sind Sünder! MERCÉDÈS Aber öfters zart und fein - ALLE Lieben die Fraun - CARMEN Werden uns auch günstig sein. ALLE - und hübsche Kinder. FRASQUITA Wollen ihrer Huld uns freun! MERCÉDÈS Ein braver Zöllner läßt uns zur Stadt hinein. ALLE Ach, die Zöllner sind nur Sünder, |
lieben ja die Fraun und hübsche Kinder, und mancher spielt gerne den Galan, ach, laßt uns, wir schaffen freie Bahn. CARMEN, FRASQUITA und MERCÉDÈS Hier gilt es nicht Kämpfe und Schlachten, es ist ein Krieg anderer Art, ein wenig schwärmen und schmachten, ein süßes Wort freundlich und zart. Sollten sie gar ein Küßchen verlangen, gibt man es auch, was liegt daran! ALLE FRAUEN Doch zum Ziele wird man gelangen, wir kommen durch, frei ist die Bahn. ALLE Die Zöllner sind ja doch nur Sünder, usw. (Alle gehen ab. Don José geht als letzter, er untersucht noch die Schußfertigkeit seines Karabiners; kurz bevor er verschwindet, sieht man, wie sich ein Mann hinter einem Felsen bewegt. Es ist Micaëlas Bergführer.) Rezitativ MICAËLA (umherblickend) Hier, in der Felsenschlucht sollen die Schmuggler hausen. Hier soll er sein, ich werd ihn sehn - Mir wird so bang an diesem Schreckensorte! |
Nr. 21 Arie MICAËLA Ich sprach, daß ich furchtlos mich fühle, und, trotz Gefahr, Mut meine Seele belebt; doch wenn ich auch die Tapfre spiele, vor Angst und Schreck mir das Herz erbebt. Wild ist der Ort, voll Grauen, und ich bin hier allein. Doch Mut - was zag ich noch? Ja, nur auf ihn dort will ich bauen, du wirst mich schützen, Herr, mein Gott! Jenem Weibe nah ich mit Bangen, das frech sein reines Herz getrübt, in ihrem Netze hält sie gefangen den Mann, den ich so heiß geliebt. Man sagt, sie sei schön und gefährlich. Ach! sie zu sehen, welche Pein! Vor sie tret ich offen und ehrlich: Ach, und Mut wird Gott der Schwachen leihn. Mein Gott, du wirst mir Mut verleihn! Ja, ich sprach, daß ich furchtlos mich fühle, usw. Beschütze mich! Herr, mein Gott, ja, auf dich will ich bauen. Rezitativ Doch täusch ich mich nicht? Dort, auf jenem Felsen, er ist's, José, José! Er scheint mich nicht zu sehn! (angsterfüllt) Doch was ist das? (Ein Schuß ist zu hören) Er legt an sein Gewehr - Gott! meiner Kraft hab ich allzuviel zugetraut. (Sie verschwindet hinter dem Felsen. Im selben Augenblick erscheint Escamillo, seinen Hut in der Hand haltend.) |
Nr. 22 Duett ESCAMILLO (untersucht seinen Hut) Eine Linie tiefer und alles wär vorbei! JOSÉ (mit seinem Messer in der Hand) Wer da? Stehet still! ESCAMILLO Ei! sachte nur; mein Freund! Ich bin Escamillo, Torero von Granada! JOSÉ Escamillo? ESCAMILLO Ich bin's! JOSÉ(steckt das Messer wieder ein) Hab gehört schon von Euch. Willkommen seid Ihr hier; doch wahrlich, es wär klüger, wenn nicht hierher Ihr kämt. ESCAMILLO Es war ein dummer Streich! Aber ich bin verliebt, mein Freund, will's ehrlich sagen, und in der Tat, es deucht kein echter Spanier mir; der für sein Liebchen nicht das Leben wollte wagen. JOSÉ Dieses Liebchen, o sprecht, ist es hier? |
ESCAMILLO Ganz gewiß! Zigeunerin so wie es scheint. JOSÉ Wie ist ihr Name? ESCAMILLO Carmen! JOSÉ Carmen! ESCAMILLO Carmen, ja mein Freund! Es hat bis jetzt ihr Herz einem Soldaten angehört, der ihr zu lieb verließ des Regimentes Fahne. Sie liebten sich - vorbei ist's, wie ich ahne, Carmens Liebe nie länger als sechs Wochen währt. JOSÉ Und doch seid Ihr verliebt? ESCAMILLO Verliebt, mein teurer Freund, zum Wahnsinn, verliebt, 's ist wohl verzeihlich. JOSÉ Doch wenn man ein Zigeunerkind dem Stamme entrissen, so zahlt man auch, das müßt Ihr wissen! ESCAMILLO Wie? Man bezahlt? Sei's - desto besser! |
JOSÉ Nur eine Münze gilt: Das blinkende Messer. ESCAMILLO Das blinkende Messer? JOSÉ Versteht Ihr wohl? ESCAMILLO Ach, der Fall ist ja klar. Und der Soldat, Ihr seid es ohne Zweifel, der Carmens Liebster ist oder war. JOSÉ Ja! - alle Teufel! ESCAMILLO Das freut mich wirklich sehr! So wagen wir den Kampf, er gereicht mir zur Ehr! (Beide ziehen ihre Messer und bedecken ihren linken Arm mit ihrem Umhang.) JOSÉ Ha, er wagt es, mich zu höhnen! Wild erwacht in mir die Wut. Sein Blut kann nur den Schimpf versöhnen, fließen soll sein Blut! ESCAMILLO Eitler Liebe wollt' ich frönen, und nun gilt es Kampfesmut. Ich finde statt der Schönen den Liebsten, das ist gut! |
BEIDE Mag der Kampf entscheiden, nun wehre dich! 's gilt einem von uns beiden, sei's Hieb, sei's Stich! Mag der Kampf entscheiden, nun wehre dich! (Sie kämpfen. Der Matador gleitet aus und fällt hin. Carmen und Le Dancaïre treten auf; sie eilt vorwärts und hält José zurück. Der Matador steht wieder auf; Le Remendado, Mercédès und die Schmuggler sind inzwischen hinzugekommen.) Nr. 23 Finale CARMEN Halt ein! halt ein! José! ESCAMILLO Ach, der Gedanke macht mich beben, daß Carmen selbst es war; die rettete mein Leben! (zu Don José) Mein Soldat! lebe wohl! Auf baldiges Wiedersehen. Das Messer in der Hand, wir uns entgegen stehen, bestimm den Tag, wo sich der Kampf erneuern soll. LE DANCAÏRE Es ist genug, laßt jetzt den Streit! Wißt, wir müssen nun fort, mein Freund, (zu Escamillo) entferne dich, es ist Zeit! ESCAMILLO Nur noch ein Wort, bevor ich zu gehen bin bereit: |
Ich lad euch alle ein, dor t in Sevillas Mauern zum nächsten Stiergefecht, wo gefeiert ich bin, und ich sag nur ein Wort: Wer mich liebt, der ist dort! (zu Don José, der eine drohende Geste macht) Mein Freund, was soll das Lauern? Was ich sprach, ja, hat offnen Sinn, hier meine Freundeshand, zum Abschied nehmet hin. (Escamillo geht langsam ab. Don José will sich auf ihn stürzen, wird aber von Le Dancaïre und Le Remendado zurückgehalten.) JOSÉ (zu Carmen) Hüte dich wohl, Carmen! müde bin ich der Qual! (Carmen antwortet ihm mit einem leichten Achselzucken und geht.) LE DANCAÏRE Nun vorwärts, ihr Freunde, hinab ins Tal! ALLE Nun vorwärts, ihr Freunde hinab ins Tal! LE REMENDADO Halt! Zwischen den Felsen hat jemand sich versteckt. (Er zieht Micaëla aus ihrem Versteck.) CARMEN Ha, ein Weib ist's! LE DANCAÏRE Der Fang trifft sich gut, das muß ich sagen! JOSÉ Micaëla! |
MICAËLA Don José! JOSÉ Wie kannst du's wagen? Sag an, was suchst du hier? MICAËLA Ich, José, ich suchte dich. Im Tal steht eine Hütte, wo verlassen, allein, Gott vertrauend ihre Bitte, eine Mutter harret dein; wo sie bang mit heißen Tränen ihre Arme streckt aus nach dir. Stille doch dieses Sehnen, José! Ach José! komm mit mir! CARMEN So geh, mir ist es recht. Du taugst für unser Handwerk schlecht! JOSÉ Wie? Du sagst ich soll scheiden? CARMEN Ja, besser ist's, du gehst. JOSÉ Soll auf ewig dich meiden? Damit du, verratend meine Liebe, dem andern dich kannst weihn? Nein, nein, nein! Und mag mich der Tod ereilen! Nein, ich bleibe, Carmen, ich weiche nicht! |
Ja, die Ketten sollst du teilen, bis der Tod sie selber bricht. Und mag mich der Tod ereilen! usw. MICAËLA Nicht länger sollst du hier verweilen, die innre Stimme spricht; zu der Mutter sollst du eilen, denk an des Sohnes Pflicht. FRASQUITA, MERCÉDÈS, LE REMENDADO, LE DANCAÏRE und CHOR. Die Gefahr wird dich ereilen, hörst unsre Warnung du nicht. Nein, du darfst nicht länger weilen, Don José, leiste Verzicht! JOSÉ (zu Micaëla) Lasse mich! MICAËLA O hör, José! JOSÉ Ich bin ver flucht! FRASQUITA, MERCÉDÈS, LE REMENDADO, LE DANCAÏRE und CHOR José, o schweige! JOSÉ (zu Carmen) Ah, du bist mein, Tochter der Hölle, ging's von hier in des Abgrunds tiefen Schoß, treffe uns an gleicher Stelle vereinet dasselbe Los, |
und mag mich der Tod ereilen. Nein, nein, nein, Carmen, ich weiche nicht! CHOR Nimm dich in acht, Don José! MICAËLA Ein letztes Wort noch höre, bevor wir ewig scheiden! Die Mutter stirbt, erliegen wird sie ihren Leiden; willst du sie nicht mehr sehn, um Vergebung sie flehn? JOSÉ Sie stirbt! Ach, meine Mutter! MICAËLA Ja, Don José! JOSÉ O Schmerzensgewalt! (zu Carmen) Sei zufrieden - ich geh, doch wir sehen uns bald! (Er eilt mit Micaëla davon.) ESCAMILLO (in der Ferne) Auf in den Kampf, Torero! usw. (José bleibt hinten auf den Felsen stehen. Er zögert einen Augenblick, geht dann aber mit Micaëla fort. Carmen eilt in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Die Zigeuner nehmen ihre Bündel und machen sich zum Aufbruch bereit.) Zwischenspiel |
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