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Der fliegende Holländer” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
ZWEITER AUFZUG

ERSTE SZENE

(Ein grosses Zimmer im Hause Dalands; an den Wänden Bilder von Seegegenständen, Karten usw. An der Wand Hinterwand das Bildnis eines bleichen Mannes mit dunklem Barte und in schwarzer spanischer Tracht. Mary und die Mädchen sitzen um den Kamin herum und spinnen; Senta, in einem Grossvaterstuhle zurückgelehnt, ist im träumerisches Anschauen des Bildnisses im Hintergrunde versunken)

DIE MÄDCHEN
Summ und brumm, du gutes Rädchen,
munter, munter, dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ und brumm!
Mein Schatz ist auf dem Meere draus,
er denkt nach Haus
ans fromme Kind;
mein gutes Rädchen, braus und saus!
Ach, gäbst du Wind,
er käm geschwind.
Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm! Summ!
Gutes Rädchen!
Tralaralalalala!

MARY
Ei, fleissig, fleissig, wie sie spinnen!
Will jede sich den Schatz gewinnen.

DIE MÄDCHEN
Frau Mary, still! Denn wohl ihr wisst,
das Lied noch nicht zu Ende ist!

MARY
So singt! Dem Rädchen lässt's nicht Ruh. -

(zu Senta)

Du aber, Senta, schweigst dazu?

DIE MÄDCHEN
Summ und brumm, du gutes Rädchen,
munter, munter dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ und brumm!
Mein Schatz da draussen auf dem Meer,
im Süden er
viel Gold gewinnt;
ach, gutes Rädchen, saus noch mehr! -
Er gibt's dem Kind,
wenn's fleissig spinnt!
Spinnt! Spinnt!
Fleissig, Mädchen!
Brumm! Summ!
Gutes Rädchen!
Tralaralalalala!

MARY
(zu Senta)
Du böses Kind! Wenn du nicht spinnst,
vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.

DIE MÄDCHEN
Sie hat's nicht not, dass sie sich eilt;
ihr Schatz nicht auf dem Meere weilt:
bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild,
man weiss ja, was ein Jäger gilt!

(Sie lachen.Senta, ohne ihre Stellung zu verlassen, singt leise einen Vers aus der folgenden Ballade vor sich hin)

MARY
Da seht ihr! Immer vor dem Bild! -

(zu Senta)

Willst du dein ganzes junges Leben
verträumen vor dem Konterfei?

SENTA
(ohne ihre Stellung zu verlassen)
Was hast du Kunde mir gegeben,
was mir erzählet, wer er sei...

(seufzend)

der arme Mann!

MARY
Gott sei mit dir!

DIE MÄDCHEN
Ei, ei! Ei, ei! Was hören wir!
Sie seufzet um den bleichen Mann!

MARY
Den Kopf verliert sie noch darum!

DIE MÄDCHEN
Da sieht man, was ein Bild doch kann!

MARY
Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm!
Komm! Senta! Wend dich doch herum!
DIE MÄDCHEN
Sie hört euch nicht! Sie ist verliebt!
Ei, ei! Wenn's nur nicht Händel gibt!
Denn Erik hat gar heisses Blut,
dass er nur keinen Schaden tut!
Sagt nichts! Er schiesst sonst wutentbrannt
den Nebenbuhler von der Wand!

(Sie lachen)

SENTA
(heftig auffahrend)
O schweigt mit eurem tollen Lachen!
Wollt ihr mich ernstlich böse machen?

DIE MÄDCHEN
(fallen ein, indem sie in komischem
Eifer die Spinnräder heftig und mit
grossem Geräusch drehen, gleichsam
um Senta nicht Zeit zum Schmälen zu lassen)


Summ und brumm, Du gutes Rädchen,
munter, munter dreh dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen!
Gutes Rädchen, summ und brumm!

SENTA
(ärgerlich unterbrechend)
O, macht dem dummen Lied ein Ende!
Es brummt und summt nur vor dem Ohr.
Wollt ihr, dass ich mich zu euch wende,
so sucht was besseres hervor!

DIE MÄDCHEN
Gut! Singe du!
SENTA
Hört, was ich rate; -
Frau Mary singt uns die Ballade.

MARY
Bewahre Gott! das fehlte mir!
Den fliegenden Holläender lasst in Ruh!

SENTA
Wie oft doch hört' ich sie von dir!

MARY
Bewahre Gott, das fehlte mir!

SENTA
Ich sing sie selbst! Hört, Mädchen, zu!
Lasst mich's euch recht zum Herzen führen:
des Ärmsten Los - es muss euch rühren!

DIE MÄDCHEN
Uns ist es recht!

SENTA
Merkt auf die Wort'!

DIE MÄDCHEN
Dem Spinnrad Ruh!

MARY
(ärgerlich)
Ich spinne fort!

(Die Mädchen rücken, nachdem sie ihre Spinnräder beiseite gesetzt haben, die Sitze dem Grossvaterstuhle näher und gruppieren sich um Senta. Mary bleibt am Kamin sitzen und spinnt fort)

SENTA
(im Grossvaterstuhl)
(BALLADE)
I.

Johohoe! Johohohoe!
Hohohoe! Johoe!
Traft ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr, wacht ohne Rast.
Hui! Wie saust der Wind! Johohe!
Hui! Wie pleift's im Tau! Johohe!
Hui! Wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!
Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,
fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! -
Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm halt'!
(Gegen Ende des Verses hehrt Senta sich gegen
das Bild. Die Mädchen hören teilnahmvoll zu;
Mary hat aufgehört zu spinnen)


II.

Bei bösem Wind und Sturmeswut
umsegeln wollt' er einst ein Kap;
er flucht' und schwur mit tollem Mut:
"in Ewigkeit lass' ich nicht ab!" -
Hui! Und Satan hört's! Johohe!
Hui! Nahm ihm beim Wort! Johohe!
Hui! Und verdammt zieht er nun
durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh! -
Doch, dass der arme Mann noch Erlösung fände auf Erden,
zeigt' Gottes Engel an, wie sein Heil ihm einst könnte werden:

Ach, könntest du, bleicher Seemann, es finden!
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm halt'!

DIE MÄDCHEN
(gerührt und ergriffen)
Ach! könntest du, bleicher Seemann, es finden!
Betet zum Himmel!

SENTA
(fährt mit immer zunehmender
Aufregung fort)


III.

Vor Anker alle sieben Jahr,
ein Weib zu frein, geht er ans Land; -
er freite alle sieben Jahr,
noch nie ein treues Weib er fand.
Hui! "Die Segel auf!" Johohe!
Hui! "Den Anker los!" Johohe!
Hui! "Falsche Lieb', falsche Treu'!
Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh!"

(Senta, zu heftig angegriffen, sinkt in den Stuhl zurück)

DIE MÄDCHEN
(singen nach einer Pause tief
ergriffen leise weiter)


Ach! wo weilt sie, die dir Gottes Engel einst könnte zeigen?
Wo triffst du sie, die bis in den Tod dein bleibe treueigen?

SENTA
(von plötzlicher Begeisterung
hingerissen, springt vom Stuhle auf)


Ich sei's, die dich durch ihre Treu' erlöse!
Mög' Gottes Engel mich dir zeigen!
Durch mich sollst du das Heil erreichen!

MARY UND DIE MÄDCHEN
(erschreckt aufspringend)
Hilf, Himmel! Senta! Senta!

ERIK
(ist zur Türe hereingetreten
und hat Sentas Ausruf vernommen)

Senta! Willst du mich verderben?

DIE MÄDCHEN
Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!

MARY
Ich fühl in mir das Blut gerinnen!
Abscheulich Bild, du sollst hinaus!
Kommt nur der Vater erst nach Haus!

ERIK
(düster)
Der Vater kommt.

SENTA
(die in ihrer letzten Stellung verblieben
und von allem nichts vernommen hatte,
wie erwachend und freudig auffahrend)

Der Vater kommt?

ERIK
Vom Felsen seh sein Schiff ich nahn.

DIE MÄDCHEN
(voll Freude)
Sie sind daheim! Sie sind daheim!

MARY
(in grosser Geschäftigkeit)
Nun seht, zu was eu'r Treiben frommt!
Im Hause ist noch nichts getan!

DIE MÄDCHEN
Sie sind daheim! Auf, eilt hinaus!

MARY
(die Mädchen zurückhaltend)
Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!

Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen.
In Küch' und Keller Säumet nicht!

DIE MÄDCHEN
Ach! Wie viel hab ich ihn zu fragen!
Ich halte mich vor Neugier nicht!

MARY
Lasst euch nur von der Neugier plagen!
Vor allem geht an eure Pflicht!

DIE MÄDCHEN
Schon gut! Sobald nur aufgetragen,
hält hier uns länger keine Pflicht.

(Mary hat die Mädchen hinausgetrieben und ist ihnen gefolgt)

ZWEITE SZENE

(Senta will ebenfalls fort; Erik hält sie zurück)

ERIK
Bleib, Senta! Bleib nur einen Augenblick!
Aus meinen Qualen reisse mich! Doch willst du,
ach! so verdirb mich ganz!

SENTA
(zögernd)
Was ist...? Was soll?

ERIK
O Senta, sprich, was aus mir werden soll?
Dein Vater kommt: eh' wieder er verreist,
wird er vollbringen, was schon oft er wollte...

SENTA
Und was meinst du?

ERIK
(mit Entschluss und Verzweiflung)
Dir einen Gatten geben!
Mein Herz, voll Treue bis zum Sterben,
mein dürftig Gut, mein Jägerglück; -
darf so um deine Hand ich werben?
Stösst mich dein Vater nicht zurück? -
Wenn dann mein Herz im Jammer bricht,
sag, Senta, wer dann für mich spricht?

SENTA
Ach, schweige, Erik, jetzt! Lass mich hinaus,
den Vater zu begrüssen!
Wenn nicht, wie sonst, an Bord die Tochter kommt,
wird er nicht zürnen müssen?

ERIK
Du willst mich fliehn?

SENTA
Ich muss zum Bord.

ERIK
Du weichst mir aus!

SENTA
Ach, lass mich fort!

ERIK
Fliehst du zurück vor dieser Wunde,
die du mir schlugst, dem Liebeswahn?
O, höre mich zu dieser Stunde!
Hör' meine letzte Frage an:
Wenn dieses Herz im Jammer bricht,
wird's Senta sein, die für mich spricht?

SENTA
Wie? Zweifelst du an meinem Herzen?
Du zweifelst, ob ich gut dir bin?
O sag, was weckt dir solche Schmerzen?
Was trübt mit Argwohn deinen Sinn?

ERIK
Dein Vater, ach! nach Schätzen geizt er nur!
Und Senta, du - wie dürft ich auf dich zählen?
Erfülltest du nur eine meiner Bitten?
Kränkst du mein Herz nicht jeden Tag?

SENTA
Dein Herz?

ERIK
Was soll ich denken! - Jenes Bild...

SENTA
Das Bild?

ERIK
Lasst du von deiner Schwärmerei wohl ab?

SENTA
Kann meinem Blick Teilnahme ich verwehren?

ERIK
Und die Ballade, - heut noch sangst du sie!

SENTA
Ich bin ein Kind und weiss nicht, was ich singe!
O sag, wie? Fürchtest du ein Lied, ein Bild?

ERIK
Du bist so bleich, sag', sollte ich's nicht fürchten?

SENTA
Soll mich des Ärmsten Schreckenslos nicht rühren?

ERIK
Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?

SENTA
O, prahle nicht! Was kann dein Leiden sein?
Kennst jenes Unglücksel'gen Schicksal du?

(Sie führt Erik dicht vor das Bild
und deutet darauf)


Fühlst du den Schmerz, den tiefen Gram,
mit dem herab auf mich er sieht?
Ach, was die Ruhe für ewig ihm nahm,
wie schneidend Weh durchs Herz mir zieht!

ERIK
Weh mir! Es mahnt mich mein unsel'ger Traum!
Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!

SENTA
Was erschreckt dich so?

ERIK
Senta, lass dir vertraun!
Ein Traum ist's! Hör ihn zur Warnung an!

(Senta setzt sich erschöpft in den Lehnstuhl nieder; bei dem Beginn von Eriks Erzählung versinkt sie wie in magnetischen Schlaf, so dass es scheint, als träume sie den von ihm erzählten Traum ebenfalls. Erik steht an den Stuhl gelehnt zur Seite)

ERIK
(mit gedämpfter Stimme)
Auf hohem Felsen lag ich träumend,
sah unter mir des Meeres Flut;
die Brandung hört'ich, wie sich schäumend
am Ufer brach der Wogen Wut!
Ein fremdes Schiff am nahen Strande
erblickt ich, seltsam, wunderbar;
zwei Männer nahten sich dem Lande,
der ein', ich sah's, dein Vater war.

SENTA
(mit geschlossenen Augen)
Der andre?

ERIK
Wohl erkannt ich ihn;
mit schwarzen Wams, bleicher Mien'...

SENTA
(wie zuvor)
Der düstre Blick...

ERIK
(auf das Bild deutend)
der Seemann, er.

SENTA
Und ich?

ERIK
Du kamst vom Hause her,
du flogst, den Vater zu begrüssen; -
doch kaum noch sah ich an dich langen,
du stürztest zu des Fremden Füssen;
ich sah dich seine Knie umfangen...

SENTA
(mit steigender Spannung)
Er hub mich auf...

ERIK
An seine Brust;
voll Inbrunst hingst du dich an ihn, -
du küsstest ihn mit heisser Lust...

SENTA
Und dann?

ERIK
(Senta mit unheimlicher
Verwunderung anblickend)

Sah ich aufs Meer euch fliehn.

SENTA
(schnell erwachend,
in höchster Begeisterung)


Er sucht mich auf! Ich muss ihn sehn!

ERIK
Entsetzlich! Mir wird es klar!

SENTA
Mit ihm muss ich zugrunde gehn!

ERIK
Sie ist dahin! mein Traum sprach wahr!

(Erik stürzt voll Verzweiflung und Entsetzen ab. Senta, nach dem Ausbruch ihrer Begeisterung in stummes Sinnen versunken, verbleibt in ihrer Stellung, den Blick auf das Bild geheftet)

SENTA
(leise, aber tief ergriffen)
Ach, möchtest du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald
ein Weib Treue ihm...

(Die Tü geht auf. Daland und der Holländer zeigen sich)

DRITTE SZENE

(Der Holländer ist sogleich eingetreten; Sentas Blick streift von dem Bilde auf ihn, - sie stösst einen gewaltigen Schrei der Überraschung aus und bleibt wie festgebannt stehen, ohne ihr Auge vom Holländer abzuwenden. Der Holländer schreitet, die Augen auf Senta geheftet, langsam in den Vordergrund)

(Daland ist unter der Tür stehengeblieben und scheint zu erwarten, dass ihm Senta entgegenkomme)

DALAND
(sich Senta allmählich nähernd)
Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle:
Wie? Kein Umarmen? Keinen Kuss?
Du bleibst gebannt an deiner Stelle:
Verdien ich, Senta, solchen Gruss?

SENTA
(als Daland bei ihr anlangt,
ergreift sie seine Hand)


Gott dir zum Gruss!

(ihn näher an sich ziehend)

Mein Vater, sprich!
Wer ist der Fremde?

DALAND
(lächelnd)
Drängst du mich?

Mögst du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heissen!
Seemann ist er, gleich mir, das Gastrecht spricht er an.
Lang ohne Heimat, stets auf fernen, weiten Reisen,
in fremden Landen er der Schätze viel gewann.
Aus seinem Vaterland verwiesen,
für einen Herd er reichlich lohnt.
Sprich, Senta, würd es dich verdriessen,
wenn dieser Fremde bei uns wohnt?

(Senta nickt beifällig mit dem Kopf)

DALAND
(wendet sich zum Holländer)
Sagt, hab ich sie zuviel gepreisen?
Ihr seht sie selbst, ist sie euch recht?
Soll ich von Lob noch überfliessen?
Gesteht, sie zieret ihr Geschlect?

(Der Holländer macht eine bejahende Bewegung)

DALAND
(wendet sich wieder zu Senta)
Mögst du, mein Kind, dem Manne freundlich dich erweisen;
von deinem Herzen auch spricht holde Gab er an;
reich ihm die Hand, denn Bräutigam sollst du ihn heissen!
Stimmst du der Vater bei, ist morgen er dein Mann.

(Senta macht eine zuckende, schmerzliche
Bewegung; ihre Haltung bleibt aber ruhig.
Daland zieht einen Schmuck hervor
und zeigt ihn Senta)


Sieh dieses Band, sieh diese Spangen!
Was er besitzt, macht dies gering.
Muss, teures Kind, dich's nicht verlangen?
Dein ist es, wechselst du den Ring.

(Senta, ohne Daland zu beachten,
wendet ihren Blick nicht vom Holländer ab,
sowie auch dieser nur in Sentas Anblick
versunken ist. Daland wird es gewahr)


Doch keines spricht!... Sollt' ich hier lästig sein?
So ist's! Am besten lass' ich sie allein.

(Er betrachtet den Holländer und Senta
aufmerksam und wendet sich dann zu Senta)


Mögst du den edlen Mann gewinnen!
Glaub mir, solch Glück wird nimmer neu!

(zum Holländer)

Bleibt hier allein! Ich geh von hinnen: -
Glaubt mir, wie schön, so ist sie treu!
(Daland entfernt sich langsam, indem er Senta un den Holländer in der neugierigen Erwartung, ob sie sich einander nähern werden, eine Zeitlang beobachtet; endlich geht er in verdriesslicher Verwunderung ab. Er blickt noch einmal ins Zimmer und schliesst dann die Tür. Der Holländer und Senta sind allein; sie bleiben bewegungslos, in ihren gegenseitigen Anblick versunken auf ihrer Stelle)

HOLLÄNDER
(tief ergriffen)
Wie aus der Ferne längst vergangner Zeiten
spricht dieses Mädchens Bild zu mir:
wie ich's geträumt seit bangen Ewigkeiten,
vor meinen Augen seh ich's hier. -
Wohl hub auch ich voll Sehnsucht meine Blicke
aus tiefer Nacht empor zu einem Weib:
ein schlagend Herz liess, ach! mir Satans Tücke,
dass eingedenk ich meiner Qualen bleib.
Die düstre Glut, die hier ich fühle brennen,
sollt ich Unseliger sie Liebe nennen?
Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil: -
würd es durch solchen Engel mir zuteil!

SENTA
Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?
Was ich erblicke, ist's ein Wahn?
Weilt' ich bisher in trügerischen Räumen?
Brach des Erwachens Tag heut an?
Er steht vor mir, mit leidenvollen Zügen,
es spricht sein unerhörter Gram zu mir:
kann tiefen Mitleids Stimme mich belügen?
Wie ich ihn oft gesehn, so steht er hier.
Die Schmerzen, die in meinem Busen brennen,
ach, dies Verlangen, wie soll ich es nennen?
Wonach mit Sehnsucht es dich treibt, das Heil,
würd es, du Ärmster, dir durch mich zuteil!

HOLLÄNDER
(schreitet, sich Senta etwas näernd,
einige Schritte nach der Mitte)


Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?
Was er versprach, wie, dürft es gelten?
Du könntest dich für ewig mir ergeben,
und deine Hand dem Fremdling reichtest du?
Soll finden ich, nach qualenvollen Leben
in deiner Treu' die langersehnte Ruh?

SENTA
Wer du auch seist, und welches das Verderben,
dem grausam dich dein Schicksal konnte weihn,
was auch das Los, das ich mir sollt' erwerben,
gehorsam stests werd ich dem Vater sein!

HOLLÄNDER
(gerührt)
So unbedingt, wie? könnte dich durchdringen
für meine Leiden tiefstes Mitgefühl?

SENTA
(für sich)
O, welche Leiden? Könnt ich Trost dir bringen!

HOLLÄNDER
(der Sentas Ausruf vernommen)
Welch holder Klang im nächtigen Gewühl!

(hingerissen)

Du bist ein Engel, eines Engels Liebe
Verworfne selbst zu trösten weiss!

Ach, wenn Erlösung mir zu hoffen bliebe,
(niederkniend)
Allewiger, durch diese sei's!

SENTA
Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
Allewiger, durch mich nur sei's!

HOLLÄNDER
(erhebt sich heftig)
Ach, könntest das Geschick du ahnen,
dem dann mit mir du angehörst,
dich würd es an das Opfer mahnen,
das du mir bringst, wenn Treu' du schwörst:
Es flöhe schaudernd deine Jugend
dem Lose, dem du sie willst weihn,
nennst du des Weibes schönste Tugend,
nennst ew'ge Treue du nicht dein!

SENTA
Wohl kenn ich Weibes heil'ge Pflichten;
sei drum gestrost, unsel'ger Mann!
Lass über die das Schicksal richten,
die seinem Spruche trotzen kann!
In meines Herzens höchster Reine
kenn ich der Treue Hochgebot.
Wem ich sie weih, schenk ich die eine;
die Treue bis zum Tod.

HOLLÄNDER
(mit Erhebung)
Ein heil'ger Balsam meinen Wunden
dem Schwur, dem hohen Wort entfliesst.
Hört es: mein Heil hab ich gefunden,
ihr Mächte, die ihr zurück mich stiesst!
Du, Stern des Unheils, sollst erblassen!
Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!
Ihr Engel, die mich einst verlassen,
stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu!

SENTA
Von mächt'gem Zauber überwunden,
reisst mich's zu seiner Rettung fort;
hier habe Heimat er gefunden,
hier ruh sein Schiff in sichrem Port!
Was ist's, das mächtig in mir lebet?
Was schliesst berauscht mein Busen ein?
Allmächt'ger, was so hoch mich erhebet,
lass es die Kraft der Treue sein!

DALAND
(tritt wieder auf)
Verzeiht! Mein Volk hält draussen sich nicht mehr;
nach jeder Rückkunft, wisset, gibt's ein Fest:
verschönern möcht ich's, komme deshalb her, -
ob mit Verlobung sich's vereinen lässt?
(zum Holländer)

Ich denk, ihr habt nach Herzenswunsch gefreit? -

(zu Senta)

Senta, mein Kind sag, bist auch du bereit?

SENTA
(mit feierlicher Entschlossenheit)
Hier meine Hand! Und ohne Reu'
bis in den Tod gelob ich Treu'!

HOLLÄNDER
Sie reicht die Hand! Gesprochen sei
Hohn, Hölle, dir! Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu'!

DALAND
Euch soll dies Bündnis nicht gereun!
Zum Fest! Heut soll sich alles freun!

(Der Vorhang fällt)

libretto by Richard Wagner 
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug

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