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“Die Walküre” by Richard Wagner libretto (German)
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |
Erste Scene (Der Vorhang geht auf. Auf dem Gipfel eines Felsenberges. Rechts begränzt ein Tannenwald die Scene. Links der Eingang einer Felsenhöhle: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange.) (Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei. Gerhilde, Ortlinde, Waltraute und Schwertleite haben sich auf der Felsenspitze über der Höhle gelagert: sie sind in voller Waffen rüstung.) Gerhilde (zu höchst gelagert, dem Hintergrunde zurufend, wo ein starkes Gewölk herzieht) Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! Helmwige! Hier! Hieher mit dem Roß! Helmwige (im Hintergrunde, von außen) Hojotoho! Hojotoho! Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! (In dem Gewölk bricht Blitzesglanz aus; eine Walküre zu Roß wird in ihm sichtbar: über ihrem Sattel hängt ein erschlagener Krieger. Die Erschein- ung zieht, immer näher, am Felsensaume von links nach rechts vorbei.) |
Gerhilde, Waltraute, Schwertleite (alle drei der Ankommenden entgegen rufend) Heiaha! Heiaha! (Die Wolke mit der Erscheinung ist rechts hinter dem Tann verschwunden.) Ortlinde (in den Tann hinein rufend) Zu Ortlindes Stute stell' deinen Hengst: mit meiner Grauen gras't gern dein Brauner! Waltraute (hinein rufend) Wer hängt dir im Sattel? Helmwige (aus dem Tann auftretend) Sintolt, der Hegeling! Schwertleite Führ' deinen Brauen fort von der Grauen: Ortlindes Mähre trägt Wittig, den Irming! Gerhilde (ist etwas näher herabgestiegen) Als Feinde nur sah' ich Sintolt und Wittig! Ortlinde (springt auf) Heiaha! Heiaha! Die Stute stößt mir der Hengst! (Sie läuft in den Tann.) |
Helm., Ger., Schw. (lachend) Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Gerhilde Der Recken Zwist entzweit noch die Rosse! Helmwige (in den Tann zurückrufend) Ruhig Brauner! brich' nicht den Frieden. Waltraute (auf der Höhe, wo sie für Gerhilde die Wacht übernommen) Hoioho! Hoioho! (nach rechts in den Hintergrund rufend) Siegrune, hier! Wo säum'st du so lang? (Sie lauscht nach rechts.) Siegrune (von außen, von der rechten Seite des Hintergrundes her) Arbeit gab's! Sind die And'ren schon da? Schwertleite (nach rechts in den Hintergrund rufend) Hojotoho! Waltraute (ebenso) Hojotoho! Gerhilde (ebenso) Heiaha! |
Waltraute, Schwertleite Heiaha! (Ihre Gebärden sowie ein heller Glanz hinter dem Tann, zeigen an, daß soeben Siegrune dort angelangt ist.) Grimgerde (von links im Hintergrunde, von außen) Hojotoho! Roßweiße (von eben daher, von außen) Hojotoho! Grimgerde, Roßweiße Heiaha! Waltraute (nach links) Grimgerd' und Roßweiße! Gerhilde (ebenso) Sie reiten zu zwei. (In einem blitz-erglänzenden Wolkenzuge, der von links her vorbeizieht, erscheinen Roßweiße und Grim- gerde, ebenfalls auf Rossen, jede einen Erschlagenen im Sattel führend. Helmwige, Ortlinde und Siegrune sind aus dem Tann getreten, und winken vom Felsen- Saume den Ankommenden zu.) Helm., Ort., Siegr. Gegrüßt, ihr Reissige! Roßweiß' und Grimgerde! Roßweiße, Grimgerde (von außen) Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! (Die Erscheinung verschwindet hinter dem Tann.) |
Die sechs anderen Walküren Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! Hojotoho! Heiaha! Hojotoho! Heiaha! Hojotoho! Heiaha! Hojotoho! Heiaha! Heiaha! Heiaha! Gerhilde (in den Tann rufend) In Wald mit den Rossen zu Rast und Weid! Ortlinde (ebenfalls in den Tann rufend) Führet die Mähren fern von einander, bis uns'rer Helden Haß sich gelegt! Waltraute, Schwertleite (lachend) Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Gerhilde, Siegrune (lachend) Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Helmwige Der Helden Grimm büßte schon die Graue! Wal., Schw., Helm., Ger. (lachend) Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Ortlinde, Siegrune (lachend) Ha ha ha ha ha ha ha ha ha ha! Roßweiße, Grimgerde (aus dem Tann tretend) Hojotoho! Hojotoho! |
Die sechs anderen Walküren Willkommen! Willkommen! Die acht Walküren Willkommen! Schwertleite War't ihr Kühnen zu zwei? Grimgerde Getrennt ritten wir, und trafen uns heut. Roßweiße Sind wir alle versammelt, so säumt nicht lange: nach Walhall brechen wir auf, Wotan zu bringen die Wal. Helmwige Acht sind wir erst: eine noch fehlt. Gerhilde Bei dem braunen Wälsung weilt wohl noch Brünnhild'! Waltraute Auf sie noch harren müssen wir hier: Walvater gäb' uns grimmigen Gruß, säh' ohne sie er uns nah'n! Siegrune (auf der Warte) Hojotoho! Hojotoho! (in den Hintergrund rufend) Hieher! Hieher! (zu den Andern) In brünstigem Ritt jagt Brünnhilde her. (Alle eilen auf die Warte.) |
Die acht Walküren Hojotoho! Hojotoho! Heiaha! Brünnhilde, hei! (Sie spähen mit wachsender Verwunderung.) Waltraute Nach dem Tann lenkt' sie das taumelnde Roß. Grimgerde Wie schnaubt Grane vom schnellen Ritt! Roßweiße So jach sah' ich nie Walküren jagen! Ortlinde Was hält sie im Sattel? Helmwige Das ist kein Held! Siegrune Eine Frau führt sie. Gerhilde Wie fand sie die Frau? Schwertleite Mit keinem Gruß grüßt sie die Schwestern! Waltraute (hinabrufend, sehr stark) Heiaha! Brünnhilde! hörst du uns nicht? Ortlinde Helft der Schwester vom Roß sich schwingen! |
Helmwige, Gerhilde (beide nach dem Tann laufend) Hojotoho! Hojotoho! Siegrune, Roßweiße (ihnen nach laufend) Hojotoho! Hojotoho! Die fier anderen Walküren Heiaha! Heiaha! Waltraute (in den Tann blickend) Zu Grunde stürzt Grane der Starke! Grimgerde Aus dem Sattel hebt sie hastig das Weib! (Alle in den Tann laufend.) Ort., Wal., Grim., Schw. Schwester! Schwester! was ist gescheh'n? (Alle Walküren kehren auf die Bühne zurück; mit ihnen kommt Brünnhilde, Sieglinde unterstützend und hereingeleitend.) Brünnhilde (athemlos) Schützt mich, und helft in höchster Noth! Grim., Siegr., Ger., Helm. Wo rittest du her in rasender Hast? Ortl., Wal., Roß., Schw. So flieht nur wer auf der Flucht! Siegrune Bist du in Flucht? Brünnhilde Zum erstenmal flieh' ich und bin verfolgt: Heervater hetzt mir nach! (Alle Walküren heftig erschreckend.) |
Helm., Ger., Siegr., Grim. Bist du von Sinnen? Sage uns! Wie? Flieh'st du vor ihm? Ort., Wal., Roß., Schw. Ha! Sprich! Verfolgt dich Heervater? O sag'! Brünnhilde (wendet sich ängstlich, um zu spähen, und kehrt wieder zurück) O Schwestern, späht von des Felsens Spitze! Schaut nach Norden, ob Walvater naht! (Ortlinde und Waltraute springen auf die Felsen- spitze zur Warte.) Brünnhilde Schnell! Seht ihr ihn schon? Ortlinde Gewittersturm naht von Norden. Waltraute Starkes Gewölk staut sich dort auf! Die anderen sechs Walküren Heervater reitet sein heiliges Roß! Brünnhilde Der wilde Jäger, der wüthend mich jagt, er naht, er naht von Norden! Schützt mich, Schwestern! Wahret dies Weib! Sechs Walküren Was ist mit dem Weibe? |
Brünnhilde Hört mich in Eile: Sieglinde ist es, Siegmunds Schwester und Braut: gegen die Wälsungen wüthet Wotan in Grimm; dem Bruder sollte Brünnhilde heut entziehen den Sieg; doch Siegmund schützt' ich mit meinem Schild, trotzend dem Gott; der traf ihn da selbst mit dem Speer: Siegmund fiel; doch ich floh fern mit der Frau; sie zu retten eilt' ich zu euch ob mich Bange auch (kleinmüthig) ihr berget vor dem strafenden Streich! Sechs Walküren (in größter Bestürzung) Bethörte Schwester, was thatest du? Wehe! Brünnhilde, wehe! Helm., Siegr., Grim. Brach ungehorsam Brünnhilde Heervaters heilig Gebot? Ger., Roß., Schw. Brachst du Heervaters heilig Gebot? Waltraute (auf der Warte) Nächtig zieht es von Norden heran. Ortlinde (auf der Warte) Wüthend steuert hieher der Sturm. |
Roß., Grim., Schw. Wild wiehert Walvaters Roß. Helm., Ger., Schw. Schrecklich schnaubt es daher! Brünnhilde Wehe der Armen, wenn Wotan sie trifft: den Wälsungen allen droht er Verderben! Wer leih't mir von euch das leichteste Roß, das flink die Frau ihm entführ'? Siegrune Auch uns räth'st du rasenden Trotz? Brünnhilde Roßweiße, Schwester, leih' mir deinen Renner! Roßweiße Vor Walvater floh der fliegende nie. Brünnhilde Helmwige, höre! Helmwige Dem Vater gehorch' ich. Brünnhilde Grimgerde! Gerhilde! Gönnt mir eur Roß! Schwertleite! Siegrune! Seht meine Angst! O seid mir treu, wie traut ich euch war: rettet dies traurige Weib! (Sieglinde, die bisher finster und kalt vor sich hin- gestarrt, fährt, als Brünnhilde sie lebhaft, wie zum Schutze umfaßt, mit einer abwehrenden Gebärdeauf.) |
Sieglinde Nicht sehre dich Sorge um mich: einzig taugt mir der Tod. Wer hieß dich Maid, dem Harst mich entführen? Im Sturm dort hätt' ich den Streich empfah'n von derselben Waffe, der Siegmund fiel: das Ende fand ich vereint mit ihm! Fern von Siegmund. Siegmund, von dir! O deckte mich Tod, daß ich's denke! Soll um die Flucht dir Maid ich nicht fluchen, so erhöre heilig mein Flehen: stoße dein Schwert mir in's Herz! Brünnhilde Lebe, o Weib, um der Liebe willen! Rette das Pfand das von ihm du empfing'st: (stark und drängend) ein Wälsung wächst dir im Schooß! (Sieglinde erschrickt zunächst heftig: sogleich strahlt aber ihr Gesicht in erhabener Freude auf.) Sieglinde Rette mich, Kühne! Rette mein Kind! Schirmt mich, ihr Mädchen, mit mächtigstem Schutz! (Immer finstereres Gewitter steigt im Hintergrunde auf.) |
Waltraute (auf der Warte) Der Sturm kommt heran! Ortlinde (auf der Warte) Flieh', wer ihn fürchtet! Die sechs anderen Walküren Fort mit dem Weibe, droht ihm Gefahr: der Walküren keine wag' ihren Schutz! Sieglinde (auf den Knieen vor Brünnhilde) Rette mich, Maid! rette die Mutter! Brünnhilde (mit lebhaftem Entschluß hebt Sieglinde auf) So fliehe denn eilig, und fliehe allein! ich bleibe zurück, biete mich Wotans Rache: an mir zög'r ich den Zürnenden hier, während du seinem Rasen entrinnst. Sieglinde Wohin soll ich mich wenden? Brünnhilde Wer von euch Schwestern schweifte nach Osten? Siegrune Nach Osten weithin dehnt sich ein Wald: der Niblungen Hort entführte Fafner dorthin. Schwertleite Wurmes-Gestalt schuf sich der Wilde: in einer Höhle hütet er Alberichs Reif! |
Grimgerde Nicht geheu'r ist's dort für ein hülflos Weib. Brünnhilde Und doch vor Wotans Wuth schützt sie sicher der Wald: ihn scheut' der Mächt'ge, und meidet den Ort. Waltraute (auf der Warte) Furchtbar fährt dort Wotan zum Fels! Sechs Walküren Brünnhilde, hör' seines Nahens Gebraus! Brünnhilde (drängend) Fort denn eile, nach Osten gewandt! Muthigen Trotzes ertrag' alle Müh'n, Hunger und Durst, Dorn und Gestein; lache, ob Noth, ob Leiden dich nagt! Denn Eines wiss' und wahr' es immer: den hehrsten Helden der Welt hegst du, o Weib, im schirmenden Schooß! (Sie zieht die Stücken von Siegmunds Schwert unter ihrem Panzer hervor, und überreicht sie Sieglinde.) Verwahr' ihm die starken Schwertes Stücken; seines Vaters Walstatt entführt ich sie glücklich: der neugefügt das Schwert einst schwingt, den Namen nehm' er von mir— Siegfried erfreu' sich des Siegs! |
Sieglinde (in größter Rührung) O hehrstes Wunder! Herrlichste Maid! Dir Treuen dank' ich heiligen Trost! Für ihn, den wir liebten, rett' ich das Liebste: meines Dankes Lohn lache dir einst! Lebe wohl! dich segnet Sieglindes Weh'! (Sie eilt rechts im Vordergrunde von dannen.) (Die Felsenhöhle ist von schwarzen Gewitter- wolken umlagert; furchtbarer Sturm braust aus dem Hintergrunde daher, wachsender Feuerschein rechts daselbst.) Wotan (von außen) Steh'! Brünnhild'! Ortlinde, Waltraute (von der Warte herabsteigend) Den Fels erreichten Roß und Reiter! (Brünnhilde, nachdem sie eine Weile Sieglinde nach gesehen, wendet sich in den Hintergrund, blickt in den Tann und kommt angstvoll wieder vor.) Alle acht Walküren Weh', Brünnhild'! Rache entbrennt! Brünnhilde Ach, Schwestern, helft! mir schwankt das Herz! Sein Zorn zerschellt mich, wenn euer Schutz ihn nicht zähmt. (Die Walküren flüchten ängstlich nach der Felsen- spitze hinauf; Brünnhilde läßt sich von ihnen nachziehen.) Die Walküren Hieher, Verlor'ne! Laß' dich nicht seh'n, schmiege dich an uns, und schweige dem Ruf! Hieher zu uns! (Sie verbergen Brünnhilde unter sich, und blicken ängstlich nach dem Tann, der jetzt von grellem Feuerschein erhellt wird, während der Hintergrund ganz finster geworden ist.) Weh'! wüthend schwingt sich Wotan vom Roß! Hieher ras't sein rächender Schritt. |
Zweite Scene (Wotan tritt in höchster zorniger Aufgeregtheit aus dem Tann auf, und schreitet vor der Gruppe der Walküren auf der Höhe, nach Brünnhilde spähend, heftig einher.) Wotan Wo ist Brünnhild', wo die Verbrecherin? Wagt ihr, die Böse vor mir zu bergen? Die acht Walküren Schrecklich ertos't dein Toben! was thaten, Vater, die Töchter, daß sie dich reizten zu rasender Wuth? Wotan Wollt ihr mich höhnen? Hütet euch, Freche! Ich weiß: Brünnhilde bergt ihr vor mir. Weichet von ihr, der ewig Verworf'nen, wie ihren Wert von sich sie warf! Roßweiße Zu uns floh die Verfolgte, Siegr., Roß., Grim., Schw. Unsern Schutz flehte sie an; Waltraute Mit Furcht und Zagen faßt sie dein Zorn: Siegrune Furcht und Zagen faßt die Verfolgte! Schwertleite, Grimgerde Mit Furcht und Zagen faßt sie dein Zürnen, für die Bange bitten wir dich! |
Ortlinde Vater, hör' uns fleh'n! Roßweiße, Waltraute Für die bange Schwester bitten wir nun, daß den ersten Zorn du bezähm'st! Ger., Helm., Ort. Laß' dich erweichen! Siegrune Zähme den ersten Zorn! Helmwige Für sie, zähme deinen Zorn! Wotan Weichherziges Weibergezücht! So matten Muth gewannt ihr von mir? Erzog ich euch kühn, zum Kampfe zu zieh'n, schuf ich die Herzen euch hart und scharf, daß ihr Wilden nun weint und greint, wenn mein Grimm eine Treulose straft? So wißt denn, Winselnde, was sie verbrach, um die euch Zagen die Zähre entbrennt: Keine wie sie kannte mein innerstes Sinnen; keine wie sie wußte den Quell meines Willens! Sie selbst war meines Wunsches schaffender Schooß: und so nun brach sie den seligen Bund, daß treulos sie meinem Willen getrotzt, mein herrschend Gebot, offen verhöhnt, gegen mich die Waffe gewandt, die mein Wunsch allein ihr schuf! Hörst du's, Brünnhilde? Du, der ich Brünne, Helm und Wehr, Wonne und Huld, Namen und Leben verlieh? |
Hörst du mich Klage erheben, und birgst dich bang dem Kläger, daß feig du der Straf' entflöh'st? (Brünnhilde tritt aus der Schaar der Walküren her- vor, schreitet demüthigen, doch festen Schrittes von der Felsenspitze herab, und tritt so in geringer Entfernung vor Wotan.) Brünnhilde Hier bin ich, Vater: gebiete die Strafe! Wotan Nicht straf' ich dich erst: deine Strafe schuf'st du dir selbst. Durch meinen Willen war'st du allein: gegen mich doch hast du gewollt; meine Befehle nur führtest du aus: gegen mich doch hast du befohlen; Wunschmaid war'st du mir: gegen mich doch hast du gewünscht; Schildmaid war'st du mir: gegen mich doch hob'st du den Schild; Looskieserin war'st du mir: gegen mich doch kiestest du Loose; Heldenreizerin war'st du mir: gegen mich doch reiztest du Helden. Was sonst du war'st, sagte dir Wotan: was jetzt du bist, das sage dir selbst! Wunschmaid bist du nicht mehr; Walküre bist du gewesen: nun sei fortan, was so du noch bist! Brünnhilde (heftig erschreckend) Du verstößest mich? versteh' ich den Sinn? |
Wotan Nicht send' ich dich mehr aus Walhall; nicht weis' ich dir mehr Helden zur Wal; nicht führst du mehr Sieger in meinen Saal: bei der Götter, trautem Mahle das Trinkhorn nicht reich'st du traulich mir mehr; nicht kos' ich dir mehr den kindischen Mund; von göttlicher Schaar bist du geschieden, ausgestoßen aus der Ewigen Stamm: gebrochen ist unser Bund, aus meinem Angesicht bist du verbannt. (Die Walküren verlassen, in aufgeregter Beweg- ung, ihre Stellung, indem sie sich etwas tiefer herabziehen.) Die Walküren Wehe! Weh! Schwester, ach Schwester! Brünnhilde Nimmst du mir alles, was einst du gabst? |
Wotan Der dich zwingt, wird dir's entzieh'n! Hieher auf den Berg banne ich dich; in wehrlosen Schlaf schließe ich dich: der Mann dann fange die Maid, der am Wege sie findet und weckt. (In höchster Aufregung kommen die Walküren von der Felsenhöhe ganz herab, und umgeben in ängstlichen Gruppen Brünnhilde, welche halb knie- end vor Wotan liegt.) Waltraute Halt' ein, halt' ein O Vater! soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? Ach wende die Schmach! ach wende die schreiende Schmach! wende die Schmach ach wende schrecklicher die Schmach ach wende, wende die Schmach wie die Schwester träf' uns auch ihr Schimpf; Ortlinde O Vater! halt' ein Halt' ein! hör unser Fleh'n! ach wende von ihr die schreiende Schmach! Schrecklicher Gott, wende die Schmach, Schrecklicher! ach wende, wende die Schmach von ihr wie sie träfe uns auch ihr Schimpf; Grimgerde O Vater! Soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? Ach wende ab die schreiende Schmach! erhöre uns! ach, wende du schrecklicher, wende, ach, wende von ihr diese schreiende Schmach, wend' ab die Schmach! Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf, soll die heilige Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann; |
Schwertleite O Vater! Soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? Soll die Maid verblüh'n und verbleichen? Ach wende ab die Schmach! ach wende du schrecklicher, wende, ach wende von ihr diese schreiende Schmach ach wende die Schmach! ach wende, wende die Schmach! wie sie träf' uns ihr Schimpf; Helmwige Halt' ein den Fluch! Halt' ein! hör unser Fleh'n! wende von ihr die schreiende Schmach! Schrecklicher Gott! wende von ihr die schreiende Schmach! Wie die Schwester träf' uns auch ihr Schimpf; |
Gerhilde Halt' ein den Fluch! O Vater! soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? du sc hrecklicher schrecklicher Gott! wende die Schmach schrecklicher ach wende die Schmach! Wie die Schwester träf' uns auch der Schimpf, soll die heilige Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann; Siegrune Halt' ein den Fluch! Soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? wende von ihr die schreiende Schmach! schrecklicher, wende von ihr die schreiende Schmach ach wende die Schmach! Wie die Schwester träfe uns selber der Schimpf, soll die heil'ge Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann; Roßweiße Halt' ein den Fluch! Soll die Maid verblüh'n und verbleichen dem Mann? Schrecklicher Vater! wende die Schmach! schrecklicher, wende, ach wende die schreiende Schmach von ihr ach wende, wende die Schmach wie sie auch träfe uns ihr Schimpf; |
Alle Walküren Wie die Schwester träf' uns selbst auch der Schimpf! Wotan Hörtet ihr nicht, was ich verhängt? Aus eurer Schaar ist die treulose Schwester geschieden; mit euch zu Roß durch die Lüfte nicht reitet sie länger; die magdliche Blume verblüht der Maid; ein Gatte gewinnt ihre weibliche Gunst: dem herrischen Manne gehorcht sie fortan; am Herde sitzt sie und spinnt, aller Spottenden Ziel und Spiel! (Brünnhilde sinkt mit einem Schrei zu Boden; die Walküren weichen entsetzt, mit heftigem Geräusch von ihrer Seite.) Schreckt euch ihr Loos? So flieht die Verlor'ne! Weichet von ihr und haltet euch fern! Wer von euch wagte bei ihr zu weilen, wer mir zum Trotz zu der Traurigen hielt; die Thörin theilte ihr Loos: das künd' ich der Kühnen an! Fort jetzt von hier, meidet den Felsen! Hurtig jagt mir von hinnen, sonst erharrt Jammer euch hier! (Die Walküren fahren mit wildem Schrei ausein- ander und stürzen in hastiger Flucht in den Tann.) |
Die Walküren Weh'! Weh'! (Schwarzes Gewölk lagert sich dicht am Felsen- rande: man hört wildes Geräusch im Tann. Ein greller Blitzesglanz bricht in dem Gewölk aus; in ihm erblickt man die Walküren mit verhängtem Zügel, in eine Schaar zusammengedrängt, wild davon jagen.) (Bald legt sich der Sturm; die Gewitterwolken ver- ziehen sich allmählich. In der folgenden Scene bricht, bei endlich ruhigem Wetter, Abenddämmerung ein, der am Schlusse Nacht folgt.) |
Dritte Scene (Wotan und Brünnhilde, die noch zu seinen Füßen hingestreckt liegt, sind allein zurückgeblieben. Langes feierliches Schweigen: unveränderte Stellung.) (Sie beginnt das Haupt langsam ein wenig zu erheben.) Brünnhilde (schüchtern beginnend und steigernd) War es so schmählich, was ich verbrach, daß mein Verbrechen so schmählich du bestrafst? War es so niedrig, was ich dir that, daß du so tief mir Erniedrigung schaff'st? War es so ehrlos, was ich beging, daß mein Vergeh'n nun die Ehre mir raubt? (Sie erhebt sich allmählich bis zur knieenden Stellung.) O sag': Vater! Sieh' mir in's Auge: schweige den Zorn, zähme die Wuth, und deute mir hell die dunkle Schuld, die mit starrem Trotze dich zwingt, zu verstoßen dein trautestes Kind. Wotan (in unveränderter Stellung, ernst und düster) Frag' deine That, sie deutet dir deine Schuld! Brünnhilde Deinen Befehl führte ich aus. Wotan Befahl ich dir, für den Wälsung zu fechten? Brünnhilde So hießest du mich als Herrscher der Wal! |
Wotan Doch meine Weisung nahm ich wieder zurück! Brünnhilde Als Fricka den eig'nen Sinn dir entfremdet; da ihrem Sinn du dich fügtest, war'st du selber dir Feind. Wotan (leise und bitter) Daß du mich verstanden, wähnt' ich, und strafte den wissenden Trotz: doch feig und dumm dachtest du mich! So hätt' ich Verrath nicht zu rächen; zu gering wär'st du meinem Grimm. Brünnhilde Nicht weise bin ich, doch wußt' ich das Eine, daß den Wälsung du liebtest. Ich wußte den Zwiespalt, der dich zwang, dies Eine ganz zu vergessen. Das And're mußtest einzig du seh'n, was zu schau'n so herb schmerzte dein Herz: daß Siegmund Schutz du versagtest. Wotan Du wußtest es so, und wagtest dennoch den Schutz? |
Brünnhilde (leise beginnend) Weil für dich im Auge das Eine ich hielt, dem, im Zwange des Andren schmerzlich entzweit, rathlos den Rücken du wandtest! Die im Kampfe Wotan den Rücken bewacht, die sah nun Das nur, was du nicht sah'st: Siegmund mußt ich seh'n. Tod kündend trat ich vor ihn, gewahrte sein Auge, hörte sein Wort; ich vernahm des Helden heilige Noth; tönend erklang mir des Tapfersten Klage: freiester Liebe furchtbares Leid, traurigsten Muthes mächtigster Trotz! Meinem Ohr erscholl, mein Aug' erschaute, was tief im Busen das Herz zu heil'gem Beben mir traf. Scheu und staunend stand ich in Scham. Ihm nur zu dienen konnt' ich noch denken: (belebend) Sieg oder Tod mit Siegmund zu theilen: dies nur erkannt' ich zu kiesen als Loos! Der diese Liebe mir in's Herz gehaucht, dem Willen, der dem Wälsung mich gesellt, ihm innig vertraut, trotzt' ich deinem Gebot. Wotan So thatest du, was so gern zu thun ich begehrt; doch was nicht zu thun,die Noth zwiefach mich zwang? So leicht wähntest du Wonne des Herzens erworben, wo brennend Weh' in das Herz mir brach, wo gräßliche Noth den Grimm mir schuf, einer Welt zu Liebe der Liebe Quell im gequälten Herzen zu hemmen? Wo gegen mich selber ich sehrend mich wandte, aus Ohnmacht Schmerzen schäumend ich aufschooß, wüthender Sehnsucht sengender Wunsch den schrecklichen Willen mir schuf, in den Trümmern der eig'nen Welt meine ew'ge Trauer zu enden: da labte süß dich selige Lust; wonniger Rührung üppigen Rausch enttrank'st du lachend der Liebe Trank, als mir göttlicher Noth nagende Galle gemischt? |
(trocken und kurz) Deinen leichten Sinn lass' dich denn leiten: von mir sagtest du dich los. Dich muß ich meiden, gemeinsam mit dir nicht darf ich Rath mehr raunen; getrennt, nicht dürfen traut wir mehr schaffen: so weit Leben und Luft, darf der Gott dir nicht mehr begegnen! Brünnhilde (einfach) Wohl taugte dir nicht die thör'ge Maid, die staunend im Rathe nicht dich verstand, wie mein eig'ner Rath nur das eine mir rieth: zu lieben was du geliebt. Muß ich denn scheiden und scheu dich meiden, mußt du spalten was einst sich umspannt, die eig'ne Hälfte fern von dir halten daß sonst sie ganz dir gehörte, du Gott, vergiß das nicht! Dein ewig Theil nicht wirst du entehren, Schande nicht wollen, die dich beschimpft: dich selbst ließest du sinken, säh'st du dem Spott mich zum Spiel! Wotan Du folgtest selig der Liebe Macht: folge nun dem den du lieben mußt! Brünnhilde Soll ich aus Walhall scheiden, nicht mehr mit dir schaffen und walten, dem herrischen Manne gehorchen fortan: dem feigen Prahler gib mich nicht preis, nicht werthlos sei er, der mich gewinnt. |
Wotan Von Walvater schiedest du; nicht wählen darf er für dich. Brünnhilde (leise mit vertraulicher Heimlichkeit) Du zeugtest ein edles Geschlecht; kein Zager kann je ihm entschlagen: der weihlichste Held, ich weiß es, entblüht dem Wälsungenstamm. Wotan Schweig' von dem Wälsungenstamm! Von dir geschieden, schied ich von ihm; vernichten mußt' ihn der Neid! Brünnhilde Die von dir sich riß, rettete ihn. (heimlich) Sieglinde hegt die heiligste Frucht; (belebter) in Schmerz und Leid, wie kein Weib sie gelitten, wird sie gebären was bang sie birgt. Wotan Nie suche bei mir Schutz für die Frau, noch für ihres Schoßes Frucht! Brünnhilde (heimlich) Sie wahret das Schwert, das du Siegmund schufest. Wotan (heftig) Und das ich ihm in Stücken schlug! Nicht streb', o Maid, den Muth mir zu stören; erwarte dein Loos, wie sich's dir wirft; nicht kiesen kann ich es dir. Doch fort muß ich jetzt, fern mich verziehn; zuviel schon zögert ich hier; von der Abwendigen wend' ich mich ab; nicht wissen darf ich, was sie sich wünscht: die Strafe nur muß vollstreckt ich sehn! |
Brünnhilde Was hast du erdacht, daß ich erdulde? Wotan In festen Schlaf verschließ' ich dich: wer so die Wehrlose weckt, dem ward, erwacht, sie zum Weib! Brünnhilde (stürzt auf ihre Knie) Soll fesselnder Schlaf fest mich binden, dem feigsten Manne zur leichten Beute: dies Eine muß du erhören, was heil'ge Angst zu dir fleht! Die Schlafende schütze mit scheuchenden Schrecken, (bestimmt) daß nur ein furchtlos freiester Held hier auf dem Felsen einst mich fänd! Wotan Zuviel begehrst du, zuviel der Gunst! Brünnhilde (seine Knie umfassend) Dies Eine mußt du erhören! Zerknicke dein Kind, das dein Knie umfaßt; zertritt die Traute, zertrümm're die Maid, ihres Leibes Spur zerstöre dein Speer: doch gieb Grausamer, nicht der gräßlichsten Schmach sie preis! (mit wilder Begeisterung) Auf dein Gebot entbrenne ein Feuer; den Felsen um glühe lodernde Gluth; es leck' ihre Zung', es fresse ihr Zahn den Zagen, der frech sich wagte, dem freislichen Felsen zu nah'n! (Wotan, überwältigt und tief ergriffen, wendet sich lebhhaft gegen Brünnhilde, erhebt sie von den Knieen, und blickt ihr gerührt in das Auge.) |
Wotan Leb' wohl, du kühnes, herrliches Kind! Du meines Herzens heiligster Stolz! Leb' wohl! leb' wohl! leb' wohl! (sehr leidenschaftlich) Muß ich dich meiden, und darf nicht minnig mein Gruß dich mehr grüßen; sollst du nun nicht mehr neben mir reiten, noch Meth beim Mahl mir reichen; muß ich verlieren dich, die ich liebe, du lachende Lust meines Auges: ein bräutliches Feuer soll dir nun brennen, wie nie einer Braut es gebrannt! Flammende Gluth umglühe den Fels; mit zehrenden Schrecken scheuch' es den Zagen; der Feige fliehe Brünnhildes Fels! Denn Einer nur freie die Braut, der freier als ich, der Gott! (Brünnhilde sinkt, gerührt und begeistert, an Wotans Brust: er hält sie lange umfangen.) (Sie schlägt das Haupt wieder zurück und blickt, immer noch ihn umfassend, feierlich ergriffen Wotan in das Auge.) Der Augen leuchtendes Paar, das oft ich lächelnd gekos't, wenn Kampfeslust ein Kuß dir lohnte, wenn kindisch lallend der Helden Lob von holden Lippen dir floß: dieser Augen strahlendes Paar, das oft im Sturm mir geglänzt, wenn Hoffnungssehnen das Herz mir sengte, nach Weltenwonne mein Wunsch verlangte, aus wild webendem Bangen: |
zum letzten Mal letz' es mich heut' mit des Lebewohles letztem Kuß! Dem glücklichen Manne glänze sein Stern: dem unseligen Ew'gen muß es scheidend sich schließen. (Er faßt ihr Haupt in beide Hände.) Denn so kehrt der Gott sich dir ab, so küßt er die Gottheit von dir! (Er küßt sie lange auf die Augen. Sie sinkt mit geschlossenen Augen, sanft ermattend, in seine Arme zurück. Er geleitet sie zart auf einen niedrigen Mooshügel zu liegen, über den sich eine breitästige Tanne ausstreckt.) (Er betrachtet sie und schließt ihr den Helm: sein Auge weilt dann auf der Gestalt der Schlafenden, die er mit dem großen Stahlschilde der Walküren ganz zudeckt. Langsam kehrt er sich ab, mit einem schmerzlichen Blicke wendet er sich noch einmal um.) (Er schreitet mit feierlichem Entschlusse in die Mitte der Bühne und kehrt die Spitze seines Speeres gegen einen mächtigen Felsstein.) Loge hör'! lausche hieher! Wie zuerst ich dich fand, als feurige Gluth, wie dann einst du mir schwandest, als schweifende Lohe; wie ich dich band, bann' ich dich heut'! Herauf, wabernde Lohe, umlod're mir feurig den Fels! (Er stößt mit dem Folgenden dreimal mit dem Speer auf den Stein.) Loge! Loge! hieher! (Dem Stein entfährt ein Feuerstrahl, der zur all- mäh lich immer helleren Flammenglut anschwillt.) (Lichte Flackerlohe bricht aus.) (Lichte Brunst umgiebt Wotan mit wildem Flackern. Er weis't mit dem Speere gebieterisch dem Feuermeere den Umkreis des Felsenrandes zur Strömung an; alsbald zieht es sich nach dem Hintergrunde, wo es nun fortwährend den Bergsaum umlodert.) Wer meines Speeres Spitze fürchtet durchschreite das Feuer nie! (Er streckt den Speer wie zum Banne aus. Er blickt schmerzlich auf Brünnhilde zurück. Er wendet sich langsam zum Gehen. Er wendet sich nochmals mit dem Haupt und blickt zurück. Er verschwindet durch das Feuer.) (Vorhang fällt.) |
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libretto by Richard Wagner |
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |