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Götterdämmerung” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Vorspiel; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
Erster Aufzug

Erste Scene

(Die Halle der Gibichungen am Rhein. Diese ist
dem Hintergrunde zu ganz offen. Den Hintergrund
selbst nimmt ein freier Uferraum bis zum Flusse hin
ein; felsige Anhöhen umgrenzen das Ufer.)

(Gunther und Gutrune auf dem Hochsitze zur
Seite, vor welchem ein Tisch mit Trinkgeräthe steht;
davor sitzt Hagen.)


Gunther
Nun hör', Hagen; sage mir, Held:
sitz' ich herrlich am Rhein,
Gunther zu Gibichs Ruhm?

Hagen
Dich ächt genannten acht' ich zu neiden;
die beid' uns Brüder gebar,
Frau Grimhild, ließ michs begreifen.

Gunther
Dich neide ich; nicht neide mich du.
Erbt ich Erstlings Art
Weisheit ward dir allein:
Halbbrüder Zwist bezwang sich nie besser.
Deinem Rath nur red' ich Lob,
frag' ich dich nach meinem Ruhm.

Hagen
So schelt ich den Rath,
da schlecht noch dein Ruhm;
denn hohe Güter weiß ich,
die der Gibichung noch nicht gewann.

Gunther
Verschwieg'st du sie, so schelt' auch ich.

Hagen
In sommerlich reifer Stärke seh' ich Gibichs
Stamm,
dich, Gunther, unbeweibt,
dich, Gutrun', ohne Mann.
(Gunther und Gutrune sind in schweigendes
Sinnen verloren.)


Gunther
Wen räthst du nun zu frein,
daß unsrem Ruhm es fromm'?

Hagen
Ein Weib weiß ich, das herrlichste der Welt:
auf Felsen hoch ihr Sitz;
ein Feuer umbrennt ihren Saal:
nur wer durch das Feuer bricht,
darf Brünnhildes Freier sein.

Gunther
Vermag das mein Muth zu bestehn?

Hagen
Einem Stärk'ren noch, ist's nur bestimmt.

Gunther
Wer ist der streitlichste Mann?

Hagen
Siegfried, der Wälsungen Sproß,
der ist der stärkste Held.
Ein Zwillingspaar, von Liebe bezwungen,
Siegmund und Sieglinde zeugten den ächtesten Sohn.

Der im Walde mächtig erwuchs,
den wünsch ich Gutrun' zum Mann.

Gutrune
(schüchtern beginnend)
Welche That schuf er so tapfer,
daß als herrlichster Held er genannt?

Hagen
Vor Neidhöhle den Niblungenhort
bewachte ein riesiger Wurm:
Siegfried schloß ihm den freislichen Schlund,
erschlug ihn mit siegendem Schwert.
Solch' ungeheurer That
enttagte des Helden Ruhm.

Gunther
(in Nachsinnen)
Vom Niblungenhort vernahm ich,
er birgt den neidlichsten Schatz?

Hagen
Wer wohl ihn zu nützen wüßt,
dem neigte sich wahrlich die Welt.

Gunther
Und Siegfried hat ihn erkämpft.

Hagen
Knecht sind die Niblungen ihm.

Gunther
Und Brünnhild' gewänne nur Er?

Hagen
Keinem Andren wiche die Brunst.
(Gunther erhebt sich unwillig vom Sitze.)

Gunther
Was weck'st du Zweifel und Zwist?
Was ich nicht zwingen soll,
darnach zu verlangen mach'st du mir Lust?
(Er schreitet bewegt in der Halle auf und ab.
Hagen, ohne seinen Sitz zu verlassen, hält Gunther,
als dieser wieder in seine Nähe kommt, durch einen
geheimnis vollen Wink fest.)


Hagen
Brächte Siegfried die Braut dir heim,
wär' dann nicht Brünnhilde Dein?
(Gunther wendet sich wieder zweifelnd und unmuthig ab.)
Gunther
Was zwänge den frohen Mann
für mich die Braut zu frein?

Hagen
(wie vorher)
Ihn zwänge bald deine Bitte,
bänd ihn Gutrun' zuvor.

Gutrune
Du Spötter, böser Hagen!
Wie sollt ich Siegfried binden?
Ist er der herrlichste Held der Welt,
der Erde holdeste Frauen
friedeten längst ihn schon.

Hagen
(sehr vertraulich zu Gutrune hinneigend)
Gedenk' des Trankes im Schrein;
(heimlicher)
vertraue mir der ihn gewann:

Den Helden, dess' du verlang'st,
bindet er liebend an dich.
(Gunther ist wieder an den Tisch getreten und
hört, auf ihn gelehnt, jetzt aufmerksam zu.)

Träte nun Siegfried ein,
genöss er des würzigen Trank's,
daß vor dir ein Weib er ersah',
daß je ein Weib ihm genah't,
vergessen müß't er dess' ganz.
Nun redet: wie dünkt euch Hagens Rath?

Gunther
(lebhaft auffahrend)
Gepriesen sei Grimhild',
die uns den Bruder gab!

Gutrune
Möcht' ich Siegfried je erseh'n!

Gunther
Wie fänden ihn wir auf?
(Ein Horn auf dem Theater, aus dem Hintergrunde
von links her, sehr stark, aber fern. Hagen lauscht. Er
wendet sich zu Gunther.)


Hagen
Jagt er auf Thaten wonnig umher,
zum engen Tann wird ihm die Welt:
wohl stürmt er in rastloser Jagd
auch zu Gibichs Strand an den Rhein.

Gunther
Willkommen hieß' ich ihn gern!
(Horn auf dem Theater, näher, aber immer noch
fern. Gunther und Hagen lauschen.)

Vom Rhein her tönt das Horn.
(Hagen späht den Fluß hinab, und ruft zurück.)

Hagen
In einem Nachen Held und Roß!
Der bläst so munter das Horn!
(Horn auf dem Theater, näher. Gunther bleibt auf
halbem Wege lauschend zurück.)

Ein gemächlicher Schlag,
wie von müßiger Hand,
treibt jach den Kahn wider den Strom;
so rüstiger Kraft in des Ruders Schwung
rühmt sich nur der, der den Wurm erschlug.
Siegfried ist es, sicher kein Andrer!

Gunther
Jagt er vorbei?
(Hagen ruft durch die hohlen Hände nach dem
Flusse zu.)


Hagen
Hoiho! Wohin du heitrer Held?

Siegfried
(aus der Ferne)
Zu Gibichs starkem Sohne.

Hagen
Zu seiner Halle entbiet' ich dich.
(Siegfried erscheint im Kahn am Ufer.)
Hieher! Hier lege an!

Zweite Scene

(Siegfried legt mit dem Kahne an.)

Hagen
Heil!
(Hagen schließt den Kahn mit der Kette am Ufer
fest. Siegfried springt mit dem Roß auf den Strand.)

Heil! Siegfried, theurer Held!
(Gunther ist zu Hagen an das Ufer getreten.
Gutrune blickt vom Hochsitze aus in staunender
Bewunderung auf Siegfried. Gunther will freund-
lichen Gruß bieten. Alle sind in gegenseitiger stum-
mer Betrachtung gefesselt.)


Siegfried
(auf sein Roß gelehnt bleibt ruhig am
Kahne stehen)

Wer ist Gibichs Sohn?

Gunther
Gunther, ich, den du suchs't.

Siegfried
Dich hört' ich rühmen weit am Rhein:
nun ficht mit mir, oder sei mein Freund!

Gunther
Lass' den Kampf! Sei willkommen!

Siegfried
Wo berg' ich mein Roß?

Hagen
Ich biet' ihm Rast.

Siegfried
(zu Hagen gewendet)
Du rief'st mich Siegfried: sah'st du mich schon?

Hagen
Ich kannte dich nur an deiner Kraft.

Siegfried
(in dem er an Hagen das Roß übergibt)
Wohl hüte mir Grane:
du hieltest nie von edlerer Zucht
am Zaume ein Roß.
(Hagen führt das Roß. Während Siegfried ihm
gedankenvoll nachblickt, entfernt sich auch Gutrune,
durch einen Wink Hagens bedeutet, von Siegfried
unbemerkt, nach links durch eine Thür in ihr Gemach.
Gunther schreitet mit Siegfried, den er dazu einläd't,
in die Halle vor.)


Gunther
Begrüße froh, o Held,
die Halle meines Vaters;
wohin du schreitest, was du ersieh'st,
das achte nun dein Eigen;
dein ist mein Erbe, Land und Leut',
hilf' mein Leib, meinem Eide!
Mich selbst geb' ich zum Mann.

Siegfried
Nicht Land noch Leute biete ich,
noch Vaters Haus und Hof:
einzig erbt' ich den eignen Leib;
lebend zehr' ich den auf.
Nur ein Schwert hab' ich, selbst geschmiedet:
hilf mein Schwert meinem Eide!
Das biet' ich mit mir zum Bund.

Hagen
(der zurückgekommen ist, und jetzt hinter
Siegfried steht)

Doch des Niblungenhortes
nennt die Märe dich Herrn?

Siegfried
(sich zu Hagen umwendend)
Des Schatzes vergaß ich fast;
so schätz' ich sein müß'ges Gut!
In einer Höhle ließ' ich's liegen,
wo ein Wurm es einst bewacht.

Hagen
Und nichts entnahm'st du ihm?

Siegfried
(auf das stählerne Netzgewirk deutend,
das er im Gürtel hängen hat)

Diess Gewirk, unkund seiner Kraft.

Hagen
Den Tarnhelm kenn' ich,
der Niblungen künstliches Werk:
er taugt, bedeckt er dein Haupt,
dir zu tauschen jede Gestalt;
verlangt dich's an fernsten Ort,
er entführt flugs dich dahin.
Sonst nichts entnahm'st du dem Hort?

Siegfried
Einen Ring.

Hagen
Den hütest du wohl?

Siegfried
(zart) Den hütet ein hehres Weib.

Hagen
(für sich) Brünnhild'!

Gunther
Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen,
Tand gäb' ich für dein Geschmeid,
nähmst all mein Gut du dafür:
ohn' Entgelt dien' ich dir gern.
(Hagen ist zu Gutrunes Thüre gegangen, und
öffnet sie jetzt. Gutrune tritt heraus, sie trägt ein
gefülltes Trinkhorn, und nähert sich damit Siegfried.)


Gutrune
Willkommen, Gast, in Gibichs Haus!
Seine Tochter reicht dir den Trank.
(Siegfried neigt sich ihr freundlich und ergreift das
Horn. Er hält es gedankenvoll vor sich hin.)


Siegfried
Vergäß' ich Alles was du mir gab'st
von einer Lehre lass' ich doch nie;
den ersten Trunk zu treuer Minne,
Brünnhilde, bring ich dir!
(Er setzt das Trinkhorn an, und trinkt in einem
langen Zuge. Er reicht das Trinkhorn an Gutrune
zurück welche verschämt und verwirrt ihre Augen vor
ihm niederschlägt. Siegfried heftet den Blick mit
schnell entbrannter Leidenschaft auf sie.)

Die so mit dem Blitz den Blick du mir seng'st,
was senk'st du dein Auge vor mir?
(Gutrune schlägt erröthend das Auge zu ihm auf.)

(heftig) Ha, schönstes Weib! Schließe den Blick;
das Herz in der Brust brennt mir sein Strahl,
zu feurigen Strömen fühl' ich
ihn zehrend zünden mein Blut!
(mit bebender Stimme)
Gunther, wie heißt deine Schwester?

Gunther
Gutrune.

Siegfried
(leise) Sind's gute Runen die ihrem Aug'
ich entrathe?
(Er faßt Gutrune mit feurigem Ungestüm bei der
Hand.)
Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:
der Stolze schlug mich aus;
trüg'st du wie er mir Übermuth,
böt' ich mich dir zum Bund!
(Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick. Sie
neigt demüthig das Haupt, und mit einer Gebärde,
als fühle sie sich seiner nicht werth, verläßt sie
wankenden Schrittes die Halle.)

(Siegfried, von Hagen und Gunther aufmerksam
beobachtet, blickt wie festgezaubert Gutrune nach.)

Hast du, Gunther, ein Weib?

Gunther
Nicht freit' ich noch,
und einer Frau soll ich mich schwerlich freu'n:
auf Eine setzt' ich den Sinn,
die kein Rath mir je gewinnt.

Siegfried
(wendet sich lebhaft zu Gunther)
Was wär' dir versagt, steh' ich zu dir?

Gunther
Auf Felsen hoch ihr Sitz;...

Siegfried
(mit verwunderungsvoller Hast einfallend)
Auf Felsen hoch ihr Sitz?

Gunther
... ein Feuer umbrennt den Saal.

Siegfried
Ein Feuer umbrennt den Saal?

Gunther
Nur wer durch das Feuer bricht,.

Siegfried
(mit der heftigsten Anstrengung, um eine
Erinnerung festzuhalten)

Nur wer durch das Feuer bricht?

Gunther
... darf Brünnhildes Freier sein.
(Siegfried verräth durch eine Gebärde, daß bei
Nennung von Brünnhildes Namen die Erinnerung
ihm vollends gänzlich schwindet.)

Nun darf ich den Fels nicht erklimmen;
das Feuer verglimmt mir nie!
(Siegfried kommt aus einem traumartigen Zu-
stande zu sich, und wendet sich mit übermüthiger
Lustigkeit zu Gunther.)


Siegfried
Ich fürchte kein Feuer,
für dich frei' ich die Frau;
denn dein Mann bin ich,
und mein Muth ist dein,
gewinn' ich mir Gutrun' zum Weib.

Gunther
Gutrune gönn' ich dir gerne.

Siegfried
Brünnhilde bring' ich dir.

Gunther
Wie willst du sie täuschen?

Siegfried
Durch des Tarnhelms Trug
tausch' ich mir deine Gestalt.

Gunther
So stelle Eide zum Schwur!

Siegfried
Blutbrüderschaft schwöre ein Eid!
(Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein;
dieses hält er dann Siegfried und Gunther hin, welche
sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen, und diese
kurze Zeit über die Öffnung des Trinkhorns halten.
Beide legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches
Hagen fortwährend in ihrer Mitte hält.)

Blühenden Lebens labendes Blut
träufelt' ich in den Trank.

Gunther
Bruderbrünstig muthig gemischt
blüh' im Trank unser Blut!

Beide
Treue trink' ich dem Freund!
Froh und frei entblühe dem Bund,
Blutbrüderschaft heut!

Gunther
Bricht ein Bruder den Bund:

Siegfried
Trügt den Treuen der Freund,

Beide
Was in Tropfen heut' hold wir tranken,
in Strahlen ström' es dahin,
fromme Sühne dem Freund!
(Gunther trinkt und reicht das Horn Siegfried.)

Gunther
So biet' ich den Bund.

Siegfried
So...
(Er trinkt und hält das geleerte Trinkhorn Hagen hin.)
...trink' ich dir Treu'!
(Hagen zerschlägt mit seinem Schwerte das Horn
in zwei Stücken. Gunther und Siegfried reichen sich die Hände.)

(Siegfried betrachtet Hagen, welcher während des
Schwures hinter ihm gestanden.)

Was nahm'st du am Eide nicht Theil?

Hagen
Mein Blut verdürb' euch den Trank;
nicht fließt mir's ächt und edel wie euch;
störrisch und kalt stockt's in mir,
nicht will's die Wange mir röthen:
drum bleib' ich fern, vom feurigen Bund.

Gunther
(zu Siegfried) Lass' den unfrohen Mann!
(Siegfried hängt sich den Schild wieder über.)

Siegfried
Frisch auf die Fahrt!
Dort liegt mein Schiff:
schnell führt es zum Felsen.
(Er tritt näher zu Gunther und bedeutet diesen.)
Eine Nacht am Ufer
harr'st du im Nachen;
die Frau fähr'st du dann heim.
(Er wendet sich zum Fortgehen, und winkt
Gunther ihm zu folgen.)


Gunther
Rastest du nicht zuvor?

Siegfried
Um die Rückkehr ist's mir jach!
(Er geht an das Ufer, um das Schiff los zu binden.)

Gunther
Du Hagen! Bewache die Halle!
(Er folgt Siegfried zum Ufer. Während Siegfried
und Gunther, nachdem sie ihre Waffen darin nieder-
gelegt, im Schiff das Segel aufstecken und Alles zur
Abfahrt bereit machen, nimmt Hagen seinen Speer und Schild.)

(Gutrune erscheint an der Thür ihres Gemachs, als
jetzt soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches
sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.)


Gutrune
Wohin eilen die Schnellen?

Hagen
(während er sich gemächlich mit Schild und
Speer vor der Halle niedersetzt)

Zu Schiff, Brünnhild' zu frei'n.

Gutrune
Siegfried?

Hagen
Sieh', wie's ihn treibt,
zum Weib dich zu gewinnen!

Gutrune
Siegfried mein!
(Sie geht lebhaft erregt in ihr Gemach zurück.)
(Siegfried hat das Ruder erfaßt, und treibt jetzt mit
dessen Schlägen den Nachen stromabwärts, so daß
dieser bald gänzlich außer Gesicht kommt.)

(Hagen sitzt mit dem Rücken an den Pfosten der
Halle gelehnt, bewegungslos.)


Hagen
Hier sitz' ich zur Wacht, wahre den Hof,
wehre die Halle dem Feind.
Gibichs Sohne wehet der Wind,
auf Werben fährt er dahin.
Ihm führt das Steuer ein starker Held,
Gefahr ihm will er besteh'n:
Die eig'ne Braut ihm bringt er zum Rhein;
mir aber bringt er den Ring!
Ihr freien Söhne, frohe Gesellen,
segelt nur lustig dahin:
dünkt er euch niedrig, ihr dient ihm doch,
des Niblungen Sohn.

(Ein Teppich, welcher dem Vordergrunde zu die
Halle einfaßte, schlägt zusammen und schließt die
Bühne vor dem Zuschauer ab.)


Dritte Scene

(Der Vorhang wird wieder aufgezogen. Die Felsen-
höhle wie im Vorspiel.)

(Brünnhilde sitzt am Eingange des Steingemaches,
in stummen Sinnen Siegfrieds Ring betrachtend. Von
wonnigen Erinnerung ergriffen, bedeckt sie den Ring
mit ihren Küssen.)

(Ferner Donner läßt sich vernehmen, sie blickt auf
und lauscht. Sie wendet sich wieder zu dem Ring.)

(Ein feuriger Blitz. Brünnhilde lauscht von neuem
und späht nach der Ferne, von woher eine finst're
Gewitterwolke dem Felsensaume zuzieht)


Brünnhilde
Altgewohntes Geräusch
raunt meinem Ohr die Ferne.
Ein Luftroß jagt im Laufe daher;
auf der Wolke fährt es wetternd zum Fels.
Wer fand mich Einsame auf?

Waltraute
(aus der Ferne) Brünnhilde!
Schwester! Schläf'st oder wach'st du?

Brünnhilde
(fährt vom Sitze auf)
Waltrautes Ruf, so wonnig mir kund!
(in die Scene rufend) Kommst du Schwester?
Schwing'st dich kühn zu mir her?
(Sie eilt nach dem Felsrande.)
Dort im Tann dir noch vertraut
steige vom Roß,
und stell' den Renner zur Rast!
(Sie stürmt in den Tann, von wo ein starkes Ge-
räusch, gleich einem Gewitterschlage, sich vernehm-
en läßt. Brünnhilde kommt in heftiger Bewegung mit
Waltraute zurück; sie bleibt freudig erregt, ohne
Waltrautes ängstliche Scheu zu beachten.)

Kommst du zu mir?
Bist du so kühn, mag'st ohne Grauen
Brünnhild' bieten den Gruß?

Waltraute
Einzig dir nur galt meine Eil'!

Brünnhilde
So wagtest du, Brünnhild' zu Lieb',
Walvaters Bann zu brechen?
Oder wie? O sag'!
wär' wider mich Wotans Sinn erweicht?
Als dem Gott entgegen Siegmund ich schützte,
fehlend, ich weiß es,
erfüllt', ich doch seinen Wunsch.
Daß sein Zorn sich verzogen, weiß ich auch.
Denn verschloß er mich gleich in Schlaf,
fesselt' er mich auf den Fels,
wies er dem Mann mich zur Magd,

der am Weg mich fänd' und erweckt',
meiner bangen Bitte doch gab er Gunst:
mit zehrendem Feuer umgab er den Fels,
dem Zagen zu wehren den Weg.
So zur Seligsten schuf mich die Strafe:
der herrlichste Held gewann mich zum Weib!
In seiner Liebe leucht' und lach' ich heut' auf.
(Sie umarmt Waltraute unter stürmischen Freu-
den bezeigungen, welche diese mit scheuer Ungeduld
abzuwehren sucht.)

Lockte dich, Schwester, mein Loos?
An meiner Wonne willst du dich weiden,
theilen, was mich betraf?

Waltraute
(heftig) Theilen den Taumel,
der dich Thörin erfaßt?
Ein And'res bewog mich in Angst,
zu brechen Wotans Gebot.
(Brünnhilde gewahrt hier erst mit Befremdung die
wildaufgeregte Stimmung Waltrautes.)


Brünnhilde
Angst und Furcht fesseln dich Arme?
So verzieh der Strenge noch nicht?
Du zagst vor des Strafenden Zorn?

Waltraute
(düster) Dürft' ich ihn fürchten,
meiner Angst fänd' ich ein End'!

Brünnhilde
Staunend versteh' ich dich nicht.

Waltraute
Wehre der Wallung,
achtsam höre mich an!
Nach Walhall wieder drängt mich die Angst,
die von Walhall hierher mich trieb.

Brünnhilde
(erschreckt)
Was ist's mit den ewigen Göttern?

Waltraute
Höre mit Sinn, was ich dir sage!
Seit er von dir geschieden,
zur Schlacht nicht mehr schickte uns Wotan:
irr' und rathlos ritten wir ängstlich zu Heer;
Walhalls muthige Helden mied Walvater.
Einsam zu Roß, ohne Ruh' noch Rast,
durch streift' er als Wand'rer die Welt.
Jüngst kehrte er heim;
in der Hand hielt er seines Speeres Splitter,
die hatte ein Held ihm geschlagen.
Mit stummem Wink
Walhalls Edle wies er zum Forst,
die Weltesche zu fällen.
Des Stammes Scheite hieß er sie schichten
zu ragendem Hauf rings um der Seligen Saal.
Der Götter Rath ließ er berufen;
den Hochsitz nahm heilig er ein.

Ihm zu Seiten hieß er die bangen sich setzen,
in Ring und Reih' die Hall' erfüllen die Helden.
So sitzt er, sagt kein Wort,
auf hehrem Sitze stumm und ernst;
des Speeres Splitter fest in der Faust;
Holdas Äpfel rührt er nicht an.
Staunen und Bangen binden starr die Götter.
Seine Raben beide, sandt' er auf Reise:
kehrten die einst mit guter Kunde zurück,
dann noch einmal zum letzten Mal!
lächelte ewig der Gott.
Seine Knie umwindend, liegen wir Walküren;
blind bleibt er den flehenden Blicken:
uns alle verzehrt
Zagen und endlose Angst.
An seine Brust preßt' ich mich weinend;
(zögernd) da brach sich sein Blick;
er gedachte, Brünnhilde, dein!
Tief seufzt' er auf, schloß das Auge,
und wie im Traume raunt' er das Wort:
des tiefen Rheines Töchtern
gäbe den Ring sie wieder zurück,
von des Fluches Last
erlös't wär Gott und Welt!
Da sann ich nach: von seiner Seite
durch stumme Reihen stahl ich mich fort;
in heimlicher Hast bestieg ich mein Roß,
und ritt im Sturme zu dir.
Dich, o Schwester, beschwör' ich nun:
was du vermag'st, vollend es dein Muth;
ende der Ewigen Qual!
(Sie hat sich vor Brünnhilde niedergeworfen.)

Brünnhilde
(ruhig)
Welch' banger Träume Mären meldest du Traurige mir!
Der Götter heiligem Himmelsnebel
bin ich Thörin enttaucht;
nicht fass' ich, was ich erfahre.
Wirr und wüst' scheint mir dein Sinn:
in deinem Aug' so übermüde,
glänzt flackernde Gluth.
Mit blasser Wange, du bleiche Schwester,
was willst du Wilde von mir?

Waltraute
(heftig) An deiner Hand, der Ring,
er ist's; hör' meinen Rath:
für Wotan wirf ihn von dir!

Brünnhilde
Den Ring? von mir?

Waltraute
Den Rheintöchtern gieb ihn zurück!

Brünnhilde
Den Rheintöchtern ... ich ...
den Ring? Siegfrieds Liebespfand?
Bist du von Sinnen?

Waltraute
Hör' mich! hör' meine Angst!
Der Welt Unheil haftet sicher an ihm.
Wirf ihn von dir, fort in die Welle,
Walhalls Elend zu enden,
den verfluchten wirf in die Fluth!

Brünnhilde
Ha! Weißt du, was er mir ist?
Wie kannst du's fassen, fühlose Maid!
Mehr als Walhalls Wonne,
mehr als der Ewigen Ruhm ist mir der Ring:
ein Blick auf sein helles Gold,
ein Blitz aus dem hehren Glanz
gilt mir werth er als aller Götter ewig währendes Glück.
Denn selig aus ihm leuchtet mir Siegfrieds Liebe,
Siegfrieds Liebe!
O ließ' sich die Wonne dir sagen!
Sie wahrt mir den Reif.
Geh' hin zu der Götter heiligem Rath!
Von meinem Ringe raune ihnen zu:
(etwas gedehnt) die Liebe ließe ich nie,
mir nähmen nie sie die Liebe,
stürzt' auch in Trümmern
Walhalls strahlende Pracht!

Waltraute
Diess deine Treue? So in Trauer
entlässest du lieblos die Schwester?

Brünnhilde
Schwinge dich fort, fliege zu Roß!
Den Reif entführst du mir nicht!

Waltraute
Wehe! Wehe!
Weh' dir, Schwester!
Walhalls Göttern Weh'!
(Sie stürzt fort. Bald erhebt sich unter Sturm eine
Gewitterwolke aus dem Tann.)


Brünnhilde
(während sie der davonziehenden, hell
erleuchteten Gewitterwolke, die sich bald
gänzlich in der Ferne verliert, nachblickt)

Blitzend Gewölk,
vom Wind getragen, stürme dahin:
zu mir nie steure mehr her!
(Es ist Abend geworden. Aus der Tiefe leuchtet der
Feuerschein allmählich heller auf. Brünnhilde blickt
ruhig in die Landschaft hinaus.)

Abendlich Dämmern deckt den Himmel;
heller leuchtet die hütende Lohe herauf.
(Der Feuerschein nähert sich aus der Tiefe. Immer
glühendere Flammenzungen lecken über den Felsen-
saum auf.)


Was leckt so wüthend
die lodernde Welle zum Wall?
Zur Felsenspitze wälzt sich der feurige Schwall.
(Sie fährt entzückt auf.)
Siegfried! Siegfried zurück?
Seinen Ruf sendet er her!
Auf! Auf! Ihm entgegen!
In meines Gottes Arm!
(Sie eilt in höchstem Entzücken dem Felsrande zu.
Feuerflammen schlagen herauf: aus ihnen springt
Siegfried auf einen hochragenden Felsstein empor,
worauf die Flammen sogleich wieder zurückweichen
und abermals nur aus der Tiefe heraufleuchten.)

(Siegfried auf dem Haupte den Tarnhelm, der ihm
bis zur Hälfte das Gesicht verdeckt und nur die Augen
freiläßt, erscheint in Gunthers Gestalt. Brünnhilde
weicht voll Entsetzen zurück, flieht bis in den Vorder-
grund und heftet von da aus, in sprachlosem
Erstaunen, ihren Blick auf Siegfried.)


Brünnhilde
Verrath! Wer drang zu mir?
(Siegfried, im Hintergrunde auf dem Steine ver-
weilend, betrachtet Brünnhilde, regungslos auf sei-
nen Schild gelehnt.)


Siegfried
(mit verstellter, rauherer, Stimme)
Brünnhild'! Ein Freier kam,
den dein Feuer nicht geschreckt.
Dich werb' ich nun zum Weib:
du folge willig mir!

Brünnhilde
(heftig zitternd)
Wer ist der Mann, der das vermochte,
was dem Stärksten nur bestimmt?

Siegfried
(unverändert wie zuvor)
Ein Helde der dich zähmt,
bezwingt Gewalt dich nur.

Brünnhilde
Ein Unhold
schwang sich auf jenen Stein!
Ein Aar kam geflogen, mich zu zerfleischen!
Wer bist du, Schrecklicher?
Stammst du von Menschen?
Komm'st du von Hellas nächtlichem Heer?

Siegfried
(wie zuvor, mit etwas bebender Stimme
beginnend, alsbald aber wieder sicherer
fortfahrend)

Ein Gibichung bin ich,
und Gunther heißt der Held,
dem, Frau, du folgen sollst.

Brünnhilde
(in Verzweiflung ausbrechend)
Wotan! Ergrimmter grausamer Gott!
Weh'! Nun erseh' ich der Strafe Sinn!
zu Hohn und Jammer jag'st du mich hin!
(Siegfried springt vom Steine herab und tritt näher heran.)

Siegfried
Die Nacht bricht an: in diesem Gemach
mußt du dich mir vermählen!

Brünnhilde
(indem sie den Finger, an welchem sie
Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt)

Bleib' fern! Fürchte dies Zeichen!
Zur Schande zwingst du mich nicht,
so lang' der Ring mich beschützt.

Siegfried
Mannesrecht gebe er Gunther:
durch den Ring sei ihm vermählt!

Brünnhilde
Zurück, du Räuber! Frevelnder Dieb!
Erfreche dich nicht mir zu nah'n!
Stärker als Stahl macht mich der Ring:
nie raub'st du ihn mir!

Siegfried
Von dir ihn zu lösen
lehrst du mich nun!
(Er dringt auf sie ein. Sie ringen mit einander.
Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich
um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von Neuem an.
Sie flieht; er erreicht sie. Beide ringen heftig mit
einander. Er faßt sie bei der Hand und entzieht ihrem
Finger den Ring. Sie schreit heftig auf.)


(Als sie wie gebrochen in seinen Armen
niedersinkt, streift ihr Blick bewußtlos die Augen
Siegfrieds. Er läßt die Machtlose auf die Steinbank vor
dem Felsen gemache niedergleiten.)

Jetzt bist du mein.
Brünnhilde, Gunthers Braut,
gönne mir nun dein Gemach!
(Brünnhilde starrt ohnmächtig vor sich hin.)

Brünnhilde
(matt)
Was könntest du wehren, elendes Weib!
(Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Gebärde
an. Zitternd und wankenden Schrittes geht sie in das
Gemach.)

(Siegfried zieht das Schwert.)

Siegfried
(mit seiner natürlichen Stimme)
Nun, Nothung, zeuge du,
daß ich in Züchten warb.
Die Treue wahrend dem Bruder,
trenne mich von seiner Braut!
(Er folgt Brünnhilde nach.)
(Der Vorhang fällt.)


libretto by Richard Wagner 
Contents: Personen; Vorspiel; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug

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