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“Il turco in Italia” by Gioachino Rossini libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt |
Erste Szene Ein abseits gelegener Platz außerhalb Neapels, am Meer gelegen. Auf der einen Seite, in einiger Entfernung, ein Hügel, der mit kleinen Landhäusern bebaut ist und auf dem Zigeunerzelte stehen. Auf der anderen Seite sieht man einen Teil des Hauses von Don Geronio. (Eine Gruppe von Zigeunern befindet sich auf dem Hügel, eine andere auf der Ebene. Alle sind mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt.) CHOR Unsere Heimat ist die ganze Welt, und inmitten des Überflusses läßt die leichtgläubige Unwissenheit der anderen uns leben und schwelgen. ZAIDA Alle haben ein zufriedenes Herz, ich allein bin die Unglückliche! Ich habe meinen Liebsten verloren und kann ihn nicht mehr wiederfinden. ALBAZAR Erheitere dich einmal, sei vergnügt mit uns. |
Auf... nur Mut! Es ist an dir, mit dem Lied zu beginnen. (Der Dichter tritt auf.) DICHTER Ich muß ein komisches Stück schreiben und finde keinen Stoff? Dieser hat zuviel Gefühl, jener erscheint mir zu fade. CHOR Unsere Heimat ist die ganze Welt, und inmitten des Überflusses läßt die leichtgläubige Unwissenheit der anderen uns leben und schwelgen. DICHTER Schau an: Zigeuner! Donnerwetter! Spaß, Gesang, Essen! Oh, was für eine schöne Einleitung könnte man daraus machen! ALLE Unsere Heimat, usw. (Singend entfernen sie sich.) DICHTER Ach, wenn doch das Auftauchen dieser Zigeuner irgendeinen Vorfall auslösen könnte, der mir einen passenden Stoff für ein ganzes Drama lieferte! Ein schönes Stück würde ich schreiben, ganz nach dem Leben! Ich muß mich in Gedanken mit den Capricen der schönen Fiorilla beschäftigen: |
Dichter aller Arten haben schon Stücke geschrieben über einen dummen Ehemann und ein verrücktes Weib. Da ist schon Geronio, der die Angewohnheit hat, sich aus den Sternen die Zukunft deuten zu lassen. Ich laufe und bereite die Zigeuner vor. (Der Dichter steigt den Hügel hinauf und zeigt den Zigeunern Geronio, der von der anderen Seite her auftritt.) GERONIO Ich bin auf der Suche nach einer Zigeunerin, die mir die Zukunft zu deuten weiß, die mir im Vertrauen sagt, ob ich mit Zeit und mit Ruhe den Verstand meiner Frau wohl heilen kann. Doch die Zigeunerin, die ich suche, ist unmöglich zu finden. Der Verstand meiner Frau ist aus einem solchen Stoff gemacht, daß selbst ein Astrologe nicht sagen kann, wie er funktioniert. (Inzwischen kommen die Zigeuner mit Zaida vom Hügel herunter und umringen Geronio auf der Ebene.) CHOR Wer will sich die Zukunft deuten lassen? GERONIO Wie gerufen ist schon in meiner Nähe eine Gruppe von Zigeunerinnen. |
CHOR Wir lesen im Schicksal, wir lesen in den Sternen: wer will sich die Zukunft deuten lassen? GERONIO Zigeunerinnen! CHOR Her die Hand! GERONIO Wartet! CHOR Rasch... GERONIO Langsam. ZAIDA Ihr seid geboren... GERONIO Ja, an welchem Tage? ZAIDA Die Sonne stand im Steinbock. GERONIO Bin ich Junggeselle oder verheiratet? ZAIDA Zeigt Euer Gesicht. Verheiratet. |
GERONIO Seit wann? Wie erkennst du das? ZAIDA Unter dem Zeichen des Widders. ZAIDA und CHOR Unglücklicher! GERONIO Was soll das? ZAIDA und CHOR Was für eine fatale Geschichte! GERONIO Was denn? ZAIDA und CHOR Das Zeichen des Schafbocks! GERONIO He! Geht mir aus dem Weg! He! Verschwindet von hier! Ah, meine Frau, selbst die Zigeuner in den Straßen wissen, wer ich bin; wenn du weiter solchen Unsinn redest, so wird die ganze Welt es erfahren. ZAIDA und CHOR (Was für eine fatale Geschichte! Der Schafbock!... Ha ha ha!) |
GERONIO He, laßt mich, ihr Narren! He! Verschwindet von hier! (Sie gehen ab. Fiorilla kommt mit einigen Freundinnen. Sie kehren eben von einem Spaziergang zurück.) FIORILLA Es gibt keine größere Verrücktheit als einen einzigen zu lieben: Langeweile bringt uns, nicht Freude das alltägliche Glück. Niemals lieben eine einzige Blume, die Biene, die Luft, der Fluß; mit veränderlichem Herz und Sinn, so will ich lieben, so will ich mich verändern. Es gibt keine größere Verrücktheit als einen einzigen zu lieben: Langeweile bringt uns, nicht Freude das alltägliche Glück. (Unterdessen sieht man ein Schiff vorüberfahren; es läßt ein Boot zu Wasser und geht vor Anker. Das Boot kommt auf den Strand zu. Es trägt Selim, begleitet von Türken.) CHOR Rudert, rudert. An Land, an Land! FIORILLA Ein Schiff! Es scheint türkisch zu sein. CHOR Von der Plage, die wir auf See hatten, können wir uns hier erholen. |
FIORILLA Beiseite wollen wir gehen und sehen, wer hier landet. (Fiorilla zieht sich zurück. Das Boot landet und Selim steigt aus.) CHOR Und vergessen lassen wird uns jede Pein der Himmel Italiens. SELIM Schönes Italien, endlich sehe ich dich, ich grüße euch, freundliche Gestade; die Luft, die Erde, die Blumen, die Wellen - alles lacht und spricht zum Herzen. Ach, vom Himmel und von der Erde wirst du, schönes Italien, geliebt. (Fiorilla und ihre Freundinnen zeigen sich.) FIORILLA Welch schöner Türke! Gehen wir näher. SELIM So viele liebliche Frauenzimmer! FIORILLA Auch die Türken mißfallen mir nicht! SELIM Die Italienerinnen sind wunderschön. FIORILLA Ich will mit ihm sprechen. |
SELIM Ich will mich nähern. FIORILLA und SELIM Und ich will mich amüsieren. FIORILLA Eure Dienerin... SELIM Euer Diener... FIORILLA (Er ist sehr höflich.) SELIM (Oh, was für ein liebliches Gesichtchen! Ich bin wahrhaft glücklich zu schätzen, daß ich ein so reizendes Gesicht antreffe. FIORILLA Ganz auf meiner Seite ist das Glück, da ich einen großen Herrn treffe, der so zivilisiert ist. SELIM (Ich bin überrascht.) FIORILLA (Er ist schon angeschlagen.) SELIM (Welch eine Anmut!) |
FIORILLA (Er ist im Netz!) SELIM Signora, Ihr gefallt mir. FIORILLA Macht Euch nicht lustig über mich... SELIM Wahrhaftig. FIORILLA (Was man mit einem bißchen Höflichkeit ausrichten kann, das weiß ich nur zu gut.) SELIM (Ihre reizende Höflichkeit scheint sie noch lieblicher zu machen.) FIORILLA Lebt wohl, mein Herr... SELIM Ihr geht? FIORILLA Ich möchte ein wenig spazierengehen. SELIM Macht es Euch etwas aus, wenn ich mitkomme? FIORILLA Das ist zuviel Ehre. |
SELIM (Was für ein Feuer!) FIORILLA Ah! SELIM Liebe! Ihr seufzt? Ah! FIORILLA Auch Ihr. SELIM Auch ich. FIORILLA und SELIM Warum? SELIM Weil ich ein ungewohntes Feuer in mir auflodern fühle. (Fiorilla reicht ihm ihre Hand, welche Selim zärtlich drückt.) FIORILLA und SELIM Teure Hand, an die Brust drücke ich dich, niemals möchte ich dich wieder lassen. (Es ist nicht allzu schwierig, diese Türken/Damen zu erobern.) (Sie gehen hinaus. Don Geronio, Narciso und der Dichter treten auf.) GERONIO Freunde...eilt mir zu Hilfe, tröstet mich... ich bin außer mir. |
NARCISO Warum? Was geschah denn? DICHTER Was ist denn? GERONIO An dieser Stelle sah ich meine Frau mit einem Türken. DICHTER Ein Türke! NARCISO (Die Ungetreue!) GERONIO In mein Haus führt sie ihn, um dort den Kaffee zu nehmen. Verflucht seien alle Türken dieser Welt. DICHTER Dies ist ein Augenblick, sich selbst Ehre zu machen. GERONIO Es macht mir nichts aus, in meinem Haus den juwelenverzierten Turban des Selim Damelec zu wissen. DICHTER (hüpft vor Freude) Was? Selim! Wirklich! Der Geliebte der Zigeunerin! Donnerwetter! |
Diese unerwartete Ankunft ist ein Glücksfall von Szene... Das Drama ist da. Apollo, ich danke dir. NARCISO Er ist verrückt. GERONIO Er ist verrückt. DICHTER Ein hirnloser Ehemann! Eine kapriziöse Ehefrau! Nein: etwas besseres gibt es nicht. GERONIO (ärgerlich) Mein Herr, was ist daran komisch? Erweist mir Respekt, oder andernfalls wird Euch jemand den Schädel zerschlagen. DICHTER Ein galanter Nebenbuhler wird ersetzt durch einen schönen, verliebten Türken! Oh, was für eine Handlung daraus wird! NARCISO (entrüstet) Vom wem gedenkt Ihr da zu reden? Fangt nicht an, uns zu beleidigen, oder Ihr bekommt es mit mir zu tun! DICHTER (einmal zu diesem, einmal zu jenem) Aber, mein Herr, warum so hitzig? Aber, mein Herr, warum regt Ihr Euch auf? |
Ich will mir für ein Drama Die Handlung auswählen, die mir gefällt. GERONIO Sucht Euch nur eine Geschichte, die nicht jener wie der meinen gleicht, und die nicht die Ehegatten schlecht behandelt, die sich selbst Respekt zu schaffen wissen. NARCISO Laßt die Galane leben und bringt ihren Status nicht in Mißkredit; oder ich werde einen erschlagenen Dichter in die Handlung einbauen. DICHTER Erster Akt - der Gatte mit dem Freunde... Erste Szene - Gattin... Türke... Schreien... Gatte... Nein, besseres kann man sich nicht vorstellen. GERONIO und NARCISO Akt eins, erste Szene - der Dichter wird für diese Handlung vom Ehemann und vom Freunde Prügel beziehen. |
Zweite Szene Elegant eingerichteter Salon im Hause Don Geronios. Ein Sofa, ein kleiner Tisch, Stühle, usw. (Fiorilla tritt ein, begleitet von Selim. Sie erteilt einem Diener Anweisungen, woraufhin dieser hinausgeht.) FIORILLA Holla: Rasch den Kaffee. Nehmt Platz. SELIM (setzt sich) In diesem Zimmer bewundere ich das reiche Mobiliar; doch für so große Schönheit wie die Eure ist ein Tempel vonnöten, und Ihr würdet einen großartigen Tempel in der Türkei haben. FIORILLA Vielleicht irgendeinen Harem? Ist es wahr, daß die Türken so eifersüchtig sind? SELIM Ach! Besäßen sie einen Schatz wie diesen, so wäre ihre Eifersucht entschuldbar; sie würden Euch mehr lieben als Ihr Euch vorstellen könnt. FIORILLA Da ist der Kaffee. |
SELIM (Ich kann nicht mehr.) FIORILLA (gießt ein und reicht ihm die Tasse) Nehmt. SELIM (Welch ein zarte Hand!) FIORILLA Ist es genug Zucker? SELIM (Was für elegante Manieren! Was für schöne Augen, und was für ein Feuer in ihnen lodert!) FIORILLA Doch an was denkt Ihr? SELIM Ich denke an Fiorilla. FIORILLA (Der Türke ist gefangen.) Wie viele Frauen habt Ihr geliebt? Wie viele würdet Ihr haben wollen? SELIM Eine habe ich geliebt. Und ich wollte nicht mehr lieben. Doch in Eurer Nähe spüre ich, daß ich wieder vor Liebe glühen muß. Ah! Wenn Ihr meine Liebe hinnehmen wollt, |
so werdet Ihr die einzige in meinem Herzen sein. FIORILLA Ihr seid ein Türke, und ich glaube Euch nicht: Hundert Frauen habt Ihr um Euch; Ihr kauft sie und verkauft sie wieder, wenn die Glut in Euch erloschen ist. SELIM Ach! Meine Teure, auch in der Türkei nennt man einen Schatz sein Eigen, wendet man sich nicht ab oder verläßt ihn; auch ein Türke bewahrt die Liebe. (Don Geronio tritt ein.) GERONIO Da sind sie, die beiden allein! Was soll ich ertragen müssen? Ist es gestattet? Darf man eintreten? Darf ich auf eine solche Wohltat hoffen? SELIM Was verlangt dieser Freche? FIORILLA Beruhigt Euch: er ist mein Gatte. SELIM (springt auf und zieht einen Dolch) Der Gatte... fort... rasch. GERONIO Wie?... Hilfe!... Was soll das? |
SELIM Der Gatte! hinaus... GERONIO Zu Hilfe! FIORILLA Übt Nachsicht; er kam hierher, der Ärmste, um Euch die Ehre zu erweisen. SELIM Ich traue ihm nicht. GERONIO Ja, mein Herr. (Narciso tritt ein und bleibt im Hintergrunde stehen.) NARCISO (Himmel, was sehe ich? Die Ungetreue ist schon zur Liebsten des Türken geworden.) FIORILLA Und er erbittet die Gnade, küssen zu dürfen... GERONIO Ja, mein Herr. FIORILLA Den Mantel... der Ärmste... GERONIO Den Mantel, ja, mein Herr, rasch, rasch, rasch hierher. |
(Fiorilla nötigt ihren Gatten, den Mantel des Türken zu küssen.) SELIM Ich bin erstaunt, es wundert mich. Die italienischen Ehemänner sind viel höflicher als die Türken; sie sind voller Güte. FIORILLA (Oh, was für eine Szene!) Ihr habt Recht: (blöder Alter!) die Ehemänner (aber ich genieße es!) sind höflich. Sie sind voller Güte. NARCISO Ach, ich sehe, meine Schmerzen, Unglückseliger, sind vollendet. Gerechte Liebe! Weh! Gerächt sollen werden alle die Kränkungen, die sie mir zufügt. GERONIO (Verflucht!) Er hat Recht: (ah! Klatschmaul!) die Ehemänner (ich platze, ich krepiere!) sind höflich, sie sind voller Güte. NARCISO (kommt näher und spricht zu Geronio) Wie? Eine so große Schmach könnt Ihr ruhig erleiden? SELIM Was will dieser Verwegene von Euch? |
GERONIO Nichts. FIORILLA Was will er denn? GERONIO Nichts. FIORILLA Was will er sagen? SELIM Ich will ihn nicht in meiner Gegenwart haben. GERONIO Takt!... Umsicht! NARCISO Hört! SELIM Hier. FIORILLA Fort, hinaus. GERONIO Ich bin es jetzt satt, ich kann es nicht mehr ertragen. SELIM (spricht abseits mit Fiorilla) Mit dir will ich reden, ich erwarte dich am Ufer des Meeres. |
(Jene dort wecken meinen Ärger, und besser gehe ich hinaus.) (Er will hinausgehen, kommt aber nochmals zurück.) SELIM (leise zu Fiorilla) Doch bevor ich Euch verlasse, schenkt mir zuvor das liebliche Lächeln, einen Liebesblick. (Diese beiden Plagegeister bedrängen sie immer noch.) FIORILLA (leise zu Selim) Doch bevor Ihr mich verlaßt, schenkt mir zuvor das liebliche Lächeln, einen Liebesblick. (Diese beiden Plagegeister wurmt das ganze mächtig.) NARCISO (leise zu Geronio) Ihr solltet Euch nun weniger nachgiebig zeigen; seht: ich bin erfüllt von Scham über Euch. (In Stücke reißen mir das Herz der Verrat und die Liebe.) GERONIO (leise zu Narciso) Ich kann Euch nicht nennen die Wut, die ich im Leibe habe; ich bin ganz vergiftet, ich bin völlig wütend. |
(Doch noch besänftigt mich meine Angst vor dem Türken.) (Selim, Fiorilla und Narciso gehen hinaus. Geronio, allein zurückgelassen, wandert auf und ab. Der Dichter tritt ein.) GERONIO Ein Alter kann keine größere Dummheit begehen, als eine Frau zu nehmen, die jung ist. Dichter, findest du nicht, daß ich Mitleid verdiene? Hier habe ich sie überrascht, wie ihr von dem Türken der Hof gemacht wurde, und der Barbar wollte mich erstechen. DICHTER Gut! GERONIO Was sagst du? Um ihn zu beruhigen, zwang sie mich, sein Gewand zu küssen. DICHTER Oh, was für ein reizendes Trio! GERONIO Und er wäre immer noch hier, wäre nicht Don Narciso zur rechten Zeit erschienen und hätte die gerechte Verteidigung eines aufgebrachten Ehemanns übernommen. |
DICHTER Was für eine Szene! Was für ein kostbares Quartett! GERONIO Aber über was redest du denn dauernd? Ich verstehe dich nicht. DICHTER Verzeiht; ich entwarf gerade ein komisches Stück. Was gedenkt Ihr denn nun Eurer Gattin zu sagen? GERONIO Oh! Wenn sie so gefügig wäre wie meine erste Frau es war! Dann könnte ich ihr meine Gründe darlegen; doch diese ist die Kehrseite der Medaille. DICHTER Sie ist so, weil sie in Euch einen Waschlappen sieht. (Die Dichter geht hinaus.) GERONIO Der Dichter hat recht. Die Geduld ist die Tugend der Esel. Endlich will ich es sein, der kommandiert in meinem Hause. Entweder dieser Türke oder meine Gattin hat zu gehen... (Fiorilla tritt ein.) |
FIORILLA (Geronio ist noch hier! Verwünschtes Zusammentreffen! Ich werde gezwungen sein, mir eine Viertelstunde lang Moralpredigten anzuhören.) GERONIO (Da ist sie: nun Strenge!) FIORILLA (Soll er predigen, wie er will; ich werde dazu schweigen.) GERONIO Wie viele bittere Pillen bin ich zu schlucken gezwungen! FIORILLA Mit wem habt Ihr es denn? GERONIO Mit einer verrückten Frau, verdreht, kapriziös, die unglücklicherweise Don Geronios Gattin ist. FIORILLA Auch ich beklage mich über Euch aus dem Grunde, daß Ihr Euch verändert habt. GERONIO Ich! |
FIORILLA Ich beweise es Euch. So liebenswürdig wie einst finde ich Euch nicht mehr. GERONIO (ironisch) Was ich, um der Dame zu gefallen, zu tun habe möcht ich wissen. FIORILLA Ihr müßt stets ruhig sein, niemals irgendwas vermuten. GERONIO Doch wenn ich höre... FIORILLA Müßt Ihr Euch taub stellen. GERONIO Doch wenn ich sehe... FIORILLA Müßt ihr Euch blind stellen. GERONIO Nein, Signora, das meine ich nicht; ich will sehen und ich will sprechen. FIORILLA Ihr macht Euch zum Tölpel, Ihr macht Euch zum Hanswurst. |
GERONIO In kurzem, will ich in meinem Haus weder Türken, noch Italiener, oder ich verliere die Geduld... FIORILLA (ironisch) Was für eine Tollheit! GERONIO Ich lege Hand an... FIORILLA (mit gespielter Zärtlichkeit) Kommt, Teurer, beruhigt Euch! GERONIO Wie! Immer noch verhöhnt Ihr mich? FIORILLA Nein, mein Leben, mein Schatz, daß ich Euch verehre, weiß ein jeder. Grausam beschuldigt Ihr mich! Ihr beleidigt mich! GERONIO (Leb wohl, Mut!) FIORILLA Ihr seht meine Tränen, ohne Mitleid mit mir zu haben. GERONIO Nein, Fiorilla. Ich liebe dich auch immer noch, das weiß ein jeder. |
FIORILLA Und Ihr wagt, mich anzugreifen, mich zu malträtieren, mich zu ängstigen! GERONIO Verzeiht... FIORILLA Laßt mich. GERONIO Fiorillinchen! FIORILLA Rache will ich! GERONIO Fiorillalein! FIORILLA Fort von hier. Um Euch zu bestrafen, will ich tausend Liebhaber stets um mich haben, bei Tag und Nacht Verrücktheiten erleben, mich in Freiheit unterhalten. (Das ist es, was man bei einem Mann wie diesem zu tun hat.) GERONIO Ach! Ich sage es, sie ist verrückt geboren und wird noch verrückter sterben.) (Sie gehen hinaus.) |
Dritte Szene Am Ufer des Meeres, wie in der ersten Szene (Die Zigeuner sind mit verschiedenen Dingen beschäftigt.) CHOR Große Wunder unter der Sonne; wer will sie hören, wer will sie sehen? ZAIDA Die Vergangenheit und die Zukunft, wer will sie durchdringen? Kein Geheimnis ist so dunkel, daß ich es nicht enthüllen könnte. CHOR Große Wunder, usw. (Selim tritt auf, dann der Dichter.) SELIM Für die Flucht ist alles bereit; gut ist der Wind und ruhig das Meer; ungeduldig harre ich hier, meine Schöne zu erwarten. DICHTER (Das ist Selim! Ohne ihn zu erkennen, nähert sich Zaida ihm.) ZAIDA Wer will sich von der wahrsagenden Zigeunerin die Zukunft deuten lassen? SELIM Zigeunerin, komm näher; was sagen dir die Planeten? |
ZAIDA Ah! Diese Stimme!... Die Haltung! Ich habe nicht die Kraft zu reden. DICHTER (Jetzt kommt das Erkennen, es wird einen Ohnmachtsanfall geben. Ich werde eine Sitzgelegenheit vorbereiten.) SELIM Was verkündet dir mein Schicksal so Schreckliches und Hartes daß ich in deinen Augen fast die Tränen aufsteigen sehe? ZAIDA Durch ungerechte Eifersucht sehe ich Zaida zum Tode getrieben; doch sie liebt dich und wünscht einzig, zu dir zurückkehren zu können. SELIM Wo lebt die Unglückliche? Aber... Ich irre mich nicht... Schöne Zaida! ZAIDA Ja, mein Herr, ich bin es! SELIM Komm zu mir, meine Geliebte. ZAIDA und SELIM Das Ende meiner Qualen ist da, mein einziges Glück! |
DICHTER (Da ist der Stuhl und man fällt nicht in Ohnmacht, das ist nicht nach der Regel.) (Narciso kommt, dann Fiorilla mit verschleiertem Gesicht, schließlich Geronio.) NARCISO Warum nur, da ich verraten bin, brennt mein Herz, grausame Liebe? Gib endlich mir meine Liebe zurück oder schenke mir Freiheit. CHOR Es lebe der Liebe lebendige Flamme, das Glück des Herzens, die Freude der Welt. FIORILLA Wer der Liebe nicht zu dienen gedenkt, entferne sich, denn sie ist mit mir; um ein stolzes Herz zu zähmen, gab die Liebe mir Pfeil und Bogen. SELIM Was für ein schönes Lied! Was für eine Erscheinung! GERONIO Hierher muß meine Gattin kommen, tun will ich... ich will sagen... Wenn ich sie finde, wird sie etwas zu hören bekommen. FIORILLA Schöner und liebenswerter Fremder! |
SELIM Schöne Nymphe! GERONIO (Wer kommt da?) NARCISO (Es scheint Fiorilla zu sein.) GERONIO (Sie ist es, sie ist es.) DICHTER (Da ist Geronio, da ist der Liebhaber.) SELIM Ach, enthüllt Euer schönes Antlitz. ZAIDA (Wir stehen wieder am Anfang: er hat sich schon abgewendet.) SELIM Enthüllt Euch. FIORILLA Untreuer, Verräter! So liebst du mich? Sieh mich an. (Sie entfernt den Schleier, und alle, die versammelt sind, schreien auf.) ALLE Ah! |
FIORILLA, ZAIDA, GERONIO, NARCISO Ah! Mein Herz betrog mich nicht, all meine Qualen sind nun Gewißheit. Bei ihrem Anblick fühle ich mich von Empörung zerrissen. SELIM Ah! Mein Herz betrog mich nicht, sie beobachtete meine Schritte, bei ihrem Anblick wage ich vor Scham nicht die Augen zu erheben. DICHTER Diese Szene fehlte uns noch, um meine Verse zu vollenden; es gibt Überraschung für fünf oder sechs; ein großes Finale kann man daraus machen. ZAIDA (wendet sich zu Fiorilla) Verschwindet hier, und hütet Euch, meinem Liebsten nachzustellen. FIORILLA Dieser Herr gehört nicht zu Euch. Hier will ich mit ihm bleiben. SELIM Doch hört... beruhigt Euch. NARCISO Was sagt Ihr? Ihr redet nicht? GERONIO Schnell nach Hause, rasch nach Hause. |
ALBAZAR Was ist denn das für ein Durcheinander? DICHTER Oh, was für eine einzigartige Szene! ZAIDA Wir werden ja sehen, wir werden ja sehen... FIORILLA Wir sind zwei, die ja sehen werden... ZAIDA Meine Dame, ich habe keine Angst vor Euch... FIORILLA Kokotten von Eurer Sorte... ZAIDA Kratzbürsten von Eurer Sorte... FIORILLA und ZAIDA ... werde ich schon zu bekämpfen wissen. (Sie werden beinahe handgreiflich.) ZAIDA Wie! Wie! Kratzbürste! Das mir! FIORILLA (Oh! Donnerwetter! Das mir! Kokotte!) ZAIDA Du allein bist die Kratzbürste... |
FIORILLA Du bist allein die Kokotte! FIORILLA und ZAIDA Flittchen! Luder! Raufziege... Was für eine Redeweise! SELIM (trennt sie) Was macht ihr? Holla, beruhigt euch! GERONIO Welch Raserei... welche Wut! NARCISO Aber Fiorilla, schämt Euch... Zaida, holla, wirst du nicht rot? Nun, redet anständig miteinander, fangt nicht an zu beschimpfen. DICHTER Macht weiter... weiter... bravissimo... da... dort... gut; so ist's bestens... rauft euch... würgt euch, kratzt... beißt... das gefällt mir... Was für ein Finale... was für ein großartiges Finale! Oh, was für eine Sensation wird das machen! ALLE ANDEREN Wenn der Wind unvermittelt losstürmt, die Wälder schüttelt und die Zweige entlaubt, wenn das Meer im Sturm tosend schäumt, kocht, den Strand überflutet, macht das weniger Krach als zwei Frauen, wenn sie Rivalinnen in der Liebe sind. |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt |