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“Le nozze di Figaro” by Wolfgang Amadeus Mozart libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |
Gemach der Gräfin (Zur rechten Seite eine Tür, zur linken Seite ein Kabinett. Zu einer Seite ein Fenster. Die Gräfin ist allein.) Nr. 10: Kavatine GRÄFIN Hör mein Flehn, o Gott der Liebe, hab' Erbarmen mit meiner Not, gib mir meinen Gatten wieder oder sende mir den Tod! Hör' mein Flehn, usw. (Susanna tritt ein.) GRÄFIN Komm, liebe Susanna, erzähle die Geschichte zu Ende. SUSANNA Sie ist zu Ende. GRÄFIN So wollte er dich verführen? SUSANNA Oh, der Herr Graf macht solche Komplimente nicht Frauen meines Standes. Er bot mir Geld an. GRÄFIN Oh, der Grausame liebt mich nicht mehr! |
SUSANNA Und wie er eifersüchtig ist auf Euch! GRÄFIN So sind die modernen Gatten: aus Grundsatz untreu, aus Laune kapriziös, Und alle aus Stolz eifersüchtig. Aber wenn Figaro dich liebt ..er allein könnte... FIGARO (hinter der Szene singend) La la la. La la la. (tritt ein) SUSANNA Das ist er; komm, Freund: ungeduldig die Herrin. FIGARO Ihr braucht Euch nicht damit zu quälen. Was ist's schon? Dem Herrn Grafen gefällt meine Braut. So, ganz heimlich will er erneuern das Feudalrecht: möglich ist's und ganz natürlich. GRÄFIN Möglich! |
SUSANNA Und natürlich! FIGARO Sehr natürlich! und will's Susanna, sehr möglich. SUSANNA Hör doch endlich auf. FIGARO Ich höre schon auf. deswegen hat er entschieden, ich werde Kurier, und Susanna heimliche Botschafterin: und weil sie trotzig die ihr zugedachte Ehre ablehnt, droht er, Marcellina zu protegieren. Das ist alles. SUSANNA Wie kannst du über so ernste Dinge so scherzen? FIGARO Und genügt es dir nicht, daß ich es vermag? Hier mein Vorschlag. (zur Gräfin) Durch Basilio laß ich ihm ein Kärtchen zukommen, das ihm Kunde gibt von einem Stelldichein, das lhr zur Stunde des Balles einem Liebhaber gewährt. |
GRÄFIN Himmel! Was hör'ich! einem so eifersüchtigen Mann! ... FIGARO Um so besser noch können wir ihn verwirren, beschämen, beschwindeln, seine Pläne entlarven, seinen Verdacht erwecken, daß er glaubt, das neue Fest, mir zugedacht, ihm werde gemacht. So verliert er Zeit und gar die Fährte. So ganz plötzlich, ohne daß er unsere Pläne verhindern kann, kommt die Hochzeitsstunde, und ihretwegen (zeigt auf die Gräfin) Wagt er nicht mehr, sich meinen Wünschen zu widersetzen. SUSANNA Das ist wahr, doch wenn nicht er, sondern Marcellina Schwierigkeiten macht. FIGARO Warte, dem Grafen, läßt du sogleich sagen, daß am Abend du ihn im Garten erwartest: der kleine Cherubino, auf meinen Rat noch nicht fort, in Frauenkleidung stellt für dich sich ein. Das ist der einzige Weg, daß er, überrascht von der gnädigen Frau, |
unseren Wünschen willfahren muß. GRÄFIN (zu Susanna) Wie findest du das? SUSANNA Nicht schlecht. GRÄFIN In unserer Lage... SUSANNA Wenn er überzeugt ist... GRÄFIN Doch haben wir noch Zeit? FIGARO Jetzt ist der Graf auf der Jagd, nicht vor einigen Stunden kehrt er zurück: (im Begriff fortzugehen) Ich gehe sofort, hol' Euch Cherubino: Ihr könnt ihn verkleiden. GRÄFIN Und dann? FIGARO Und dann... wollt lhr nun tanzen, mein lieber Herr Graf, die Gitarre dazu spiel ich Euch auf. (geht ab) |
GRÄFIN Wie schmerzt's mich Susanna, daß der Knabe des Grafen Abenteuer mitanhörte; ach, du weißt nicht!... aus welchem Grund aber kam er nicht zu mir? Wo ist das Liedchen? SUSANNA Hier ist's. Sogleich soll er es singen. Still: jemand kommt: er ist es. (Cherubino tritt ein.) Herein, Herr Offizier. CHERUBINO Oh, ruf mich nicht bei diesem verwünschten Namen! Er erinnert mich, daß ich verlassen muß meine so gute Patin. SUSANNA Und so schön! CHERUBINO (seufzend) O...ja...sicher SUSANNA (ahmt ihn nach) O.ja.sicher.kleiner Heuchler! Schnell, das Liedchen, das Ihr mir heute morgen gabt, singt es der Herrin. |
GRÄFIN Wer hat es verfaßt? SUSANNA (auf Cherubino zeigend) Schau: ganz gerötet sind seine Wangen. GRÄFIN Nimm meine Gitarre und begleite ihn. CHERUBINO Ich zitt're so. aber wenn die Herrin will. SUSANNA Sie will, sie will.hör auf zu reden. (Susanna spielt den Refrain auf der Gitarre.) Nr. 11: Kanzonette CHERUBINO Sagt, holde Frauen, die ihr sie kennt, sagt, ist es Liebe, was hier so brennt? Was mir geschehen, ist mir so neu, kann's nicht verstehen, was es nur sei. Sehnend Verlangen schwellt mir die Brust, freudiges Bangen, leidvolle Lust! Durch alle Glieder strömt's glühend heiß, ach, und dann wieder werd' ich zu Eis. In weiter Ferne winkt mir das Glück, doch will ich's fassen, weicht es zurück. Ich seufz' und stöhne als wie im Traum, |
es quillt die Träne, ich weiß es kaum. Bei Tag und Nacht durchwühlt mich der Schmerz, und doch wie gerne trägt ihn mein Herz! Sagt nun, ihr Frauen, usw. GRÄFIN Bravo! Welch' schone Stimme! Ich wußte nicht, Daß Ihr so gut singt. SUSANNA Ja, wahrhaftig, alles, was er macht, macht er gut. Schnell zu uns, schöner Soldat: Figaro sagte Euch. CHERUBINO Er sagte mir alles. SUSANNA Laßt sehen: das geht bestens. Wir haben die gleiche Statur.Weg den Mantel. (nimmt ihm den Mantel ab) GRÄFIN Was machst du? SUSANNA Keine Angst. GRÄFIN Wenn jemand eintritt? SUSANNA Soll er, was tun wir Schlechtes? Ich schließ die Tür. |
(schließt die Tür) Aber wie kann ich die Haare richten? GRÄFIN Eine meiner Hauben nimm aus der Garderobe. Schnell. (Susanna geht in das Kabinett, um eine Haube zu holen; Cherubino nähert sich der Gräfin und zeigt ihr das Patent, das aus seiner Brusttasche herausragt. Die Gräfin nimmt es, öffnet es und sieht, daß das Siegel fehlt.) Was für ein Papier ist das? CHERUBINO Das Patent. GRÄFIN Welch' schnelle Leute! CHERUBINO Gerade erhielt ich's von Basilio. GRÄFIN In der Eile vergaßen sie das Siegel. (Sie gibt es ihm zurück.) SUSANNA (kehrt zurück) Welches Siegel? GRÄFIN Des Patentes. |
SUSANNA Potztausend! Welche Eile! Hier die Haube. GRÄFIN (zu Susanna) Beeil' dich: ausgezeichnet. Weh uns, wenn der Graf kommt. Nr. 12: Arie SUSANNA Nur näher, knien Sie hin vor mir und bleiben Sie fein hier. Jetzt sachte, sachte umgedreht! Bravo, so ist es gut. Nun wenden Sie auf mich den Blick, nicht auf die Dame dort, hübsch aufgepaßt, mich angeschaut, die Gräfin ist nicht hier. Den Kopf mehr in die Höhe, dafür die Augen senken, die Arme in die Mitte. Nun laßt uns sehn die Schritte, gehen Sie auf und ab! Es kann dem Schelm nicht fehlen, ein jedes Herz zu stehlen! Welche Augen, welche Blicke, so schön und doch voll Tücke! Wenn den die Frauen lieben, so wissen sie warum. |
GRÄFIN Welche Komödie! SUSANNA Fast könnte ich selbst eifersüchtig werden: (nimmt Cherubino am Kinn) He, Schlange, hört auf, so schön zu sein! GRÄFIN Laß die Kindereien, diese Ärmel nun, schieb'sie ein wenig herauf, daß bequemer das Kleid ihm sitzt. SUSANNA (tut es) So. GRÄFIN Mehr nach hinten. So. (entdeckt ein Band an seinem Arm) Was für ein Band ist das? SUSANNA Dieses nahm er mir weg. GRÄFIN (wickelt das Band ab) Und dies Blut? |
CHERUBINO Das Blut.ich weiß nicht wie. grad eben stolpert'ich über einen Stein.schürfte mir die Haut, und verband mich mit dem Band. SUSANNA Zeigt: nicht schlecht! Ei der Daus, sein Arm ist weißer als meiner! Dieser Knabe... GRÄFIN Schwätzt du noch immer? Geh in mein Zimmer und hol ein wenig englischen Taft, er liegt auf dem Schrank. (Susanna geht ab.) Dieses Band.eigentlich. wegen der Farbe. möchte ich es nicht gerne missen. SUSANNA (kommt zurück und gibt ihr den Taft und die Schere) Nehmt: Und um seinen Arm zu verbinden? GRÄFIN Ein anderes Band nimm zusammen mit dem Kleid. (Susanna geht durch die Tür im Hintergrund ab und nimmt Cherubinos Mantel mit.) CHERUBINO Ach! Schneller hätte das andere mich geheilt. |
GRÄFIN Warum? Dieses ist besser! CHERUBINO Wenn ein Band berührte das Haar, die Haut. eines Wesens. GRÄFIN (unterbricht ihn) Das uns fremd ist, heilkraft hat, nicht wahr? Das ist mir neu! CHERUBINO Die Herrin scherzt, und ich muß fort. GRÄFIN Armer! Welch Unglück! CHERUBINO Oh, ich Unseliger! GRÄFIN Tränen gar! CHERUBINO O Himmel! Könnte ich sterben! Vielleicht im letzten Augenblick würde dieser Mund es wagen. GRÄFIN Seid vernünftig: was sollen diese Tollheiten? (Trocknet ihm mit dem Taschentuch die Augen. Es klopft an die Tür.) |
Wer klopft an die Tür? GRAF (draußen) Warum verschlossen? GRÄFIN Mein Gemahl! O Gott! Ich sterbe! (zu Cherubino) Ihr hier ohne Mantel! In diesem Zustand, mit dem Kärtchen, das er erhielt. seine große Eifersucht! GRAF Was zogert Ihr? GRÄFIN Ich bin allein, ja ich bin allein. GRAF Und sprecht mit wem? GRÄFIN Mit Euch . sicherlich ... mit Euch . CHERUBINO Nach dem, was bisher war, sein Zorn . ich finde keine Rettung! (Cherubino eilt in das Kabinett, schließt die Tür, die Gräfin nimmt den Schlüssel.) GRÄFIN Der Himmel helfe mir in dieser Gefahr! |
(Sie eilt dem Grafen die Tür zu öffnen.) GRAF (eintretend) Welche Neuheiten! Es war sonst nicht Eure Art, die Tür zu verschließen! GRÄFIN Es ist wahr! Aber ich... ich beschäftigte mich gerade. GRAF Nun, beschäftigte. GRÄFIN Mit meinen Kleidern. Susanna war mit mir... die in ihr Zimmer gegangen ist. GRAF Jedenfalls seid Ihr nicht ruhig: seht dieses Kärtchen. GRÄFIN (für sich) Götter! Das Kärtchen, das Figaro ihm schrieb! (Cherubino läßt im Kabinett mit großem Gepolter einen Tisch und einen Stuhl umfallen.) GRAF Was ist das für ein Lärm? Im Kabinett fiel etwas um. |
GRÄFIN Ich hör te nichts. GRAF Ihr scheint in tiefen Gedanken versunken. GRÄFIN Welche? GRAF Da ist jemand. GRÄFIN Wer soll's sein? GRAF Ich frage Euch . ich bin eben erst gekommen. GRÄFIN Ach ja, Susanna . das war's. GRAF Die, wie Ihr sagtet, in ihr Zimmer ging. GRÄFIN In ihr Zimmer, oder dorthin, ich sah nicht genau . GRAF Susanna! Warum seid ihr so verwirrt? GRÄFIN (mit gezwungenem Lächeln) Wegen meiner Zofe? |
GRAF Ich weiß nicht: auf jeden Fall seid Ihr verwirrt . GRÄFIN Ach, diese Zofe, mehr als mich, verwirrt sie Euch. GRAF Schon gut, wir werden es ja gleich sehen. Nr. 13: Terzett Susanna kommt durch die Tür, durch die sie hinausgegangen ist. Sie bleibt stehen, als sie den Grafen sieht, der vor dem Kabinett spricht. GRAF (an die Kabinettentür klopfend) Wohlan, wird's bald geschehen? Susanna, komm heraus. GRÄFIN Ich laß es nicht geschehen, sie darf jetzt nicht heraus. SUSANNA O weh, was ist geschehen? Ist Cherubino heraus? GRAF Und wer kann es verbieten? |
GRÄFIN Verbieten? Ehrbarkeit! Zum Fest sich anzukleiden, schloß sie sich drinnen ein. GRAF Ganz klar ist mir die Sache: Den Liebsten schloß sie ein. GRÄFIN Wer hilft mir aus dem Handel? Vor Angst möcht' ich vergehn. SUSANNA Nun merk' ich schon den Handel, allein, wie wird es gehn? GRAF Susanna! GRÄFIN Nein, nimmermehr! GRAF Wird's bald geschehen? GRÄFIN Ich bitte! GRAF Susanna! GRÄFIN O, bleiben Sie! |
GRAF So komm heraus! GRÄFIN Sie kann jetzt nicht heraus. GRAF Wohl bist du in dem Zimmer, so laß die Stimme hören! GRÄFIN Nein, nein, das leid' ich nimmer, ich werd es ihr ver wehren. GRAF Frau Gräfin, nur besonnen, des lauten Streites Ärgernis, es mag vermieden sein! SUSANNA Das Glück ist nun zerronnen, des lauten Streitens Ärgernis bricht jetzt auf uns herein. GRÄFIN Herr Graf, sein Sie besonnen, des lauten Streites Ärgernis, es mag vermieden sein! GRAF Ihr öffnet also nicht? |
GRÄFIN Warum soll ich meine Zimmer öffnen? GRAF Nun gut, laßt ... ich kann ohne Schlüssel öffnen ... he, Leute ... GRÄFIN Wie? Wollt Ihr gefährden die Ehre einer Frau? GRAF Es ist wahr, ich irre, ich kann ohne Lärm, ohne Skandal vor unseren Leuten selbst das Nötige holen: wartet nur hier . aber damit mein Zweifel ganz zerstreut ist, werde ich vorher die Tür verschließen. (verschließt die Tür, die zu den Zimmern der Dienerschaft führt) GRÄFIN (für sich) Welche Unverschämtheit! GRAF Ihr habt die Güte, mit mir zu kommen. Madame, hier mein Arm. Gehen wir. GRÄFIN Gehen wir. |
GRAF (zeigt auf das Kabinett) Susanna wird warten, bis wir kommen. (gehen ab) (Susanna kommt eilig aus dem Alkoven hervor.) Nr. 14: Duettino SUSANNA Geschwind die Tür geöffnet, geschwind, ich bin Susanna, geschwinde, fort geschwinde, geschwinde fort von hier! CHERUBINO (kommt heraus) O weh mir, welch ein Mißgeschick, o weh, was wird aus mir? SUSANNA Fort, fort von hier! CHERUBINO O weh, was wird aus mir? SUSANNA, CHERUBINO Die Türe ist verschlossen. Wie wird das gehn? CHERUBINO Wer hilft mir aus den Nöten? SUSANNA Im Zorn wird er Sie töten! |
CHERUBINO (tritt an das Fenster) Laß mich doch einmal sehen, (macht Miene, herabzuspringen) Wie tief liegt wohl der Garten? SUSANNA (hält ihn zurück) Wie können Sie das denken? Es geht nicht, nimmermehr! CHERUBINO Wer hilft mir aus den Nöten? SUSANNA Vor Angst möcht' ich vergehen. CHERUBINO Im Zorn wird er mich töten. SUSANNA Es ist zu hoch zum Springen! Es geht nicht, nimmermehr! CHERUBINO Lasse mich! Lasse mich! In das Feuer würd' ich springen, sie zu retten. Für sie nimm die Umarmung, addio, so ist's geschehn. (Er springt hinaus.) SUSANNA Er springt dem Tod entgegen, das geht nicht, nimmermehr! |
(Cherubino springt; Susanna schreit auf, setzt sich einen Augenblick, geht dann auf den Balkon.) Oh, sieh doch den kleinen Teufel! Wie er flieht! Schon ist er eine Meile weit. Aber nur nicht den Kopf verlieren, schnell ins Kabinett: soll der Wüterich kommen, ich erwarte ihn hier. (Sie geht in das Kabinett und schließt hinter sich die Tür. Die Gräfin und der Graf kehren mit dem Nötigen, um die Tür aufzubrechen, zurück; er untersucht sogleich alle anderen Türen.) GRAF Alles, wie ich's verließ. Wollt nun selbst Ihr öffnen, oder soll ich . (will die Tür mit Gewalt öffnen) GRÄFIN O weh, haltet ein und hört mich an. (Der Graf wirft den Hammer und die Zange auf einen Stuhl.) Glaubt Ihr mich ehrvergessen? GRAF Wie Ihr meint. Wir werden sehen, wer in dem verschlossenen Kabinett ist. GRÄFIN Ja, Ihr werdet sehen ... aber hört mich ruhig an. GRAF Also Susanna ist es nicht! |
GRÄFIN Nein, es ist ein Jemand, der keinen Grund zum Verdacht gibt: heut' abend ... einen unschuldigen Scherz zu machen, bereiten wir hier vor .... ich schwöre Euch . daß die Ehre ... die Anständigkeit ... GRAF Wer also ist's? Sagt . ich töte ihn. GRÄFIN Hört: Ach, ich kann nicht. GRAF Sprecht. GRÄFIN Es ist ein Knabe . GRAF Ein Knabe . GRÄFIN Ja, Cherubino. GRAF (für sich) Ja, soll ich denn diesen Pagen überall treffen! (laut) Wie? Er ist nicht abgereist? Verräter! Hier wird der Verdacht offenbar, der Schwindel, das ist die Intrige, auf die mich das Kärtchen aufmerksam macht. |
Nr. 15: Finale GRAF (geht wütend zum Kabinett) Komm heraus, verworfner Knabe, Unglücksel'ger, zaudre nicht! GRÄFIN Welch ein Toben, bester Gatte! Schon ihn, ach, ich bitte dich! GRAF Und du wagst für ihn zu reden? GRÄFIN Nur zwei Wor te! GRAF So laß hören! GRÄFIN Könnt' ich dir nur seine Unschuld ... Zwar sein Anzug erscheint verdächtig, ohne Mantel, blaß die Arme ... GRAF Ohne Mantel, blaß die Arme, immer besser! GRÄFIN Ihn als Mädchen zu verkleiden ... |
GRAF Schon genug, du falsche Seele, strenge Rache wartet sein. GRÄFIN Gott, das hab' ich nicht verschuldet, und mein Herz ist wahrlich rein. GRAF Schon genug, du falsche Seele, strenge Rache wartet sein. Her den Schlüssel! GRÄFIN Unschuldig ist er. GRAF Her den Schlüssel! GRÄFIN Unschuldig ist er. GRAF Schweige, schweige! Geh, Verrät'rin, Ungetreue, dich verzehre bittre Reue, du bereitest mir nur Schmach! GRÄFIN Nun denn ... ja ... doch ... GRAF Mag nichts hören! |
GRÄFIN Doch ... GRAF Mag nichts hören! GRÄFIN (gibt ihm den Schlüssel) Ich bin schuldlos! GRAF Das wird sich zeigen! Sterben muß er, der Verräter, er, der unsre Bande trennt. GRÄFIN Ach, wie weit führt blinder Eifer, der nicht Ziel noch Grenzen kennt. (Der Graf zieht den Degen und öffnet das Kabinett. Susanna tritt heraus.) GRAF Susanna? GRÄFIN Susanna? SUSANNA Da bin ich! Warum dieses Staunen? Heraus mit dem Degen, der Page - er sterbe! Hier ist der Verräter, der Page bin ich. |
GRAF Ist's möglich, Susanna? Beschämt steh' ich da. GRÄFIN Wie soll ich das deuten? Susanna ist da? SUSANNA Wie staunen sie beide, verwirrt stehn sie da. GRAF (zu Susanna) Bist du allein? SUSANNA Wenn drinnen noch sonst jemand wär. GRAF Laß sehen, ob drinnen noch sonst jemand wär. (Er geht ins Kabinett.) GRÄFIN Susanna, ich zittre, die Sprache versagt mir ... SUSANNA Nur ruhig und heiter, dort sprang er hinaus. GRAF (kommt verwirrt zurück) Wie sehr hatt' ich Unrecht, kaum kann ich es glauben! Hab' ich dich beleidigt, |
so bitt' ich, verzeih mir! Doch so mich zu äffen war grausam, war hart. GRÄFIN, SUSANNA Dein/Ihr sträfliches Mißtrauen verdiente noch mehr. GRAF Dich lieb' ich! GRÄFIN O schweige! GRAF Ich schwöre es! GRÄFIN Vergebens! Ich bin die Verrät'rin, die ungetreue Gattin! GRAF Susanna, hilf bitten, was hab' ich gemacht! SUSANNA Nein, Strafe verdienet Ihr schwarzer Verdacht. GRÄFIN So muß ich denn leiden! Zum Lohn meiner Treue wird immer statt Freuden |
mir Kummer gebracht? GRAF Susanna, hilf bitten, usw. SUSANNA Nein, Strafe verdienet, usw. Frau Gräfin! GRAF Rosina! GRÄFIN O schweige, die Zeit ist verschwunden. Du liebtest mich ehmals, jetzt bin ich verlassen. Du bringst zur Verzweiflung mich Unsel'ge noch. Wie grausam, wie grausam, es raubt dein Betragen mir Frieden und Ruh. GRAF Du siehst mich voll Reue, ich sage aufs neue dir Besserung zu. SUSANNA Er ist ja voll Reue, sagt Ihnen aufs neue, jetzt Besserung zu. |
GRAF Du sprachst von dem Pagen? GRÄFIN Nur um dich zu fangen. GRAF Dein Zagen, die Ängstlichkeit ... GRÄFIN War Scherz, war Verstellung. GRAF Jedoch dieses Briefchen hier? SUSANNA, GRÄFIN Von Figaro ward es Basilio übergeben ... GRAF Ha, Bösewicht, warte, ich will dich ... SUSANNA, GRÄFIN Verzeihung verdient nicht, wer selbst nicht verzeiht. GRAF Nun wohl, es sei Friede für sie und uns alle; gewiß wird Rosinchen unerbittlich nicht sein. GRÄFIN Ich fühle, Susanna, |
mein Herz sich erweichen, wer glaubt wohl noch ferner an weiblichen Zorn? SUSANNA Im Streite mit Männern verlieren wir immer, man wendet und dreht sich und kommt doch nicht aus. GRAF Verzeihe mir! GRÄFIN Vergebens! GRAF Verzeihe mir! GRÄFIN Vergebens! GRAF Mein Unrecht, wie bereu' ich's! SUSANNA, GRÄFIN, GRAF Von jetzt an vermag ich ihr/mein/dein Herz zu erkennen, sie/mich/dich ganz zu verstehn. (Figaro tritt ein.) FIGARO Herr Graf, uns erwarten die fröhlichen Scharen. Beim Schall der Trompeten, mit Geigen und Flöten |
schon singen und tanzen die lustigen Bauern; zur Hochzeit, zur Hochzeit die Stunden entfliehn. GRAF Halt, halt, halt, nicht so eilig! FIGARO Man wartet schon unten. GRAF Halt, halt, nicht so eilig! Erst heb einen Zweifel, und dann kannst du gehn. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Der Fall wird bedenklich, was wird nun geschehn? GRAF Bald werde dem Schelm in die Karten ich sehn. Weißt du nicht, mein lieber Figaro, wer den kleinen Brief hier schrieb? (zeigt ihm einen Brief) FIGARO Nein, ich weiß nicht. SUSANNA Du weißt nicht? |
FIGARO Nein! GRÄFIN Du weißt nicht? FIGARO Nein! GRAF Du weißt nicht? FIGARO Nein! SUSANNA, GRÄFIN, GRAF Wie, du weißt nicht? FIGARO Nein, nein, nein! SUSANNA Hast ihn nicht Basilio gegeben ... GRÄFIN Zur Besorgung ... GRAF Du verstehst uns? FIGARO O nein! SUSANNA Und du weißt nichts von dem Pagen? |
GRÄFIN Der heute abend hier im Garten ... GRAF Du verstehst doch? FIGARO Ich weiß von nichts. GRAF Nur vergebens willst du lügen, deine Miene kann nicht trügen, und dein Auge klagt dich an. FIGARO Nun, so lügen meine Mienen. SUSANNA, GRÄFIN Diesmal kennt man deine Taten, dein Geheimnis ist verraten, das dein Witz nicht retten kann. GRAF Nun, was sagst du? FIGARO Nichts, o gar nichts. GRAF Du gestehest? FIGARO Nichts gesteh' ich. |
SUSANNA, GRÄFIN So gesteh' nur, sei nicht töricht, daß der Spaß ein Ende hat! FIGARO Nun recht fröhlich ihn zu enden, wie's in jedem Lustspiel Sitte, so gewähren Sie die Bitte, unsre Hochzeit zu vollziehn. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Gnäd'ger Herr, darf ich Sie bitten, so erfüllen Sie den Wunsch. GRAF Marcellina, Marcellina, o wie lange zauderst du? usw. (Antonio tritt wütend ein, mit einem Topf zerknickter Nelken.) ANTONIO Gnäd'ger Herr, Herr Graf! GRAF Was gibt's Neues? ANTONIO Welche Frechheit, wer war's? SUSANNA, GRÄFIN, GRAF, FIGARO Nun, was ist denn, was fehlt dir, was hast du? ANTONIO Jetzt erzähl' ich's. |
SUSANNA, GRÄFIN, GRAF, FIGARO Wir hören. ANTONIO Jetzt erzähl' ich's, Aus dem Fenster hinab in den Garten, wirft man täglich verschiedene Sachen; doch soeben, es ist nicht zum Lachen, warf man gar einen Menschen hinab. GRAF Aus dem Fenster? ANTONIO (den Topf zeigend) Da sehn Sie nur die Nelken hier! GRAF In den Gar ten? ANTONIO Ja. SUSANNA, GRÄFIN (leise) Figaro, hilf uns. GRAF Wie, was hör' ich? SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Der kommt recht zur Unzeit. Was will doch dieser Trunkenbold hier? GRAF (zu Antonio) Also war es ein Mensch, der hinaussprang? |
ANTONIO Ich weiß nicht, war es Sprung oder Fallen; wie der Wind war er auf und davon. SUSANNA (zu Figaro) 's war der Page. FIGARO (leise zu Susanna) Ich weiß es, ich sah ihn. (laut) Ha, ha, ha, ha! GRAF Sei doch still! FIGARO Ha, ha, ha, ha! ANTONIO Warum lachst du? FIGARO Ha, ha, ha, ha! Trinkst du dir schon so früh einen Rausch? GRAF (zu Antonio) Sprich noch einmal! Ein Mensch? ANTONIO Aus dem Fenster. GRAF In den Gar ten? |
ANTONIO In den Gar ten! SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Ja, man hört, daß der Wein aus ihm redet. GRAF Sprich nur weiter! Sahst du sein Gesicht? ANTONIO Nein, das ging nicht. SUSANNA, GRÄFIN Holla, Figaro, Achtung! GRAF Ja? ANTONIO Das ging nicht. FIGARO Nun, so schweige doch endlich, du Schreier, welch ein Lärm um die elenden Blumen! Muß der Täter sich nennen, so wisse, ja, ich selbst sprang aus dem Fenster hinaus. GRAF Wie, du selber? SUSANNA, GRÄFIN Der Schalk, o wie listig! |
FIGARO Wer denn sonst? ANTONIO Wie, du selber? SUSANNA, GRÄFIN Der Schalk, o wie listig! FIGARO Wer denn sonst? GRAF Das scheint mir nicht glaublich. ANTONIO (zu Figaro) Nun, so bist du auf einmal viel dicker. Nach dem Sprunge erschienst du so klein! FIGARO Ja, beim Springen macht man sich schlank. ANTONIO Wer das glaubte! SUSANNA, GRÄFIN (zu Figaro) Wie, er zweifelt noch? GRAF (zu Antonio) Sprich, was meinst du? ANTONIO Er sah aus wie der Page. |
GRAF Cherubino? SUSANNA, GRÄFIN Zum Verzweifeln! FIGARO Ja, ganz richtig! Sicher kam er zu Pferd von Sevilla, denn dahin ist er heute gereist. ANTONIO Ei bewahre, er war nicht zu Pferde, nein, er sprang aus dem Fenster zu Fuß. GRAF Keine Possen, ich bin es nun müde! SUSANNA, GRÄFIN Welche Pein, ach, wer hilft uns heraus! GRAF Also du? FIGARO Ja, ich sprang ... GRAF Und warum? FIGARO Ei, aus Furcht. |
GRAF Wie, aus Furcht? FIGARO Hier im Zimmer sucht' ich heimlich dies liebe Gesichtchen, da vernahm ich ein Poltern und Klopfen, Ihre Stimme - ich dacht' an das Briefchen, sprang hinaus voller Furcht und voll Schrecken und verrenkt' eine Sehne am Bein. ANTONIO (Er zieht Cherubinos Patent hervor.) So gehören auch dir diese Schriften, die ich auffand? GRAF (nimmt es ihm weg) Holla, laß mich doch sehen! FIGARO Jetzt ist alles aus! SUSANNA, GRÄFIN Figaro, hilf uns! GRAF (öffnet das Papier) Sag einmal, was ist das für ein Blatt? FIGARO (nimmt einige Papiere aus seiner Tasche) Ja, das kenn' ich ... Doch hab' ich soviel Schriften. ANTONIO Vielleicht ein Register der Gläubiger? |
FIGARO Nein, die Rechnung vom Gastwirt. GRAF (zu Figaro) So sprich denn, (zu Antonio) und du laß ihn gehn. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO (zu Antonio) Laß ihn/mich gehn und troll dich! ANTONIO Ja, ich geh', aber treff' ich dich wieder ... SUSANNA, GRÄFIN, GRAF Laß ihn gehen. FIGARO Geh' nur, ich fürchte dich nicht. SUSANNA, GRÄFIN, GRAF Laß ihn gehen. ANTONIO Ja, ich geh', usw. FIGARO Geh' nur, ich fürchte dich nicht. SUSANNA, GRÄFIN, GRAF Laß ihn gehen, und troll dich. (Antonio geht ab.) |
GRAF (das Papier in der Hand) Also? GRÄFIN (leise zu Susanna) O weh, das Patent für den Pagen! SUSANNA (leise zu Figaro) O verwünscht, das Patent ist's! GRAF Nur herzhaft! FIGARO O ich Schwachkopf! Des Pagen Patent ist's, das der Kleine vor kurzem mir gab. GRAF Und warum denn? FIGARO Es fehlte ... GRAF Was fehlte? GRÄFIN (leise zu Susanna) Noch das Siegel! SUSANNA (leise zu Figaro) Noch das Siegel! GRAF Gib Antwort! |
FIGARO (nachdenkend) 's ist gebräuchlich ... GRAF Warum so verlegen? FIGARO 's ist gebräuchlich, Patente zu siegeln. GRAF Dieser Schelm macht mich toll, macht mich rasend, alles dies bleibt ein Rätsel für mich. SUSANNA, GRÄFIN Komm' ich glücklich aus diesem Gedränge, so ist nichts mehr zu fürchten für mich/sich. FIGARO Lärme, tobe und stampf' mit dem Fuße, du bist doch noch nicht schlauer als ich. (Marcellina, Basilio und Bartolo treten ein.) MARCELLINA, BASILIO, BARTOLO Gnäd'ger Herr, von Ihren Händen fordern wir Gerechtigkeit! SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Diese sinnen neue Ränke, ha, nun gilt's Besonnenheit. GRAF Meinen Mut neu mir zu beleben, kommen diese zur rechten Zeit. |
FIGARO Sie sind Narren, sie sind Schelme, ihre Frechheit geht zu weit! GRAF ich verbiete alles Lärmen, jeder sprech' zu seiner Zeit. MARCELLINA Gegen diesen Hauptverräter, der mir heut sein Ehversprechen im Begriffe steht zu brechen, bitt' ich um Gerechtigkeit. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Wie denn? GRAF Holla, nur ruhig, nur ruhig, ich allein entscheide hier. BARTOLO Obbesagtes Ehversprechen ist die Jungfer Marcellina, deren Sache ich vertrete, zu erfüllen gern bereit. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Hört den Schurken! GRAF Holla, nur ruhig, nur ruhig! usw. BASILIO ich erscheine hier als Zeuge, |
denn in solchen Ehstandsfragen weisen Rat nicht zu versagen, fordert recht und Billigkeit. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Sie sind Narren! usw. GRAF Holla, nur ruhig, laßt uns sehen, den Kontrakt laßt uns durchgehen. Alles nach Gerechtigkeit. SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO Wie sie höhnen, wie sie lachen, was ist nur für uns zu machen? Kam der Teufel aus der Hölle, uns zu bringen diese Schmach? MARCELLINA, BASILIO, BARTOLO, GRAF Das war ihnen außerm Spaße, sie ziehn ab mit langer Nase, güt'ge Götter stiegen nieder, brachten Sieg uns diesen Tag. |
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