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Madama Butterfly” by Giacomo Puccini libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt
ERSTER AKT

Ein Hügel bei Nagasaki
(Japanisches Haus, Terrasse und Garten, im
Hintergrunde, tief unten, sieht man die Stadt mit dem
Hafen. Goro zeigt dem überraschten Pinkerton das

Haus.)

PINKERTON
Diese Wände und Decken...

GORO
Könnt Ihr alle verschieben,
Und immer nach Belieben
In demselben Gemache
'nen wechselnden Anblick Euch verschaffen.

PINKERTON
Und unser Brautgemach
Wo ist's?

GORO
Ihr habt die Auswahl...

PINKERTON
Auch diese Wand verschiebbar!
Die Stube?

GORO (auf die Terrasse weisend)
Bitte!

PINKERTON
Hier im Freien...?

GORO
Doch könnt Ihr schließen...

PINKERTON
Versteh' schon!
Auch die hier... die schiebt man...

GORO
Ein und aus!

PINKERTON
Au! Der Witz ist nicht übel.

GORO
Türme sind selbst so fest nicht;
Solid vom Grund zum Giebel!

PINKERTON
Das ist ein schönes Kartenhaus!

GORO
(klatscht dreimal in die Hände. Zwei Männer und ein
Weib eilen herbei und knien langsam und demütig vor
Pinkerton nieder)
Dies hier ist Eure Zofe;
Sie fand als Kammerkätzchen
Bei der Braut schon ihr Plätzchen -Der Diener... - und
Hier... der Koch.
Sie sind verwirrt von der großen Ehre.

PINKERTON
Die Namen?

GORO
„Miss Zarter Wolkenschleier",
„Strahl der Morgensonne",
„Duftend Gewürze"

SUZUKI
Ach, Euer Gnaden lächelt?
Weil Glück Euch hold umfächelt!
Okunama, der Weise,
Sagt: „Lächeln zerreiße
Kummers Gewebe...
Breche der Perlen Schale,
Öffne dem die Tore zum Paradiese,
Den immer es umschwebe,
Den plätschernd es umfließe..."
Okunama, der Weise,
Sagt: „Lächeln zerreiße
Kummers Gewebe."
(Pinkerton blickt gelangweilt umher. Goro bemerkt es,
und klatscht in die Hände- die drei Bediensteten eilen
ins Haus zurück.)


PINKERTON
Im Schwatzen sind sie gleich,
Die Weiber aller Zonen.
Was guckst du?

GORO
Ob die Braut noch nicht zu sehn ist.

PINKERTON
Alles fertig?

GORO
Und zur Stelle!

PINKERTON
Welch prächtiger Geselle!

GORO
Alles kommt!
Unser Standesamtsverweser,
Die Verwandten, und Euer Konsul,
Und's Fräulein Braut.
Hier auf Bergeshöhe
Schließt Ihr dann Eure Ehe.

PINKERTON
Sind es viele Verwandte... ?

GORO
Die Großmama, die Schwiegermutter,
Der Oheim, ein Bonze (der sich sicher
Hier nicht sehn läßt).
Dann die Vettern und Kusinen...
Im ganzen wohl zwei Dutzend
Verwandte... aller Grade.
Aber die Zahl wird wachsen...
Und dafür sorgt in Treu
Ihr, mein Herr, und die schöne Butterfly.

PINKERTON
Welch trefflicher Geselle!

STIMME DES SHARPLESS
Ich schwitze und klettere!
Schnaufe und wettere!

GORO
Das ist der Konsul!

SHARPLESS (tritt schnaufend auf)
Ouh! Dies Steingeröll...
Bin ganz beklommen!

PINKERTON
Seid mir willkommen!

GORO
Seid uns willkommen!

SHARPLESS
Ouff!

PINKERTON
Vorwärts, Goro
Bring uns Erfrischung!

SHARPLESS
Hoch ist's

PINKERTON
Und herrlich!

SHARPLESS
Nagasaki, das Meer, der Hafen...

PINKERTON
Und hier ein Häusel
Mit viel Bambusgesäusel.

SHARPLESS
Eures?

PINKERTON
Ja, es ist mein für ganze
Neunhundertneunundneunzig Jahre;
Wobei das Recht ich mir wahre,
Jeden Monat zu künd'gen.
Hier ist alles elastisch,
Sowohl der Kaufvertrag,
Als auch die Häuser...

SHARPLESS
Man findet oft hier seinen Nutzen.

PINKERTON
Freilich.
(Goro kommt eilig aus dem Hause und mit ihm zwei
Diener, die Gläser, Flaschen, Teller, Bestecke und
zwei Rohrsessel bringen. Sie decken einen kleinen
Tisch für zwei Personen und eilen dann ins Haus
zurück.)

Im weiten Weltall
Fühlt sich der Yankee heimisch,
Lebt er doch überall
Kühn seinem Handel.
An manch Gestade
Führt ihn seiner Schiffe Wandel...
(unterbricht sich, um Sharpless ein Getränk
anzubieten.)
Milk-Punch oder Whisky?
An manch Gestade
Führt ihn seiner Schiffe Wandel,
Bis eines schönen Tags das wilde Meer
Ihn samt dem Schiff verschlinget.
Das Leben zu genießen,
Irrt er lüstern umher,
Wo Schätze sich erschließen...

SHARPLESS
O, die leichtgeschürzte Weisheit...

PINKERTON
Und wo die Liebe ihm winkt.

SHARPLESS
So leichtgeschürzte Weisheit
Macht's Leben uns wohl heiter,
Doch läßt sie's Herze kalt.

PINKERTON
Beugt's ihn auch nieder,
Rafft er empor sich wieder,
Fügt nach dem Sinne
Die halbe Welt sich.
Nun verheirat' ich mich auf japanisch,
Für neunhundert
Und neunundneunzig Jahre;
Freilich darf ich kündigen
Jeden Monat.

SHARPLESS
O leichtgeschürzte Weisheit!

PINKERTON
„America for ever!"

SHARPLESS
„America for ever!"
Ist's ein liebliches Mädchen?

GORO (Der das gehört hat, zeigt sich auf der Terrasse.)
's ist wie ein Sträußel von frischen Blumen,
Wie ein Sternlein mit gold'nen Strahlen.

Und so billig: Nur hundert Yen!
Will Eu'r Gnaden mich beehren?
Ich habe noch reiche Auswahl.

PINKERTON
Geh und führe die Braut her!

SHARPLESS
Wie nach ihr Euch verlanget!
Ihr seid wohl schon
Ganz Feuer und Flamme?

PINKERTON
Mag sein! Mag sein!
Hab' niemals was Holderes gesehen!
Ob's echte Liebe, möcht' ich mich fragen;
Eins kann ich sagen: Mich hat die Kleine
Im Netze gefangen.
Leicht wie ein Gläsel von jung-mildem Weine;
Edel und zierlich, schlank und manierlich,
Ganz so japanisch - Nippesfigürlich!
Tief hinter Fächern
Und Matten verstecket,
Wartet sie drauf,
Daß ein Aug' sie entdecket;
Huscht wie ein Schmetterling
Flugs in die Weite,
Setzt sich dann wieder
Und lacht von der Seite.
Solch kleinen Falter ich erjagen wollte,
Ob's auch die Flügel ihm zerschlagen sollte!

SHARPLESS
Ach, heute sind's drei Tage:
Da kam sie ins Konsulat. Ich sah sie nicht,

Doch hört' ich reden sie,
Und beim Klang ihrer Stimme
Ward mir, ich weiß nicht, wie!
Wer so innig und warm davon spricht,
Dess' Lieb' ist echt...
Die kleinen zarten Flüglein,
Die dürft Ihr nimmer zerschlagen,
Dürft nimmer brechen ein gläubig Herzelein!
Ich hörte ihre Stimme, die klang so süß,
Klang ach! so innig.
Ewig nie tön' sie in Schmerzenslauten!

PINKERTON
Trefflicher Konsul, glaubet mir,
Ihr nehmt es viel zu schwer;
Ihr habt der Jugend leichten Sinn nicht mehr.
Weg mit der Trübsal!
Man ist nur einmal, einmal im Leben
Jung und liebesfroh!
Whisky?

SHARPLESS
Noch ein Gläschen nehm' ich.
Sei's Eurer fernen Familie zum Heile!

PINKERTON
Und trinken wir auf meinen Bund,
Den künft'gen Eh'bund
Mit einer echten Amerikanerin...

GORO (kommt atemlos den Hügel herauf.)
Seht Ihr! Da sind sie,
Sie kommen immer näher.
Hört Ihr das lust'ge Plaudern?

Wie der Wind in Blättern rauschet,
Klingt's, wenn man lauschet.

BUTTERFLYS FREUNDINNEN
Ah! Ah!
Oh! Weiter Himmel!
Endlos Meer!

BUTTERFLY
Bald sind wir auf der Höhe.

FREUNDINNEN
Wie langsam du bist.

BUTTERFLY
Wartet!

FREUNDINNEN
Sieh doch,
Sieh den Blumenflor!

BUTTERFLY
Über das Meer und alle Lande
Weht es wie ein Hauch von holdem Frühling.

SHARPLESS
O, glücklich Reden junger Menschen.

BUTTERFLY
War je ein anderes Mädchen
In Japan und der weiten Welt so fröhlich?
O Liebe, dir nun folg' ich, deinem zärtlichen Ruf.
Ich nah' mich deiner Schwelle, o Liebe,
Im Saale deiner Freuden

Selig zu ruhn
Ihr Guten! Ich folg' dem Ruf der Liebe,
Und nah bin ich ihr.

FREUNDINNEN
Weiter Himmel! Endlos Meer! Welche Pracht!
Leb' ewig in Freuden, o Gespielin.
Doch eh' dein Fuß berührt die Schwelle,
Die dein harret, wende dich um
Und sieh den weiten Himmel,
Sieh das endlos weite Meer,
Das dich rings umgibt!

BUTTERFLY
Da sind wir.
(Sie sieht die Gruppe der drei Männer und erkennt
Pinkerton Sie schließt sofort den Sonnenschirm und
zeigt Pinkerton ihren Freundinnen.)

B. F. Pinkerton! Heil!

FREUNDINNEN
Heil!

BUTTERFLY
Große Ehre!

FREUNDINNEN
Seid gegrüßet!

PINKERTON
Recht beschwerlich
War der Aufstieg?

BUTTERFLY
Hab' als Braut von guten Sitten
Eh'r an Ungeduld gelitten.

PINKERTON
Ei, das Kompliment ist selten.

BUTTERFLY
Noch viel schön're wüßt' ich Euch.

PINKERTON
Schön wie Perlen!

BUTTERFLY
Macht's Euch Freude, sie zu hören?

PINKERTON
Danke, nein!

SHARPLESS
Miss Butterfly - wie reizend!
Welch passender Name!
Seid Ihr von Nagasaki?

BUTTERFLY
Ja, mein Herr!
Und aus einst wohlgestellter Familie.
(zu den Freundinnen)
So ist's?

FREUNDINNEN
So ist's!

BUTTERFLY
Ich weiß ja wohl, daß niemand
Will arm geboren sein;
Jeder Vagabunde
Möcht' gerne uns erzählen
Von edler Herkunft.
Ach, glaubt im Ernste nur: Wir waren reich!
Doch der Wettersturm zerbricht
Auch die allerstärksten Stämme.
Da sangen wir als Geisha
Ums täglich Leben.
(zu den Freundinnen)
War's so?

FREUNDINNEN
So war's!

BUTTERFLY
Sollt' ich's verschweigen?
Sollt' mich schämen?
Ihr lächelt? Warum?
So ist das Leben.

PINKERTON
Wie sie redet und zierlich tut,
Ist nun gar zum Entzücken!

SHARPLESS
Und Ihr habt noch Geschwister?

BUTTERFLY
Nein, Ihr Herren, nur die Mutter.

GORO
Eine adlige Dame.

BUTTERFLY
Daß sie nun auch verarmte,
Hinderte nicht ihr Name.

SHARPLESS
Und Euer Vater?

BUTTERFLY (hält betroffen inne, dann antwortet sie kurz)
Tot!

SHARPLESS
Und wie alt seid ihr?

BUTTERFLY
Ihr sollt drauf raten.

SHARPLESS
Zehn Jahr

BUTTERFLY
Was höher

SHARPLESS
Zwanzig

BUTTERFLY
Was tiefer...
Fünfzehn genau vollendet;
Bin doch wahrlich schon alt!

SHARPLESS
Fünfzehn Jahre alt!

PINKERTON
Fünfzehn Jahre alt!

SHARPLESS
Die Zeit der Spiele

PINKERTON
Und Karamellen.

GORO
Der Regierungskommissarius,
Der Herr Standesamtsverweser,
Die Verwandten...

PINKERTON
Goro eilt Euch.
(Goro eilt ins Haus. Pinkerton spricht mit dem Konsul.)
Welche Posse!
Die Parade dieser neuen Anverwandten!

BASE und VERWANDTE
Er ist wirklich nicht schön.
Er ist nicht schön.

BUTTERFLY
Er ist so schön
Wie man im Traume nur wünschen sich mag!

MUTTER und FREUNDE
Er scheint mir wie ein König.
Mit großem Vermögen sicherlich.

BASE (zu Butterfly)
Goro bot mir ihn auch schon an,
Doch sagt' ich Nein!

BUTTERFLY
Ach, tu' dich nicht!

VERWANDTE (zur Base)
Ihre Schönheit ist im Erblassen schon.
Die Scheidung folgt bald.

BASE und VERWANDTE
Ich hoffe es

ONKEL YAKUSIDE
Gibt's hier Wein?
Laßt uns umsehen.
Ich sah schon was,
Halb braun wie Tee, halb Karmesin.

GORO
Zum Himmel, sprecht leiser!
Sch! Sch! Sch!

SHARPLESS
Im Glück seid ihr,
O Pinkerton!
Euch reift zur vollen Rose
Die kaum erblühte Knospe!

PINKERTON
Ja, es stimmt, sie ist eine Blume.
Ihr exotischer Duft
Hat mir das Hirn vernebelt.

BASE und VERWANDTE
Er bot ihn mir auch schon an,
Doch ich sagte, „Ich will nicht"

MUTTER und FREUNDE
Er sieht gut aus und scheint mir
Wie ein König!
Jch hätt' nicht nein gesagt!

SHARPLESS
Sah ich doch wahrlich niemals
Ein schöner Mädchen.
Spiel nicht mit dem Vertrag
Und ihrem Vertrauen...

BASE und VERWANDTE
Ohne viel zu spähen
Find' ich bessere.
Ich will's ihm auf den Kopf zusagen!

MUTTER und FREUNDE
Ich stimm nicht zu.
Er ist ein großer Herr.
Ich hätt' nicht nein gesagt!

BUTTERFLY
Höret! Achtet auf mich!

PINKERTON
Ja, es stimmt, sie ist eine Blume.
Und ich habe sie gepflückt!

SHARPLESS
... Habet acht' Sie glaubt daran!

BUTTERFLY
Mutter, komm her!
Achtet auf mich,

Und tuet mir nach:
Eins, zwei, drei...
All' auf die Knie!
(Alle verbeugen sich vor Pinkerton und Sharpless.
Pinkerton ergreift Butterflys Hand.)


PINKERTON
Meine Geliebte...
Gefällt dir unser Häuschen?

BUTTERFLY
O Herr B. F. Pinkerton, Verzeihung.
Ach, ich möchte... ein paar zierliche Sachen.

PINKERTON
Und wo sind sie?

BUTTERFLY
Sie sind hier, Euch mißfällt das?
(Holt Gegenstände aus dem Ärmel hervor.)

PINKERTON
's ist mir neu, Meine holde Butterfly!

BUTTERFLY
Seid'ne Tüchlein. Die Pfeife.
Weiter: Ein Gürtel und eine kleine Brosche.
Dann ein Spiegel und ein Fächer.

PINKERTON
Und die Büchse da?

BUTTERFLY
Dann ist was zum Färben.

PINKERTON
Oho!

BUTTERFLY
Mißfällt's Euch?
(Sie wirft die Büchse fort.)
Fort!

PINKERTON
Und dies da?

BUTTERFLY
Das ist etwas Heil'ges.

PINKERTON
Und kann man das nicht sehen?

BUTTERFLY
Zuviele Leute.
Ihr verzeiht wohl?!

GORO (flüstert Pinkerton ins Ohr)
Ein Geschenk vom Mikado
An ihr'n Vater... mit der Weisung.
(Er ahmt die Bewegung des Bauchaufschlitzens nach)

PINKERTON
Und ihr Vater?

GORO
Folgte der Weisung.

BUTTERFLY
(holt aus den Ärmeln einige Statuetten hervor)
Die Ottoke'n

PINKERTON
Die Figürchen - Und die bedeuten?

BUTTERFLY
Die Seelen meiner Ahnen.

PINKERTON
Ah! All meine Achtung!

BUTTERFLY
Hört nur: Ganz im Geheimen
Ging ich gestern ins Haus der Missionen.
Nun mein Leben ein neues,
Darf auch ein neuer Glauben in mir wohnen.
Onkel Priester weiß nichts,
Noch die Meinen ahnen's.
Ich folg' des Schicksals Reigen
Und werde demutsvoll
Vorm Gotte des Herrn Pinkerton
Mich neigen.
So will's mein Schicksal!
In derselben Kapelle
Knie' ich nieder mit Euch,
Um dem gleichen Gott zu dienen.
Und ist's Euch zu Gefallen,
Könnt' ich fast meine Leute ganz vergessen.
Mir sei's verziehn!

GORO
Alles stille!

KOMMISSÄR
Wir gestatten dem hier zugeg'nen
Benjamin Franklin Pinkerton,
Offizier auf dem Kanonenboote Lincoln,

Marine der Vereinigten Staaten von Nordamerika,
Und dem zugeg'nen Fräulein Butterfly
Aus dem Viertel Omara-Nagasaki,
Die Ehe einzugehn.
Dem Erstgenannten
Auf den eignen Willen hin,
Und ihr auf Grund
Des Konsenses der Verwandten,
Die alle hier zugegen.

GORO (sehr förmlich)
Der Eh'mann.
Nun die Eh'frau.
Und alles fertig.

FREUNDINNEN
O Madam' Butterfly!

BUTTERFLY
Jetzt Madam' B. F. Pinkerton

KOMMISSÄR
Die besten Wünsche!

PINKERTON
Ich danke recht ergebenst.

KOMMISSÄR
Geht Ihr hinunter, Konsul?

SHARPLESS
Ich begleit' Euch.
(zu Pinkerton)
Wir zwei sehn uns morgen.

PINKERTON
Das will ich meinen.

STANDESBEAMTER
Nachkommenschaft!

PINKERTON
Versuchen wir's.

SHARPLESS (bedeutungsvoll zu Pinkerton)
Doch Vorsicht'
(Sharpless, der Standesbeamte und der Kommissär
gehen ab.)


PINKERTON (beiseite)
Und nun erledigen wir die Familie!
Ihr sollt sehn, daß ich nicht knause;
Doch geht recht bald nach Hause!
(Erhebt sein Glas.)
Hip! Hip!

VERWANDTE
O Kame! O Kame!

PINKERTON
Aufs Wohl meiner allerliebsten Dame!
(Plötzlich erscheint eine furchterregende Person.
Es ist der Bonze, der wütend vortritt, seine Hände
drohend nach Butterfly ausstreckend.)


DER ONKEL BONZE
Cho-cho-san! Du bist mir Abscheu!

BUTTERFLY und DIE VERWANDTEN
's ist der Oheim!

GORO
Was will denn der hier oben?!
Ist doch wahrlich der Ort nicht hier
Zum Schreien und Toben!

BONZE
Cho-cho-san! Weshalb warst du
Im Missionshaus?

ALLE
Gib Antwort, Cho-cho-san!

PINKERTON
Ei, was gibt's da zu brüllen?

BONZE
Gib Antwort auf die Frage!
Himmel! Ist dein Auge trocken?
Konnt' so dein Herz verstocken?
Sie hat uns all' verleugnet.

ALLE
Hou! Cho-cho-san!

BONZE
Ja, ich sag' euch, verleugnet
Den alten Glauben!

ALLE
Hou! Cho-cho-san!

BONZE
Kami sarundasico!
Daß deine faule Seele
Ew'ge Folterpein quäle!

PINKERTON
Euch sag' ich: Nun ist's Maß voll!

BONZE
Von hinnen alle -
Kommt mit mir!
Du hast uns verleugnet...
Nun sei verstoßen!

PINKERTON
Macht euch schleunig von dannen!
In meinem Hause duld' ich kein Lärmen
Und keine Bonzerei!

ALLE (im Abgehen)
Hou! Cho-cho-san! Kami sarundasico!
Hou! Cho-cho-san! Nun sei verstoßen!

PINKERTON
Mägdlein, ach Mägdlein, weine nicht,
Weil die Affen dort brüllen.

VERWANDTE (von fern)
Hou! Cho-cho-san!

BUTTERFLY
Hört, wie sie schrein!

PINKERTON
All das betörte Volk,
Und alle Bonzen hier im Land
Sind wahrlich nicht wert,
Daß deine schönen Augen weinen.

BUTTERFLY
Im Ernst? Ich weine nicht mehr;
Und fast ist mir nicht leid,
Daß ich verstoßen...
Weil so liebreiche Worte
Mir nun widerklingen tief in der Brust.
(Sie neigt sich, um Pinkerton die Hand zu küssen)

PINKERTON
Ei was! Die Hand?

BUTTERFLY
Man sagt mir, daß da drüben,
Bei wohlerzog'nen Leuten,
Dies will bedeuten:
Herzliche Verehrung.

SUZUKI (von innen)
Izagi, Izanami sarundasico,
Kami, Izagi
Izanami sarundasico, Kami.

PINKERTON
Wer murmelt da im Haus?

BUTTERFLY
Die Suzuki
Sie flüstert ihr Gebet für die Nacht.

PINKERTON
Ja, es ward Abend...

BUTTERFLY
Und schattig und stille.

PINKERTON
Und du allein hier...

BUTTERFLY
Allein und gar verstoßen!
Ausgestoßen... Und so selig!

PINKERTON
(klatscht dreimal in die Hände. Die Diener eilen
hinaus.)

Wohlan, nun schließet.

BUTTERFLY
Ja, wir sind ganz allein hier;
Allein und weltverloren.

PINKERTON
Kein Schrei gellt mehr den Ohren.

BUTTERFLY
Suzuki, mein Gewand!
(Suzuki sucht in einer Truhe nach und reicht
dann Butterfly das Nachtgewand.)

SUZUKI
Gute Nacht!

BUTTERFLY
Die prunkende Schleife
Laß endlich mich lösen;
Weiß wie die Lilie
Erscheine die Braut... !
Er lächelt und flüstert
Und spähet verstohlen...

Wo könnt' ich mich bergen?!
Ich brenne vor Scham!
Ich hör' die böse Stimme,
Die mich verfluchte.
Butterfly ausgestoßen!
Ja, ausgestoßen... Und doch so glücklich!

PINKERTON
Behende wie ein Eichhörnchen
Löset sie die Knoten!
Wer dächte, daß dies Püppchen
Meine Gattin sei!
Welch ein holdselig Wesen!
Heiß wie Glut
Fühl' ich Verlangen nach ihr
Mich ganz verzehren.
(Er steht auf, nähert sich Butterfly und reicht ihr
die Hand.)

Mädchen, in deinen Augen liegt ein Zauber,
Dem bin ich ganz verfallen.
Wie leuchtet auf schnee'gem Gewande
Der dunkle Schmuck deines Haares!
Du gleichst einer Göttin!

BUTTERFLY
Als Göttin des Mondes erschein' ich;
Als Göttin des Mondes,
Die leis' in der Nacht
Auf der Brücke des Himmels herabsteigt.

PINKERTON
Sie bezaubert die Herzen...

BUTTERFLY
Und ergreift sie,
Hüllt sie sorgend ins weiße Gewand,
Und führt sie in die Ferne,
in Himmelsgefilde.

PINKERTON
Willst du nun endlich mir sagen,
Ob auch recht von Herzen mich lieb hast?
Wohl kennt jene Göttin das Wörtlein,
Danach sich der Liebende sehnt?

BUTTERFLY
Sie weiß es,
Doch mag sie's nicht sagen,
Weil an ihm zu sterben sie wähnt.

PINKERTON
Törichter Wahn ist's,
Daß Liebe uns töte...
Liebe ist Leben, macht uns
Jubeln vor ungemess'ner Wonne;
Sowie nun jubelt deines Auges
Fremdschöne Sonne.

BUTTERFLY
Ja, nun seid Ihr
für mich der Himmel!
Seid mein Licht und Leben!
Oh! Ihr gefielet mir schon,
Als ich eben Euch nur erschauet.
Ihr seid groß und kräftig!
Ihr lacht so offen und von Herzen;
Von Euren Worten, da fliehn alle Schmerzen.
Wie bin ich glücklich!

Wollt Ihr mich nun lieben, ein ganz klein wenig lieben,
Dann gibt sich so ein Mägdlein,
Wie ich bin, schon zufrieden;
Ein wenig nur lieben!
Wir sind an alles Kleine von jeher gewöhnet.
Stille und voller Demut,
Lieben leises Kosen
Von mächtigen Gewalten,
Wie das linde Gewell' auf dem Meere.

PINKERTON
Laß mir die kleine Hand,
Die ich begehre...
O Butterfly!
Das ist der rechte Name.
Schmetterling, du holder!

BUTTERFLY
Wer in Euren Landen
'nen Schmetterling erjagt,
Sticht eine Nadel
Durch sein zierliches Leibchen,
Ihn auf ein Brett festzunageln!

PINKERTON
's ist schon was Wahres dran,
Und weißt du auch warum?
Damit er nimmer flieh'!
Du bist gefangen...
Ich fühle dich erbeben...
Sei mein denn!

BUTTERFLY
Ja, und fürs Leben!

PINKERTON
Komm, Geliebte, auf, befreie die Seele
Von Zweifeln und von Kummer.
Sieh, die Nacht leuchtet helle!
Rings liegt alles im Schlummer!
Ja, befrei dein zagend Herz, um Wonne nur zu fühlen,
Komm, Geliebte! Sei die Meine!

BUTTERFLY
Ah! Welch ein Himmel voller Sterne!
wie ich heut' ihn lieben lerne!
Leuchtet! Glitzert! Glüht und funkelt!
Aller Erden Glanz verdunkelt. .. !
Oh! Die tausend hellen Äuglein!
Allenthalben schaun sie her
Auf die Lande, übers Meer.
Die tausend hellen Äuglein schau'n herunter...
O selig holde Nacht!
Sieh der Himmel lacht,
Und uns're Liebe leb'!

 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt

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