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“Manon Lescaut” by Giacomo Puccini libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |
IN PARIS Ein eleganter Salon in Gerontes Haus (Im Hintergrunde zwei Türen.. Rechts verhüllen reiche Vorhänge den Eingang zu einem Alkoven. Links nahe dem Fenster ein luxuriöser Toilettentisch. Manon sitzt vor dem Toilettentisch, bedeckt mit einem weißen Pudermantel. Der Friseur ist eifrig um sie beschäftigt. Zwei Knaben stehen, um seine Befehle sofort auszuführen.) MANON (sich im Spiegel betrachtend) Du trotzig’ Haar, was soll dein Sträuben! (zum Friseur) Schnell, nehmt das Eisen, brennet! Rasch doch! (Der Friseur springt hastig hin und her, brennt die Locke mit dem Eisen.) Hier ist die Flüchtige’ Ein wenig trennt die Brauen... Reicht Bleichweiß... Die Creme... (zufrieden) Die Blicke schießen scharf wie Pfeile. Hierher die Narzisse! |
LESCAUT (durch die hintere Tür eintretend) Ich grüß dich, kleine Schwester! MANON (zum Friseur) Die Schminke und Pomade! LESCAUT Bist diesen Morgen, scheint es, übler Laune! MANON Übler Laune? Wieso? LESCAUT Nicht? Um so besser! Geronte ging schon? Welche Hast, zu verlassen dein Gemach! MANON (zum Friseur) Nun Schönheitspflaster! (Der Friseur bringt die Schachtel; Manon stöbert darin herum und ist unschlüssig.) LESCAUT Dies wirket keck! ausgefeimt ist das!... Nicht?... Dies verführet! MANON Weiß nicht recht... so sei’s!... hier die zwei! Am Aug’ den Dolch der Kälte, am Munde das Schmachten nach Küssen! (Der Friseur legt die beiden Pflästerchen auf, dann nimmt er Manon stolz den Pudermantel ab. Sie ist nun reich gekleidet, frisiert und geschmückt. Er verbeugt sich elegant vor Manon und geht mit seinen Gehilfen ab.) |
LESCAUT (Manon betrachtend) Ah, welch prächtiger Anblick! Wie bist du schön glänzend! Es ist mein Stolz, ich rettet’ dich von des Studenten armer Liebe! Als damals von Amiens mit Des Grieux du flohest, sank nie mein Mut, noch ward mein Hoffen trübe! Da ahnt’ ich dein Geschick, sah voraus den Glanz, der in diesen Sälen schimmernd dich umgibt. Wie fand ich dich darbend! In einer engen Hütte warst du von ihm geborgen, zahllos gab’s dort Küsse, doch mehr noch Sorgen. Wohl war’s ein braver Junge, der Des Grieux. Jedoch ein Steuerpächter war er nicht, Parbleu! Darum natürlich schien’s, daß du des Mangels müde annahmst die gold’ne Pracht hier und flohst der Armut Friede. MANON Doch sag’ mir... LESCAUT Sprich, was willst du?... MANON Nicht doch! LESCAUT Gar nichts? Ist’s wahr? MANON Ich wollte dich nur fragen. |
LESCAUT Ich geb’ Bescheid! MANON Du gibst Bescheid? LESCAUT Verstehe! Deine Augen verraten deinen Wunsch mir: Wenn Geronte dein Sinnen wüßte!... MANON Ganz recht! Geraten! LESCAUT Du möchtest Nachricht von... ihm? MANON Ach ja, ach ja! Hab’ ihn verlassen ganz ohne Gruß und Kuß! Ach! (sich in dem hocheleganten Salon umsehend) Ach, in den kalten Spitzen hier herrscht nur Pracht, ödes Schweigen; o mich schaudert, ich erfriere; will kein Herz sich zärtlich zu mir neigen! Einst kannt’ ich andre Wonnen, von seel’ger Liebe war die Seele trunken, die heißen Lippen suchten seine Küsse, die Erde schien uns versunken! Du meine stille Hütte, dich seh’ im Geist ich wieder, weiß schimmernd, traulich, zart umblüht von Flieder. In dem engsten Raum genoß ich von Glück den Traum! |
LESCAUT Nun wohl, ich will gestehen... Des Grieux, genau wie Geronte, ist eng befreundet mit mir. Er hört nicht auf zu quälen: Ist Manon hier? Ist sie geflohn? Wohin? Mit wem? Wohin? Nach Nord? Nach Ost, nach West? Und ich täusche ihn! Nunmehr ist er gefaßter. MANON Wie, er vergaß mich? LESCAUT Nein! nein!... Er hegt den Wahn, daß er mit Gold einst fänd einen Pfad, der hin zu dir ihn führt. Im Spiel möcht’ er fiebernd mehren sein Vermögen; er denkt, die Karte siegt, die er berührt! MANON (für sich) Kämpfst um mich, die verlassen dich hat so schmählich, die dir so viel Schmerz bereitet! Kehr wieder! Bring die Vergangenheit mir zurück! Selige Stunden, kehrt wieder, wo mich küßt’ sein Mund. Ah! In seinen Armen, an seinem Odem trink’ ich in Wonne mich ewig gesund! O sieh, wie ich schön bin. Komm! Komm! Ah! Ah! Geliebter, nimm aufs neu mich hin! LESCAUT Ganz unter uns: Ich weiß als alter Spieler, die allgemeine Kasse wird in seine bald fließen! |
Von mir wohl unterrichtet, wird er alle noch rupfen. Doch in der atemlosen Pein des Kampfes, in Qualen Tag und Nacht, ruht dann erst sein Wahnsinn, wenn er dein gedacht. Bei jedem Spielschluß, wie im Traum, fragt er nach Manon, seufzt, ringt die Hände, fragt, wo du seist! Dann setzt er aufs neu und er gewinnt am Ende! (Manon versinkt in Nachdenken; plötzlich fallen ihre Blicke auf den Spiegel.) MANON Ist’s wahr, daß dieser Anzug zum Bewundern mir steht? LESCAUT Wie angegossen! MANON Und das Haar? LESCAUT Ausgezeichnet! MANON Die Büste? LESCAUT Prächtig! (Einige gepuderte Musikanten treten ein und verbeugen sich vor Manon. Dann gruppieren sie sich mit ihren Notenblättern auf einer Seite.) (leise, zu Manon) Welch sonderbares Volk! Wie es scheint, Scharlatane? |
MANON Nein, Musiker! Denn Geronte macht gerne Madrigale! SOLIST Auf des Berges Höhen wandelst du, o Chloe, Blumen sind deine Lippen, Brunnen deine Augen. CHOR O weh! O weh! Zu Füßen liegt Filer. SOLIST Golden weht dein Haar im Winde, wie ein Wunder zu schau’n! Es gleicht die nackte Brust Lilien im Morgentau’! CHOR Chloe bist du, Manon, und in Filen verwandelt sich Geronte! Filen bläst die Schalmei und seine Melodie flehet sanft: hab doch Mitleid! Das Echo flüstert: Ja, Mitleid! es flüstert: Hab Mitleid! Armer Filen: Chloe kennet kein Herz! Sieh!... jetzt naht ihr Filen! Doch... Zärtlich tönet Chloes Antwort auf der Schalmei: Die Töne, fürwahr, sie flüstern nicht „nein!“ MANON (gelangweilt, gibt Lescaut eine Börse) Zahl’ ihren Lohn! LESCAUT (steckt die Börse ein) Nicht doch! Die Kunst beleid’gen? |
(zu den Musikern) Seid mir entlassen im Namen wahren Ruhmes! (Die Musiker verbeugen sich und gehen hinaus. Durch die andere Türe sieht man einige Freunde des Geronte, ältere Herren, eintreten.) MANON (zu Lescaut) Ja, Madrigale!... Die Tanzkunst... und dann Musik! ’‘s sind alles schöne Sachen... Doch mich langweilt’s!... (Die Quartettspieler treten ein, sammeln sich links im Hintergrunde und stimmen ihre Instrumente. Manon erhebt sich und geht nach hinten, Geronte entgegen, welcher plaudernd mit dem Ballettmeister kommt, um Manons Menuett-Unterricht zu verfolgen.) LESCAUT (für sich) Ein junges Weib. das so blasiert ist, könnt’ man fast fürchten... Und nun zu Des Grieux! Er selber muß das ganze vorher ordnen!... (Er geht unbemerkt ab. Ein Diener führt Gerontes Freunde ein, die sich zu Manon beeilen.) TANZMEISTER (nähert sich Manon und reicht ihr die Hand) Ich bitte, gnädiges Fräulein... die Brust noch mehr erhoben... recht so... sehr gut, nun darf ich Euch loben... Mit Eurem ganzen Selbstbewußtsein schreitet vorwärts! setzt ein! Inständig bitt’ ich, im Takt bleibt! GERONTE Anbetungswürd’ge Tänzerin! |
MANON Noch etwas linkisch. TANZMEISTER Ich warn’ Euch: hört solch’ Schmeicheln nur an mit großer Ungunst... Ein ernstes Ding ist die Tanzkunst! HERREN und ABBÉS (leise, zu Geronte) Lernt weise schweigen, Freund, macht darin es genau wie wir. In der Stille nur huldigt, seid von Manon entzückt Ihr. Ernst ist die Tanzkunst... TANZMEISTER (zu Manon) Jetzt wenden!... Gut so! Zur Rechten!... Nun Verbeugung! Gebt acht jetzt! Die Lorgnette! GERONTE Das Menuett ist vollkommen! HERREN und ABBÉS Welcher Liebreiz in den Blicken, welche Schönheit zum Entzücken. Sternen gleichen ihre Augen. Von den Lippen süß wie Honig möcht’ ich ewig Küsse saugen! GERONTE Welche Schönheit! Worte können sie nicht schildern. Ah, sie gleicht hehren Götterbildern! |
MANON Gold’nes Lob rauscht durch die Lüfte, rings um mich hör’ ich sie flüstern. Alle spenden Lobeshymnen, sind nach meiner Schönheit lüstern!... Ah! Gold’nes Lob rauscht durch die Lüfte, ringsum höre ich sie flüstern. GERONTE Glühend ist mein Herz entzündet! MANON Alle spenden Lobeshymnen, sind nach meiner Schönheit lüstern! GERONTE Glühend ist mein Herz entzündet... daß die Ruh’ muß delirieren! HERREN und ABBÉS Manon ist des Lichtes Göttin! Und die Königin der Nächte! (Der Tanzmeister macht Zeichen der Ungeduld.) MANON Mein guter Meister... er will nicht viele Worte. Wenn Ihr so schmeichelt, dann werd’ ich nie die vollkomm’ne Göttin, die Ihr jetzt in mir seht, nur vermöge Eurer glühenden Phantasie. Darum Maß im Lob, werte Herren! TANZMEISTER Wo bleibt der Herr? |
GERONTE (Herbeieilend) Schon da... HERREN und ABBÉS Trefflich! Welch ein Paar ist’s! Lang soll der Frohsinn der Verliebten blühen! Seht: Gott Merkur und Venus! Ganz wie Reichtum und Liebe! Oh! daß dies Liebesglück Euch, ganz wie Reichtum und Liebe, oh, daß dieses Liebesglück Euch ewig verbunden doch bliebe! MANON Hörst du die Stunde. Tyrso, locken... die still verschwiegen beut uns Wonne? Deine treue Schäferin seufzt zu dir nur hin. Ach!... am Himmel stirbt die Sonne! Plötzlich nahst du, dem Blitze gleichend, machest hell. was bang und trübe! Heiter lacht nun die Welt, die uns umfangen hält, und dieses Wunder tat die Liebe! HERREN und ABBÉS Ein Wunder seid, Manon, Ihr selbst; Ihr selber seid die Liebe. Ihr seid das Glück! GERONTE (mischt sich ein) Die Galanterie in Ehren, doch, Ihr Herren, es ist spät schon! Die Menge wogt bereits durch das Tor ins Freie! HERREN und ABBÉS Die Zeit verflog uns! GERONTE Ich weiß das aus Erfahrung. |
(zu Manon) Meines Lebens holder Lichtstrahl, mit uns zu gehn, war Euer Versprechen. Wir schreiten ein wenig voran Euch... MANON Nur einen Augenblick bedarf ich! Auf mich zu warten ist leicht Euch in der schönen Welt. HERREN und ABBÉS Schwer ist’s, Euch zu entbehren... GERONTE Für unsrer Seele Seufzen laßt die Strafe nicht lang sein. (Alle gehen. Man verbeugt sich, die Herren küssen Manon die Hand. Auch der Tanzmeister und die Musiker gehen.) Ich werde die Sänfte bestellen. Leb wohl meine holde Göttin! (geht ab) MANON (läuft zum Tisch, nimmt einen Handspiegel und betrachtet sich selbstgefällig) Ah, ich bin doch die Schönste... (Sie nimmt ihren Mantel. Als sie jemanden kommen hört, denkt sie, es sei ein Diener.) Ist die Sänfte gekommen? (Des Grieux erscheint in der Tür, ganz blaß. Manon stürzt ihm tief bewegt entgegen.) Du! Du, Geliebter? Du? Ah, meine höchste Liebe! Götter! |
DES GRIEUX (vorwurfsvoll) Manon, ach! MANON Nein, du liebst mich nimmermehr! Und liebtest einst mich doch so sehr! Wie mußt’ ich missen dein heißes Küssen! Und eine Zeit nahte dann, da fürchtet’ ich deine Rache. O sieh mich finster nicht an: Nie hat deiner Augen Stern in früh’rer Zeit das getan! DES GRIEUX Ja, du Verworf’ne. fürcht’ meine Rache... MANON Ah! Ich bin schuldig, ich weiß es! DES GRIEUX Ah, du Verworf’ne, fürcht’ meine Rache... MANON Ah, ich büße! Du liebst mich nimmer – nun verschwand mir der Hoffnung Schimmer! Was war ich einst dir... Nun ist’s vorbei! Trotz bitt’rer Reu’! DES GRIEUX Schweig, Verräterin, du brachst mein Herz, da du mich verlassen! Nein, du ahnst nicht die Leiden, die sanken auf mich nieder, als du heimlich gefloh’n. |
MANON Doch jetzt sollst du verzeihn; der Reichtum ist ganz mein. DES GRIEUX Schweige! MANON Gleicht dieses Haus nicht einem Feenschloß, mit Gold geschmückt echt königlich, und alles nur für dich! DES GRIEUX Geh, laß mich! MANON Stets mußt’ ich träumen von einer lichten Zukunft... daß Liebe dich zurückführt... Ich verriet dich einst, (niederkniend) jetzt zu Füßen dir erfleh’ ich Mitleid... Ach, nimm die Verräterin neu in Liebe hin! Ah! Laß um Gnade mich flehen. Nein, verweigere es nicht! Bin ich denn weniger Manon heut’ als einst, schwand meine Schönheit? DES GRIEUX O du Versucherin! O du Versucherin! Der alte Zauber fesselt mich. Ich erliege. MANON Der Zauber ist’s der Liebe, folg’ ihm, sei wieder mein! |
DES GRIEUX Wer vermöchte noch zu kämpfen! Ja, ich bin dein! MANON Nimm an dein Herz mich... O komm! O komm, in deinen Arm nimm selig Manon; sie liebt dich... DES GRIEUX Im Kampfe besiegt, o du Versucherin!... MANON Presse ans Herz, die ganz allein nach dir sich gesehnt hat, komm, sei mein! DES GRIEUX Im Kampfe besiegt! MANON Sieh ich bin dein! DES GRIEUX Ich fühl’ wie so schwach ich bin! Ich liebe dich! MANON O komm! DES GRIEUX ... Ich liebe dich! MANON O komm! Die ganz allein nach dir sich gesehnt hat. |
DES GRIEUX Im Kampfe besiegt! Ich fühl’, wie so schwach ich bin! Ich liebe dich! MANON Komm! Fest umschlinge dein Arm mich; Manon fleht heiß: Erbarmen! DES GRIEUX In deiner Augen Tiefe seh’ ich mein künftig’ Geschick; was auch die Erde beut: dein Kuß nur gibt mir das Glück! MANON Ah, Manon ersehnt deine Gunst allein. Schnell laß an deinem Busen innig mich ruhen und selig, selig sein! Trunkene Küsse drücke auf meinen Mund, mache in Wonnen mich gesund! O kehre mir zurück, du allein bist mein Glück, usw. Sind meine Lippen ein Altar, bring’ Opfer nun dar! DES GRIEUX Wie deine Küsse unermeßlich sind, sei deine Liebe zu mir. O Kind! Mein Herz ist neu berauscht. Wie deine Küsse unermeßlich sind., usw. In deiner Arme Seligkeit vergeß’ ich mein Leid! Mein Herz unterliegt! |
MANON Welch ein seligster Gruß! DES GRIEUX Laß mich sterben Geliebter! MANON Gib deinen Mund zum Kuß! MANON und DES GRIEUX Wonneberauschte Stunde!... (Geronte tritt plötzlich durch die Tür im Hintergrunde ein und bleibt wie erstarrt stehen.) MANON Ah! GERONTE Verzeiht, mein holdes Fräulein, jetzt weiß ich doch, warum wir so gewartet! Ich kam zur Unzeit; ein ungewollter Zufall, doch wer irrt nicht hienieden? (zu Des Grieux) Ihr auch vergaßet, glaub’ ich, daß zum Beispiel Ihr weilt in einem fremden Hause! DES GRIEUX Herr, hört mich... MANON (zu Des Grieux) Schweig du! |
GERONTE Danke den Göttern, wenn heute blühet für dich ein Glückstag! (zu Manon) Euch zog’ ich ins Haus hier... weil ich Euch wahrhaft liebte, wovon ich die Proben zahllos Euch gegeben! MANON (sieht Geronte boshaft an, geht zum Tisch, von dem sie einen kleinen Handspiegel nimmt.) Liebe? Liebe! Was wißt Ihr von der, mein Guter? Hierher... Betrachtet Euch im Spiegel nur! Stets, wenn ich irrt’, gesteh’ ich’s treu! Und nun seht auf uns beide! GERONTE Ich bin verbunden Euch, edles Fräulein... Ich kenne meine Pflichten... schnell gilt’s zu scheiden hier... O Ihr glücklicher Erbe, o leicht beschwingte Schönheit! Wir sehn uns wieder... und schon bald! (Er stürmt hinaus.) MANON (lachend) Frei bin ich! Frei wie der Vogel dort oben! Habt Dank, mein Herr, du meine Liebe! DES GRIEUX Hör jetzt! Wir müssen eilen: Nur einen Augenblick gewähr’ uns des unverschämten Alten Dach noch Schutz, dann fort! |
MANON Wie schade! All die herrlichen Schätze und der üppige Reichtum! O weh! Ich soll’s verlassen! DES GRIEUX Ah! Manon! Schändlich! Dich verrät dieser schlimme Gedanke! Immer dieselbe, immer die Gleiche! Zittern vor dem Ernste, stets zwischen heißen Wünschen schwanken! Gütig, voll Großmut, wie deine Lieb’ ohne Maßen, stets heftig von Begierden kannst du den Tand nicht lassen... Plötzlich, auf einmal, mutlos und verzagend empfindest du die Schwere des Lebens! Ich? Ich bin dein Sklave und dein Opfer, tief gesunken... Abwärts ging meine Laufbahn, hab’ aus dem Schlamm getrunken... Hab’ als ein rechter Held mich wüst verkauft an ein Spielhaus! Diese Schmach bringt, Ärmste, mich dir nah... In dem Dunkel der Zukunft, sprich, was soll werden aus mir?... MANON Mir, ach verzeihe, will treu und gut verbleiben, ich schwör’ dir’s! (Lescaut tritt schwer atmend ein; Manon und Des Grieux gehen zu ihm.) |
DES GRIEUX Lescaut! MANON Bist du’s? (Lescaut wirft sich keuchend in einen Sessel.) DES GRIEUX, dann MANON Was gibt’s denn? Sprich! (Lescaut deutet durch Zeichen an, daß etwas Schreckliches vorgefallen ist.) MANON und DES GRIEUX O Gott, wir zittern... Was ist geschehen? LESCAUT Erst laßt mich atmen... MANON und DES GRIEUX Du machst uns beben... LESCAUT ... dann rede ich. MANON und DES GRIEUX Was ist geschehen? LESCAUT Man zeigte euch an! MANON Wer? |
DES GRIEUX Der Alte? LESCAUT Ja! MANON O Himmel! LESCAUT Die Wache naht mit Militär!... MANON Der Schlag! DES GRIEUX Mein Gott! LESCAUT Den Kopf bewahrt, die Treppe dort schnell hinab im Fluge!... MANON Ach Gott! LESCAUT Von einem Grenadiere im Quartier hab’ ich alles erfahren... Auf die Treppe hurtig, macht den Beinen Flügel, rings nahen Häscher, zu fangen euch... Darauf Brief und Siegel!... DES GRIEUX Schlau verraten hat uns der verfluchte Alte! |
MANON Was soll das werden! Auf, auf, davon! DES GRIEUX Ja! Nimm dich in acht! LESCAUT Ah, ihr vergeßt, Ihr müßt sie verlieren, wißt, daß man fort sie will führen. Ihr Los steht jetzt auf dem Spiel: das Exil! MANON O Gott! der Tod! LESCAUT Hurtig, beeilt euch. zögert nicht länger! Noch zwei Minuten, seid ihr verloren! Schon von dem Stadthaus nahen sie, usw., Sicher vor Ärger wird der feige Alte sterben... Kommt man und findet das Nest schon leer und vermißt die neue Adresse!... MANON Ah, doch, ich eile... (zu Lescaut) Nur ein Weilchen! Sieh diesen blitzenden Smaragd hier! (zu Des Grieux) Sogleich... Nur ja doch; ganz schnell. Doch mir beistehn mußt du! DES GRIEUX Nimm dich in acht, alter Narr! |
(zu Manon) Auf, auf, laß uns gehn... Zu was? MANON Manon! MANON Wickle sie ein... LESCAUT Jetzt fort!... Manon. schnell auf den Weg! DES GRIEUX Nun komm! MANON Sogleich! Doch erst mir helfen... DES GRIEUX O komm! MANON ... gut zu verpacken diese Dinger! Leere noch schnell hier diese Kassette! Ach, diesen Reichtum den ich so liebte, muß ich nun lassen als schmerzlich Betrübte! DES GRIEUX Auf, laß uns gehn! Komm, Manon! Auf, laß uns gehn! Jetzt gilt es Manon, tapfer zu scheiden... Zögern wir noch, fängt man uns doch... Schande drohet dir und Leiden! |
LESCAUT Schade füwahr, die prächtige Truhe! Jetzt durch den Garten laßt uns entweichen.. in seinem Schatten vorsichtig schleichen; aus ist das Bangen, sind wir erst unten: Wer will uns fangen! MANON (ergreift weitere Juwelen und steckt sie in ihren Mantel.) Es wäre Torheit, zu lassen dieses Gold, dem ich, ach, so hold! DES GRIEUX Nur dein Herz, o Manon, greife ohne Reu; ich mag dein gleißend Gold nicht, denk’ an Liebe nur und Treu! LESCAUT (läuft zum Fenster.) Verfluchter Streich! Sehet nur, sie umzingeln das Haus schon! DES GRIEUX Manon! MANON Des Grieux! Hierher? Nach dort? Wohin entfliehen? Nach dort! DES GRIEUX Auf, auf! Nein, nein! Nach dort! Schnell, schnell! |
LESCAUT Der Alte führet sie an, kommandieret, sie marschieren schon... MANON O Gott! DES GRIEUX Nun komm! LESCAUT Die Schützen verteilen sich!... (Manon und Des Grieux, auf dem Höhepunkt ihrer Verwirrung, sind ratlos, wohin sie fliehen sollen. Lescaut läuft zur Türe. Er verschließt die Tür.) Jetzt sind sie drin, auf der Treppe schon! DES GRIEUX Sprich, ist hier nicht ein Ausgang? MANON Ja!... durch jenen Erker! LESCAUT (drängt Manon und Des Grieux in den Erker und folgt ihnen.) Vorwärts, sie steigen herauf schon, sie fangen euch! MANON (schreit von innen) Ah! Ah! |
(Manon kommt wieder aus dem Erker heraus, mit Lescaut und Des Grieux fliehend über die Szene laufend. Aus dem Vorhang des Erkers tritt ein Sergeant mit zwei Soldaten. Im selben Moment wird die hintere Tür eingeschlagen, und mit all seiner Eitelkeit zeigt sich Geronte mit einigen Soldaten.) SERGEANT Es rühr’ sich keiner! (Geronte lächelt Manon boshaft zu, welche im Schreck den Mantel mit dem Schmuck fallen läßt, der am Boden umherrollt.) LESCAUT (entwaffnet Des Grieux, der den Degen gezogen hat) Herr, wenn man Euch arretiert, wer errettet Manon dann? (Auf ein Zeichen Gerontes verhaftet der Sergeant Manon, die von zwei Soldaten abgeführt wird.) DES GRIEUX (verzweifelt, möchte Manon nachstürzen, wird aber von Lescaut zurückgehalten) Manon. ach! Meine Manon! |
INTERMEZZO DIE GEFANGENSCHAFT – DIE REISE NACH LE HAVRE Des Grieux: „... Tatsache ist, daß ich sie liebe! Meine Leidenschaft ist so gewaltig, daß ich mich selbst als das armseligste Wesen unter den Lebenden betrachte. – Was unternahm ich nicht in Paris, um ihre Freilassung zu erlangen!... Ich erbat Hilfe von den Mächtigen!... Ich pochte und flehte an jeder Türe!... Selbst an Gewalt dachte ich!... Alles ohne Erfolg. – Nur ein einziger Weg bleibt: ihr zu folgen! Und ich werde ihr folgen! Wohin sie immer gehen mag!... Sei es das Ende der Welt!...“ (Die Geschichte von Manon Lescaut und dem Chevalier Des Grieux von dem Abbé Prévost.) |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |