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Manon Lescaut” by Giacomo Puccini libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt
DRITTER AKT

LE HAVRE

Ein Platz am Hafen
(Im Hintergrund der Hafen. Eine Kaserne bildet die
Ecke, mit schwer vergitterten Fenstern. Eine große
geschlossene Tür führt auf den Platz. Eine Wache
patrouilliert davor. Im Hafen hinten ist ein Teil eines
Kriegsschiffes zu sehen. Rechts ein Haus und ein Stück
Bürgersteig. In der Ecke eine Laterne. Letzte Stunde der
Nacht. Der Morgen beginnt zu dämmern. Des Grieux zu
Lescaut, auf der Seite gegenüber der Kaserne)


DES GRIEUX
Stets die grausame Angst...

LESCAUT
Nur noch Geduld...
Die Ablösung bringt bald unsern Schützen,
der im Spiel ist...
Also Geduld!...

DES GRIEUX
Mich foltert dieses Warten... Dort verweilet
(zeigt auf die vergitterten Fenster)
meine Seele, mein ganzes Leben!...

LESCAUT
Belehrt ist Manon;
wartend auf mein Zeichen schaut sie her.
Inzwischen wage ich
mit Freunden jenen Streich!
Zur lichten Freiheit führen wir Manon!
(Lescaut hüllt sich bis ans Gesicht in den Mantel ein
und geht zur Beobachtung nach hinten.)

DES GRIEUX
Es ist mein Schicksal, daß ich mich schleppe Tag
und Nacht auf düstern Wegen...
breit’ ich sehnend die Arme nach Glück aus,
ist’s ein Phantom, grinst öde mir entgegen!...
Paris und Havre! Welch traurige Stunden!
Nur Qualen hab’ im Leben ich empfunden!...

LESCAUT (sich Des Grieux nähernd)
(Zeigt auf eine Gruppe Soldaten, die, geführt von
einem Sergeanten, zur Ablösung aus der Kaserne tritt.)

Jetzt hab’ acht!

DES GRIEUX
Man kommt!...

LESCAUT
(betrachtet aufmerksam die Soldaten, auf einen
weisend)
Wo ist mein Mann denn? Der ist es!
(Die Gruppe mit dem Sergeanten tritt in die Kaserne
zurück.)
In tiefem Schlaf liegt Havre!
Die Zeit ist günstig...
(Er nähert sich der Kaserne, wechselt schnell ein
Zeichen mit der Patrouille, die sich spazierend entfernt,
und klopft dann vorsichtig an das Eisengitter. Des
Grieux sieht zitternd zu. Manon erscheint am Fenster
und Des Grieux stürzt zu ihr.)

DES GRIEUX
Manon!...

MANON
Des Grieux!
(streckt die Hände durch das Gitter, welche Des Grieux
inbrünstig küßt.)

LESCAUT (für sich)
Zum Teufel mit Amerika!
Manon braucht nun nicht hin!

MANON
Ah! Du liebst mich! Du liebst mich!
Du hältst zu mir trotz aller Schande?

DES GRIEUX
Ich dich verlassen, mein süßes Leben? Niemals!

MANON
Unfaßbare Liebe! O Liebe!

DES GRIEUX
Wenn ich dir folgte auf dem Schreckenswege...

MANON
Die Liebe!

DES GRIEUX
... tat ich’s, weil fest im Herzen wurzelt Glaub’ und
Liebe!

MANON
Die Liebe!

DES GRIEUX
In Kurzem bist du mein!

MANON
Ich dein... in Kurzem!

DES GRIEUX
(Ein Laternenanzünder kommt von rechts und
überschreitet singend den Platz.)

Schweige! Schweige!

LAMPENANZÜNDER
(geht zur Lampe und zieht sie herunter)
Zur Antwort gab Käthe dem König:
man soll nicht scherzen mit Mädchenherzen.
Nur für die Eh’ schuf mich so reizend der Herr!
(löscht die Lampe)
Lachend schenkt’ ihr der König Schmuck und Gold
und einen Mann, der lieben sie sollt’.
(Langsam entfernt er sich. Der Morgen graut.)

DES GRIEUX
Es dämmert... Nun, Manon, höre...
Sei an dem Tor des Hofes streng zur Zeit!
Dort harrt Lescaut mit anderen, fluchtbereit.
Gelingt es, bist du gerettet!

LAMPENANZÜNDER (von draußen)
Zur Antwort gab Käthe dem König...
Und der König gab ihr Schmuck und Gold...

MANON
Zitternd erbeb’ ich für dich!
Zitternd, und ahne doch kaum um was!...
Ah! Vor meinem Geist erhebt sich ein Bild!
Ich sehe dich blutend und sterbensblaß...

DES GRIEUX
Manon, sieh mich verzweifelt flehen;
die Angst schnürt mir die Kehle, ich bebe...
Willst du meinen Tod?
Ich beschwör’ dich, Manon, entfliehe!
Mach’ ein Ende der Not!
(zeigt nach der Straße rechts)
Komm, ich beschwöre dich, laß uns entfliehn von hier...
Ah, komm, ich beschwöre dich...

MANON
Es sei denn! Erwarte mich, Liebster!
Mit Leib und Seele schwör’ ich’s dir!
(Des Grieux faßt Manons Hände, und, wieder
aufgerichtet, grüßt er sie im Abgehen. Manon wirft
ihm Kußhände zu. Sie tritt vom Fenster zurück. Ein
Schuß von rechts. Von innen hört man Alarmrufe.)

STIMMEN (von innen)
Zu den Waffen! Zu den Waffen!

LESCAUT (kommt mit gezogenem Degen)
Verloren ist das Wagnis!
Retten, Freund, wir unser Leben!

DES GRIEUX
Was geschah!

STIMMEN (von innen)
Zu den Waffen! Zu den Waffen!

LESCAUT
So hör nur ihr Alarmgeschrei!...
Der Streich mißlang uns!

STIMMEN DER FRAUEN
Ah!

DES GRIEUX (den Degen ziehend)
Mag man mich töten!
Jetzt entfliehen, nein, niemals!

LESCAUT (hält Des Grieux zurück)
Ah! Welch ein Narr!...

MANON (erscheint wieder am Fenster, flehend)
Im Namen Gottes, entfliehe! Liebst du mich,
so entfliehe!...
(Sie verschwindet vom Fenster.)

DES GRIEUX
Ah! Manon!

LESCAUT (zieht Des Grieux zurück)
Schlechtes Geschäft!
(Von dem Schuß und den Alarmrufen herbeigelockt,
läuft von allen Seiten Volk herbei.)

VOLK (für sich)
Ah!
Was gab es?
Was gab’s, Entführung und Aufstand?
Gefloh’n ist ein Mädchen!
Was gab es? Was gab’s,
.Gefloh’n ist ein Mädchen!
Die dunkle Nacht hat
die Räuber beschützt!
Noch mehr? –
(Trommelwirbel. Das Tor der Kaserne öffnet sich, der
Sergeant und eine Gruppe Soldaten kommen heraus,
gefangene Frauen eskortierend, darunter einige in
Ketten; Manon ist unter ihnen.)


SERGEANT (tritt vor und fordert die Menge auf)
Den Durchgang gebt frei jetzt!
(Vom Kriegsschiff steigt der Kommandant. Ihm folgt
ein Zug Marine-Soldaten, die sich rechts aufstellen)


KOMMANDANT (zum Sergeanten)
Das Schiff ist klar zur Abfahrt.
Erteilt die Befehle!

VOLK
Seid stille!
Der düstre Appell fängt schon an!
(Aus einer Namensliste beginnt der Sergeant die
Namender Gefangenen einzeln aufzurufen. Die Fruen
wechseln, eine nach der anderen, hinüber zu den

SERGEANT
Rosette!
(geht keck herausfordernd)

VOLK
Ei, der Hochmut!
Kennt die Liebe!

SERGEANT
Madelon!
(geht gleichgültig lachend)

VOLK
Ah! Eine Gefall’ne! Ah, ah! –
Welch albernes Lachen!

SERGEANT
Manon!
(geht langsam, die Augen zu Boden gewandt)

VOLK
Eine Verführte!
Im Ernste, eine Schönheit!

LESCAUT
Die hier? Ein Geheimnis!

MÄNNER
Verführt? Verraten?

VOLK
Wie blickt sie so schmerzvoll! Ah! Ah!
Sehr traurig!

LESCAUT
Das Mädchen wurde der Liebe
eines gutaussehenden Jünglings entrissen.

SERGEANT
Ninetta!
(geht, hochmütig die Menge fixierend)

VOLK
Wie furchtlos!
(Des Grieux tritt aus der Menge vorsichtig zu Manon).

MANON
O Freund. wie bald bin ich weit von hier...

MÄNNER (zu Lescaut)
Abscheu erweckend! Tiefes Mitleid!

SERGEANT
Caton
(schreitet imponierend, ruhig)

VOLK
Eine Göttin!

MANON
So will’s mein traurig’ Schicksal!
Ich muß auf ewig jetzt dich verlassen!
Dich, mein Alles! Leb wohl denn!

LESCAUT
Entführt bei der Hochzeit! Gequält
von erzwungenen Küssen! Geopfert der Lust.

MÄNNER
Mitleid!
Das alte Lied!

SERGEANT
Regina!
(geht geputzt, kokett)

VOLK
Schändlich ist es!
Im Ernste, eine Schönheit!
Welch albernes Lachen.

MANON
Kehre zurück zum väterlichen Hause,
wahre in Treue mein Angedenken!

LESCAUT
... Eines alten Herren!...
Und kalt dann...
verstoßen!

MÄNNER
Abscheu erweckend! Tiefes Mitleid!
Schändlich ist es!

LESCAUT (auf Des Grieux zeigend)
Seht dort, jener bleiche,
junge Mann an ihrer Seite!

SERGEANT
Claretta!
(schreitet sehr munter)

VOLK
Ah! Ah! Eine Blonde!

MANON
Manon mußt du vergessen!

DES GRIEUX
O sieh, wie den Qualen schmerzvoll ich erliege,
die mir der schwere Abschied bereitet,
ein Abschied, der mein Denken löst in Tränen!

MANON
Da ich genug dich nimmer geliebt,
ist, was mir dies Scheiden betrübt.
Doch du verzeihst, was ich tat.
Ein Abbild dieser Liebe ist der trostlose Abschied!

LESCAUT
Das war einst ihr Bräutigam.
Der ist es!

MÄNNER
Schändlich ist es!

VOLK
Welch bunte Versammlung!

SERGEANT
Violetta!
(schreitet frech über den Platz)

VOLK
Die Braune!

MANON
Fleh den Vater an, daß er aufnimmt neu den Sohn!
Leb wohl, Geliebter, wir müssen scheiden.

DES GRIEUX
Ach, meine Seele füllt ein Verlangen ungestillt:
der glüh’nde Haß ist’s, vor Gott und den Menschen,
der mich quält und zehrt!

LESCAUT
In Ketten und Banden. mit Schande beladen,
so fand die entführte Geliebte er wieder.

MÄNNER
Sie weckt wahrlich Mitleid!
Schändlich ist es!
Sie weckt wahrlich Mitleid!
Schändlich ist es!

SERGEANT
Nerina!
Elisa!
(sie den Platz)

VOLK
Die Pflästerchen kleiden!
Keine große Schönheit!
Welch bunte Versammlung!

SERGEANT
Ninon!
(bedeckt ihr Gesicht mit den Händen, als sie geht)

MANON
Mein Geliebter, leb wohl!

SERGEANT
Giorgetta!
(geht hinüber)

VOLK
Abscheu erweckend! Tiefes Mitleid!

SERGEANT (nimmt Aufstellung vor den Frauen)
Eilt euch! Macht Front! Vorwärts. Marsch!...
(Er sieht Manon im Gespräch mit Des Grieux.)
Du noch hier?
Wir müssen dem ein Ende machen.
(Brutal nimmt er ihren Arm und schleudert sie zu den
anderen hinüber)

DES GRIEUX (zieht Manon wieder zu sich)
Laß los sie!

SERGEANT (zu Des Grieux)
Fort!

MÄNNER (von Lescaut aufgehetzt)
Fasse Mut!

DES GRIEUX
Ah, wagt’s, sie zu berühren!
Manon, schmieg’ dich an mich!

MÄNNER
So recht! Bravo!

KOMMANDANT
Was gibt’s?

DES GRIEUX
Ah, kommt mir nicht zu nahe!
So lang’ ich leb’,
soll niemand sie entreißen mir!
(den Kommandanten erblickend wird er von der
Bewegung übermannt, während seine um Manon
geschlungenen Arme sich lösen.)
Nein!... Nein!... Ich bin wohl toll!
(zum Kommandanten)
O seht, Herr, wie ich fleh’ und weine;
laßt die Tränen Euch rühren...
die die Verzweiflung erpresset!
Hört! Wollt mit Euch mich führen, auf’s Schiff
nehmt mich als niedersten Diener...
Laßt mich ein Handwerk lernen!
Das alles macht mich glücklich.
Ach, erbarmt Euch! Nur wollet nicht
von ihr mich entfernen!
Ich erbiet’ mich mit Blut und Leben, habt Mitleid,
erbarmt Euch mein! Ewig werd’ ich dankbar sein!
(Er wirft sich vor dem Kommandanten auf die Knie.)

KOMMANDANT
(bewegt, beugt sich zu Des Grieux hinab, lächelt ihn an
und sagt mit dem barschen Tone eines Seemannes:)
Ah! Wollt Ihr bevölkern Amerika?
Junger Mann, seid Ihr denn unklug?
Doch sei es! Ihr wollt’s!
Vorwärts denn, und beeilt Euch!
(Des Grieux stößt einen Freudenschrei aus, küßt dem
Kommandanten die Hände. Manon wendet sich um,
sieht, versteht was vorging, und auf ihrem Gesicht
strahlt die höchste Wonne. Sie streckt ihre Arme nach
Des Grieux aus, der zu ihr läuft. Lescaut steht seitwärts,
den Kopf schüttelnd.)

VIERTER AKT

IN AMERIKA

Eine unermeßliche Ebene an der fernsten Grenze von
New Orleans

(Der Boden ist gewellt und ganz unfruchtbar. Der
Himmel grau bewölkt. Der Abend dämmert. Manon und
Des Grieux nähern sich langsam vom Hintergrunde her,
ärmlich gekleidet, von leidendem Aussehen. Manon ist
bleich, abgezehrt und stützt sich ermattet auf Des
Grieux, der sie mühsam aufrecht hält.)


DES GRIEUX
Stütze dich fest auf mich!
O meine müde Geliebte!
Wir nähern uns dem Ende der staubbedeckten Straße,
die ich bitter verwünsche.

MANON
Nur vorwärts, nur immer weiter.
Dämmerung fällt schon vom nächtlichen Himmel.

DES GRIEUX
Auf mich stütz’ fest dich!

MANON
Spürst du die kühle Luft auf dieser Ebene?
Der Tag starb entkräftet...
Doch vorwärts! Nur weiter! Nein...
(Sie sinkt um.)

DES GRIEUX
Manon!

MANON
Ich kann nicht! O verzeih mir!
Stark bist du, ich beneid’ dich!
Ein Weib nur bin ich, erliege...

DES GRIEUX
Du leidest?

MANON
Ganz unbeschreiblich!
(Manon müht sich, den Eindruck zu verwischen.)
Nein! was sagt’ ich?...
Das sind zaghafte, tör’ge Worte...
Sei ruhig, Geliebter!
Nur einen Augenblick Rast noch, ein kurzes Weilen
gönne,
o Freund, mir. Drücke fest mich an dich, ganz fest!...

DES GRIEUX
Manon! Hör’ mich, Geliebte...
O gib mir Antwort, mein Alles!
Sieh, ich bin’s, der hier kniend trauert...
Laß meine Klagen mischen sich mit deinen,
laß küssen mich dein schönes goldnes Haar!
Ah, Manon, sieh mich weinen... Du sprichst nicht,
Manon, zu mir? Du schweigst? Beim ew’gen Himmel!
(die Stirn fühlend; für sich)
Grausam tobt das Fieber!
Mich befällt Verzweiflung,
seh’ ich sie ermatten;
voll Sorge ahnt mein Geist schon Todesschatten!
(zu Manon)
O antworte mir, Geliebte!...
Sie schweigt! Manon, gibst du nicht Antwort?...

MANON (kommt langsam zu sich)
Bist du’s, der klagt hier?
Von dir kommt dies Stöhnen?
Ich höre deine Seufzer.
Meine Stirn netzen deine Tränen.
Heiß fühl’ ich sie brennen,
die um mich du geweint.
Meine Geliebter, hilf mir!

DES GRIEUX
Meine Geliebte! Ah Manon!
Ah Manon, meine Geliebte!

MANON
Geliebter, hilf mir! Geliebter! Geliebter! Hilf mir!

DES GRIEUX
O meine Manon!

MANON
Der Durst quält mich, Geliebter, hilf mir, hilf mir!

DES GRIEUX
Ich gäb’ mein Herzblut für dein Leben!
(Er blickt sich nach Wasser um, läuft spähend nach
hinten.)
Da ist nichts, nichts!
Nur dürre Fläche, nicht ein Tröpfchen quillt...
Hartherz’ger Himmel!
O Gott, für diese Kranke heb’ ich flehend die Hände,
betend:
Ihren Leiden sende Labung!

MANON
Hör einen Vorschlag, wie ich zu retten!
Sitzend bleib’ ich zurück; du steig’ höher empor,
erforschst die Ebene, ob irgend
in Bergen oder Hütten du findest Wasser.
Mit strahlender Miene
bring die Erquickung der kranken Geliebten!
(Des Grieux entfernt sich nur zögernd. Im Hintergrunde
angekommen, erwachen neue Zweifel; er blickt
verzweifelt auf Manon, dann, mit schnellem
Entschlusse, eilt er davon.)
Allein nun! Von allen preisgegeben...
in weiter, weiter Ferne!
Kein Mensch, der mich noch hört...
Das Los ist grausam, das mir beschert.
In welche Wüste bin ich verschlagen!
Furchtbare Leiden füllen meine Seele,
fruchtlos verhallt mein Klagen!
Ich will nicht sterben; noch komme nicht, o Tod!
Doch, fänd’ ich hier mein Ende,
ich, eine arme, preisgegeb’ne Frau,
stünd’ am Ziel aller Not.
Man wollt’ schon wieder trennen uns!
Man wollt’ von ihm mich wieder reißen: und alles,
was ich irrte, taucht’ neu auf in bangen Träumen,
bedrohte grausam meinen neuen Frieden!
Mit Blut befleckt’ sich Des Grieux!
Aufs neu mußten wir fliehen!...
Ach, ein Asyl gibt’s jeglichen Friedens: Das Grab nur!
Nein, ich will nicht sterben... Ich will nicht den Tod!
Meiner Liebe, bring mir Hilfe, o Freund!
(Des Grieux stürzt herbei)
Bleib fern mir, o Tod!
Sprich, bringst du günstige Botschaft?

DES GRIEUX
Ach, keine Quelle quoll bei der Hütte,
und nicht ein Tropfen fiel aus Wolken,
wie auch mein Aug’ sich mühte!

MANON
So sterb’ ich; schon fühl’ ich
Finsternis sich senken auf die Augen!

DES GRIEUX (mit unendlicher Hingabe)
Nur des Fiebers Glut füllet mit Bangen die Brust!
Schmieg’ dich an, fasse Mut!
Ins Herz strömt schon zurück dein Blut!

MANON
Ich lieb’ dich und muß sterben...
Schon stockt mir das Wort im Munde
und doch so viel möcht’ ich dir sagen in dieser
Stunde!
Ich liebte dich unsäglich! O Liebe, göttlicher Zauber,
unaussprechliche Wonne, du mein höchstes Begehren...
Ja, ich liebe, die Brust voll Schmerzen...
Und sterbe, dies Wunder im Herzen!...

DES GRIEUX
(betastet Manons Gesicht. für sich, entsetzt)
Kälte des Todes!
Gott, nun schwand die letzte Hoffnung!

MANON
Du weinst, o mein Geliebter.
Nein, keine Tränen.
Nütze die Zeit zum Küssen...
Die Zeit entflieht, still’ dieses Sehnen!

DES GRIEUX
O du einzig süßes Leben,
entflamm’ in mir heilige Wonnen.

MANON
Die Flamme erlischt, ach...
Rede... o sprich doch...

DES GRIEUX
Manon!

MANON
Weh mir!... Ich hör’ kein Wort mehr... Weh mir!
Hierher, noch näher komm; halt dein Gesicht nah...
So recht, so recht... o küss mich... Bleibe mir nah!
Ich kann dich fühlen!
Weh mir!

DES GRIEUX
Stirbst du, bin ich verloren!
Ich folg’ dir nach!...

MANON (mit letzter Kraft, gebieterisch)
Ich will’s nicht! Leb wohl denn!...
Nacht sinkt auf Manon!
Es friert mich!...
War deine Manon nicht liebenswert? Besinn’ dich!
Sag mir’s... an meine glänzende Jugend denke...
Ich seh’ nicht mehr das Licht!...

DES GRIEUX
O Himmel!

MANON
Meine Schuld wird einst vergessen werden...
doch ach, Manons Liebe stirbt niemals!
(Sie stirbt. Des Grieux, vom Schmerz übermannt,
schluchzt und sinkt auf die Leiche Manons nieder.)

ENDE
 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt

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