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Otello” by Giuseppe Verdi libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt
ERSTER AKT

Zypern, Ende des 15. Jahrhunderts. Ein Platz vor einer
Festung am Meer, im Hintergrund Festungsmauern und
die See. Eine Schenke mit Laubengang. Es ist Abend;
Gewitter und Sturm über dem Meer.


ZYPRIOTEN
Ein Segel! Ein Segel!
Ein Banner! Ein Banner!

MONTANO
Der geflügelte Löwe!

CASSIO
Der Blitzschein erhellt es!

ZYPRIOTEN
Eine Fanfare! Eine Fanfare!
Die Kanone hat getönt!

CASSIO
Es ist das Schiff des Generals!

MONTANO
Es geht unter! – Es steigt auf!

CASSIO
Der Bug hebt sich aus dem Wasser!

EINIGE ZYPRIOTEN
Vom Dunst verschleiert und vom Meer,
im Licht der Blitze erscheint das Schiff!

ALLE
Blitze! Donner! Strudel! Heulen
des Sturms und des Gewitters!
Es bebt das Wasser, es bebt die Luft,
es beben Meeresgrund und Wogen!
(Viele Frauen kommen aus dem Hintergrund nach vorne.)
Ein wilder Dämon, grimmig und blind,
zerteilt den Äther!

FRAUEN (schreiend)
Ah!

ALLE
Gott erschüttert den dunklen Himmel
wie einen schwarzen Schleier!
FRAUEN
Ah!

ALLE
Alles Rauch! Alles Feuer!
Die schreckliche Finsternis
birst in Flammen und erlischt
in noch tieferer Nacht! Es zuckt
das ganze All, in wilden Stößen
braust der geisterhafte Nordwind,
titanische Trompeten
dröhnen durch den Himmel!
(Sie wenden sich mit angstvoll flehenden
Gebärden zur Mole.)
Gott, das Leuchten des Gewitters!
Gott, das Locken des Gestades!
Rette das Schiff und die Standarte,
wende das Los der Venezianer!
Der du die Sterne und das Schicksal lenkst,
der du Erde und Himmel beherrschst,
lass auf dem Grund des ruhigen Meers
den getreuen Anker ruhen!

JAGO
Gebrochen der Mast!

RODRIGO
Der Bug stößt an das Riff!

DIE MENGE
Hilfe! Hilfe!

JAGO (zu Rodrigo)
Der tobende Schlund des Meeres sei sein Grab!

DIE MENGE
Gerettet! Gerettet!

MATROSEN (an Bord des Schiffs)
Setzt die Boote aus!
An die Taue! Haltet fest!
Kräftig gerudert! Ans Land!
(ferner Donner)
Ans Ufer! Zum Kai!

DIE MENGE
Hoch! Hoch! Hoch!
(Othello tritt auf und steigt die Treppe zur Festung
hinauf, von Matrosen und Soldaten begleitet.)


OTHELLO
Freut euch! Der Stolz der Muselmanen
liegt begraben im Meer!
Der Ruhm ist unser und des Himmels!
Nach unseren Waffen besiegte sie noch der Sturm!

DIE MENGE
Es lebe Othello! Hoch!
Hoch! Hoch! Sieg! Sieg!
(Othello geht in die Festung, gefolgt von Cassio,
Montano und Soldaten.)
Sieg! Sieg!
Vernichtung! Vernichtung!
Verstreut, vernichtet, begraben liegen sie
in der grässlichen Tiefe!
Sieg! Sieg!
Sieg! Sieg!
Vernichtung! Vernichtung! usw.
Das Requiem bringe ihnen die Geißel der Wellen,
das Wirbeln des Windes,
der Abgrund des Meeres!
Sieg! Sieg!
Verstreut, vernichtet, usw.
Hoch!
(Ferner Donner. Der Sturm legt sich.)
Das Unwetter beruhigt sich.

JAGO (abseits zu Rodrigo)
Rodrigo, nun, woran denkst du?

RODRIGO
Mich zu ertränken!

JAGO
Nur ein Narr ertränkt sich aus Liebe zu einer Frau!
(Während das Schiff entladen wird und man die Waffen
und Lasten in die Festung trägt, kommen einige Bürger
hinter den Mauern hervor. Sie bringen Reisigbündel, um
sie auf dem Damm zu entzünden; Soldaten leuchten ihnen
mit Fackeln, während sie einen Scheiterhaufen errichten.
Die Menge drängt sich neugierig und aufgeregt um sie.)


RODRIGO
Ich weiß mir nicht zu helfen.

JAGO
Ei was, sei vernünftig,
erwart das Werk der Zeit;

die schöne Desdemona,
die du in deinen heimlichen Träumen anbetest,
wird sie bald verabscheuen, die trüben Küsse
dieses Wilden mit seinen wulstigen Lippen!
Guter Rodrigo, ich bin dein treuer Freund,
das erklär ich, und helf dir jetzt
in deiner höchsten Not:
Wenn der schwache Liebesschwur eines Weibes
kein allzu starker Knoten ist für meinen Witz
oder für die Hölle –
dann schwör ich, dieses Weib wird dein!
Hör, wiewohl ich vorgeb, ihn zu lieben,
hass ich den Mohren.
(Cassio tritt auf und geht zu einer Gruppe von Soldaten.)
Und ein Grund meines Hasses ist der dort, sieh!
(Zeigt auf Cassio.)
Der aufgeputzte Hauptmann
hat meinen Rang geraubt, den Rang,
den ich in hundert guten Schlachten
mir verdient hab;
das war Othellos Wille,
und ich bleibe bei Seiner Mohrenhoheit
nur Fähnrich!
(Aus dem Scheiterhaufen steigen immer dichtere
Rauchwolken auf.)
Aber so wahr du Rodrigo bist,
so wahr ist es auch, dass, wär ich der Mohr,
ich möchte keinen Jago um mich haben.
Hör mich an...
(Er redet weiter auf Rodrigo ein und führt ihn mit sich
zur Seite. Flammen schlagen aus dem Scheiterhaufen,
um den sich die Zyprioten versammeln. Inzwischen
schmücken Leute aus der Schenke den Laubengang
mit festlicher Beleuchtung. Soldaten setzen sich
trinkend und plaudernd an die Tische.)

ZYPRIOTEN
Feuer der Freude! Die fröhliche Flamme
vertreibt die Nacht mit ihrem Schein!
Es zuckt, sprüht, knistert, flammt auf;
blitzendes Feuer dringt in das Herz!
Vom Licht angezogene flimmernde Gestalten
tanzen umher in wechselnden Reihen,
bald junge Mädchen mit heiteren Liedern,
bald Falter mit flammenden Flügeln!
Es brennt die Palme mit dem Feigenbaum,
es singt die Gattin mit ihrem Getreuen;

auf die goldene Flamme, auf den fröhlichen Chor
bläst der feurige Hauch des Himmels! usw.
Das Feuer der Freude verbrennt schnell!
Schnell verlischt das Feuer der Liebe!
Es leuchtet, ermattet, zuckt auf, zittert,
der letzte Funke blitzt auf und erstirbt!
Das Feuer der Freude, verbrennt schnell!
Es leuchtet, ermattet, zuckt auf, zittert,
der letzte Funke blitzt auf und erstirbt!
Feuer der Freude usw.
(Das Feuer verlischt nach und nach; der Sturm hat sich
gänzlich gelegt.)
... blitzt auf und erstirbt!
(Jago, Rodrigo, Cassio und mehrere Soldaten haben sich
um einen Tisch versammelt, auf dem Wein kredenzt ist.)


JAGO
Rodrigo, lass uns trinken!
(zu Cassio)
Den Becher her, Hauptmann!

CASSIO
Ich trink nicht mehr.

JAGO (führt den Weinkrug an Cassios Becher)
Noch diesen Schluck hinunter!

CASSIO (zieht den Becher weg)
Nein!

JAGO
Schau! Heute ist ganz Zypern närrisch!
Es ist eine Nacht der Freude, also...

CASSIO
Hör auf! Mir brennt schon der Kopf
nach einem einzigen Becher.

JAGO
Ei, du musst noch weiter trinken!
Auf die Hochzeit von Othello und Desdemona!

ZYPRIOTEN
Hoch!

CASSIO (hebt den Becher und trinkt ein wenig)
Sie ist die Zierde dieser Insel!

JAGO (leise zu Rodrigo)
Hör ihn dir an!

CASSIO
Mit ihrem Zauber
bezwingt sie alle Herzen!

RODRIGO
Und doch ist sie so bescheiden!

CASSIO
Du, Jago, sing ihr Loblied!

JAGO (leise zu Rodrigo)
Hör ihn dir an!
(laut zu Cassio)
Ich bin nur ein Kritiker!

CASSIO
Und sie ist über alles Lob erhaben!

JAGO (leise zu Rodrigo)
Hüte dich vor diesem Cassio!

RODRIGO
Was fürchtest du?

JAGO (zu Rodrigo)
Er schwätzt mit zuviel Hitze,
sein jugendlicher Eifer spornt ihn an,
er ist ein schlauer Verführer, der dir
den Weg verstellt. Hüte dich!

RODRIGO
Nun?

JAGO
Ist er berauscht, dann ist er verloren!
Bring ihn zum Trinken!
(zu den Schenken)
He, Burschen, Wein her!
(Er füllt drei Becher, für sich selbst, Rodrigo und
Cassio. Die Schenken gehen mit Kannen umher und
warten den anderen auf; die Menge läuft neugierig
zusammen.)

(hebt den Becher, zu Cassio)
Netz dir den Gaumen! Trink, zech, eh du das Lied und
den Becher versäumst!

CASSIO (zu Jago, den Becher in der Hand)
Dies ist das wahre Manna des Rebstocks,
mit seinem zarten Duft benebelt es den Geist!

JAGO (zu allen)
Wer je dem kühnen und wilden Bacchussang
erlegen ist,
der trinke mit mir, trinke mit mir,
trinke, usw.
... trinke mit mir!

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
Wer je dem kühnen und wilden, usw.
der trinkt mit dir...

JAGO
Trinke, trinke...

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
... trinkt mit dir...

JAGO
Trinke, trinke...

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
... trinkt mit dir...
... trinkt...

JAGO
... trinke!

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
... trinkt, trinkt, trinkt mit dir!

JAGO (zu Rodrigo, auf Cassio zeigend)
Noch einen Schluck, und er ist berauscht!

RODRIGO (zu Jago)
Noch einen Schluck, und er ist berauscht!

JAGO (zu allen)
Das Weltall schwankt, wenn ich betrunken bin!
Ich trotze der ironischen Gottheit und dem Schicksal!

CASSIO (trinkt noch einmal)
Ich bebe wie eine tönende Laute,
die Freude schreitet auf meinem Pfad!

JAGO
Wer je dem kühnen und wilden, usw.

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN, dann JAGO
Wer je dem kühnen und wilden, usw.

JAGO (zu Rodrigo)
Noch einen Schluck, und er ist berauscht!

RODRIGO (zu Jago)
Noch einen Schluck, und er ist berauscht!

JAGO (laut, zu allen)
Vor dem schäumenden Becher fliehen die Feigen...

CASSIO (unterbricht ihn)
Jeder kann mir auf den Grund der Seele schauen!
(trinkt)

JAGO (funterbricht ihn)
... die im Herzen Arglist verbergen!

CASSIO
Ich fürchte die Wahrheit nicht!
(taumelt)

JAGO
Wer je dem kühnen und wilden...
... Bacchussang erlag...
trinke mit mir, trinke mit mir!

CASSIO
Ich fürchte die Wahrheit nicht, usw.
... ich fürchte die Wahrheit nicht und trinke,
und trinke, trinke, und...

JAGO
Ah! Trink, trink mit mir!

EINIGE ZUSCHAUER (lachend)
Haha! Haha! usw.
Haha! Haha! usw.

CASSIO
Des Bechers...

JAGO (zu Rodrigo)
Er ist sinnlos betrunken...
... rasch, verwickle ihn
in einen Streit; er ist jetzt leicht aufgebracht,
wird dich angreifen, dann gibt es Aufruhr!
Denk daran, dass du so dem glücklichen Othello
die erste Liebesnacht stören kannst!

CASSIO
Des Bechers – Rand –
(mit immer schwerer werdender Zunge)
Des Bechers – Rand – Rand –
(Die anderen lachen.)

RODRIGO (leise zu Jago)
Und eben das treibt mich an!

CASSIO
– von Purpur – Purpur –
von Purpur rot –

RODRIGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
Ah, haha! Haha! Haha!
Trink, trink mit mir, usw.

JAGO
Trink, trink!

RODRIGO, JAGO, ZYPRIOTEN, SOLDATEN
Trink, trink, trink mit mir!

CASSIO
Ich trink, trink, trink mit dir!
(Alle trinken.)

MONTANO (kommt aus der Festung, zu Cassio)
Hauptmann, die Wache erwartet Euch an der Mole.

CASSIO (taumelnd)
Wohlan!

MONTANO
Was seh ich?

JAGO (leise, nahe bei Montano)
Jede Nacht bereitet sich Cassio
auf diese Weise auf den Schlaf vor!

MONTANO
Othello soll es erfahren!

CASSIO
Gehn wir zur Mole!

RODRIGO (lacht)
Haha!...
... Haha!

MÄNNER
Haha!

CASSIO
Wer lacht da?

RODRIGO (herausfordernd)
Ich lache über einen Trunkenbold!

CASSIO
Nun hüte dich!
(stürzt sich auf Rodrigo)
Schurke!

RODRIGO (verteidigt sich)
Betrunkener Rüpel!

CASSIO
Du Lump! Nichts kann dich mehr retten!

MONTANO
(trennt sie mit Gewalt, zu Cassio)
Haltet ein, Hauptmann, ich bitte Euch!

CASSIO (zu Montano)
Ich spalt dir den Schädel,
wenn du dich einmischst!

MONTANO
Die Sprache eines Betrunkenen...

CASSIO
Eines Betrunkenen?
(Er zieht das Schwert, Montano ebenfalls. Beide stoßen
wütend zusammen; die Menge weicht zurück.)

JAGO (leise zu Rodrigo)
Eil zum Hafen, so schnell du kannst,
schrei laut: Aufruhr! Aufruhr!
Geh! Verbreite Unruhe und Schrecken;
die Glocken sollen Sturm Iäuten!
(Rodrigo läuft davon. Jago wendet sich schnell an die
beiden Kämpfenden.)
Kameraden! Beendet diesen bösen Hader!

FRAUEN (fliehend)
Fort von hier!

JAGO
Himmel! Schon fließt Montanos Blut!
Schrecklicher Streit!
FRAUEN
Fort! Fort!

JAGO
Haltet ein!

MÄNNER
Haltet ein!

JAGO
Haltet ein!

MÄNNER
Haltet ein!

FRAUEN
Sie bringen sich um!

MÄNNER
Friede!

JAGO
Niemand kann den Streit verhindern!
(zu den Umstehenden)
So schlagt doch Alarm!
Satan ist in sie gefahren!

MÄNNER
Waffen! Waffen!

FRAUEN, dann ALLE
Zu Hilfe! Zu Hilfe! usw.

MÄNNER
Waffen! Waffen!

FRAUEN, dann ALLE
Zu Hilfe! usw.
(Die Glocken läuten Sturm; der Kampf geht weiter,
während die Frauen fliehen. Othello erscheint, gefolgt
von Leuten mit Fackeln. Die Glocken schweigen.)

OTHELLO
Nieder mit den Schwertern!
(Die Kämpfenden halten ein.)
Holla! Was geht hier vor?
Bin ich bei den Sarazenen?
Oder hat die Wut der Türken euch gepackt,
euch gegenseitig zu zerfleischen?

Ehrlicher Jago, bei deiner Liebe,
die du zu mir hegst, sprich!

JAGO
Ich weiß nicht...
Hier waren alle eben noch gute Freunde
und voller Fröhlichkeit, doch da auf einmal,
als ob ein böser Planet ihnen den Sinn verwirrt hätte,
zogen sie die Waffen und stürzten sich wütend
aufeinander.
Hätte ich mir lieber die Füße abgehauen,
die mich hierhertrugen!

OTHELLO
Cassio, wie konntest du dich so vergessen?

CASSIO
Gnade... verzeiht...
ich kann nicht sprechen –

OTHELLO
Montano?

MONTANO (von einem Soldaten gestützt)
Ich bin verwundet...

OTHELLO
Verwundet! Beim Himmel,
mein Blut wallt wieder auf! Ah! dieser Zorn
treibt unseren Schutzengel zur Flucht!
(Desdemona erscheint; Othello geht ihr schnell entgegen.)
Wie? Meine süße Desdemona!
Auch sie habt ihr aus ihren Träumen geschreckt?
Cassio, du bist nicht länger Hauptmann!
(Cassio lässt das Schwert fallen, das Jago aufhebt.)

JAGO
(übergibt Cassios Schwert einem Soldaten, für sich)
Welch ein Triumph!

OTHELLO
Jago, geh in die aufgeschreckte Stadt
und stell mit dieser Truppe wieder Frieden her!
(Jago ab)
Helft Montano!
(Montano wird in die Festung gebracht.)
Ein jeder kehre in sein Haus zurück.
(mit gebieterischer Bewegung)

Ich gehe nicht fort von hier,
ehe ich die Mauern leer von Menschen sehe!
(Alle ab. Othello gibt den Fackelträgern, die ihn
begleiteten, ein Zeichen, in die Festung zurückzugehen,
dann bleibt er mit Desdemona allein zurück.)


In der Dunkelheit der Nacht
verliert sich nun aller Lärm,
und mein aufgebrachtes Herz
besänftigt sich in dieser Umarmung
und findet wieder Frieden.
Nun tobe der Krieg, gehe die Welt zugrunde!
Wenn nach dem unermesslichen Zorn
diese unermessliche Liebe folgt!

DESDEMONA
Mein stolzer Krieger! Wie viele Qualen,
wie viele traurige Seufzer und wie viele Hoffnungen
haben uns zu diesen zarten Umarmungen geführt!
O wie süß ist dieses traute Zwiegespräch!
Erinnerst du dich?
Als du mir von deinem Leben im Exil erzähltest,
von kühnen Abenteuern und deinem schweren Kummer,
da hörte ich dir zu, die Seele berauscht
von all den Schrecken, voll Entzücken das Herz.

OTHELLO
Ich beschrieb das Getöse der Waffen, den Kampf
und den kühnen Vorstoß in die tödliche Scharte;
den Angriff; die Hände, wie grässliches Gewächs gekrallt
in das Mauerwerk zwischen sausenden Pfeilen!

DESDEMONA
Dann führtest du mich in schimmernde Wüsten,
zum brennenden Sand, zu deiner Heimaterde,
beschriebst mir die qualvolle Marter
und die Ketten und die Pein der Sklaverei.

OTHELLO
Bei der Erzählung veredelten Tränen
dein schönes Antlitz und Seufzer deinen Mund;
es senkte sich in meine Finsternis ein Glanz,
des Paradieses und der Sterne Segen!

DESDEMONA
Und ich sah zwischen deinen schwarzen Schläfen
erglänzen deines Wesens ätherische Schönheit!

OTHELLO
Und du liebtest mich um meines Unglücks willen,
und ich liebte dich für dein Mitleid!

DESDEMONA
Und ich liebte dich um deines Unglücks willen,
und du liebtest mich für mein Mitleid!

OTHELLO
Und du liebtest mich...

DESDEMONA
Und du liebtest mich...

OTHELLO
... und ich liebte dich...
... für dein Mitleid!

DESDEMONA
... für mein Mitleid.

OTHELLO
Nun lass mich sterben, und im Entzücken
dieser Umarmung finde mich die Todesstunde!
(Der Himmel hat sich aufgeheitert, die Sterne treten
hervor, und der Horizont wird vom blassen Licht des
aufgehenden Mondes blau erhellt.)
So groß ist die Freude in meiner Seele, dass
ich fürchte, er werde mir nie wieder vergönnt,
dieser göttliche Augenblick,
in der dunklen Zukunft meines Schicksals.

DESDEMONA
Der Himmel zerstreue diese Sorgen,
und die Liebe bleibe ungewandelt vom
Wandel der Zeit!

OTHELLO
Zu diesem deinem Gebet
sei „Amen“ die Antwort der himmlischen Heerscharen!

DESDEMONA
„Amen“ die Antwort!

OTHELLO
(lehnt sich auf eine Erhöhung der Festungsmauer)
Ah, die Freude überläuft mich so heftig,
dass es mir den Atem benimmt!
Einen Kuss!

DESDEMONA
Othello!

OTHELLO
Einen Kuss!
Und noch einen Kuss!
(erhebt sich und betrachtet den Himmel)
Die leuchtenden Plejaden versinken schon im Meer!

DESDEMONA
Spät ist die Nacht.

OTHELLO
Komm ... Venus erstrahlt!

DESDEMONA
Othello!
(Sie gehen Arm in Arm auf die Festung zu.)

libretto by Gerd Uekermann 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt

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