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“Otello” by Giuseppe Verdi libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |
Ein Saal in der Festung, zu ebener Erde, durch eine Fensterwand mit einer Terrasse von einem großen Garten getrennt. JAGO (diesseits der Terrasse, zu dem auf der anderen Seite stehenden Cassio) Quäl dich nicht! Wenn du mir folgst, kehrst du bald zurück in die Umarmungen der Monna Bianca, als stolzer Hauptmann mit goldenem Degengriff und geputztem Wehrgehänge! CASSIO Schmeichle mir nicht. JAGO Hör, was ich dir sage! Du musst wissen, dass Desdemona die Herrin unseres Herren ist, er lebt nur für sie. Bitte sie um Beistand, sie ist großherzig und wird für dich sprechen, und die Verzeihung ist dir sicher. CASSIO Aber wie kann ich mit ihr sprechen? |
JAGO Gewöhnlich geht sie mittags dort im Schatten jener Bäume mit meiner Frau spazieren. Dort erwarte sie. Der Weg zu deiner Rettung steht dir offen, geh! (Cassio entfernt sich, Jago sieht ihm nach.) Geh! Dein Ende seh ich schon! Dich treibt dein Dämon, und dein Dämon bin ich! Und mich reißt der meine fort, an den ich glaube als unerbittlichen Gott! (verlässt die Terrasse, ohne weiter auf Cassio zu achten, der zwischen den Bäumen verschwindet) Ich glaube an einen grausamen Gott, der mich nach seinem Bilde erschuf, und den ich im Zorn nenne! Aus der Niedrigkeit eines Keims oder Atoms bin ich in Niedrigkeit geboren! Ich bin ein Bösewicht, weil ich ein Mensch bin, und fühle den Schlamm meines Ursprungs in mir! Ja! Das ist mein Glaube! Ich glaube mit festem Herzen, so wie die Witwe im Tempel, dass ich das Böse, das ich denke, das von mir ausgeht, als mein Schicksal erfülle! Ich glaube, dass der Gerechte ein höhnischer Komödiant ist, im Antlitz wie im Herzen, dass alles an ihm Lüge ist: Tränen, Küsse, freundliche Blicke, Opfermut und Ehre! Und ich glaube, dass der Mensch das Spielzeug eines bösen Schicksals ist, vom Keim in seiner Wiege bis zum Wurm in seinem Grab. Auf all diesen Spott folgt der Tod. Und dann? Und dann? Der Tod ist das Nichts! Das Jenseits ist ein altes Märchen! (Im Garten sieht man Desdemona und Emilia vorbeigehen. Jago eilt zu der Terrasse, auf deren, anderer Seite Cassio steht.) (zu Cassio) Da ist sie! Cassio, nun auf! Das ist der Augenblick! |
Beweg dich! Desdemona kommt! (Cassio geht auf Desdemona zu, begrüßt sie und nähert sich ihr.) Er beginnt! Er begrüßt sie und tritt näher! Nun muss Othello hierherkommen! Hilf, Satan, hilf meinem Plan! Schon sprechen sie miteinander! Und sie neigt lächelnd das schöne Antlitz! (Man sieht Cassio und Desdemona im Garten vorübergehen.) Mir genügt ein einziger Strahl dieses Lächeln, um Otello ins Verderben zu ziehen! Nun fort! (will davoneilen, bleibt aber plötzlich stehen) Doch der Zufall ist mir günstig! Da ist er! Auf meinen Posten, ans Werk! (Er bleibt unbeweglich bei der Terasse und blickt in den Garten, wo Cassio und Desdemona stehen. Othello tritt auf; Jago stellt sich, als ob er ihn nicht bemerke und zu sich selber spräche.) Das betrübt mich! OTHELLO (nähert sich Jago) Was sagst du? JAGO Nichts ... Ihr hier? Ein leeres Wort kam mir über die Lippen. OTHELLO Der da eben von meiner Frau weggeht, ist das Cassio? (Beide treten von der Terrasse.) JAGO Cassio? Nein... der dort erschrak wie schuldbewusst, als er Euch sah. OTHELLO Ich glaube, es war Cassio. JAGO Herr... OTHELLO Was ist? JAGO Hat Cassio, zu Beginn Eurer Liebe, Desdemona nicht gekannt? |
OTHELLO Ja. Warum fragst du danach? JAGO Mein Gedanke ist unbestimmt und ohne Bosheit. OTHELLO Sag deinen Gedanken, Jago. JAGO Vertrautet Ihr Euch Cassio an? OTHELLO Oft brachte er ein Geschenk oder einen Brief zu meiner Braut. JAGO Wahrhaftig? OTHELLO Ja, wahrhaftig. Hältst du ihn nicht für ehrlich? JAGO (Othello nachahmend) Ehrlich? OTHELLO Was verbirgst du im Herzen? JAGO Was verberg ich im Herzen, Herr? OTHELLO „Was verberg ich im Herzen, Herr?“ Beim Himmel, du bist das Echo meiner Worte! In der Kammer deiner Seele birgst du ein grässliches Ungeheuer. Ja, wohl hab ich gehört, was du eben sprachst! „Das betrübt mich!“ Aber was hat dich betrübt? Du nennst Cassio und ziehst die Stirn in Falten! So sprich, wenn du mich liebst! JAGO Ihr wisst, dass ich Euch liebe. OTHELLO Darum ohne Vorwand erkläre dich, und ohne Umschweife. Sprich frei heraus |
den schlimmsten Gedanken mit den schlimmsten Worten. JAGO Und wenn Ihr auch mein Herz in Eurer Hand hieltet, Ihr solltet ihn nicht wissen. OTHELLO Ha! JAGO (Kommt Othello sehr nahe, leise) Hütet Euch, gnädiger Herr, vor Eifersucht! Sie ist ein Ungeheuer, trüb, fahl, blind, das mit seinem Gift sich selbst vergiftet, heftiger Schmerz zerfleischt ihm den Busen! OTHELLO O Jammer! Nein! Der leere Verdacht taugt nichts! Vor dem Zweifel steht die Probe, nach dem Zweifel der Beweis, nach dem Beweis – Othello hat die höchsten Gesetze – fort mit Liebe und Eifersucht auf einmal! JAGO (mit dreisterer Miene) Ein solcher Vorsatz bricht das Siegel auf meinen Lippen! Ich spreche noch nicht von Beweisen, doch, großherziger Othello, seid wachsam: Die ehrlichen, edlen Herzen erkennen oft nicht den Betrug, seid wachsam! Prüft Desdemonas Rede, ein Wort kann das Vertrauen bestärken oder den Verdacht bestätigen! STIMMEN AUS DER FERNE Wohin du blickst, erglänzt ein Licht, erglühen Herzen; wo du schreitest, regnet Blütenpracht hernieder! Hier unter Lilien und Rosen, wie zu einem keuschen Altar, kommen Väter, Kinder und Mütter und singen dir Lieder! JAGO (wie oben, leise) Da kommt sie – seid wachsam! |
(Man sieht Desdemona durch die breite Öffnung wieder im Garten erscheinen, umgeben von Frauen der Insel, Kindern, zyprischen und albanischen Matrosen, die ihr Blumen, Blütenzweige und andere Geschenke bringen. Einige begleiten ihren Gesang auf der Guzla, einer kleinen Mandoline, oder auf kleinen Harfen, die sie über die Schulter gehängt tragen.) DIE GRUPPE UM DESDEMONA Wohin du blickst, erglänzt ein Licht, erglühen Herzen; wo du schreitest, regnet Blütenpracht hernieder! Hier unter Lilien und Rosen, wie zu einem keuschen Altar, kommen Väter, Kinder und Mütter und singen dir Lieder! KINDER Wir bringen dir die Lilie, den zarten Stab, den die Hände der Engel zum Himmel trugen, der den glänzenden Mantel und das Gewand der Madonna schmückt und ihren heiligen Schleier. MÄNNER und FRAUEN Während sich das heitere Lied in die Lüfte aufschwingt, erklingt die flinke Mandoline und begleitet den Gesang. MATROSEN (bieten Desdemona Schnüre von Perlen und Korallen) Für dich diese Korallen und Perlen, aus dem Schlund des Meeres gepflückt! Wir wollen Desdemona mit unseren Gaben schmücken wie ein Heiligenbild! KINDER, FRAUEN Während sich das heitere Lied, usw. FRAUEN (Zweige und Blumen streuend) Für dich die Ernte der Blumen, aus unseren Schürzen streuen wir sie auf den Boden, in Blütenschauern streuen wir sie auf den Boden! Der Frühling umglänzt die blonde Braut wie mit schimmerndemTau, der zur Sonne aufstrahlt! |
KINDER, MÄNNER Während sich das heitre Lied, usw. ALLE Wohin du blickst, erglänzt ein Licht, erglühen Herzen; wo du schreitest, regnet Blütenpracht hernieder! Hier unter Lilien und Rosen, wie zu einem keuschen Altar, kommen Väter, Kinder und Mütter und singen dir Lieder! DESDEMONA Der Himmel erglänzt, es tanzt der Zephyr, die Blüten duften... OTHELLO (innig bewegt) Dieser Gesang bezwingt mich! DESDEMONA ... Freude, Liebe und Hoffnung erklingen in meinem Herzen! JAGO (für sich) Schönheit und Liebe in süßer Harmonie!... KINDER, MÄNNER und FRAUEN Lebe glücklich!... OTHELLO Wenn sie mich betrügt... DESDEMONA Freude und Liebe klingen in meinem Herz! OTHELLO ... dann verhöhnt der Himmel sich selbst! JAGO ... Eure zarten Saiten will ich zerbrechen! KINDER, MÄNNER und FRAUEN ... Lebe glücklich! Leb wohl! Hier herrsche die Liebe! OTHELLO Dieser Gesang bezwingt mich! JAGO (gedämpft) Eure zarten Saiten will ich zerbrechen! |
(Desdemona küsst einige der Kinder aufs Haupt; mehrere Frauen küssen den Saum ihres Gewandes. Sie gibt den Matrosen eine Börse, dann entfernt sich die Menge. Desdemona kommt in den Saal, gefolgt von Emilia, und geht auf Othello zu.) DESDEMONA (zu Othello) Für einen Mann, der unter deinem Zorn leidet, möchte ich bei dir bitten. OTHELLO Wer ist es? DESDEMONA Cassio. OTHELLO War er es, der mit dir dort unter den Bäumen sprach? DESDEMONA Er war’s, und sein Kummer, der mich bewegt hat, ist so aufrichtig, dass er der Gnade würdig ist. Ich will für ihn sprechen, dich seinetwegen bitten. Verzeih ihm. OTHELLO Jetzt nicht. DESDEMONA Versag es mir nicht! Verzeih ihm! OTHELLO Jetzt nicht! DESDEMONA Warum dieser herbe Ton in deiner Stimme? Welcher Kummer bedrückt dich? OTHELLO Mir brennen die Schläfen. DESDEMONA (zieht ihr Taschentuch hervor, um damit Othello die Stirn zu verbinden) Das lästige Fieber wird vergehen, wenn ich mit diesem weichen Tuch das Haupt umbinde. |
OTHELLO (wirft das Taschentuch zu Boden) Dessen bedarf ich nicht! DESDEMONA Du bist gereizt, mein Gatte. OTHELLO Lass mich! Lass mich! (Emilia hebt das Taschentuch vom Boden auf.) DESDEMONA Wenn ich mich unwissentlich, gegen dich, mein Gatte, vergangen habe, dann sag mir jetzt ein süßes, freundliches Wort der Vergebung. OTHELLO (für sich) Vielleicht, weil ich die feinen Liebeskünste nicht beherrsche?... DESDEMONA Ich bin deine Gattin, demütig und sanft, doch du stehst und seufzst, die Augen starr zu Boden gesenkt! Schau mir in die Augen und sieh, wie sie von Liebe sprechen! Komm, lass mich dein Herz erheitern... OTHELLO ... Vielleicht, weil sich meine Jahre schon talwärts neigen? Vielleicht, weil mein Gesicht von so düsterer Farbe ist? Und wohl, weil ich die feinen Liebeskünste nicht beherrsche, weil sich meine Jahre schon talwärts neigen, weil mein Gesicht von so düsterer Farbe ist?... JAGO (zu Emilia leise) Gib mir das Tuch, das du aufgehoben hast! EMILIA (zu Jago) Was planst du Arges? Ich lese es in deinem Gesicht! |
JAGO Du widersetzt dich umsonst, wenn ich befehle. EMILIA Dein böser Neid ist mir bekannt. JAGO Törichter Verdacht! EMILIA Ein treuer Hüter ist meine Hand! JAGO Gib mir das Tuch! Gib mir das Tuch! EMILIA Ein treuer Hüter ist meine Hand! JAGO (packt Emilia heftig am Arm) Mir juckt im Zorn die Hand nach dir! EMILIA Ich bin deine Frau, nicht deine Sklavin! JAGO Die niedrige Sklavin Jagos bist du! EMILIA Im Herzen ahne ich kommendes Unheil! JAGO Fürchtest du mich nicht? EMILIA Grausamer Mann! JAGO Her! EMILIA Was willst du? |
JAGO Her mit dem Tuch! EMILIA Grausamer Mann! (Mit einem raschen Griff hat Jago Emilia das Taschentuch entrissen.) DESDEMONA ... lass mich deinen Schmerz lindern! EMILIA Deine böse, feige Hand hat triumphiert! OTHELLO ... Sie ist verloren, ich bin verhöhnt... DESDEMONA Schau mir in die Augen und sieh, sieh, wie sie von Liebe sprechen! OTHELLO ... mein Herz ist gebrochen, und in Schmutz gezogen seh ich meinen goldenen Traum! EMILIA Gott möge uns immer vor Gefahren schützen! JAGO Schon halte ich die Fäden in der Hand, und jetzt kann Jago das Netz spinnen! EMILIA Deine böse, feige Hand hat triumphiert! OTHELLO Sie ist verloren, ich bin verhöhnt... DESDEMONA Schau mir in die Augen und sieh, wie sie von Liebe sprechen! usw. |
OTHELLO ... mein Herz ist gebrochen, usw. EMILIA Gott möge uns immer, usw. JAGO Schon halte ich, usw. DESDEMONA Sag mir ein süßes, freundliches Wort der Vergebung! OTHELLO Geht! Ich will allein sein! JAGO (leise zu der abgehenden Emilia) Du schweigst, verstehst du? (Desdemona und Emilia ab. Jago gibt vor, durch die Tür im Hintergrund abgehen zu wollen, bleibt aber davor stehen.) OTHELLO (sinkt erschöpft auf einen Stuhl) Desdemona falsch!... JAGO (im Hintergrund, betrachtet verstohlen das Taschentuch, dann steckt er es vorsichtig in sein Wams) Mit diesen Fäden web ich den Beweis der sündigen Liebe. In Cassios Wohnung will ich es lassen. OTHELLO ... Abscheulicher Gedanke! JAGO (betrachtet Othello) Mein Gift wirkt schon. OTHELLO ... Falsch gegen mich! Gegen mich! JAGO Quäl dich und wüte! OTHELLO ... Abscheulich! Abscheulich! JAGO (hat sich dicht hinter Othello aufgestellt, treuherzig) Denkt nicht mehr daran. |
OTHELLO (auffahrend) Du! Zurück! Flieh! Du hast mich ans Kreuz geschlagen! Weh mir! Grässlicher als die grässlichste Schmach ist der Verdacht auf Schmach! Von den geheimen Stunden ihrer Wollust (die mir geraubt worden!) bewegte mein Herz denn eine Ahnung? Ich war kühn, heiter – wusste noch von nichts! Ich spürte nicht auf ihrem himmlischen Leib der mich so berauscht, auf ihren lügnerischen Lippen die glühenden Küsse Cassios! Und nun? Und nun – Nun und auf immer, fahrt wohl, heilige Erinnerungen; fahrt wohl, erhabene Flüge des Geistes! Fahrt wohl, glänzende Heere; fahrt wohl, ihr Siege, fliegende Speere und fliegende Rösser! Fahrt wohl, siegreiches und frommes Banner, schmetternde Reveillen im Morgengrauen! Getöse und Gesänge der Schlacht, fahrt wohl: Mit dem Ruhm Othellos ist es vorbei! JAGO Ruhig, gnädiger Herr! OTHELLO Unglücklicher! Bring mir einen sicheren Beweis, dass Desdemona untreu ist! Weich mir nicht aus! Es nützt dir nichts mehr! Ich will einen sicheren, sichtbaren Beweis! Sonst entzünde und entlade sich auf dein Haupt der Blitz des schrecklichen Zorns, der in mir erwacht! (Packt Jago an der Gurgel und wirft ihn zu Boden.) JAGO Gütiger Herrgott, steh mir bei! (erhebt sich) Der Himmel beschütze Euch! Ich bin nicht länger Euer Fähnrich. Die ganze Welt sei mein Zeuge, dass Ehrlichkeit Gefahr bringt! (will abgehen) |
OTHELLO Nein! Bleib! Du bist wohl ehrlich. JAGO (an der Tür, als ob er ginge) Mir erging es besser, wenn ich ein Betrüger wäre! OTHELLO Bei allen Göttern! Ich glaube, Desdemona ist treu – und glaube, dass sie es nicht ist! Du, glaube ich, bist ehrlich – und glaube, du bist treulos! Den Beweis will ich! Ich will Gewissheit! JAGO (zu Othello zurückkehrend) Herr, bändigt die Erregung! Und welche Gewissheit braucht ihr? Vielleicht beide umschlungen sehen? OTHELLO Ha, Tod und Verdammnis! JAGO Das wär ein schwieriges Unternehmen! Und was für Gewissheit erhofft Ihr Euch, wenn das schmutzige Vergehen selbst immer Eurem Blick verborgen bleibt? Wenn aber Klugheit den Weg zur Wahrheit führt, nenn ich Euch eine triftige Vermutung, die Euch schnell Gewissheit bringen wird. Hört! (ganz nahe bei Othello) Es war Nacht, Cassio schlief, ich stand neben ihm. Mit abgebrochenen Worten verriet er seine süße Bezauberung. Die Lippen langsam, langsam bewegend, gab er sich einem glühenden Traum hin, dann sprach er mit leiser Stimme: „Süße Desdemona! Unsere Liebe sei heimlich! Seien wir wachsam! Die Seligkeit des Himmels überläuft mich!“ Er hing dem süßen Alpweier nach, in sorgenvoller Wonne schien er seiner Sinne Wahnbild zu küssen – Darauf sprach er: „Dem bösen Schicksal fluch ich, |
das dich dem Mohren gab!“ Dann wich der Traum dem blinden Schlaf. OTHELLO O ungeheure Schuld! JAGO Ich erzählte nur einen Traum. OTHELLO Einen Traum, der eine Tatsache enthüllt! JAGO Einen Traum, der vielleicht Beweiskraft gibt für ein anderes Indiz. OTHELLO Welches? JAGO Saht Ihr manchmal in den Händen Desdemonas ein Tuch, bestickt mit Blumen und zarter als ein Schleier? OTHELLO Das ist das Taschentuch, das ich ihr gab, das erste Liebespfand. JAGO Dieses Taschentuch, gestern – dessen bin ich sicher – sah ich es in den Händen Cassios. OTHELLO Ha! Hätte Gott ihm tausend Leben gegeben! Das eine ist zu arm für meine Wut! Jago, mein Herz ist kalt wie Eis! Fort mit der Larve des Mitgefühls! All meine eitle Liebe blas ich in die Luft! Schau mich an: Hin ist sie! In ihren Schlangenarmen hält mich die Hydra umfangen! Ha, Blut, Blut, Blut! (kniet nieder) Ja, ich schwör beim marmornen Himmel! Bei den gewundenen Blitzen! Beim Tod und beim dunklen, verschlingenden Meer! Wut und furchtbarer Ingrimm beflügle den Donnerschlag |
(hebt die Hände zum Himmel) der Hand, die ich jetzt ausstrecke! (Will sich erheben; Jago drückt ihn wieder auf die Knie.) JAGO (kniet ebenfalls nieder) Erhebt Euch noch nicht! Zeuge sei die Sonne, die ich sehe, die mir strahlt und belebt die weite Erde und das große Weltall der ganzen Schöpfung, dass ich Othello glühend weihe mein Herz, meinen Arm und meine Seele, selbst wenn zu einer blutigen Tat seine Wille sich stählt! OTHELLO, JAGO (die Hände zum Schwur erhebend) Ja, ich schwör beim marmornen Himmel! Bei den gewundenen Blitzen, usw. Gott der Rache! |
libretto by Gerd Uekermann |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt |