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Parsifal” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
ERSTER AUFZUG

Im Gebiet des Grals

Wald, schattig und ernst, doch nicht düster

Felsiger Boden. Eine Lichtung in der Mitte. Links aufsteigend wird der Weg zur Gralsburg angenommen. Der Mitte des Hintergrundes zu senkt sich der Boden zu einem tiefer gelegenen Waldsee hinab.

Tagesanbruch. - Gurnemanz (rüstig greisenhaft) und zwei Knappen (von zartem Jünglingsalter) sind schlafend unter einem Baume gelagert - Von der linken Seite, wie von der Gralsburg her, ertönt der feierliche Morgenweckruf der Posaunen.


GURNEMANZ
(erwachend und die Knaben rüttelnd)

He! Ho! Waldhüter ihr,
Schlafhüter mitsammen,
so wacht doch mindest am Morgen!

(Die beiden Knappen springen auf)

Hört ihr den Ruf? Nun danket Gott,
dass ihr berufen, ihn zu hören!

(Er senkt sich mit den Knappen auf die Knie
und verrichtet mit ihnen gemeinschaftlich stumm
das Morgengebet. Sie erheben sich langsam.)


Jetzt auf, ihr Knaben! Seht nach dem Bad.
Zeit ist's, des Königs dort zu harren.

(Er blickt nach links in die Szene.)

Dem Siechbett, das ihn trägt, voraus
seh' ich die Boten schon uns nah'n!

(Zwei Ritter treten, von der Burg her, auf)

Heil euch! Wie geht's Amfortas heut'?
Wohl früh verlangt' er nach dem Bade:
das Heilkraut, das Gawan
mit List und Klugheit ihm gewann,
ich wähne, dass das Lind'rung schuf?

DER ZWEITER RITTER

Das wähnest du, der doch alles weiss?
Ihm kehrten sehrender nur
die Schmerzen bald zurück: -
schlaflos von starkem Bresten,
befahl er eifrig uns das Bad.

GURNEMANZ
(das Haupt traurig senkend)

Toren wir, auf Lind'rung da zu hoffen,
wo einzig Heilung lindert!
Nach allen Kräutern, allen Tränken forscht
und jagt weit durch die Welt:
ihm hilft nur Eines -
nur der Eine.

ZWEITER RITTER
So nenn' uns den!

GURNEMANZ
(ausweichend)

Sorgt für das Bad!

(Die beiden Knappen haben sich dem Hintergrunde zugewendet und blicken nach rechts.)

ZWEITER KNAPPE

Seht dort die wilde Reiterin!

ERSTER KNAPPE

Hei!
Wie fliegen der Teufelsmähre die Mähnen!

ZWEITER RITTER

Ha! Kundry dort.

ERSTER RITTER

Die bringt wohl wicht'ge Kunde?

 
ZWEITER KNAPPE

Die Mähre taumelt.

ERSTER KNAPPE

Flog sie durch die Luft?

ZWEITER KNAPPE
Jetzt kriecht sie am Boden hin.

ERSTER KNAPPE

Mit den Mähnen fegt sie das Moos.

(Alle blicken lebhaft nach der rechten Seite.)

ZWEITER RITTER

Da schwingt sich die Wilde herab!

(Kundry stürzt hastig, fast taumelnd herein. Wilde Kleidung, hoch geschürzt; Gürtel von Schlangenhäuten lang herabhängend; schwarzes, in losen Zöpfen flatterndes Haar; tief braunrötliche Gesichtsfarbe; stechende schwarze Augen, zuweilen wild aufblitzend, öfters wie todesstarr und unbeweglich. - Sie eilt auf Gurnemanz zu und dringt ihm ein kleines Kristallgefass auf)

KUNDRY

Hier! Nimm du! - Balsam...

GURNEMANZ

Woher brachtest du dies?

KUNDRY

Von weiter her als du denken kannst.
Hilft der Balsam nicht,
Arabia birgt
dann nichts mehr zu seinem Heil. -
Fragt nicht weiter! Ich bin müde.

(Sie wirft sich an den Boden.)

(Ein Zug von Knappen und Rittern, die Sänfte tragend und geleitend, in welcher Amfortas ausgestreckt liegt, gelangt, von links her, auf die Bühne. - Gurnemanz hat sich, von Kundry ab, sogleich den Ankommenden zugewendet.)

GURNEMANZ
(während der Zug auf die Bühne gelangt)

Er naht: sie bringen ihn getragen. -
O weh'! Wie trag' ich's im Gemüte,
in seiner Mannheit stolzer Blüte
des siegreichsten Geschlechtes Herrn
als seines Siechtums Knecht zu sehn! -
(zu den Knappen)

Behutsam! Hört, der König stöhnt.

(Die Knappen halten an und stellen das Siechbett nieder)
AMFORTAS
(erhebt sich ein wenig)
Recht so! - Habt Dank! - Ein wenig Rast.
Nach wilder Schmerzensnacht
nun Waldes Morgenpracht!
Im heil'gen See
wohl labt mich auch die Welle:
es staunt das Weh', -
die Schmerzensnacht wird helle. -
Gawan!

ZWEITER RITTER

Herr! Gawan weilte nicht;
Da seines Heilkrauts Kraft,
wie schwer er's auch errungen,
doch deine Hoffnung trog,
hat er auf neue Suche sich fortgeschwungen.

AMFORTAS

Ohn' Urlaub? - Möge das er sühnen,
dass schlecht er Gralsgebote hält!
O wehe ihm, dem trotzig Kühnen,
wenn er in Klingsors Schlingen fällt! -
So breche keiner mir den Frieden!
Ich harre des, der mir beschieden: -
"Durch Mitleid wissend" -
war's nicht so?

GURNEMANZ

Uns sagtest du es so. -

AMFORTAS

"der reine Tor". -
mich dünkt ihn zu erkennen:
dürft' ich den Tod ihn nennen! -

GURNEMANZ
(indem er Amfortas das Fläschchen
Kundrys überreicht)


Doch zuvor versuch' es noch mit diesem!

AMFORTAS
(es betrachtend)

Woher dies heimliche Gefäss?

GURNEMANZ
Dir ward es aus Arabia hergeführt.

AMFORTAS

Und wer gewann es?

GURNEMANZ
Dort liegt's, das wilde Weib. -
Auf, Kundry, komm!

(Sie weigert sich und bleibt am Boden.)

AMFORTAS

Du, Kundry?
Muss ich dir nochmals danken,
du rastlos scheue Magd?
Wohlan!
Den Balsam nun versuch' ich noch:
es sei aus Dank für deine Treue. -

KUNDRY
(unruhig und heftig am Boden
sich bewegend)


Nicht Dank! - Ha, ha! Was wird es helfen? -
Nicht Dank! Fort, fort! - Ins Bad!

(Amfortas gibt das Zeichen zum Aufbruch; der Zug entfernt sich nach dem tieferen Hintergrunde zu. - Gurnemanz, schwermütig nachblickend, und Kundry, fortwährend auf dem Boden gelagert, sind zurückgeblieben. - Knappen gehen ab und zu.)

DRITTER KNAPPE
(junger Mann)

He! Du da!
Was liegst du dort wie ein wildes Tier?

KUNDRY

Sind die Tiere hier nicht heilig?

DRITTER KNAPPE

Ja; doch ob heilig du,
das wissen wir grad' noch nicht.

VIERTER KNAPPE
(ebenfalls junger Mann)

Mit ihrem Zaubersaft, wähn' ich,
wird sie den Meister vollends verderben.

GURNEMANZ

Hm! - Schuf sie euch Schaden je?
Wann Alles ratlos steht,
wie kämpfenden Brüdern in fernste Länder
Kunde sei zu entsenden,
und kaum ihr nur wisst, wohin? -
Wer, ehe ihr euch nur besinnt,
stürmt und fliegt da hin und zurück,
der Botschaft pflegend mit Treu' und Glück?
Ihr nährt sie nicht, - sie naht euch nie,
nichts hat sie mit euch gemein;
doch, wann's in Gefahr der Hilfe gilt,
der Eifer führt sie schier durch die Luft,
die nie euch dann zum Danke ruft.
Ich wähne, ist dies Schaden,
so tät' er euch gut geraten.

DRITTER KNAPPE

Doch hasst sie uns. -
Sieh' nur, wie hämisch dort nach uns sie blickt!

VIERTER KNAPPE

Eine Heidin ist's, ein Zauberweib.

GURNEMANZ

Ja, eine Verwünschte mag sie sein.
Hier lebt sie heut' -
vielleicht erneut,
zu büssen Schuld aus früh'rem Leben,
die dorten ihr noch nicht vergeben.
Übt sie nun Buss' in solchen Taten,
die uns Ritterschaft zum Heil geraten,
gut tut sie dann und recht sicherlich,
dienet uns - und hilft auch sich.

DRITTER KNAPPE

So ist's wohl auch jen' ihre Schuld,
die uns so manche Not gebracht?

GURNEMANZ
(sich besinnend)
Ja, wann oft lange sie uns ferne blieb,
dann brach ein Unglück wohl herein.
Und lang' schon kenn' ich sie; -
doch Titurel kennt sie noch länger.
Der fand, als er die Burg dort baute,
sie schlafend hier im Waldgestrüpp', -
erstarrt, leblos, wie tot.
So fand ich selbst sie letztlich wieder,
als uns das Unheil kaum geschehn,
das jener Böse über den Bergen
so schmählich über uns gebracht.
(zu Kundry)

He! Du! - Hör' mich und sag':
wo schweiftest damals du umher,
als unser Herr den Speer verlor? -

(Kundry schweigt düster.)

Warum halfst du uns damals nicht?

KUNDRY
Ich helfe nie.
VIERTER KNAPPE

Sie sagt's da selbst.

DRITTER KNAPPE

Ist sie so treu, so kühn in Wehr,
so sende sie nach dem verlor'nen Speer!

GURNEMANZ
(düster)

Das ist ein And'res; -
jedem ist's verwehrt. -

(mit grosser Ergriffenheit)

Oh, wunden-wundervoller
heiliger Speer!
Ich sah dich schwingen
von unheiligster Hand! -

(in Erinnerung sich verlierend)

Mit ihm bewehrt, Amfortas, allzukühner,
wer mochte dir es wehren,
den Zaub'rer zu beheeren? -
Schon nah' dem Schloss, - wird uns der Held entrückt: -
ein furchtbar schönes Weib hat ihn entzückt:
in seinen Armen liegt er trunken,
der Speer ist ihm entsunken; -
ein Todesschrei! - Ich stürm herbei: -
von dannen Klingsor lachend schwand,
den heil'gen Speer hat er entwandt.
Des Königs Flucht gab kämpfend ich Geleite;
doch - eine Wunde brannt' ihm in der Seite:
die Wunde ist's, die nie sich schliessen will.

(Der erste und zweite Knappe kommen vom See her - zurück.)

DRITTER KNAPPE
(zu Gurnemanz)

So kanntest du Klingsor?

GURNEMANZ
(zu den zurückkommenden beiden
Knappen)

Wie geht's dem König?

ERSTER KNAPPE
Ihn frischt' das Bad.

ZWEITER KNAPPE

Dem Balsam wich das Weh.

GURNEMANZ
(nach einem Schweigen für sich)
Die Wunde ist's, die nie sich schliessen will! -

DRITTER KNAPPE

Doch, Väterchen, sag' und lehr' uns fein:
du kanntest Klingsor, - wie mag das sein?

(Der dritte und der vierte Knappe hatten sich zuletzt schon zu Gurnemanz' Füssen niedergesetzt; die beiden anderen gesellen sich jetzt gleicherweise zu ihnen unter dem grossen Baum.)

GURNEMANZ

Titurel, der fromme Held,
der kannt' ihn wohl.
Denn ihm, da wilder Feinde List und Macht
des reinen Glaubens Reich bedrohten,
ihm neigten sich in heilig ernster Nacht
dereinst des Heilands sel'ge Boten:
daraus der trank beim letzten Liebesmahle,
das Weihgefäss, die heilig edle Schale,
darein am Kreuz sein göttlich Blut auch floss,
dazu den Lanzenspeer, der dies vergoss -
der Zeugengüter höchstes Wundergut,
das gaben sie in unsres Königs Hut.
Dem Heiltum baute er das Heiligtum.
Die seinem Dienst ihr zugesindet
auf Pfaden, die kein Sünder findet,
ihr wisst, dass nur dem Reinen
vergönnt ist, sich zu einen
den Brüdern, die zu höchsten Rettungswerken
des Grales Wunderkräfte stärken.
Drum blieb es dem, nach dem ihr fragt, verwehrt,
Klingsor'n, wie hart ihn Müh' auch drob beschwert.
Jenseits im Tale war er eingesiedelt;
darüber hin liegt üpp'ges Heidenland:
unkund blieb mir, was dorten er gesündigt;
doch wollt' er büssen nun, ja heilig werden;
ohnmächtig, in sich selbst die Sünde zu ertöten,
an sich legt' er die Frevlerhand,
die nun, dem Grale zugewandt,
verachtungsvoll des' Hüter von sich stiess.
Darob die Wut nun Klingsorn unterwies,
wie seines schmähl'chen Opfers Tat
ihm gäbe zu bösem Zauber Rat;
den fand er nun.
Die Wüste schuf er sich zum Wonnegarten,
drin wachsen teuflisch holde Frauen;
dort will des Grales Ritter er erwarten
zu böser Lust und Höllengrauen:
wen er verlockt, hat er erworben;
schon viele hat er uns verdorben. -
Da Titurel, in hohen Alters Mühen,
dem Sohn die Herrschaft hier verliehen,
Amfortas liess es da nicht ruhn,
der Zauberplag' Einhalt zu tun.
Das wisst ihr, wie es da sich fand:
der Speer ist nun in Klingsors Hand;
kann er selbst Heilige mit dem verwunden,
den Gral auch wähnt er fest schon uns entwunden.

(Kundry hat sich, in wütender Unruhe, oft heftig um gewendet)
VIERTER KNAPPE

Vor allem nun: der Speer kehr' uns zurück!

DRITTER KNAPPE

Ha, wer ihn brächt', ihm wär's zu Ruhm und Glück!

GURNEMANZ
(nach einem Schweigen)
Vor dem verwaisten Heiligtum
in brünst'gem Beten lag Amfortas,
ein Rettungszeichen bang erflehend:
ein sel'ger Schimmer da entfloss dem Grale;
ein heilig' Traumgesicht
nun deutlich zu ihm spricht
durch hell erschauter Wortezeichen Mahle:
"durch Mitleid wissend,
der reine Tor,
harre sein',
den ich erkor".

DIE VIER KNAPPEN
(wiederholen, in grosser Ergriffenheit,
den Spruch)


"durch Mitleid wissend,
der reine Tor".
(Vom See her vernimmt man Geschrei und das Rufen der Ritter und Knappen.)

RITTER UND KNAPPEN
Weh'! - Weh'! Hoho!
Auf! Wer ist der Frevler?

(Gurnemanz und die vier Knappen fahren auf und wenden sich erschrocken um. - Ein wilder Schwan flattert matten Fluges vom See daher; er ist verwundet, die Knappen und Ritter folgen ihm nach auf die Szene. Der Schwan sinkt, nach mühsamem Fluge, inatt zu Boden; der zweite Ritter zieht ihm den Pfeil aus der Brust. - Währenddem)

GURNEMANZ

Was gibt's?

VIERTER KNAPPE

Dort!

DRITTER KNAPPE

Hier!

ZWEITER KNAPPE

Ein Schwan!

VIERTER KNAPPE

Ein Wilder Schwan!

DRITTER KNAPPE
Er ist verwundet!

ALLE RITTER UND KNAPPEN

Ha! Wehe! Wehe!

GURNEMANZ

Wer schoss den Schwan?

DER ERSTE RITTER
(hervorkommend)

Der König grüsste ihn als gutes Zeichen,
als überm See kreiste der Schwan,
da flog ein Pfeil...

KNAPPEN UND RITTER
(Parsifal hereinführend,
auf Parsifals Bogen weisend)


Der war's! Der schoss! Dies der Bogen!
Hier der Pfeil, den seinen gleich.

GURNEMANZ
(zu Parsifal)
Bist du's, der diesen Schwan erlegte?

PARSIFAL

Gewiss! Im Fluge treff' ich, was fliegt!

GURNEMANZ

Du tatest das? Und bangt' es dich nicht vor der Tat?

DIE KNAPPEN UND RITTER

Strafe dem Frevler!

GURNEMANZ

Unerhörtes Werk!
Du konntest morden, - hier im heil'gen Walde,
des' Stiller Friede dich umfing?
Des Haines Tiere nahten dir nicht zahm, -
Grüssten dich freundlich und fromm?
Aus den Zweigen, was sangen die Vöglein dir?
Was tat dir der treue Schwan?
Sein Weibchen zu suchen, flog er auf,
mit ihm zu kreisen über dem See,
den so er herrlich weihte zum Bad. -
Dem stauntest du nicht? Dich lockt' es nur
zu wild kindischem Bogengeschoss?
Er war uns hold: was ist er nun dir?
Hier, schau her! - hier trafst du ihn:
da starrt noch das Blut, - matt hängen die Fluegel;
das Schneegefieder dunkel befleckt, -
gebrochen das Aug', - siehst du den Blick?
(Parsifal hat Gurnemanz mit wachsender
Ergriffenheit zugehört; jetzt zerbricht
er seinen Bogen und schleudert
die Pfeile von sich.)


Wirst deiner Sündentat du inne?

(Parsifal führt die Hand über die Augen.)

Sag', Knab', erkennst du deine grosse Schuld?
Wie konntest du sie begehn?

PARSIFAL
Ich wusste sie nicht.

GURNEMANZ

Wo bist du her?

PARSIFAL

Das weiss ich nicht.

GURNEMANZ

Wer ist sein Vater?

PARSIFAL

Das weiss ich nicht.

GURNEMANZ

Wer sandte dich dieses Weges?

PARSIFAL

Das weiss ich nicht.

GURNEMANZ

Dein Name denn?

PARSIFAL

Ich hatte viele,
doch weiss ich ihrer keinen mehr.

GURNEMANZ

Das weisst du alles nicht?

(Für sich)

So dumm wie den
erfand bisher ich Kundry nur. -

(Zu den Knappen, deren sich
immer mehr versammelt haben)


Jetzt geht!
Versäumt den König im Bade nicht! - Helft!

(Die Knappen heben den toten Schwan ehrerbietig auf eine Bahre von frischen Zweigen und entfernen sich mit ihm nach dem See zu. - Schliesslich blieben Gurnemanz, Parsifal und - abseits - Kundry allein zurück.
GURNEMANZ
(wendet sich wieder zu Parsifal)

Nun sag': nichts weisst du, was ich dich frage
jetzt melde, was du weisst;
denn etwas musst du doch wissen.

PARSIFAL
Ich hab' eine Mutter; Herzeleide sie heisst.
Im Wald und auf wilder Aue waren wir heim.

GURNEMANZ

Wer gab dir den Bogen?

PARSIFAL

Den schuf ich mir selbst,
vom Forst die wilden Adler zu verscheuchen.

GURNEMANZ

Doch adelig scheinst du selbst und hochgeboren,
warum nicht liess deine Mutter
bessere Waffen dich lehren?

KUNDRY
(welche während der Erzählung des
Gurnemanzvon Amfortas' Schicksal oft in
wütender Unruhe heftig sich undgewendet
hatte, nun aber, immer in der Waldecke
gelagert, den Blick scharf auf Parsifal
gerichtet hat, ruft jetzt, da Parsifal
schweigt, mit rauher Stimme daher)


Den Vaterlosen gebar die Muter,
als im Kampf erschlagen Gamuret;
vor gleichem frühen Heldentod
den Sohn zu wahren, waffenfremd
in Öden erzog sie zum Toren - die Törin!

(Sie lahct)

PARSIFAL
(der mit jäher Aufmerksamkeit zugehört hat)

Ja! Und einst am Waldessaume vorbei,
auf schönen Tieren sitzend,
kamen glänzende Männer;
ihnen wollt' ich gleichen:
sie lachten und jagten davon.
Nun lief ich nach, doch konnte ich sie nicht erreichen;
durch Wildnisse kam ich, bergauf, talab;
oft ward es Nacht; dann wieder Tag:
mein Bogen musste mir frommen
gegen Wild und grosse Männer. -
(Kundry hat sich erhoben und ist zu den Männern getreten.)

KUNDRY
(eifrig)

Ja! Schächer und Riesen traf seine Kraft;
den freislichen Knaben fürchten sie alle.

PARSIFAL
(verwundert)

Wer fürchtet mich? Sag'!

KUNDRY

Die Bösen!

PARSIFAL

Die mich bedrohten, waren sie bös?

(Gurnemanz lacht.)

Wer ist gut?

GURNEMANZ
(wieder ernst)

Deinse Mutter, der du entlaufen,
und die um dich sich nun härmt und grämt.

KUNDRY
Zu End ihr' Gram: seine Mutter ist tot.

PARSIFAL
(in furchtbaren Schreken)

Tot? - Meine - Mutter? Wer sagt's?

KUNDRY

Ich ritt vorbei und sah sie sterben:
dich Toren hiess sie mich grüssen.

(Parsifal springt wütend auf Kundry zu und fasst sie bei der Kehle.)

GURNEMANZ
(hält ihn zurück)

Verrücketer Kanbe! Wieder Gewalt?

(Nachdem Gurnemanz Kundry befreit,
steht Parsifal lange wie erstarrt,
dann gerät er in ein
heftiges Zittern)


Was tat dir das Weib? Es sagte wahr;
denn nie lügt Kundry, doch sah sie viel.

PARSIFAL

Ich verschmachte! -
(Kundry ist sogleich, als sie Parsifals Zustand gewahrt, nach einem Waldquell geeilt, bringt jetzt Wasser in einem Horne, besprengt damit zunächst Parsifal und reicht ihm dann zu trinken)

GURNEMANZ

So recht! So nach des Grales Gnade:
das Böse bannt, wer's mit Gutem vergilt.

KUNDRY
(traurig sich abwendend)

Nie tu' ich gutes: - nur Ruhe will ich,

(Während Gurnemanz sich väterlich
um Parsifal bemüht, schleppt sich Kundry,
von beiden unbeachtet,
einem Waldebüsche zu)


nur Ruhe, ach, der Müden!
Schalfen! - Oh, dass mich keiner wecke!

(Scheu auffahrend)

Nein! Nicht schlafen! - Grausen fasst mich!
(Sie verfällt in hefteiges Zittern;
dann lässt sie die Arme matt sinken,
neigt das Haupt tief
und schwankt matt weiter.)


Machtlose Wehr! Die Zeit ist da.

(Vom See her gewahrt man Bewegung
und gewahrt dem im Hintergrunde
sich heimwärts wendenden Zug
der Ritter und Kappen mit der Sänfte)

Schlafen - Schlafen - ich muss. -
(Sie sinkt hinter dem Gebüsch zusammen,
und bleibt von jetzt an unbemerkt.)


GURNEMANZ
Vom Bade kehrt der König heim;
hoch steht die Sonne;
nun lass zum frommen Mahle mich dich geleiten;
denn bist du rein,
wird nun der Gral dich tränken und speisen.

(Er hat Parsifals Arm sich sanft um
den Nacken gelegt und hält dessen Leib
mit seinem eigenen Arme umschlangen;
so geleitet er ihn bei
sehr allmählichem Schreiten)


PARSIFAL

Wer ist der Gral?

GURNEMANZ

Das sagt mich nicht;
doch, bist du selbst zu ihm erkoren,
bleibt dir die Kunde unverloren.
Und sieh'!
Mich dünkt, dass ich dich recht erkannt:
kein Weg führt zu ihm durch das Land,
und niemand könnte ihn beschreiten,
den er nicht selber möcht' geleiten.

PARSIFAL

Ich schreite kaum, -
doch wähn' ich mich schon weit.

GURNEMANZ

Du siehst, mein Sohn,
zum Raum wird hier die Zeit.

(Allmählich, während Gurnemanz und Parsifal zu schreiten scheinen, verwandelt sich die Bühne, von links nach rechts hin, in unmerklicher Weise: es verschwindet so der Wald; in Felsenwänden öffnet sich ein Tor, welches nun die beiden einschliesst; dann wieder werden sie in aufsteigende Gänge sichtbar, welche sie zu durchreiten scheinen. - Lang gehaltene Posaunentöne schwellen sanft an: näher kommendes Glockengeläute. - Endlich sind sie in einem mächtigen Saale angekommen, welcher nach oben in eine hochgewölbte Kuppel, durch die einzig das Licht hereindringt, sich verliert. - Von der Höhe über der Kuppel her vernimmt man wachsendes Geläute)

GURNEMANZ
(sich zu Parsifal wendend,
der wie verzaubet steht)


Nun achte wohl, und lass mich sehn:
bist du ein Tor und rein,
welch Wissen dir auch mag beschieden sein.
(Auf beiden Seiten des Hintergrundes wird je eine grosse Tür geöffnet. Von rechts schreiten die Ritter des Grales in feierlichem Zuge herein und reiken sich, unter dem folgenden Gesange, nach und nach an zwei überdeckten langen Speisetafeln, welche so gestellt sind, dass sie, von hinten nach vorn parallel laufend, die Mitte des Saales frei lassen: nur Becher, keine Gerichte stehen darauf)

DIE GRALSRITTER
Zum letzten Liebesmahle
gerüstet Tag für Tag,

(Ein Zug von Knappen durchschreitet
schnelleren Schrittes
die Szene nach hinten zu.)


gleich ob zun letzten Male
es heut uns letzten mag, -

(Ein zweiter Zug von Knappen
durchschreiten den Saal.)


wer guter Tat sich freut,
ihm wird des Mahl erneut:
der Labung darf er nahn,
die herhste Gab empfahn.

(Die versammelten Ritter stellen sich an den Speisetafeln auf.)

STIMMEN DER JÜNGLINGE
(aus der mittleren Höhe
der Kuppel vernehmbar)


Den sündigen Welten,
mit tausend Schmerzen,
wie einst sein Blut geflossen,
dem Erlösungshelden
sei nun mit freudigem Herzen
mein Blut vergossen:
der Leib, den er zur Sühn' uns bot,
er leb' in uns durch seinen Tod.

(Durch die entgegengesetzte Türe wird von Knappen und dienenden Brüdern auf einer Sänfte Amfortas hereingetragen: vor ihm schreiten vier Knaben, welche einen mit einer purpurroten Decke überhängten Schrein tragen. Dieser Zug begibt sich nach der Mitte des Hintergrundes, wo, von einem Baldachin überdeckt, ein erhöhles Ruhebett aufgerichtet steht, auf welches Amfortas von der Sänfte herab niedergelassen wird; hiervor steht ein altarähnlicher länglicher Marmortisch, auf welchen die Knaben den verhängten Schrein hinstellen.)

KNABENSTIMMEN
(aus der aeussersten Hoehe der Kuppel)

Der Glaube lebt;
die Taube schwebt,
des Heilands holder Bote.
Der für euch fliesst,
des Weines geniesst
und nehmt vom Lebensbrote!

(Als der Gesang beendet ist und alle Ritter an den Taflen ihre Sitze eingenommen haben, tritt ein längeres Stillschweigen ein. - Vom tiefsten Hintergrunde her vernimmt man, aus einer gewölbten Nische hinter dem Ruhebette des Amfortas, wie aus einem Grabe heraufdringend, die Stimme des alten Titurel)

TITUREL

Mein Sohn Amfortas, bist du am Amt?
(Langes Schweigen)

Soll ich den Gral heut noch erschaun und leben?

(Langes Schweigen)

Musss ich sterben, vom Retter ungeleitet?

AMFORTAS
(im Ausbruche qualvoller Verzweiflung
sich halb aufrichtend)


Wehe! Wehe mir der Qual!
Mein Vater, oh! noch einmal
verrichte du das Amt!
Lebe, leb' und lass mich sterben!

TITUREL

Im Grabe leb'ich durch des Heilands Huld:
zu schwach doch bin ich, ihm zu dienen.
Du büss' im Dienste deine Schuld!
Enthüllet den Gral!

AMFORTAS
(gegen die Knaben sich erhebend)

Nein! Lass ihn unhenthüllt! Oh!
Dass keiner, keiner diese Qual ermisst,
die mir der Anblick weckt, der euch entzückt!
Was ist die Wunde, ihrer schmerzen Wut,
gegen die Not, die Höllenpein,
zu diesem Amt - verdammt zu sein!
Wehvolles Erbe, dem ich verfallen,
ich, einz'ger Sünder unter allen,
des höchtsten Heiligtums zu pflegen,
auf Reine herabzuflehen seinem Segen!
Oh, Strafe! Strafe ohnegleichen
des, ach! gekränkten Gnadenreichen!
Nach ihm, nach seinem Weihegrusse,
muss sehnlich mich's verlangen;
aus tiefster Seele Heilesbusse
zu ihm muss ich gelangen.
Die Stunde naht: -
ein Lichtstral senkt sich auf das heilige Werk;
die Hülle fällt.

(Vor sich hinstarrend)
Des Weihgefässes göttlicher Gehalt
erglüht mit leuchtender Gewalt;
durchzückt von seligsten Genusses Schmerz,
des heiligsten Blutes Quell
fühl' ich sie giessen in mein Herz;
des eignen sündigen Blutes Gewell'
in wahnsinniger Flucht
muss mir zurück dann fliessen,
in die Welt der Sündensucht
mit wilder Scheu sich ergiessen;
von neuem springt es das Tor,
daraus es nun strömt hervor,
hier durch die Wunde, der seinem gleich,
geschlagen von desselben Speeres Streich,
der dort dem Erlöser die Wunde stach,
aus der mit blut'gen Tränen
der Göttliche weint' ob der Menschheit Schmach,
in Mitleids heiligem Sehnen -
und aus der nun mir, an heiligster Stelle,
dem Pfleger göttlischer Güter,
des Erlösungsbalsams Hüter,
das heisse Sündenblut entquillt,
ewig erneut ausd des Sehnens Quelle,
das, ach! keine Büssung je mir stillt!
Erbarmen! Erbarmen!
Du Allerbarmer! Ach, Erbarmen!
Nimm mir mein Erbe,
schliesse die Wunde,
dass heilig ich sterbe,
rein Dir gesunde!

(Er sinkt wie bewusstlos zurück.)

KNABEN UND JÜNGLINGE
(aus der mittleren Höhe)

"Durch Mitleid wissend,
der reine Tor:
harre sein,
den ich erkor!"
DIE RITTER
(leise)

So ward es dir verhiessen:
harre getrost;
des Amtes walte heut!

TITURELS STIMME
Enthüllet den Gral!

(Amfortas erhebt sich langsam und mühevoll. Die Knaben entkleiden den goldnen Schreine, entnehmen ihm den "Gral" [eine antike Kristallschale], von wlecher sie ebenfalls eine Verhüllung abnehmen, und setzten ihn vor Amfortas hin.)

STIMMEN
(aus der Höhe)

"Nehmet hin meinen Leib,
nehmet hin mein Blut,
um unser Liebe willen!"

(Während Amfortas andachtsvoll in stummem Gebete sich zu dem Kelche neigt, verbreit sich eine immer dichtere Dämmerung im Saale)

KNABEN
(aus der Höhe; Eintritt
der vollsten Dunkelheit)


"Nehmet hin mein Blut,
nehmet hin meinen Leib,
auf dass ihr mein' gedenkt!".

(Ein blendender Lichtstral dringt von oben auf die Schale herab; diese erglüht immer stärker in leuchtender Purpurfarbe, alles sanft bestrahlend. Amfortas, mit verklärter Miene, erhebt den "Gral" hoch und schwenkt ihn sanft nach alles Seiten, worauf er dann Brot und Wein segnet. Alles ist bereits bei dem Eintritte der Dämmerung auf Knie gesunken und erhebt jetzt die Blicke andächtig zum "Gral")

TITURELS STIMME

Oh, heilige Wonne!
Wie hell grüsst uns heute der Herr!

(Amfortas setzt den "Gral" wieder nieder, welcher nun, während die teife Dämmerung wieder entweicht, immer mehr erblasst: hierauf schliessen die Knaben das Gefäss wieder in den Schrein und bedecken diesen wie zuvor. - Mit dem Wiedereintritte der vorigen Tageshelle nehmen die vier Knaben, nachdem sie den Schrein verschlossen, die zwei Weinkrüge, sowie die zwei Brotkörbe, welche Amfortas zuvor durch das Schwenken des Gralskelches über sie gesegnet hatte, von dem Altartische, verteilen das Brot an die Ritter und füllen die vor ihnen stehenden Becher mit Wein. Die Ritter lassen sich zum Mahle nieder, so auch Gurnemanz, welcher einen Platz neben sich leer hält und Parsifal durch ein Zeichen zur Teilnehmung am Mahle einlädt: Parsifal bleibt aber starr und stumm, wie gänzlich entrückt, zur Seite stehen)

(Wechselgesang während des Mahles)

KNABENSTIMMEN
(aus der Höhe)

Wein und Brot des letzten Mahles
wandelt' einst der Herr des Grales
durch des Mitleids Liebesmacht
in das Blut, das er vergoss,
in den Leib, den dar er bracht'.

JÜNGLINGSSTIMMEN
(aus der mittlerem Höhe der Kuppel)
Blut und Leib der heil'gen Gabe
wandelt heut zu eurer Labe
sel'ger Tröstung Liebesgeist
in den Wein, der euch nun floss,
in das Brot, das heut ihr speist.

DIE RITTER
(erste Hälfte)

Nehmet vom Briot,
wandelt es kühn
zu Leibes Kraft und Stärke;
treu bis zum Tod;
fest jedem Mühn,
zu wirken des Heilands Werke!
(zweite Hälfte)

Nehmet vom Wein,
wandelt ihn neu
zu Lebens-feurigem Blute,

(Beide Hälften)

froh im Verein,
brudergetreu
zu kämpfen mit seligem Mute!

(Die Ritter haben sich erhoben und schreiten von beiden Seiten auf sich zu, um während des Folgenden sich zu umarmen)

ALLE RITTER

Selig im Galuben!
Selig in Liebe!

JÜNGLINGE
(aus mittlerer Höhe der Kuppel)

Selig im Liebe!

KNABEN
(aus voller Höhe der Kuppel)

Selig im Glauben!

(Während des Mahles, an welchem er nicht teilnahm, ist Amfortas aus seiner begeisterungsvollen Erhebung allmählich wieder herabgesunken: er neigt das Haupt und hält die Hand auf die Wunde. Die Knaben nähern sich ihm; ihre Bewegungen deuten auf das erneuerte Bluten der Wunde: sie pflegen Amfortas, geleiten ihn wieder auf die Sänfte, und, während alle sich zum Aufbruch rüsten, tragen sie, in der Ordnung wie sie kamen, Amfortas und den heiligen Schrein wieder von dannen. Die Ritter ordnen sich ebenfalls wieder zum feierlichen Zuge und verlassen langsam den Saal, aus welchem die vorherige Tageshelle allmählich weicht. Knappen ziehen wieder schnelleren Schrittes durch die Halle. Die Glocken haben wieder geläutet.

Parsifal hatte bei dem vorangegangenen stärksten Klagerufe des Amfortas eine heftige Bewegung nach dem Herzen gemacht, welches er krampfhaft eine Zeitlang gefasst hielt; jetzt steht er noch wie erstarrt, regungslos da. - Als die letzten Ritter und Knappen den Saal verlassen un die Türen wieder geschlossen sind, tritt Gurnemanz missmutig an Parsifal heran und rüttelt ihn am Arme)

GURNEMANZ

Was stehst du noch da?
Weisst du, was du sahst?

(Parsifal fasst sich krampfhaft nach dem Herzen und schüttelt dann ein wenig sein Haupt)

GURNEMANZ
(sehr ärgerlich)
Du bist doch eben nur ein Tor!

(Er öffnet eine schmale Seitentüre)

Dort hinaus, deine Wege zu!
Doch rät dir Gurnemanz:
lass du hier künftig die Schwäne in Ruh',
und suche dir, Gänser, die Gans!
(Er stoesst Parisfal hinaus und schlägt,
ärgerlich, hinter ihm die Türe stark zu)


EINE STIMME
(aus der Höhe)

"Durch Mitleid wissend,
der reine Tor!".

STIMMEN
(aus der Höhe verhallend)

Selig im Glauben!

(Während Gurnemanz den Ritten folgt, schliesst sich der Bühnenvorhang)

libretto by Richard Wagner 
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug

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