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“Roméo et Juliette” by Charles Gounod libretto (German)
Contents: Besetzung; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt; Fünfter Akt |
Der Garten von Julia (Ein Garten. – Zur Linken der Pavillon, in dem Julia wohnt. – Im ersten Stock ein Zimmer mit Balkon. – Im Hintergrund eine Mauer, gegen andere Gärten abgrenzend.) Nr. 6 Zwischenaktmusik und Chor (Stephano, an die Mauer im Hintergrund gestützt, hilft Romeo mittels einer Strickleiter über die Mauer. Dann zieht er sich zurück, die Leiter mit sich nehmend) ROMEO (allein) Oh Nacht! umhülle mich mit deinen dunklen Flügeln! MERCUTIO (seine Stimme von draußen) Romeo! Romeo! ROMEO Das ist Mercutios Stimme! Eilfertig die Wunden bespötteln, die selbst man nie empfangen! CHOR (Mercutio, Benvolio und ihre Freunde) Seltsam und merkwürdig, Romeo hört uns nicht! Der Liebe Freud und Sorgen lieben das Dunkel der Nacht! (Die Stimmen entfernen sich.) |
Nr. 7 Cavatina ROMEO Die Liebe, die Liebe! Ja, ihre Glut hat mich ganz verwandelt! (Das Fenster Julias wird erleuchtet.) Doch welch’ ein Licht scheint plötzlich aus diesem Fenster? Dort leuchtet ihre Schönheit in der Nacht! Ah! erhebe dich, Sonne! Lass’ die Sterne verblassen die am Arm des Himmels glänzend leuchten! Ah! erhebe dich! Ah! erhebe dich! leuchtend heller Stern! Sie träumt, sie löst ein Band aus ihren Haaren, durch die ihre Hände zärtlich gleiten. Liebe! Liebe! trag’ ihr meine Stimme zu! Sie spricht! Wie schön sie ist! Ah! ich habe nichts vernommen! Doch ihre Augen sprechen für sie, und mein Herz hat längst geantwortet! Ah, erhebe dich, Sonne, lass’ die Sterne verblassen, usw. ... Komm, erscheine! |
Nr. 8 Szene und Chöre (Das Fenster öffnet sich. Julia erscheint auf dem Balkon und lehnt sich schwermütig an.) JULIA Weh mir! Ihn hassen! Blinder echter Haß! Oh Romeo, warum trägst du diesen Namen? Wirf ihn hinweg, da er uns trennt, oder ich schwöre meinem eigenen Namen ab. ROMEO (sich nähernd) Ist es wahr! Hast du es gesagt? Nimm fort den Zweifel von meinem glücklichen Herzen! JULIA Wer lauscht mir und entdeckt mein Geheimnis unterm Schutz der Nacht? ROMEO Ich wag’ es nicht, mich dir zu erkennen! JULIA Bist du nicht Romeo? ROMEO Nein! ich will es nicht länger sein, wenn der verhaßte Name uns trennt! Dich zu lieben, lass’ mich nur geboren sein mit einem neuen Ich! |
JULIA Ah! – Du weißt, daß die Nacht verschleiert meine Wangen! Du weißt es! Können deine Augen ihre Röte sehen, sie zeigt klar dir an die Reinheit meines Herzens! Adieu, falsche Scheu ... Liebst du mich? Ich warte, was du sagst, sag’ keine leeren Schwüre! Schwör’ nicht beim wandelbaren Mond, daß wechselnd, so wie er, auch deine Liebe sei! Geliebter Romeo! sag’ offen mir: ich liebe dich! Und ich will dir glauben! Ich will mich anvertrauen dir als meinem Herrn! Schilt nicht mein Herz, dessen Geheimnis du kennst, daß es leichtfertig sei und nicht zu schweigen wußte ... Nur der Nacht hab’ ich mein Geheimnis verraten, und sie selbst ward Verräterin. ROMEO (feurig) Vor Gott, der mich hört, nimm mein Wort! JULIA Hör! Es kommen Leute!... Still!... Geh’ fort! (Gregorio und die Diener tragen Fackeln in der Hand.) GREGORIO, DIE DIENER Niemand! Niemand! Der Bursche verschwand! ... Seinen Schlichen muß der Teufel nachgeholfen haben! Seinen Schlichen muß, usw. Der Schurke, der Verräter wartete auf seinen Herrn! Das neidige Schicksal hielt unseren Streich auf; Und morgen vielleicht verlacht er uns! und morgen vielleicht, usw. Der Schurke! Der Verräter! usw. Niemand! Niemand! Der Bursche verschwand! usw. |
GERTRUDE (tritt auf die Szene) Wovon sprecht Ihr nur? GREGORIO Von einem Pagen der Montagues! ... Zusammen mit seinem Herrn wagte er, unsere Schwelle zu betreten und den edlen Capulet so zu beleidigen! GERTRUDE Ihr treibt wohl Scherz? GREGORIO Nein! bei meinem Leben! Ein Montague hat es gewagt, mit seinen Freunden zu unserem Fest zu kommen! GERTRUDE Ein Montague? ... GREGORIO Ein Montague. CHOR (tückisch) Hat eure Schönheit den Verräter angelockt? GERTRUDE Mag er nur wiederkommen! Bei meinem Haupt, ich werde ihn zähmen, werd’ ihm das Wiederkommen gründlich verleiden! |
GREGORIO Das will ich glauben! CHOR (lachend) Ihr seid dafür ja längst bekannt! Gute Nacht, schönste Amme, nehmt hin, Verehrte, unsern Gruß! Der Himmel mag euch segnen und die Montagues verdammen! (Gregorio und die Diener entfernen sich.) GERTRUDE Segnen will ich jenen Stock, der strafend diese Buben trifft! JULIA (erscheint auf der Schwelle des Pavillons) Bist du es, Gertrude? GERTRUDE Ja, schönster Engel. Es ist schon spät; wie, du schläfst noch nicht? JULIA Ich hab’ auf dich gewartet! GERTRUDE Laß uns heimgehen. JULIA Ärgere dich nicht. (Sie wirft einen Blick um sich und kehrt dann in den Pavillon zurück, gefolgt von Gertrude. Romeo erscheint wieder.) |
Nr. 9 Duett ROMEO O himmlische Nacht! ich fleh’ dich an! Laß meinem Herzen diesen himmlischen Traum! Ich fürchte zu erwachen und glaub’ nicht, daß es wahr ist! JULIA (wieder in der Tür erscheinend, mit halblauter Stimme) Romeo! ROMEO (dreht sich um) Süße Freundin! JULIA (ihn aufhaltend, immer noch auf der Türschwelle) Nur eine Frage ... und dann Adieu! Ich sende morgen einen Boten! (feierlich) Bei deiner Seele, wenn du mich zur Frau willst sag mir den Tag, die Stunde, den Ort, da unser Bund unter Gottes Augen gesegnet wird. Dann, oh mein Herr, sei mein Gesetz! Dir widme ich mein ganzes Leben, entsage allem, nur dir selber nicht! Aber! ... Doch will deine Liebe nichts als ein tolles Abenteuer ... Ah! ich beschwöre dich, dann verlasse mich in dieser trunkenen Stunde, und überlasse mich dem Schmerz, der meine Tage wird erfüllen! |
ROMEO (vor Julia auf den Knien) Ach! ich hab’ es dir gesagt, ich bete dich an! Verscheuche meine Nacht! Sei Licht des Morgens mir, wohin mein Herz, wohin die Augen wandern! Sei Königin meines Lebens, erfülle meine dürstende Seele mit allem Licht des Himmels! GERTRUDE (draußen) Julia! JULIA Man ruft mich! ROMEO (sich erhebend und ihre Hand ergreifend) Ah! Jetzt schon! JULIA Geh! Ich habe Angst, daß man uns hier zusammen sieht! GERTRUDE (gesprochen) Julia! |
JULIA Ich komme ... ROMEO Hör mir zu! JULIA Leiser! ROMEO (Julia an sich ziehend, so daß sie auf der Bühne jetzt zu erkennen ist.) ... Nein, nein, man ruft dich nicht! JULIA Leiser! leiser! Sprich leiser! ROMEO Ach! flieh nicht mehr! Laß deine Hand in meiner! JULIA Ach! man kann uns hier überraschen! Laß bitte meine Hand frei! Leb wohl! ROMEO Leb wohl! JULIA Leb wohl! ROMEO, JULIA Leb wohl! So süß ist Trennungsschmerz, daß ich dir sagen wollt „leb wohl“, bis Morgen wär! So süß ist Trennungsschmerz, usw. JULIA Doch nun bitte ich dich, geh! ROMEO Ah! Grausame! JULIA Warum rief ich dich zurück? Oh, Wahnsinn! Denn kaum bist du mir nah, schon vergißt mein Herz alles! Ich wünschte, du seiest fort! |
Nicht zu weit fort, wie ein gefangener Vogel, den die Hand eines Kindes an einem Seidenfaden hält, und kaum will er zum Himmel aufsteigen, da zieht das Kind ihn voll Freude zu sich; eifersüchtig geliebt, darf er nicht frei sein. ROMEO Ach! Gehe noch nicht! JULIA Wehe! Es muß sein! ROMEO Nein! Gehe noch nicht! JULIA Wehe! Es muß sein! Leb wohl! ROMEO Leb wohl! ROMEO, JULIA Leb wohl! Süß ist der Trennungsschmerz, daß ich dir sagen wollt’ „leb wohl“, bis Morgen wär’. JULIA Leb wohl tausend Mal! (Sie befreit sich aus seinen Armen und läuft zurück ins Haus.) ROMEO (allein) Geh! Ruhe in Frieden! Träume! Daß das Lächeln eines Kindes sich süß auf deinen Mund lege! Flüsternd noch einmal! Ich liebe dich! Deinem Ohr bringe der Nachtwind diesen Kuß! (Entfernt sich.) |
Contents: Besetzung; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt; Vierter Akt; Fünfter Akt |