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Siegfried” by Richard Wagner libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug
Erster Aufzug

Vorspiel und Erste Scene

(Der Vorhang geht auf.)
(Felsenhöhle im Wald; drin ein natürlicher
Schmiede herd mit einem grossen Blasebalg. Am
Amboß davor sitzt Mime, eifrig an einem Schwerte
hämmerd.)


Mime (einhaltend)
Zwangvolle Plage! Müh’ ohne Zweck!
Das beste Schwert, das je ich geschweißt,
in der Riesen Fäusten hielte es fest:
doch dem ich’s geschmiedet, der schmähliche Knabe,
er knickt und schmeißt es entzwei,
als schüf’ ich Kindergeschmeid!
(Mime wirft das Schwert unmuthig auf den
Amboß, stemmt die Arme ein, und blickt sinnend zu
Boden.)

Es giebt ein Schwert, das er nicht zerschwänge:
Nothungs Trümmer zertrotzt’ er mir nicht,
könnt’ ich die starken Stücken schweißen,
die meine Kunst nicht zu kitten weiß!
Könnt’ ich’s dem Kühnen schmieden,
meiner Schmach erlangt’ ich da Lohn!
(Er sinkt tiefer zurück, das Haupt nachdenklich neigend.)
Fafner, der wilde Wurm,
lagert im finst’ren Wald;

mit des furchtbaren Leibes Wucht
der Niblungen Hort hütet er dort.
Siegfrieds kindischer Kraft
erläge wohl Fafners Leib:
des Niblungen Ring erränge ich mir.
Ein Schwert nur taugt zu der That;
nur Nothung nützt meinem Neid,
wenn Siegfried sehrend ihn schwingt:
und ich kann’s nicht schweißen,
Nothung, das Schwert!
(Er hat das Schwert wieder zurecht gelegt, und
hämmert in höchstem Unmuth daran weiter.)

Zwangvolle Plage! Müh’ ohne Zweck!
Das beste Schwert, das je ich geschweißt,
nie taugt es je zu der einzigen That!
Ich tapp’re und hämm’re nur,
weil der Knabe es heischt
er knickt und schmeißt es entzwei,
und schmählt doch, schmied’ ich ihm nicht!
(Er läßt den Hammer fallen.)
(Siegfried in wilder Waldkleidung, mit einem sil-
bernen Horn an einer Kette, kommt mit jähem
Ungestüm aus dem Walde herein; er hat einen
großen Bären mit einen Bastseile gezäumt, und treibt
diesen mit lustigem Übermuthe gegen Mime an.)


Siegfried (noch außen)Hoiho!
(auftretend) Hoiho! Hau’ ein! hau’ ein!
Friß’ ihn! friß’ ihn! den Fratzenschmied!
(Mime’n entsinkt vor Schreck das Schwert; er
flüchtet hinter den Herd: Siegfried treibt ihm den
Bären überall nach.)

(lachend) Hahaha hahaha
hahaha hahaha hahaha ha!

Mime Fort mit dem Thier! Was taugt mir der Bär?

Siegfried Zu zwei komm’ ich, dich besser zu zwicken:
Brauner, frag’ nach dem Schwert!

Mime He! laß’ das Wild! Dort liegt die Waffe:
fertig fegt ich sie heut’.

Siegfried So fährst du heute noch heil!
(Er löst dem Bären den Zaum, und giebt ihm
damit einen Schlag auf den Rücken.)

Lauf’, Brauner! Dich brauch’ ich nicht mehr!
(Der Bär läuft in den Wald zurück; Mime kommt
zitternd hinter dem Herde hervor.)


Mime Wohl leid’ ich’s gern, erleg’st du Bären:
was bringst du lebend die braunen heim?
(Siegfried setzt sich um sich vom Lachen zu erholen.)

Siegfried Nach beß’rem Gesellen sucht’ ich,
als daheim mir einer sitzt;
im tiefen Walde mein Horn
ließ ich hallend da ertönen:
ob sich froh mir gesellte ein guter Freund?
Das frug ich mit dem Getön’!
Aus dem Busche kam ein Bär,
der hörte mir brummend zu;
er gefiel mir besser als du,
doch beß’re fänd’ ich wohl noch!
Mit dem zähen Baste zäumt ich ihn da,
dich, Schelm, nach dem Schwerte zu fragen.
(Er springt auf und geht auf den Amboß zu.)
(Mime nimmt das Schwert auf, um es Siegfried zu
reichen.)


Mime Ich schuf die Waffe scharf,
ihrer Schneide wirst du dich freu’n.
(Er hält das Schwert ängstlich in der Hand fest, das
Siegfried ihm heftig entwindet.)

Siegfried Was frommt seine helle Schneide,
ist der Stahl nicht hart und fest?
(das Schwert prüfend)
Hei! was ist das für müß’ger Tand!
Den schwachen Stift nennst du ein Schwert?
(Er zerschlägt es auf dem Amboß, daß die Stücken
ringsum fliegen; Mime weicht erschrocken aus.)

Da hast du die Stücken, schändlicher Stümper:
hätt’ ich am Schädel dir sie zerschlagen!
Soll mich der Prahler länger noch prellen?
Schwatzt mir von Riesen und rüstigen Kämpfen,
von kühnen Thaten und tüchtiger Wehr;
will Waffen mir schmieden,
Schwerte schaffen;
rühmt seine Kunst, als könnt’ er ’was recht’s:
nehm’ ich zur Hand nun was er gehämmert;
mit einem Griff zergreif’ ich den Quark!
Wär’ mir nicht schier zu schäbig der Wicht,
ich zerschmiedet’ ihn selbst
mit seinem Geschmeid,
den alten albernen Alp!
Des Ärgers dann hätt’ ich ein End’!
(Siegfried wirft sich wüthend auf eine Steinbank.
Mime ist ihm immer vorsichtig aus gewichen.)


Mime Nun tob’st du wieder wie toll:
dein Undank, trau’n, ist arg.
Mach’ ich dem bösen Buben
nicht alles gleich zu best,
was ich ihm Gutes schuf,
vergißt er gar zu schnell!
Willst du denn nie gedenken,
was ich dich lehrt’ vom Danke?
Dem sollst du willig gehorchen,
der je sich wohl dir erwies.
(Siegfried wendet sich unmuthig um, mit dem Gesicht
nach der Wand, so daß er Mime den Rücken kehrt.)

Das willst du wieder nicht hören!
(Mime steht verlegen, dann geht er in die Küche am Herd.)
Doch speisen magst du wohl!
Vom Spieße bring’ ich den Braten:
versuchtest du gern den Sud?
Für dich sott ich ihn gar.
(Er reicht Siegfried Speise hin; dieser, ohne sich
umzuwenden schmeißt ihm Topf und Braten aus der Hand.)


Siegfried Braten briet ich mir selbst:
deinen Sudel sauf’ allein!

Mime (mit kläglich kreischender Stimme)
Das ist nun der Liebe schlimmer Lohn!
Das der Sorgen schmählicher Sold!
Als zullendes Kind zog ich dich auf,
wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm:
Speise und Trank trug ich dir zu,
hütete dich wie die eig’ne Haut.
Und wie du erwuchsest, wartet’ ich dein;
dein Lager schuf ich, daß leicht du schlief’st.
Dir schmiedet’ ich Tand und ein tönend Horn;
dich zu erfreu’n, müht’ ich mich froh:
mit klugem Rathe rieth ich dir klug,
mit lichtem Wissen lehrt’ ich dich Witz.
Sitz’ ich daheim in Fleiß und Schweiß,
nach Herzenslust schweifst du umher:
für dich nur in Plage, in Pein nur für dich
verzehr’ ich mich alter, armer Zwerg!

(schluchzend)
Und aller Lasten ist das nun mein Lohn,
daß der hastige Knabe mich quält
und haßt!
(Siegfried hat sich wieder umgewendet und ruhig
in Mimes Blick geforscht. Mime begegnet Siegfrieds
Blick und sucht den seinigen scheu zu bergen.)


Siegfried Vieles lehrtest du, Mime,
und manches lernt’ ich von dir;
doch was du am liebsten mich lehrtest,
zu lernen gelang mir nie:
wie ich dich leiden könnt’.
Trägst du mir Trank und Speise herbei,
der Ekel speis’t mich allein;
schaff’st du ein leichtes Lager zum Schlaf,
der Schlummer wird mir da schwer;
willst du mich weisen witzig zu sein,
gern bleib’ ich taub und dumm.
Seh’ ich dir erst mit den Augen zu,
zu übel erkenn’ ich, was alles du thu’st:
seh’ ich dich steh’n, gangeln und geh’n,
knicken und nicken,
mit den Augen zwicken:
beim Genick’ möcht’ ich den Nicker packen,
den Garaus geben dem garst’gen Zwicker!
So lernt’ ich, Mime, dich leiden.
Bist du nun weise, so hilf mir wissen,
worüber umsonst ich sann:
in den Wald lauf’ ich, dich zu verlassen,
wie kommt das, kehr’ ich zurück?
Alle Thiere sind mir theurer als du:
Baum und Vogel, die Fische im Bach,
lieber mag ich sie leiden als dich:
wie kommt das nun, kehr’ ich zurück?
Bist du klug, so thu’ mir’s kund.

Mime (sucht sich ihm traulich zu nähern)
Mein Kind, das lehrt dich kennen wie lieb ich
am Herzen dir lieg’.

Siegfried Ich kann dich ja nicht leiden,
vergiß das nicht so leicht!
(Mime fährt zurück, und setzt sich wieder abseits,
Siegfried gegenüber.)


Mime Dess’ ist deine Wildheit schuld,
die du böser bänd’gen sollst.
Jammernd verlangen Junge
nach ihrer Alten Nest;
Liebe ist das Verlangen:
so lechzest du auch nach mir,
so lieb’st du auch deinen Mime,
so mußt du ihn lieben!
Was dem Vögelein ist der Vogel,
wenn er im Nest es nährt,
eh’ das flügge mag fliegen:
das ist dir kind’schem Sproß
der kundig sorgende Mime,
das muß er dir sein!

Siegfried Ei, Mime, bist du so witzig,
so laß’ mich eines noch wissen!
(einfach)
Es sangen die Vöglein so selig im Lenz,
(zart) das eine lockte das and’re:
du sagtest selbst da ich’s wissen wollt’,
das wären Männchen und Weibchen.
Sie kosten so lieblich, und ließen sich nicht;
sie bauten ein Nest, und brüteten d’rin:
da flatterte junges Geflügel auf,
und beide pflegten der Brut.
So ruhten im Busch auch Rehe gepaart,
selbst wilde Füchse und Wölfe:
Nahrung brachte zum Neste das Männchen,
das Weibchen säugte die Welpen.
Da lernt’ ich wohl was Liebe sei:
der Mutter entwandt’ ich die Welpen nie.
Wo hast du nun, Mime,
dein minniges Weibchen,
daß ich es Mutter nenne?

Mime (ärgerlich)
Was ist dir Thor? Ach, bist du dumm!
Bist doch weder Vogel noch Fuchs?

Siegfried Das zullende Kind
zogest du auf,
wärmtest mit Kleiden den kleinen Wurm:
wie kam dir aber der kindische Wurm?
Du machtest wohl gar ohne Mutter mich!

Mime (in großer Verlegenheit)
Glauben sollst du, was ich dir sage:
ich bin dir Vater und Mutter zugleich.

Siegfried Das lügst du, garstiger Gauch!
Wie die Jungen den Alten gleichen,
das hab’ ich mir glücklich erseh’n.
Nun kam ich zum klaren Bach:
da erspäht’ ich die Bäum’ und Thier’ im Spiegel;
Sonn’ und Wolken, wie sie nur sind,
im Glitzer erschienen sie gleich.
Da sah ich denn auch mein eigen Bild;
ganz anders als du dünkt’ ich mir da:
so glich wohl der Kröte ein glänzender Fisch;
doch kroch nie ein Fisch aus der Kröte!

Mime (höchst ärgerlich)
Gräulichen Unsinn kram’st du da aus!

Siegfried (immer lebendiger)
Siehst du, nun fällt auch selbst mir ein,
was zuvor umsonst ich besann:
wenn zum Wald ich laufe, dich zu verlassen,
wie das kommt, kehr’ ich doch heim?
(Er springt auf.)
Von dir erst muß ich erfahren,
wer Vater und Mutter mir sei!

Mime Was Vater! Was Mutter!
Müßige Frage!
(Siegfried springt auf Mime, und fasst ihn bei der
Kehle.)


Siegfried So muß ich dich fassen,
um ’was zu wissen:

gutwillig erfahr’ ich doch nichts!
So mußt’ ich Alles ab dir trotzen:
kaum das Reden hätt’ ich errathen,
entwand ich’s mit Gewalt nicht dem Schuft!
Heraus damit, räudiger Kerl!
Wer ist mir Vater und Mutter?

Mime (nachdem er mit dem Kopfe genickt und mit
den Händen gewinkt, ist von Siegfried
losgelassen worden)

An’s Leben geh’st du mir schier!
Nun laß’! Was zu wissen dich geizt,
erfahr’ es, ganz wie ich’s weiß.
O undankbares, arges Kind!
jetzt hör’, wofür du mich hassest!
Nicht bin ich Vater noch Vetter dir,
und den noch verdank’st du mir dich!
Ganz fremd bist du mir, dem einzigen Freund;
aus Erbarmen allein barg ich dich hier:
nun hab’ ich lieblichen Lohn!
Was verhofft’ ich Thor mir auch Dank?
Einst lag wimmernd ein Weib
da draußen im wilden Wald:
zur Höhle half ich ihr her,
am warmen Herd sie zu hüten.
Ein Kind trug sie im Schooße;
traurig gebar sie’s hier;
sie wand sich hin und her,
ich half so gut ich konnt’:
groß war die Noth!
Sie starb: doch Siegfried, der genas.
Siegfried So starb meine Mutter an mir?

Mime Meinem Schutz übergab sie dich:
(Siegfried steht sinnend.)
ich schenkt’ ihn gern dem Kind.
Was hat sich Mime gemüht!
was gab sich der gute für Noth!
Als zullendes Kind zog ich dich auf...

Siegfried Mich dünkt, dess’ gedachtest du schon!
Jetzt sag’: woher, heiß’ ich Siegfried?

Mime So hieß mich die Mutter,
möcht’ ich dich heißen;
als “Siegfried” würdest du stark und schön.
Ich wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm...

Siegfried Nun melde,
wie hieß meine Mutter?
Mime Das weiß ich wahrlich kaum!
Speise und Trank trug ich dir zu...

Siegfried (belebt)
Den Namen sollst du mir nennen!

Mime Entfiel er mir wohl? Doch halt!
Sieglinde mochte sie heißen,
die dich in Sorge mir gab.
Ich hütete dich wie die eig’ne Haut...

Siegfried (immer dringender)
Dann frag’ ich, wie hieß mein Vater?

Mime (barsch) Den hab’ ich nie geseh’n.

Siegfried Doch die Mutter nannte den Namen?

Mime Erschlagen sei er, das sagte sie nur;
dich Vaterlosen befahl sie mir da:
und wie du erwuchsest, wartet’ ich dein’;
dein Lager schuf ich, daß leicht du schlief’st...


Siegfried Still mit dem alten Staarenlied!
Soll ich der Kunde glauben,
hast du mir nichts gelogen,
so laß’ mich Zeichen seh’n!

Mime Was soll dir’s noch bezeugen?

Siegfried Dir glaub’ ich nicht mit dem Ohr,
dir glaub’ ich nur mit dem Aug’:
welch’ Zeichen zeugt für dich?
(Mime holt nach einigem Besinnen die zwei
Stücken eines zerschlagenen Schwerts herbei.)


Mime Das gab mir deine Mutter:
für Mühe, Kost und Pflege
ließ sie’s als schwachen Lohn.
Sieh’ her, ein zerbroch’nes Schwert!
Dein Vater, sagte sie, führt’ es,
als im letzten Kampf er erlag.

Siegfried (begeistert)
Und diese Stücken sollst du mir schmieden:
dann schwing’ ich mein rechtes Schwert!
Auf! Eile dich, Mime! Mühe dich rasch,
Kannst du ’was recht’s, nun zeig’ deine Kunst!
Täusche mich nicht mit schlechtem Tand:
den Trümmern allein trau’ ich ’was zu!
Find’ ich dich faul, füg’st du sie schlecht,
flick’st du mit Flausen den festen Stahl,
dir Feigem fahr’ ich zu Leib’,
das Fegen lernst du von mir!
Denn heute noch,
schwör’ ich, will ich das Schwert;
die Waffe gewinn’ ich noch heut’!

Mime (erschrocken)
Was willst du noch heut’ mit dem Schwert?

Siegfried Aus dem Wald fort in die Welt zieh’n:
nimmer kehr’ ich zurück!
Wie ich froh bin, daß ich frei ward,
nichts mich bindet und zwingt.
Mein Vater bist du nicht;
in der Ferne bin ich heim;
dein Herd ist nicht mein Haus,
meine Decke nicht dein Dach.
Wie der Fisch froh in der Fluth schwimmt,
wie der Fink frei sich davon schwingt:
flieg’ ich von hier, fluthe davon,
wie der Wind über’n Wald weh’ ich dahin,
dich, Mime, nie wieder zu seh’n!
(Er läuft in den Wald fort.)

Mime (in höchster Angst) Halte!
Halte! Halte! wohin?
(Er ruft mit der größten Anstrengung in den Wald)
He! Siegfried! Siegfried! He!
(Er sieht dem Fortstürmenden eine Weile staunend
nach.)

(Er kehrt in die Schmiede zurück, und setzt sich
hinter den Amboß)

Da stürmt er hin! Nun sitz’ ich da:
zur alten Noth hab’ ich die neue;
vernagelt bin ich nun ganz!
Wie helf’ ich mir jetzt? Wie halt’ ich ihn fest?
Wie führ’ ich den Huien zu Fafners Nest?
Wie füg’ ich die Stücken des tückischen Stahl’s?
Keines Ofens Gluth glüht mir die ächten;
keines Zwergen Hammer zwingt mir die harten:
(grell) Des Niblungen Neid,
Noth und Schweiß, nietet mir Nothung nicht,
schweißt mir das Schwert
(schluchzend) nicht zu ganz!
(Er knickt verzweifelnd auf dem Schemel hinter
dem Amboß zusammen.)


Zweite Scene

(Der Wanderer tritt aus dem Wald an das hintere
Thor der Höhle heran. Er trägt einen dunkelblauen,
langen Mantel; einen Speer führt er als Stab. Auf dem
Haupte hat er einen breiten runden Hut, mit herab-
hängender Krämpe.)


The Wanderer Heil dir, weiser Schmied!
Dem wegmüden Gast,
gönne hold des Hauses Herd!

Mime (erschrocken auffahrend)
Wer ist’s, der im wilden Walde mich sucht?
Wer verfolgt mich im öden Forst?

Wanderer (immer nur einen Schritt sich nähernd)
“Wand’rer” heißt mich die Welt;
weit wandert’ ich schon:
auf der Erde Rücken rührt’ ich mich viel!

Mime So rühre dich fort und raste nicht hier,
nennt dich “Wand’rer” die Welt!

Wanderer Gastlich ruht’ ich bei Guten,
Gaben gönnten viele mir:
denn Unheil fürchtet, wer unhold ist.

Mime Unheil wohnte immer bei mir:
willst du dem Armen es mehren?

Wanderer (immer näher schreitend)
Viel erforscht’ ich, erkannte viel:
wicht’ges konnt’ ich manchem künden,
manchem wehren was ihn mühte,
nagende Herzens-Noth.

Mime Spürtest du klug
und erspähtest du viel,
hier brauch’ ich nicht Spürer noch Späher.
Einsam will ich und einzeln sein,
Lungerern lass’ ich den Lauf.

Wanderer (wieder etwas näher tretend)
Mancher wähnte weise zu sein,
nur was ihm noth that, wußte er nicht;
was ihm frommte ließ ich erfragen:
lohnend lehrt’ ihn mein Wort.

Mime (immer ängstlicher, da er den Wanderer sich
nahen sieht)

Müß’ges Wissen wahren Manche,
ich weiß mir grade genug;
(Der Wanderer vollends bis an den Herd vorschreitend.)
mir genügt mein Witz, ich will nicht mehr!
dir Weisem weis’ ich den Weg!

Wanderer (am Herd sich setzend)
Hier sitz’ ich am Herd, und setze mein Haupt
der Wissens-Wette zum Pfand.
Mein Kopf ist dein, du hast ihn erkies’t,
erfrägst du dir nicht was dir frommt,
lös’ ich’s mit Lehren nicht ein.
(Mime, der zuletzt den Wanderer mit offenem
Munde angestarrt hat, schrickt jetzt zusammen.)


Mime (kleinmüthig für sich)
Wie werd’ ich den lauernden los?
Verfänglich muß ich ihn fragen.
(Er ermannt sich wie zu Strenge.)
(laut) Dein Haupt pfänd’ ich für den Herd:

nun sorg’, es sinnig zu lösen!
Drei der Fragen stell’ ich mir frei.

Wanderer Dreimal muß ich’s treffen.

Mime (sammelt sich zum Nachdenken)
Du rührtest dich viel auf der Erde Rücken,
die Welt durch wander’st du weit:
nun sage mir schlau: welches Geschlecht
tagt in der Erde Tiefe?

Wanderer In der Erde Tiefe
tagen die Nibelungen:
Nibelheim ist ihr Land.
Schwarzalben sind sie;
Schwarz-Alberich hütet’ als Herrscher sie einst!
Eines Zauberringes zwingende Kraft
zähmt’ ihm das fleißige Volk:
reicher Schätze schimmernden Hort
häuften sie ihm:
der sollte die Welt ihm gewinnen.
Zum Zweiten, was frägst du Zwerg?

Mime (versinkt in immer tieferes Nachsinnen)
Viel, Wanderer, weißt du mir
aus der Erde Nabelnest:
nun sage mir schlicht, welches Geschlecht
wohnt auf der Erde Rücken?

Wanderer Auf der Erde Rücken
wuchtet der Riesen Geschlecht:
Riesenheim ist ihr Land.
Fasolt und Fafner, der Rauhen Fürsten,
neideten Nibelungs Macht;
den gewaltigen Hort
gewannen sie sich,
errangen mit ihm den Ring.
Um den entbrannte den Brüdern Streit;
der Fasolt fällte, als wilder Wurm
hütet nun Fafner den Hort.
Die dritte Frage nun droht.

Mime (ganz entrückt und nachsinnend)
Viel, Wanderer, weißt du mir
von der Erde rauhem Rücken.
Nun sage mir wahr, welches Geschlecht
wohnt auf wolkigen Höh’n?

Wanderer Auf wolkigen Höh’n
wohnen die Götter: Walhall heißt ihr Saal.
Lichtalben sind sie;
Licht-Alberich, Wotan, waltet der Schaar.
Aus der Welt-Esche weihlichstem Aste
schuf er sich einen Schaft:
dorrt der Stamm, nie verdirbt doch der Speer;
mit seiner Spitze sperrt Wotan die Welt.
Heil’ger Verträge Treue-Runen
schnitt in den Schaft er ein.
Den Haft der Welt hält in der Hand,
wer den Speer führt,
den Wotans Faust umspannt:
ihm neigte sich der Niblungen Heer;
der Riesen Gezücht zähmte sein Rath:
ewig gehorchen sie alle
des Speeres starkem Herrn.
(Er stößt wie unwillkürlich mit dem Speer auf den
Boden; ein leiser Donner läßt sich vernehmen, wovon
Mime heftig erschrickt.)

Nun rede, weiser Zwerg!
Wußt’ ich der Fragen Rath?
Behalte mein Haupt ich frei?
(Nachdem er den Wanderer mit dem Speer auf-
merksam beobachtet hat, geräth Mime nun in große
Angst, sucht verwirrt nach seinen Geräthschaften,
und blickt scheu zur Seite.)


Mime Fragen und Haupt hast du gelöst:
nun, Wand’rer, geh’ deines Weg’s!

Wanderer Was zu wissen dir frommt,
solltest du fragen:
Kunde verbürgte mein Kopf.
Daß du nun nicht weißt, was dir frommt,
dess’ fass’ ich jetzt deines als Pfand.
Gastlich nicht galt mir dein Gruß;
mein Haupt gab ich in deine Hand,
um mich des Herdes zu freu’n.
Nach Wettens Pflicht pfänd’ ich nun dich,
lösest du drei der Fragen nicht leicht.
D’rum frische dir, Mime, den Muth!

Mime (sehr schüchtern und zögernd, endlich in
furchtsamer Ergebung sich fassend)

Lang’ schon mied ich mein Heimathland,
lang’ schon schied ich aus der Mutterschooß:
mir leuchtete Wotans Auge,
zur Höhle lugt’ es herein:
vor ihm magert mein Mutterwitz.
Doch frommt mir’s nun weise zu sein,
Wand’rer, frage denn zu!
Vielleicht glückt mir’s, gezwungen
zu lösen des Zwerges Haupt.

Wanderer (wieder gemächlich sich niederlassend)
Nun, ehrlicher Zwerg, Sag’ mir zum ersten:
Welches ist das Geschlecht,
dem Wotan schlimm sich zeigte,
(sehr leise, doch vernehmbar)
und das doch das Liebste ihm lebt?
Mime (sich ermunternd)
Wenig hört’ ich von Heldensippen;
der Frage doch mach’ ich mich frei.
Die Wälsungen sind das Wunschgeschlecht,
das Wotan zeugte und zärtlich liebte,
zeigt’ er auch Ungunst ihm.
Siegmund und Sieglind’, stammten von Wälse,
ein wild verzweifeltes Zwillingspaar:
Siegfried zeugten sie selbst,
den stärksten Wälsungensproß.
Behalt’ ich, Wand’rer, zum ersten mein Haupt?

Wanderer (gemüthlich)
Wie doch genau das Geschlecht du mir nennst!
schlau eracht’ ich dich Argen.
Der ersten Frage ward’st du frei;
zum zweiten nun sag’ mir, Zwerg:
Ein weiser Niblung wahret Siegfried;
Fafnern soll er ihm fällen,
daß den Ring er erränge,
des Hortes Herrscher zu sein.
Welches Schwert muß Siegfried nun schwingen,
taug’ es zu Fafners Tod?

Mime (seine gegenwärtige Lage immer mehr
vergessend reibt sich vergnügt die Hände)

Nothung heißt ein neidliches Schwert;
in einer Esche Stamm stieß es Wotan:
dem sollt es geziemen,
der aus dem Stamm’ es zög’.
Der stärksten Helden keiner bestand’s:
Siegmund, der Kühne, konnt’s allein:
fechtend führt’ er’s im Streit,
bis an Wotans Speer es zersprang.
Nun verwahrt die Stücken ein weiser Schmied;
denn er weiß,
daß allein mit dem Wotans Schwert
ein kühnes dummes Kind,
Siegfried, den Wurm versehrt.
(ganz vergnügt)
Behalt’ ich Zwerg auch zweitens mein Haupt?

Wanderer (lachend) Ha ha ha ha! Ha ha ha ha!
Der Witzigste bist du unter den Weisen;
wer käm’ dir an Klugheit gleich?
Doch bist du so klug den kindischen Helden
für Zwergenzwecke zu nützen,
mit der dritten Frage droh’ ich nun!
Sag’ mir, du weiser Waffenschmied:
wer wird aus den starken Stücken
Nothung das Schwert, wohl schweißen?
Mime (fährt im höchsten Schrecken auf)
(krieschend)
Die Stücken! Das Schwert!
O weh! mir schwindelt!
Was fang’ ich an? Was fällt mir ein?
Verfluchter Stahl! Daß ich dich gestohlen!
Er hat mich vernagelt in Pein und Noth!
Mir bleibt er hart, ich kann ihn nicht hämmern,
Niet’ und Löthe läßt mich im Stich!
Der weiseste Schmied weiß sich nicht Rath!
(Er wirft wie sinnlos sein Geräth durcheinander,
und bricht in helle Verzweiflung aus.)

Wer schweißt nun das Schwert,
schaff’ ich es nicht?
Das Wunder wie soll ich’s wissen?

Wanderer (ist ruhig vom Herd aufgestanden)
Dreimal solltest du fragen,
dreimal stand ich dir frei:
nach eitlen Fernen forschtest du;
doch was zunächst dir sich fand,
was dir nützt, fiel dir nicht ein;
nun ich’s errathe, wirst du verrückt:
gewonnen hab’ ich das witzige Haupt!
Jetzt, Fafners kühner Bezwinger,
hör’, verfall’ner Zwerg:
Nur wer das Fürchten nie erfuhr,
schmiedet Nothung neu.

(Mime starrt ihn groß an: er wendet sich zum
Fortgang.)

Dein weises Haupt wahre von heut’:
verfallen lass’ ich es dem,
der das Fürchten nicht gelernt!
(Er wendet sich lächelnd ab und verschwindet
schnell im Walde. Mime ist wie vernichtet auf den
Schemel zurückgesunken.)


Dritte Scene

(Mime stiert, grad’ vor sich aus, in den sonnig be-
leuchteten Wald hinein, und geräth zunehmend in heftiges Zittern.)


Mime Verfluchtes Licht! Was flammt dort die Luft?
Was flackert und lackert,
was flimmert und schwirrt,
was schwebt dort und webt, und wabert umher?
Da glimmert’s und glitzt’s in der Sonne Gluth!
Was säuselt und summt und saus’t nun gar?
Es brummt und braus’t und prasselt hieher!
Dort bricht’s durch den Wald, will auf mich zu!
(Er bäumt sich vor Entsetzen auf.)
Ein gräßlicher Rachen reißt sich mir auf:
der Wurm will mich fangen! Fafner! Fafner!
(Er sinkt schreiend hinter dem Amboß zusammen.)
(Siegfried bricht aus dem Waldgesträuch hervor.
Siegfried noch hinter der Scene, während man seine


Bewegung an dem zerkrachenden Gezweige des
Gesträuches gewahrt.)


Siegfried Heda! Du Fauler!
Bist du nun fertig!
(Er tritt in die Höhle herein.)
Schnell, wie steht’s mit dem Schwert?
(Er hält verwundert an.)
Wo steckt der Schmied? Stahl er sich fort? Hehe!
Mime, du Memme!
Wo bist du? Wo birgst du dich?

Mime (mit schwacher Stimme, hinter dem Amboß)
Bist du es, Kind? Kommst du allein?

Siegfried (lachend) Hinter dem Amboß?
Sag’, was schufest du dort?
Schärftest du mir das Schwert?

Mime (höchst zerstört und zerstreut
hervorkommend)

Das Schwert? Das Schwert?
Wie möcht’ ich’s schweißen?
(half für sich) Nur wer das Fürchten nie erfuhr,
schmiedet Nothung neu.

Zu weise ward ich für solches Werk!

Siegfried (heftig)
Wirst du mir reden? Soll ich dir rathen?

Mime (wie zuvor)
Wo nähm’ ich redlichen Rath?
Mein weises Haupt hab’ ich verwettet:
(vor sich hin starrend)
verfallen, verlor ich’s an den,
der das Fürchten nicht gelernt.

Siegfried (ungestüm) Sind mir das Flausen?
Willst du mir flieh’n?

Mime (allmählich sich etwas fassend)
Wohl flöh’ ich dem, der’s Fürchten kennt!
Doch das ließ ich dem Kinde zu lehren;
ich Dummer vergaß, was einzig gut:
Liebe zu mir sollt’ er lernen;
das gelang nun leider faul!
Wie bring’ ich das Fürchten ihm bei?

Siegfried (packt ihn) He! muß ich helfen?
Was fegtest du heut’?

Mime Um dich nur besorgt,
versank ich in Sinnen,
wie ich dich wichtiges wiese.

Siegfried (lachend)
Bis unter den Sitz warst du versunken:
was wichtiges fandest du da?

Mime (sich immer mehr fassend)
Das Fürchten lernt’ ich für dich,

daß ich’s dich Dummen lehre.

Siegfried (mit ruhiger Verwunderung)
Was ist’s mit dem Fürchten?

Mime Erfuhrst du’s noch nie,
und willst aus dem Wald
doch fort in die Welt?
Was frommte das festeste Schwert,
blieb dir das Fürchten fern?

Siegfried (ungeduldig)
Faulen Rath erfindest du wohl?

Mime (immer zutraulicher Siegfried näher tretend)
Deiner Mutter Rath, redet aus mir;
was ich gelobte, muß ich nun lösen:
in die listige Welt
dich nicht zu entlassen,
eh’ du nicht das Fürchten gelernt.

Siegfried (heftig) Ist’s eine Kunst,
was kenn’ ich sie nicht?
Heraus! Was ist’s mit dem Fürchten?

Mime Fühltest du nie im finst’ren Wald,
bei Dämmerschein am dunklen Ort,
wenn fern es säuselt, summs’t und saus’t,
wildes Brummen näher braus’t,
wirres Flackern um dich flimmert,
schwellend Schwirren zu Leib’ dir schwebt:
(zitternd) fühltest du dann nicht grieselnd
Grausen
die Glieder dir (bebend) fahen?
Glühender Schauer schüttelt die Glieder,
in der Brust
(mit schütternder stimme) bebend und bang
berstet hämmernd das Herz?
Fühltest du das noch nicht,
das Fürchten blieb dir noch fremd.

Siegfried (nachsinnend)
Sonderlich seltsam muß das sein!
Hart und fest, fühl’ ich, steht mir das Herz.
Das Grieseln und Grausen,
das Glühen und Schauern,
Hitzen und Schwindeln,
Hämmern und Beben:
gern begehr’ ich das Bangen,
sehnend verlangt mich’s der Lust!
Doch wie bringst du, Mime, mir’s bei?
Wie wärst du, Memme, mir Meister?

Mime Folge mir nur, ich führe dich wohl:
sinnend fand ich es aus.
Ich weiß einen schlimmen Wurm,
der würgt’ und schlang schon viel:

Fafner lehrt dich das Fürchten,
folgst du mir zu seinem Nest.

Siegfried Wo liegt er im Nest?

Mime Neidhöle wird es genannt:
im Ost, am Ende des Walds.

Siegfried Dann wär’s nicht weit von der Welt?

Mime Bei Neidhöle liegt sie ganz nah’.

Siegfried Dahin denn sollst du mich führen:
lernt’ ich das Fürchten, dann fort in die Welt!
Dann schnell! Schaffe das Schwert:
in der Welt will ich es schwingen.

Mime Das Schwert? O Noth!

Siegfried Rasch, in die Schmiede!
Weis’, was du schuf’st!

Mime Verfluchter Stahl!
Zu flicken versteh’ ich ihn nicht:
den zähen Zauber
bezwingt keines Zwergen Kraft.
Wer das Fürchten nicht kennt,
der fänd’ wohl eher die Kunst.

Siegfried Feine Finten weiß mir der Faule;
daß er ein Stümper, sollt’ er gesteh’n:
nun lügt er sich listig heraus!
Her mit den Stücken, fort mit dem Stümper!
(auf den Herd zuschreitend)
Des Vaters Stahl fügt sich wohl mir:
ich selbst schweiße das Schwert!
(Er macht sich, Mimes Geräth durcheinander wer-
fend, mit Ungestüm an die Arbeit.)


Mime Hättest du fleißig die Kunst gepflegt,
jetzt käm’ dir’s wahrlich zu gut;
doch lässig warst du stets in der Lehr’;
was willst du Rechtes nun rüsten?

Siegfried Was der Meister nicht kann,
vermöcht’ es der Knabe,
hätt’ er ihm immer gehorcht?
(Er dreht ihm eine Nase.)
Jetzt mach’ dich fort, misch’ dich nicht drein:
sonst fällst du mir mit in’s Feuer!
(Er hat eine große Menge Kohlen auf dem Herd
aufgehäuft, und unterhält in einem fort die Gluth,
während er die Schwertstücke in den Schraubstock
einspannt und sie zu Spähnen zerfeilt.)
(Mime, der sich etwas abseits niedergesetzt hat,
und Siegfried bei der Arbeit zusieht.)


Mime Was mach’st du denn da?
Nimm doch die Löthe;
den Brei braut’ ich schon längst.

Siegfried Fort mit dem Brei, Ich brauch’ ihn nicht;
mit Bappe back’ ich kein Schwert!

Mime Du zerfeil’st die Feile,
zerreibst die Raspel!
Wie willst du den Stahl zerstampfen?

Siegfried Zersponnen muß ich in Spähne ihn seh’n:
was entzwei ist, zwing’ ich mir so.
(Er feilt mit großem Eifer fort.)

Mime (für sich) Hier hilft kein Kluger,
das seh’ ich klar: hier hilft dem Dummen
die Dummheit allein!
Wie er sich rührt, und mächtig regt!
Ihm schwindet der Stahl,
doch wird ihm nicht schwül!
(Siegfried hat das Herdfeuer zur hellsten Gluth angefacht.)
Nun ward ich so alt wie Höl’ und Wald,
und hab’ nicht so ’was geseh’n!
(Während Siegfried mit ungestümem Eifer fort-
fährt, die Schwertstücken zu zerfeilen, setzt sich Mime
noch mehr bei Seite.)

Mit dem Schwert gelingt’s, das lern’ ich wohl:
furchtlos fegt er’s zu ganz.
Der Wand’rer wußt’ es gut.
Wie berg’ ich nun mein banges Haupt?
Dem kühnen Knaben verfiel’s,
lehrt’ ihn nicht Fafner die Furcht!
(mit wachsender Unruhe aufspringend und sich beugend)
Doch weh’ mir Armen!
Wie würgt’ er den Wurm,
erführ’ er das Fürchten von ihm?
Wie erräng’ er mir den Ring?
Verfluchte Klemme! Da klebt’ ich fest,
fänd ich nicht klugen Rath,
wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng.
(Siegfried hat nun die Stücken zerfeilt und in einem
Schmelztiegel gefangen, den er jetzt in die Herdgluth stellt.)


Siegfried He, Mime!
(Mime fährt zusammen und wendet sich zu Siegfried.)
Geschwind! Wie heißt das Schwert,
das ich in Spähne zersponnen?

Mime Nothung nennt sich das neidliche Schwert:
deine Mutter gab mir die Mär.
(Unter dem folgenden Gesange nährt Siegfried die
Gluth mit dem Blasebalg.)

Siegfried Nothung! Nothung! Neidliches Schwert!
Was mußtest du zerspringen?
Zu Spreu nun schuf ich die scharfe Pracht,
im Tigel brat’ ich die Spähne.
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase Balg! Blase die Gluth!
Wild im Walde wuchs ein Baum,
den hab’ ich im Forst gefällt:
die braune Esche brannt’ ich zur Kohl’,
auf dem Herd nun liegt sie gehäuft.
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase Balg! Blase die Gluth!
Des Baumes Kohle, wie brennt sie kühn;
wie glüht sie hell und hehr!
In springenden Funken sprühet sie auf:
hohei, hohei, hohei!
zerschmilzt mir des Stahles Spreu.
Hoho! hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase Balg! Blase die Gluth!

Mime (immer für sich, entfernt sitzend)
Er schmiedet das Schwert, und Fafner fällt er:
das seh’ ich nun deutlich voraus.
Hort und Ring erringt er im Harst:
wie erwerb’ ich mir den Gewinn?
Mit Witz und List gewinn’ ich beides
und berge heil mein Haupt.

Siegfried (nochmals am Blasebalg)
Hoho! Hoho! Hoho, hohei! Hohei!

Mime (im Vordergrunde für sich)
Rang er sich müd’ mit dem Wurm,
von der Müh’ erlab’ ihn ein Trank:
aus würz’gen Säften, die ich gesammelt,
brau’ ich den Trank für ihn;
wenig Tropfen nur braucht er zu trinken,
sinnlos sinkt er in Schlaf.
Mit der eig’nen Waffe die er sich gewonnen,
räum’ ich ihn leicht aus dem Weg,
erlange mir Ring und Hort.
(Er reibt sich vergnügt die Hände.)

Siegfried Nothung! Nothung! Neidliches Schwert!
Nun schmolz deines Stahles Spreu!
Im eig’nen Schweiße schwimm’st du nun.
(Er gießt den glühenden Inhalt des Tiegels in eine
Stangenform, und hält diese in die Höhe.)


Mime Hei, weiser Wand’rer!
Dünkt’ ich dich dumm?
Wie gefällt dir nun mein feiner Witz?
Fand ich mir wohl Rath und Ruh’?

Siegfried Bald schwing’ ich dich als mein Schwert!

(Er stößt die gefüllte Stangenform in den Wasser-
eimer; Dampf und lautes Gezisch der Kühlung erfolgen.)

In das Wasser floß ein Feuerfluß:
grimmiger Zorn zischt’ ihm da auf!
Wie sehrend er floß, in des Wassers Fluth
fließt er nicht mehr. Starr ward er und steif,
herrisch der harte Stahl:
heißes Blut doch fließt ihm bald.
(Er stößt den Stahl in die Herdgluth und zieht die
Blasebälge mächtig an.)

(Mime ist vergnügt aufgesprungen; er holt ver-
schiedene Gefäße hervor, schüttet aus ihnen Gewürz
und Kräuter in einen Kochtopf, und sucht diesen auf
dem Herd anzubringen.)

Nun schwitze noch einmal,
daß ich dich schweiße,
Nothung, neidliches Schwert!
(Er beobachtet während der Arbeit Mime, welcher
vom andren Ende des Herdes her seinen Topf
sorgsam an die Gluth stellt.)

Was schafft der Tölpel dort mit dem Topf?
Brenn’ ich hier Stahl, brau’st du dort Sudel?

Mime Zu Schanden kam ein Schmied;
den Lehrer sein Knabe lehrt:
mit der Kunst nun ist’s beim Alten aus,
als Koch dient er dem Kind.
Brennt es das Eisen zu Brei,
aus Eiern braut’ der Alte ihm Sud.
(Er fährt fort zu kochen.)

Siegfried Mime, der Künstler lernt jetzt kochen,
das Schmieden schmeckt ihm nicht mehr.
Seine Schwerter alle hab’ ich zerschmissen;
was er kocht, ich kost’ es ihm nicht!
(Unter dem Folgenden zieht Siegfried die Stangen-
form aus der Gluth, zerschlägt sie und legt den glü-
henden Stahl auf dem Amboß zurecht.)

Das Fürchten zu lernen will er mich führen;
ein Ferner soll es mich lehren:
was am besten er kann, mir bringt er’s nicht bei:
als Stümper besteht er in Allem!
(während des Schmiedens)
Hoho! Hoho! Hohei!
Schmiede, mein Hammer, ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei! Hoho! Hahei!
Einst färbte Blut dein falbes Blau;
sein rothes Rieseln röthete dich:
kalt lachtest du da
das warme lecktest du kühl!
Heiaho! Haha! Haheiaha!
Nun hat die Gluth dich roth geglüht;
deine weiche Härte dem Hammer weicht:
zornig sprühst du mir Funken,
daß ich dich Spröden gezähmt!
Heiaho! Heiaho! Heiaho hoho hoho!
Hahei! Hahei! Hahei!

Mime (bei seite)
Er schafft sich ein scharfes Schwert,
Fafner zu fällen, der Zwerge Feind,
ich braut’ ein Truggetränk,
Siegfried zu fangen, dem Fafner fiel.
Gelingen muß mir die List;
lachen muß mir der Lohn!
(Er beschäftigt sich wahrend des Folgenden damit,
den Inhalt des Topfes in eine Flasche zu gießen.)


Siegfried Hoho! Hoho! Hoho! Hohei!
Schmiede, mein Hammer, ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei! Hoho! Hahei!
Der frohen Funken wie freu’ ich mich;
es ziert den Kühnen des Zornes Kraft:
Lustig lach’st du mich an,
stellst du auch grimm dich und gram!
Heiaho, haha, haheiaha!
Durch Gluth und Hammer glückt’ es mir;
mit starken Schlägen streckt’ ich dich:
nun schwinde die rothe Scham;
werde kalt und hart, wie du kannst.
Heiaho! Heiaho! Heiaho hoho hoho! Heiah!
(Er schwingt den Stahl und stößt ihn in den
Wasser eimer. Er lacht bei dem Gezische laut auf.)

(Während Siegfried die geschmiedete Schwert-
klinge in dem Griffhefte befestigt, treibt sich Mime mit
der Flasche im Vordergrunde umher.)


Mime Den der Bruder schuf, den schimmernden Reif,
in den er gezaubert zwingende Kraft,
das helle Gold, das zum Herrscher macht,
ihn hab’ ich gewonnen, ich walte sein!
(Er trippelt, mit zunehmender Vergnügtheit,
lebhaft umher. Siegfried mit dem kleinen Hammer
arbeitet. Er schleift und feilt.)

Alberich selbst, der einst mich band,
zur Zwergen frohne zwing’ ich ihn nun;
als Niblungenfürst fahr’ ich darnieder,
gehorchen soll mir alles Heer.
(Siegfried wieder hämmernd.)
Der verachtete Zwerg, wie wird er geehrt!
Zu dem Horte hin drängt sich Gott und Held.
(mit immer lebhafteren Geberden)
Vor meinem Nicken neigt sich die Welt,
vor meinem Zorne zittert sie hin!

(Siegfried glättet mit den letzten Schlägen die
Nieten des Griffheftes, und faßt das Schwert nun.)


Siegfried Nothung! Nothung! Neidliches Schwert!
Jetzt haftest du wieder im Heft.

Mime Dann wahrlich müht sich Mime nicht mehr:

Siegfried War’st du entzwei,
ich zwang dich zu ganz;
kein Schlag soll nun dich mehr zerschlagen.

Mime Ihm schaffen And’re den ew’gen Schatz.

Siegfried Dem sterbenden Vater
zersprang der Stahl;
der lebende Sohn schuf ihn neu:
nun lacht ihm sein heller Schein,
seine Schärfe schneidet ihm hart.

Mime Mime, der Kühne, Mime ist König,
Fürst der Alben, Walter des All’s!

Siegfried (das Schwert vor sich schwingend)
Nothung! Nothung! Neidliches Schwert!
Zum Leben weckt’ ich dich wieder.
Todt lag’st du in Trümmern dort,
jetzt leuchtest du trotzig und hehr!

Mime Hei! Mime, wie glückte dir das!

Siegfried Zeige den Schächern nun deinen Schein!

Mime Wer hätte wohl das gedacht?

Siegfried Schlage den Falschen, fälle den Schelm!
Schau, Mime, du Schmied:
(Er holt mit dem Schwert aus.)
So schneidet Siegfrieds Schwert!
(Er schlägt auf den Amboß, welchen er von oben
bis unten, in zwei Stücken zerspaltet, so daß er unter
großem Gepolter auseinander fällt. Mime, welcher in
höchster Verzückung sich auf einen Schemel ge-
schwungen hatte, fällt vor Schreck sitzlings zu Boden.
Siegfried hält jauchzend das Schwert in die Höhe.)

(Der Vorhang fällt.)

libretto by Richard Wagner 
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug

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