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“Tosca” by Giacomo Puccini libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |
Die Kirche Sant'Andrea della Valle (Rechts die Kapelle der Attavanti. Links ein Malgerüst mit einem großen, mit einem Tuch verhangenen Gemälde. Malutensilien, ein Korb. Angelotti in zerlumpter, verschmutzter Sträflingskleidung tritt ein, vor Angst zitternd sieht er sich um.) ANGELOTTI Ah! Endlich! In törichter Angst sah ich überall nur Häscher und Schergen. (Er schaut sich wieder um, etwas ruhiger, da er den Ort erkennt. Mit einem Seufzer der Erleichterung erblickt er die Säule mit dem Weihwasserbecken und der Madonna.) Das Becken ... die Säule ... „Zu Füßen der Madonna", schrieb mir die Schwester. (Er geht zur Madonna und sucht am Postament. Mit unterdrücktem Freudenschrei zieht er einen Schlüssel hervor.) Da ist der Schlüssel, und dort ist die Kapelle. (Mit größter Vorsicht steckt er den Schlüssel in das Schloß zur Kapelle Attavanti, öffnet das Gitter, tritt ein, schließt hinter sich wieder ab und verschwindet. Der Mesner kommt von hinten, er hält verschiedene Pinsel und spricht laut, als rede er mit jemanden, vor sich hin.) |
MESNER Und immer wieder waschen! Jeder Pinsel ist schmutziger als der Kragen einer Range. Herr Maler ... hier, nimm! (Er schaut zum Gerüst hinauf, wo das Gemälde steht, findet es leer und ruft überrascht:) Niemand da! Ich hätte schwören können, daß Herr Cavaradossi zurückgekommen ist. (Er legt die Pinsel hin, steigt das Gerüst hinauf, sieht in den Korb.) Nein, ich habe mich geirrt, der Korb ist unberührt. (Der Angelus wird geläutet. Der Mesner kniet nieder und betet demütig.) Angelus Domini nuntiavit Mariae et concepit de Spiritu Sancto. Ecce ancilla Domini fiat mihi secundum Verbum tuum. et Verbum caro factum est et habitavit in nobis ... (Cavaradossi tritt durch die Seitentür und sieht den knienden Mesner.) CAVARADOSSI Was tust du? |
MESNER (beim Aufstehen) Ich bete den Angelus. (Cavaradossi steigt auf das Gerüst und nimmt das Tuch vom Gemälde. Es ist eine Maria Magdalena mit großen blauen Augen und langem goldblonden Haar. Der Maler steht schweigend davor und betrachtet es genau. Der Mesner wendet sich zu Cavaradossi, um mit ihm zu sprechen, sieht das Gemälde enthüllt und stößt einen Schrei der Bewunderung aus.) Sankt Andreas! Ihr Bild! CAVARADOSSI Nun, wessen? MESNER Der Unbekannten, die in den letzten Tagen so oft hierher kam, um demütig und fromm zu beten. (Er deutet auf die Madonnenstatue, unter der Angelotti den Schlüssel hervorgezogen hat.) CAVARADOSSI Es stimmt. So vertieft war sie in ihr Gebet, daß ich unbemerkt ihr schönes Gesicht malen konnte. MESNER (zu sich) Weiche, Satan, weiche! |
CAVARADOSSI Gib mir die Farben! (Der Mesner gehorcht. Cavaradossi malt sehr eifrig und hält mitunter ein, um seine Arbeit zu betrachten. Der Mesner geht und kommt mit einer Waschschüssel zurück, in der er weiter die Pinsel reinigt. Plötzlich hört Cavaradossi zu malen auf, zieht aus seiner Tasche ein Medaillon mit einer Miniatur und läßt seine Augen von dem Medaillon zum Gemälde wandern.) Welche zarte Harmonie dieser Bilder! Braunes Haar hat Floria, die Frau, die ich liebe ... MESNER (zu sich) Über alles macht er sich lustig, nichts ist ihm heilig! ... CAVARADOSSI Und du, unbekannte Schöne ... mit blondem Haar, du hast blaue Augen, Tosca hat schwarze! MESNER (zu sich) Über alles macht er sich lustig, nichts ist ihm heilig! ... CAVARADOSSI Hat doch die Kunst geheimnisvoll beider Schönheit vereint. Doch wenn ich male, Tosca, |
sind meine Gedanken nur bei dir. MESNER (zu sich) Diesen beiden Frauen, die den Madonnen gleichen wollen, entströmt der Moderhauch der Hölle. Über alles macht er sich lustig, nichts ist ihm heilig ... Gegen diese Voltairianerhunde, die Feinde der gottgegebenen Regierung, gibt es keine Widerrede! Über alles macht er sich lustig, nichts ist ihm heilig ... Frech und ohne Scheu sind sie alle! Möge der Herr uns vor ihnen beschützen. (zu Cavaradossi) Euer Gnaden, darf ich gehen? CAVARADOSSI Tu, was du willst! (Er malt weiter.) MESNER Der Korb ist noch voll ... Wollt Ihr nichts essen? CAVARADOSSI Ich habe keinen Hunger. MESNER (reibt ironisch seine Hände) Oh, das ist bedauerlich! (Er kann seine Freude nicht verbergen und wirft einen begehrlichen Blick auf den Korb, nimmt ihn auf und setzt ihn ein Stück weiter ab.) |
Hört, wenn Ihr geht, schließt Ihr ab! CAVARADOSSI Geh schon! MESNER Ich gehe. (Er geht nach hinten ab. Cavaradossi arbeitet mit dem Rücken zur Kapelle. Angelotti, der die Kirche verlassen glaubt, erscheint hinter dem Gitter und steckt den Schlüssel ins Schloß.) CAVARADOSSI (dreht sich um, als er den Schlüssel im Schloß hört) Wer ist da drin? (Bei Cavaradossis Bewegung steht Angelotti einen Augenblick starr vor Schreck und macht Anstalten, wieder in die Kapelle zu flüchten, doch stößt er, als er die Augen hebt, einen halb unterdrückten Freudenschrei aus. Er hat Cavaradossi erkannt und streckt ihm wie einem unverhofften Retter die Arme entgegen.) ANGELOTTI Ihr! Cavaradossi! Euch schickt Gott! Erkennt Ihr mich nicht? So sehr also hat mich der Kerker verändert. CAVARADOSSI (sieht Angelotti prüfenden Blickes an und erkennt ihn schließlich. Schnell legt er Palette und Pinsel weg, steigt vom Gerüst herunter zu Angelotti und blickt dabei vorsichtig um sich) |
Angelotti! Der Konsul der ehemaligen römischen Republik! (Er rennt, um die Tür rechts abzuschließen.) ANGELOTTI Ich bin eben aus der Engelsburg entflohen. CAVARADOSSI Verfügt über mich. TOSCA (von draußen) Mario! (Auf Toscas Ruf hin gibt Cavaradossi Angelotti einen Wink, er möge schweigen.) CAVARADOSSI Versteckt Euch! Sie ist eine eifersüchtige Frau! Einen Augenblick nur, ich schicke sie weg. TOSCA Mario! CAVARADOSSI (ruft gegen die Tür, woher die Stimme kam) Hier bin ich! ANGELOTTI (lehnt sich in einem Schwächeanfall an das Gerüst) Ich bin am Ende meiner Kräfte, kann nicht mehr stehen. CAVARADOSSI (steigt auf das Gerüst, kommt mit dem Korb zurück und schiebt Angelotti mit einer ermutigenden Bewegung zur Kapelle hin) |
In diesem Korb ist Essen und Wein. ANGELOTTI Danke! CAVARADOSSI Jetzt schnell! (Angelotti geht in die Kapelle.) TOSCA (ruft zornig von draußen) Mario! Mario! Mario! CAVARADOSSI (öffnet das Tor) Hier bin ich ... TOSCA (tritt wütend ein, schiebt schroff Cavaradossi beiseite, der sie umarmen will, und schaut sich argwöhnisch um) Warum ist hier verschlossen? CAVARADOSSI Der Mesner will es so. TOSCA Mit wem sprachst du? CAVARADOSSI Mit dir! TOSCA Geflüstert hast du. |
Wo ist sie? CAVARADOSSI Wer? TOSCA Sie! ... Jene Frau! Schritte habe ich gehört, das Rascheln von Gewändern. CAVARADOSSI Du träumst! TOSCA Du leugnest es? CAVARADOSSI (will sie küssen) Ich leugne es und liebe dich! TOSCA (mit leisem Vorwurf) Oh! Vor der Madonna! Nein, Mario! Laß mich vorher beten und Blumen bringen. (Sie geht zur Madonna, breitet vor ihr mitgebrachte Blumen aus, kniet und betet, dann steht sie auf und wendet sich zu Cavaradossi, der inzwischen wieder an die Arbeit gegangen ist.) Jetzt hör mich an: Ich singe heute abend, doch die Vorstellung ist kurz. Du erwartest mich am Bühnenausgang, und wir gehen ganz allein zu deiner Villa. CAVARADOSSI (dessen Gedanken noch wandern) Heute abend? |
TOSCA Es ist Vollmond, und der Blütenduft der Nacht berauscht das Herz. Du bist nicht zufrieden? CAVARADOSSI (zerstreut und nachdenklich) Freilich! TOSCA (betroffen von diesem Ton) Sag es noch einmal! CAVARADOSSI Freilich! TOSCA Das sagst du scheußlich! (setzt sich auf die Stufen neben Cavaradossi) Träumst du nicht von unserem Häuschen, das versteckt im Grünen auf uns wartet? Traute Zuflucht für uns, fern von der Welt, voller Zauber und Geheimnis? In deinen Armen lauschen der Stille der Nacht, in Mondlicht getaucht, wenn geheimnisvolle Stimmen emporsteigen aus dem Gras, aus den Bäumen und Büschen, den ragenden Grabruinen Thymianduft entsteigt, aus dem Dunkel flüsternd huschen winzige Amoretten, mit listigem Rat |
die Herzen zu erweichen. Blüht, ihr weiten Fluren, erzittert, dunkle Lüfte, im Dämmerlicht des Mondes, ach, ihr tausend Sterne am Himmelszelt, blickt auf Toscas Liebe herab! CAVARADOSSI Mit deinen Schlingen umgarnst du mich ... TOSCA Blickt auf Toscas heiße Liebe herab! CAVARADOSSI Meine Sirene, ich werde kommen! TOSCA Mein Geliebter! CAVARADOSSI (schaut, wo Angelotti hinausgegangen ist) Doch nun laß mich arbeiten. TOSCA Du schickst mich fort? CAVARADOSSI Die Zeit drängt, du weißt es. TOSCA Ich gehe, ich gehe! (Sie schaut nach oben und bemerkt das Bild.) Wer ist jene blonde Dame dort oben? |
CAVARADOSSI Die Magdalena. Gefällt sie dir? TOSCA Sie ist zu schön! CAVARADOSSI (lachend) Ein schönes Lob. TOSCA (argwöhnisch) Du lachst? Diese schmachtenden Augen habe ich schon gesehen. CAVARADOSSI (unbesorgt) Es gibt viele auf der Welt! TOSCA (versucht sich zu erinnern) Warte ... warte ... Das ist die Attavanti! CAVARADOSSI Richtig! TOSCA (stark eifersüchtig) Du siehst sie? Sie liebt dich? Du liebst sie? CAVARADOSSI Es war nur Zufall ... TOSCA Diese Schritte und das Flüstern ... Ha! ... Sie war eben hier! |
CAVARADOSSI So laß doch! TOSCA Ah, die Kokotte! Das mir! Das mir! CAVARADOSSI (ernstl) Ich sah sie gestern, aber es war Zufall ... Sie kam zum Beten her ... hat nicht bemerkt, daß ich sie malte ... TOSCA Schwöre! CAVARADOSSI Ich schwöre! TOSCA (immer noch auf das Bild blickend) Wie sie mich anstarrt! CAVARADOSSI Laß doch! TOSCA Sie verhöhnt, verlacht mich! CAVARADOSSI Unsinn! (Er zieht sie an sich und blickt in ihre Augen.) TOSCA (hartnäckig) Ach, diese Augen ... CAVARADOSSI Welche Augen dieser Welt könnten sich |
mit deinen schwarzen Augen messen? Sie halten mich gefangen, ob sie Liebe leuchten oder zornig flammen ... Welche Augen dieser Welt könnten sich mit deinen schwarzen Augen messen? TOSCA (lehnt verzückt den Kopf an Cavaradossis Schulter) Oh, wie verstehst du dich gut auf die Kunst des Schmeichelns! (Sie beharrt auf ihrer Idee.) Aber male ihre Augen schwarz! CAVARADOSSI Meine eifersüchtige Tosca! TOSCA Ja, ich weiß, ich verursache dir andauernd Leid. CAVARADOSSI Meine eifersüchtige Tosca! TOSCA Ja, ich weiß, daß du mir verzeihst wenn du meinen Schmerz siehst! CAVARADOSSI Geliebte Tosca, alles gefällt mir an dir, dein wilder Zorn und deine Liebe! |
TOSCA Ja, ich weiß, daß du mir verzeihst wenn du meinen Schmerz siehst! Sprich noch einmal die tröstenden Worte ... Noch einmal! CAVARADOSSI Mein Leben, meine Geliebte, immer wieder sage ich dir: „Floria, ich liebe dich!" Ach, Geliebte, immer wieder sage ich dir: „Ich liebe dich!" TOSCA (macht sich los) Gott! Welche Sünde! Du hast mich ganz zerzaust. CAVARADOSSI Nun geh und lasse mich! TOSCA Du bleibst hier bis zum Abend bei der Arbeit und versprichst mir, sei's Zufall oder nicht, daß keine Frau mit blonden oder schwarzen Locken zum Beten hier erscheint? CAVARADOSSI Ich schwöre es, Geliebte! Geh! TOSCA Wie sehr du mich treibst! CAVARADOSSI (etwas vorwurfsvoll, als er ihre Eifersucht sieht) Schon wieder? |
TOSCA (wirft sich in seine Arme und hält das Gesicht zum Kusse hin) Nein, verzeih! CAVARADOSSI (scherzend) Vor der Madonna? TOSCA Sie ist so gut! Aber male ihre Augen schwarz! (Ein Kuß und Tosca läuft hinaus. Cavaradossi lauscht den sich entfernenden Schritten, dann öffnet er vorsichtig die Tür und blickt hinaus. Alles ist in Ordnung. Er eilt in die Kapelle. Angelotti erscheint hinter dem Gitter.) CAVARADOSSI (öffnet Angelotti das Gitter. Natürlich hat Angelotti das vorangegangene Gespräch mit angehört) Gut ist meine Tosca, doch sie glaubt, sie müsse alles ihrem Beichtvater sagen, kann kein Geheimnis wahren. Man sollte vorsichtig sein. ANGELOTTI Sind wir allein? CAVARADOSSI Ja, was habt Ihr vor? ANGELOTTI So wie die Dinge stehen, muß ich fliehen oder mich |
in Rom verborgen halten. Meine Schwester ... CAVARADOSSI Die Attavanti? ANGELOTTI Ja ... hat Frauenkleider dort unter dem Altar versteckt. Kleider, Schleier, Fächer. Sobald es dunkelt, ziehe ich sie an ... CAVARADOSSI Jetzt verstehe ich! Die Vorsicht und fromme Andacht der schönen jungen Dame brachte mich in den Verdacht einer geheimen Liebschaft! Es war die Liebe einer Schwester! ANGELOTTI Sie hat alles gewagt, mich dem verfluchten Scarpia zu entreißen! CAVARADOSSI Scarpia? Jener scheinheilige Wüstling, der hinter andachtsvoller Maske sich der Ausschweifung hingibt und der geilen Begierde gleichzeitig Henker und Beichtvater ist! Koste es mich das Leben, ich helfe Euch! Doch bis zur Nacht zu warten, ist wenig ratsam. |
Ich fürchte das Licht! CAVARADOSSI Die Kapelle stößt an einen Garten, von dem aus ein Weg durch die Felder zu meinem Landhaus führt. ANGELOTTI Er ist mir bekannt. CAVARADOSSI Hier ist der Schlüssel; vor dem Abend noch bin ich bei Euch; doch nehmt die Frauenkleider mit. ANGELOTTI (holt die Kleider hervor) Soll ich sie anziehen? CAVARADOSSI Jetzt ist es nicht nötig, der Weg ist einsam. ANGELOTTI (will fort) Lebt wohl! CAVARADOSSI (läuft ihm nach) Droht Euch Gefahr, steigt in den Brunnen im Garten. Unten ist Wasser, doch in der Mitte des Schachtes führt ein kleiner Weg in eine dunkle Höhle, ein sicheres Versteck für Euch. (Ein Kanonenschuß; beide schauen einander betroffen an.) |
Die Kanone des Kastells! CAVARADOSSI Man hat die Flucht entdeckt! Nun läßt Scarpia seine Schergen los! ANGELOTTI Lebt wohl! CAVARADOSSI (mit plötzlicher Entscheidung) Ich gehe mit Euch. Es heißt auf der Hut sein! ANGELOTTI Ich höre jemanden! CAVARADOSSI Sollen sie kommen, wir müssen es wagen! (Sie verlassen eilig die Kirche durch die Kapelle. Der Mesner stürzt herein.) MESNER Welche frohe Nachricht, Euer Gnaden! (Er sieht zum Gerüst hinauf und ist überrascht, den Maler wieder nicht zu finden.) Er ist nicht mehr da! Wie schade! Wer einem Ketzer nachstellt, macht sich von einer Sünde rein! (Von allen Seiten eilen Geistliche, Chorschüler und Kapellsänger herbei und drängen lärmend in die Kirche.) Alle hierher! Schnell! (Andere Schüler kommen langsam, und alle bilden schließlich eine Gruppe.) |
CHORSCHÜLER (verwirrt) Wohin? MESNER (schiebt einige der Geistlichen vor sich her) In die Sakristei. EINIGE Aber was ist geschehen? MESNER Ihr wißt es nicht? Bonaparte ... der Verbrecher ... Bonapar te ... ANDERE Und? Was geschah? MESNER Wurde aufgetrieben und vertrieben und zum Teufel gejagt! CHOR Wer sagt das? Ist ein Traum, ist Schwachsinn! MESNER Wahr ist die Kunde! Eben traf Nachricht ein! CHOR Laßt uns den Sieg feiern! MESNER Und heute abend ist großer Fackelzug und Galaball im Palazzo Farnese, |
und eine dafür neu geschriebene Kantate mit Floria Tosca. Und in den Kirchen loben wir Gott! Nun geht euch anziehen, und keinen Lärm mehr! Fort, ab in die Sakristei! CHOR (lachend und fröhlich rufend) Doppelter Lohn ... Te Deum ... Gloria! Hoch lebe der König! Wir feiern den Sieg! usw. (Sie lachen und schreien immer lauter, bis eine spöttische Stimme diesen Lärm stillt. Es ist Scarpia. Hinter ihm erscheint Spoletta mit einigen Schergen.) SCARPIA Ein solcher Höllenlärm in der Kirche! Welche Achtung! MESNER (angstvoll stammelnd) Euer Gnaden, der große Jubel ... SCARPIA Macht euch bereit für das Tedeum! (Bedrückt gehen alle hinaus; auch der Mesner will davonschleichen, aber Scarpia hält ihn plötzlich zurück.) Du bleibst! MESNER (voller Angst) Ich gehe keinen Schritt! SCARPIA (zu Spoletta) Und du geh, sieh in jedem Winkel nach, |
verfolge jede Spur. SPOLETTA Ich gehe! SCARPIA (zu den anderen Schergen) Achtet auf die Türen aber ohne Aufsehen! (zum Mesner) Nun zu dir ... Sei vorsichtig mit deinen Antworten. Ein Staatsverbrecher ist eben aus der Engelsburg geflohen ... Er ist hierher geflüchtet. MESNER Barmherziger Himmel! SCARPIA Vielleicht ist er noch hier. Wo ist die Kapelle der Attavanti? MESNER Hier ist sie. (Er geht zum Gitter und findet es angelehnt.) Offen! Bei allen Heiligen! Und ein zweiter Schüssel! SCARPIA Ein gutes Zeichen! Treten wir ein! (Sie gehen in die Kapelle und kommen wieder; Scarpia, etwas enttäuscht, hält in der Hand einen Fächer, den er aufgeregt hin und her wedelt.) Es war ein großer Fehler, jener Kanonenschuß! |
Der Gauner hat das Weite gesucht, doch er hat wertvolle Beute hinterlassen, einen Fächer! Ein Komplize muß ihm geholfen haben. (Er überlegt eine Weile, betrachtet dann aufmerksam den Fächer; plötzlich sieht er darauf ein Wappen.) Die Marchesa Attavanti! Ihr Wappen ... (Er sieht sich aufmerksam um und untersucht jeden Winkel der Kirche. Er betrachtet das Gerüst, die Malutensilien, das Bild ... und erkennt im Gesicht der Heiligen die ihm bekannten Züge der Attavanti.) Ihr Abbild! (zum Mesner) Wer hat das Bild gemalt? MESNER Herr Cavaradossi. SCARPIA Er! (Einer der Schergen bringt den Korb aus der Kapelle, den Cavaradossi Angelotti gegeben hatte.) MESNER Götter! Der Eßkorb! SCARPIA (in seiner Überlegung fortfahrend) Er! Der Geliebte der Tosca! Ein verdächtiger Mann! Ein Staatsfeind! MESNER (der den Korb untersucht hat) Leer! Leer! |
SCARPIA Was hast du gesagt? (sieht den Schergen mit dem Korb) Was gibt's? MESNER (nimmt den Korb) In der Kapelle wurde dieser Korb gefunden. SCARPIA Du kennst ihn? MESNER Natürlich (zögernd und ängstlich) Es ist der Korb des Malers ... aber ... vielleicht? SCARPIA Spuck aus, was du weißt! MESNER Ich habe ihn hier abgestellt mit feinen Speisen ... das Essen für den Maler. SCARPIA (versucht aufmerksam, mehr zu entdecken) Er hat gegessen! MESNER In der Kapelle? Er hatte keinen Schlüssel. Wollte auch nicht essen, hat selbst gesagt. |
Deshalb habe ich den Korb beiseite gestellt. Libera me domine! (Er zeigt, wohin er den Korb gestellt hat, und läßt ihn dort.) SCARPIA (für sich) Alles ist klar ... Was der Mesner für sich haben wollte, kam Angelotti dann zustatten. (Erregt tritt Tosca ein.) Tosca? Sie soll mich nicht sehen. (Er versteckt sich hinter der Säule mit dem Weihwasserbecken.) Um einen Eifersüchtigen ins Verderben zu stürzen, nahm Jago ein Taschentuch. Ich habe einen Fächer! TOSCA (läuft zum Gerüst in der Annahme, dort Cavaradossi zu finden, und ist überrascht, weil sie ihn nicht sieht) Mario! Mario! MESNER (der unten am Gerüst steht) Der Maler Cavaradossi? Wer weiß, wo er ist? Verschwunden, fortgeschlichen wie durch Hexerei. (macht sich davon) TOSCA Betrogen? Nein, nein ... |
Betrügen kann er mich nicht! SCARPIA (tritt hinter der Säule hervor und geht auf Tosca zu, die überrascht ist, ihn hier zu finden. Mit seinem Finger bietet er ihr Weihwasser. Glocken läuten draußen, sie rufen die Gläubigen zur Kirche.) Göttliche Tosca! Meine Hand bietet sich Eurem kleinen Händchen, nicht aus Galanterie, sondern um Euch das geweihte Wasser zu spenden. TOSCA (berührt Scarpias Finger und macht das Zeichen des Kreuzes) Danke, mein Herr! (Langsam füllt sich das Mittelschiff der Kirche mit den Gläubigen - Leute jeder Klasse, reich und arm, Bürger und Bauern, Soldaten und Bettler. Dann ein Kardinal mit dem Klostervorstand, der sich zum Hauptaltar begibt. Das Volk drängt sich zu jenem Altar im Mittelschiff.) SCARPIA Ein leuchtendes Vorbild seid Ihr aus heiligem Eifer schöpft Ihr Eure meisterliche Kunst, die der Glaube gen Himmel sendet! TOSCA (zerstreut und nachdenklich) Allzu gütig! |
SCARPIA So fromme Frauen sind selten ... Ihr steht auf der Bühne ... (mit Betonung) und kommt in die Kirche zu beten. TOSCA (überrascht) Was wollt Ihr? SCARPIA Und macht es nicht wie gewisse dreiste Weiber, (Er zeigt auf das Bild.) die Gesicht und Kleidung der Magdalena haben und hier der Liebe frönen! TOSCA (auffahrend) Was? Der Liebe? Beweise! SCARPIA (zeigt den Fächer) Ist das vielleicht Malgerät? TOSCA (reißt ihn an sich) Ein Fächer! Wo war er? SCARPIA Da oben auf dem Gerüst. Es kam wohl jemand und störte die Liebenden, und auf der Flucht verlor sie ihre Federn! TOSCA (untersucht den Fächer) Die Krone! Das Wappen! Die Attavanti! |
Hab' ich es doch geahnt! SCARPIA (für sich) Ich habe mein Ziel erreicht! TOSCA (hält mit Mühe die Tränen zurück und vergißt ganz, wo sie ist und mit wem sie spricht) Ich kam traurig hierher, um ihm zu sagen, daß heute abend der Himmel sich vergeblich verdunkelt, die liebende Tosca ist eine Gefangene ... SCARPIA (für sich) Schon beginnt das Gift zu wirken! TOSCA ... eine Gefangene der königlichen Feste! SCARPIA (für sich) Schon wirkt das Gift! (schmeichelnd zu Tosca) Oh, was bedrückt Euch schöne Frau? Eine einsame Träne rinnt wie ein Tautropfen über die lieblichen Wangen, sie zu benetzen; reizende Frau, was ist Euch? TOSCA Nichts! SCARPIA (bedeutungsvoll) Ich gäbe mein Leben, |
um diese Träne zu trocknen. TOSCA (ohne auf ihn zu hören) Ich vergehe hier vor Schmerz, und er verlacht mein Leid in den Armen einer anderen! SCARPIA (für sich) Das Gift wirkt! TOSCA (besinnt sich) Wo bin ich? Könnte ich die Verräter finden! Welch ein Verdacht! Sollte das Landhaus ihrer Liebe Zuflucht sein? Verräter! Verräter! (mit größtem Schmerz) Mein Nest mit Schmutz beworfen! (mit plötzlicher Entschlossenheit) Ich werde sie überraschen! (Mit drohender Gebärde wendet sie sich gegen das Bild.) Du hast ihn heute abend nicht! Ich schwöre es! SCARPIA (entrüstet, fast vorwurfsvoll) In der Kirche! TOSCA Gott wird mir verzeihen! (Aufgeregt geht sie hinaus; Scarpia begleitet sie, als wäre er um ihre Sicherheit besorgt. Kaum ist Tosca gegangen, geht er an die Säule zurück und gibt ein Zeichen.) |
SCARPIA (zu Spoletta, der hinter der Säule hervortritt) Drei Schergen, ein Wagen ... folgt schnell, wohin sie auch geht. Und sieh dich vor! SPOLETTA Verstanden! Und der Bericht? SCARPIA In den Palazzo Farnese! (Spoletta eilt mit den drei Schergen ab.) Geh, Tosca! Dir im Herzen nistet Scarpia ... Geh Tosca, und Scarpia läßt den Falken deiner Eifersucht zum Flug sich erheben. Wieviel Versprechen in deinem Verdacht! Dir im Herzen nistet Scarpia ... Geh, Tosca! (Scarpia verneigt sich und betet, als der Kardinal vorbeigeht.) CHOR Adjutorum nostrum in nomine Domini qui fecit coelum et terram. Sit nomen Domini benedictum et hoc nunc et usque in saeculum. |
SCARPIA Doppelte Beute soll mir mein Falke bringen, das Haupt des Rebellen ist nicht der große Preis. Ah, wenn sie in meine Arme sinkt, schmachtend vor Liebeslust ... Der eine für den Galgen, sie in meine Arme ... CHOR Te Deum laudamus! Te Dominum confitemur (Der heilige Gesang hinten in der Kirche weckt Scarpia wie aus einem Traum. Er sammelt sich, macht das Zeichen des Kreuzes.) SCARPIA Tosca, du läßt mich Gott vergessen! (Er kniet nieder und betet andächtig.) CHOR, SCARPIA Te aeternum Patrem omnis terra veneratur. |
libretto by Gudrun Meier |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |