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Tosca” by Giacomo Puccini libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt
ZWEITER AKT

Scarpias Zimmer im obersten Stockwerk des
Palazzo Farnese

(Ein gedeckter Tisch. Ein großes Fenster zum Hof
des Palastes. Es ist Nacht. Scarpia sitzt am Tisch
und ißt; er hält des öfteren inne, um
nachzudenken. Er sieht auf die Uhr, wird unruhig
und nachdenklich.)


SCARPIA
Tosca ist ein guter Falke!
Sicher bringen mir bald
meine Spürhunde die Beute!
Morgen bei Tagesanbruch
werden dann Angelotti und der
schöne Mario am Galgen hängen!
(Er läutet; Sciarrone erscheint.)
Ist Tosca im Palast?

SCIARRONE
Ein Kammerherr ist gegangen,
sie zu suchen.

SCARPIA (zeigt auf das Fenster)
Öffne! Es ist schon spät in der Nacht.
(Aus dem unteren Stockwerk, wo die Königin von
Neapel, Maria Carolina, ein Fest zu Ehren Melas'
gibt, klingt Orchestermusik.)
Zu der Kantate fehlt noch die Diva!
Und sie kratzen Gavotte.
(zu Sciarrone)
Du paßt die Tosca am Eingang ab

und sagst ihr, daß ich sie sprechen will,
nach der Kantate ...
Oder besser ...
(Er steht auf, um einen Brief zu schreiben.)
Du gibst ihr diesen Brief.
(Sciarrone geht. Scarpia setzt sich wieder an den
Tisch.)

Sie kommt bestimmt, aus Liebe zu ihrem Mario!
Die Liebe zu ihrem Mario
wird sie mir in die Arme treiben.
So wird aus großer Liebe noch größeres Leid.
Erzwungene Liebe ist schöner als
in Liebe schmachten,
im bleichen Mondlicht
sie zu betrachten, ist nicht mein Geschmack.
Gitarre und Blumenhoroskope liegen mir nicht,
kann keine verliebten Fischaugen machen
oder turteln wie ein Täuberich! Ich begehre.
Was ich begehre, muß ich haben,
mich daran sättigen und dann wegwerfen
auf der Suche nach Neuem.
Gott schuf verschiedene Schönheiten und Weine.
Ich will voll genießen von der göttlichen Schöpfung!
(Er trinkt. Sciarrone tritt ein.)

SCIARRONE
Spoletta ist gekommen.

SCARPIA
Er soll kommen. Endlich!
(Spoletta tritt ein. Scarpia befragt ihn, ohne die
Augen vom Essen zu heben.)
Nun, Verehrtester, wie war die Jagd?

SPOLETTA (für sich)
Heiliger Ignaz, steh mir bei!
(zu Scarpia)
Die Spur der Dame haben wir verfolgt.
Wir kamen zu einem einsamen Landhaus,
das hinter Büschen versteckt liegt.
Sie ging hinein.
Doch schnell kam sie allein wieder heraus.
Nun kletterte ich schnell auf die Gartenmauer
mit meinen Begleitern und drang ins Haus ein ...

SCARPIA
Sehr tüchtig, Spoletta!

SPOLETTA
Flink ... durchsuchten wir ... alles!

SCARPIA
(bemerkt Spolettas Zögern und erhebt sich, blaß
vor Zorn mit gefurchter Stirn)

Ah! Und Angelotti?

SPOLETTA
Er war nicht zu finden.

SCARPIA (rasend vor Wut)
Ah, du Hund! Du Verräter!
Mistkerl,
an den Galgen!

SPOLETTA
Jesus!
(sucht Scarpias Zorn zu besänftigen)

Da war der Maler ...

SCARPIA
Cavaradossi?

SPOLETTA
(nickt und fügt schnell hinzu)
Er weiß, wo der andere sich versteckt.
Jede Gebärde, jedes Wort
verrieten so viel Spott und Ironie,
daß ich ihn festnehmen ließ.

SCARPIA (atmet erleichtert auf)
Um so besser!

SPOLETTA (zeigt zum Vorraum)
Er ist da.
(Scarpia geht hin und her, am Überlegen. Er hält
plötzlich an, als er durch das offene Fenster die
Chorkantate im Appartement der Königin gesungen

hört.)

SCARPIA (zu Spoletta)
Führt den Herrn herein.
(Spoletta geht hinaus, zu Sciarrone)
Roberti und der Richter zu mir!
(Sciarrone geht ab. Scarpia setzt sich wieder.
Spoletta und vier Schergen führen Mario
Cavaradossi herein; dann folgen Roberti, der Büttel,
und der Richter mit einem Schreiber und Sciarrone.)

CAVARADOSSI (würdevoll)
Welch ein Gewaltakt!

SCARPIA (mit gespielter Höflichkeit)
Mein Herr, vielleicht möchtet Ihr Platz nehmen.
CAVARADOSSI
Ich möchte wissen ...

SCARPIA
(weist auf einen Stuhl auf der anderen Seite des
Tisches)
Setzt Euch.

CAVARADOSSI (ablehnend)
Ich werde stehen.

SCARPIA
Gut! Ihr wißt, daß ein Gefangener ...
(Man hört Toscas Stimme, die in der Kantate
mitwirkt.)

CAVARADOSSI
Ihre Stimme!

SCARPIA
(unterbricht sich, als er Toscas Stimme hört, dann:)
Ihr wißt, daß ein Gefangener
heute aus dem Kastell Sant'Angelo geflohen ist?

CAVARADOSSI
Ich weiß es nicht.

SCARPIA
Immerhin wird behauptet,
Ihr hättet ihn in Sant'Andrea versteckt,
ihm Essen und Kleidung gegeben ...

CAVARADOSSI (unerschrocken)
Das ist eine Lüge!
SCARPIA (fährt unbeirrt fort)
... und ihn dann in Eure Villa
vor der Stadt geführt.

CAVARADOSSI
Das leugne ich! Die Beweise?

SCARPIA (schmeichlerisch)
Ein treuer Untertan ...

CAVARADOSSI
Zur Sache. Wer klagt mich an?
Eure Schergen fanden nichts in der Villa.

SCARPIA
Das zeigt, daß er gut versteckt ist.

CAVARADOSSI
Der Verdacht eines Denunzianten!

SPOLETTA (beleidigt)
Als wir suchten, lachte er über uns!

CAVARADOSSI
Ich lache immer noch.

SCARPIA (hart)
Das hier ist ein Ort der Tränen! Hütet Euch!
Genug jetzt! Antwortet!
(Er steht auf und schließt ärgerlich das Fenster, um
nicht von dem Gesang aus dem unteren Stockwerk
gestört zu werden; dann wendet er sich in
herrischem Ton an Cavaradossi.)


Wo ist Angelotti?

CAVARADOSSI
Ich weiß es nicht!

SCARPIA
Ihr leugnet, daß ihr ihm zu essen gabt?

CAVARADOSSI
Das leugne ich!

SCARPIA
Und Kleider?

CAVARADOSSI
Ich leugne es!

SCARPIA
Und Asyl in dem Landhaus?
Und daß er dort verborgen ist?

CAVARADOSSI (energisch)
Ich leugne es! Ich leugne es!

SCARPIA (listig und wieder ruhig)
Nun mein Herr, bedenkt:
klug ist Eure Sturheit sicher nicht.
Wenn Ihr gesteht, bleibt Kummer Euch erspart.
Ich rate Euch, sagt mir,
wo ist nun Angelotti?

CAVARADOSSI
Ich weiß es nicht.

SCARPIA
Hütet Euch! Ein letztes Mal: Wo ist er?

CAVARADOSSI
Ich weiß es nicht!

SPOLETTA (beiseite)
Er ist reif für die Folter!
(Tosca tritt angstvoll ein.)

SCARPIA (für sich)
Da ist sie!

TOSCA
(sieht Cavaradossi, läuft ihn zu umarmen)
Mario, du hier?

CAVARADOSSI (spricht leise)
Was du alles dort gesehen hast,
verschweige, oder du wirst mich töten!
(Tosca zeigt, daß sie ihn verstanden hat.)

SCARPIA (ernsthaft)
Mario Cavaradossi,
auf den Beweis wartet dort der Richter.
(zu Roberti)
Erst die einfache Ausführung ...
dann nach meinen Befehlen.
(Sciarrone öffnet die Tür zur Folterkammer. Der
Richter geht hinein, die anderen folgen ihm.
Spoletta zieht sich nach der Tür im Hintergrunde
zurück. Tosca und Scarpia bleiben allein.)

SCARPIA
Und nun plaudern wir als gute Freunde.

Seht nicht so ängstlich drein.

TOSCA (mit gespielter Ruhe)
Ich habe keine Angst.

SCARPIA
Was war mit dem Fächer?
(Er tritt auf das Kanapee zu, auf dem Tosca sitzt,
beugt sich galant über die Lehne.)

TOSCA (mit gespielter Gleichgültigkeit)
War blinde Eifersucht.

SCARPIA
Die Attavanti war also nicht in der Villa?

TOSCA
Nein, er war allein.

SCARPIA
Allein! Ihr seid wirklich sicher?

TOSCA
Nichts entgeht dem Argwohn. Allein! Allein!

SCARPIA
(nimmt einen Stuhl, trägt ihn zu Tosca hin, setzt
sich und blickt sie starr an)

Ist das wahr?

TOSCA (gereizt)
Ganz allein, ja!
SCARPIA
Welch ein Zorn! Ihr habt wohl Angst,
etwas auszuplaudern.
(zu Sciarrone)
Sciarrone, was sagt der Kavalier?

SCIARRONE (eilt herbei)
Er leugnet!

SCARPIA
(mit lauter Stimme gegen die Tür)
Also dann weiter!
(Sciarrone geht wieder hinein und schließt die Tür.)

TOSCA (lachend)
Ach, das nützt nichts!

SCARPIA (ernst, läuft umher)
Wir werden sehen, meine Dame.

TOSCA
Soll er also lügen Euch zu Gefallen?

SCARPIA
Das nicht, aber die Wahrheit könnte ihm
eine peinliche Stunde abkürzen ...

TOSCA (überrascht)
Eine peinliche Stunde? Was wollt Ihr sagen?
Was geschieht in jenem Zimmer?

SCARPIA
Mit Gewalt erfüllt sich das Gesetz.

TOSCA
Oh, Gott! Was geschieht, was geschieht ...

SCARPIA
Die Hände und Füße hat Euer Freund gebunden,
ein Stacheldiadem um die Schläfen
läßt bei jedem Leugnen das Blut hervorspritzen!

TOSCA (springt auf)
Das ist nicht wahr, es ist nicht wahr!
Welch ein teuflisches Grinsen!
(Sie hört Cavaradossi laut stöhnen.)
Ein Stöhnen? Mitleid ... Mitleid ...

SCARPIA
Es liegt an Euch, ihn zu retten.

TOSCA
Gut, doch haltet ein, haltet ein!

SCARPIA (ruft)
Sciarrone, macht ihn los!

SCIARRONE (erscheint in der Tür)
Ganz?

SCARPIA
Ganz!
(Sciarrone geht in die Folterkammer zurück und
schließt die Tür.)

Und nun die Wahrheit!

TOSCA
Ich will ihn sehen!

SCARPIA
Nein!

TOSCA (nähert sich der Tür)
Mario!

CAVARADOSSIS STIMME
Tosca!

TOSCA
Quälen sie dich noch?

CAVARADOSSIS STIMME
Nein, nur Mut! Schweige, ich halt' es aus!

SCARPIA
Nun denn, Tosca, redet!

TOSCA (durch Marios Worte ermutigt)
Ich weiß nichts!

SCARPIA
Reicht diese Probe nicht?
Roberti, frisch begonnen ...

TOSCA
(stellt sich zwischen Scarpia und die Tür)
Nein! Nicht weiter!

SCARPIA
Ihr wollt also reden?

TOSCA
Nein, nein! Ah! ... Ungeheuer ...
du quälst ihn, du bringst ihn um!

SCARPIA
Du quälst ihn noch mehr,
weil du schweigst.

TOSCA
Du lachst, du lachst
bei all dem Jammer?

SCARPIA (bissig)
Auf der Bühne
war Tosca nie tragischer!
(zu Spoletta)
Öffnet die Türen,
damit man die Klagen hört!
(Spoletta öffnet die Tür und postiert sich auf der
Schwelle.)

CAVARADOSSIS STIMME
Ich bin stärker als ihr!

SCARPIA
Noch stärker! Noch stärker! ...

CAVARADOSSIS STIMME
Ich bin stärker als ihr!

SCARPIA (zu Tosca)
Redet ...

TOSCA
Was soll ich sagen?

SCARPIA
Los, auf ...

TOSCA
Ah, ich weiß nichts!
Sollte ich lügen?

SCARPIA
Sagt, wo ist Angelotti?

TOSCA
Nein, nein!

SCARPIA
Redet doch, los,
wo hält er sich versteckt?

TOSCA
Ich kann nicht mehr! Ah! Welches Grauen!
Beendet die Qual! ... Das ist zuviel Leiden ...
Ich kann nicht mehr ... ich kann nicht mehr!

CAVARADOSSIS STIMME
Oh Gott!

TOSCA
(wendet sich flehend an Scarpia, der Spoletta ein
Zeichen gibt, Tosca näher heranzulassen; sie geht
zum offenen Eingang, und niedergeschmettert vom
Anblick der furchtbaren Szene, wendet sie sich in
tiefstem Schmerz an Cavaradossi)


O Mario, erlaubst du, daß ich rede?

CAVARADOSSIS STIMME
Nein!

TOSCA (flehend)
Hör doch, ich kann nicht mehr ...

CAVARADOSSIS STIMME
Närrin, was weißt du? Was kannst du sagen?

SCARPIA
(gereizt durch Marios Worte)
Bringt ihn zum Schweigen!
(Spoletta geht in die Folterkammer und kommt
bald wieder heraus, während Tosca, von der
furchtbaren Aufregung überwältigt, auf das
Kanapee niedersinkt. Schluchzend wendet sie sich
an Scarpia, der teilnahmslos und schweigend
dasteht. Währenddessen murmelt Spoletta leise
Gebete:
...Judex ergo cum sedebit quidquid latet
apparebit nil inultum remanebit.)

TOSCA
Was habe ich Euch in meinem Leben getan?
Bin ich es doch, die Ihr so quält,
meine Seele ...
(Sie bricht in krampfhaftes Weinen aus.)
Ihr foltert meine Seele ...

SPOLETTA (murmelt weiter seine Gebete)
Nil inultum remanebit!

(Scarpia nutzt Toscas Schwäche, tritt an die Tür
der Folterkammer und gibt ein Zeichen, von neuem
zu beginnen. Cavaradossi stößt einen furchtbaren
Schrei aus. Tosca fährt auf und sagt mit erstickter
Stimme zu Scarpia:)


TOSCA
Im Brunnen ... im Garten ...

SCARPIA
Dort ist Angelotti?

TOSCA
Ja!

SCARPIA
(laut zur Folterkammer hin)
Es reicht, Roberti!

SCIARRONE (der die Tür geöffnet hat)
Er ist ohnmächtig!

TOSCA (zu Scarpia)
Mörder!
Ich will ihn sehen!

SCARPIA
Bringt ihn her!
(Sciarrone geht wieder in die Folterkammer, und
der ohnmächtige Cavaradossi wird von den
Häschern hereingetragen und auf das Kanapee
gelegt. Tosca läuft zu ihm hin, doch der Anblick des


mit Blut besudelten Cavaradossi erschüttert sie so
sehr, daß sie sich die Hand vor die Augen schlägt.
Dann schämt sie sich ihrer Schwäche, küßt ihn
und weint. Sciarrone, Roberti, der Richter und der
Schreiber treten nach hinten ab. Scarpia bedeutet,
daß Spoletta und die Schergen bleiben sollen.)


CAVARADOSSI (kommt zu sich)
Floria!

TOSCA (ihn mit Küssen überhäufend)
Geliebter!

CAVARADOSSI
Bist du es?

TOSCA
Hast du leiden müssen,
mein Geliebter! Doch der
schmutzige Henker wird es bezahlen!

CAVARADOSSI
Tosca, hast du geredet?

TOSCA
Nein, Geliebter!

CAVARADOSSI
Wirklich?

TOSCA
Nein!

SCARPIA (laut zu Spoletta)
Im Brunnen ...
Im Gar ten ...
Hol ihn, Spoletta!
(Spoletta geht ab. Cavaradossi hat es gehört. Er
erhebt sich drohend auf Tosca zu, aber seine Kraft
versagt, und er fällt zurück auf das Kanapee,
äußerst vorwurfsvoll, als er ausruft:)


CAVARADOSSI
Ah! Du hast mich verraten!

TOSCA (flehend)
Mario!

CAVARADOSSI
(stößt Tosca zurück)
Verfluchte!

TOSCA (flehend)
Mario!

SCIARRONE (rennt angstvoll herein)
Euer Gnaden, welche Neuigkeiten!

SCARPIA (überrascht)
Was besagt die Trauermiene?

SCIARRONE
Die Nachricht von einer Niederlage!

SCARPIA
Welche Niederlage? Wie? Wo?

SCIARRONE
Bei Marengo!

SCARPIA (ungeduldig)
Hölle und Teufel!

SCIARRONE
Bonaparte hat gesiegt!

SCARPIA
Und Melas?

SCIARRONE
Nein, Melas ist geflüchtet!
(Cavaradossi hat mit wachsender Unruhe den
Worten Sciarrones gelauscht und findet in seiner
Begeisterung die Kraft, sich drohend gegen Scarpia
zu erheben.)


CAVARADOSSI
Viktoria! Viktoria!
Der siegreiche Tag erscheint,
der die Schufte erzittern läßt!
Die Freiheit erhebt sich
gegen die Tyrannei!

TOSCA (versucht verzweifelt, ihn zu beruhigen)
Mario, schweige! Mitleid mit mir!

CAVARADOSSI
Ob der erlittenen Qualen
siehst du mich nun frohlocken ...
Dein Herz erbebt,

feiger Henkersknecht!
(Tosca klammert sich an Cavaradossi und versucht
mit verzweifelten Worten, ihn zu beruhigen,
während Scarpia mit einem süffisanten Lächeln
antwortet.)


SCARPIA
Bravo, schrei!
Zeige mir deine boshafte Gesinnung!
Nur weiter, du richtest dich selbst,
der Henker wartet auf dich!
(zu den Schergen)
Schafft ihn fort!
(Sciarrone und die Schergen greifen Cavaradossi
und ziehen ihn zur Tür. Tosca macht eine
überwältigende Anstrengung ihn zu halten, aber sie
stoßen sie brutal zur Seite.)


TOSCA
Mario, mit dir ...

SCARPIA
Ihr nicht!
(Die Tür schließt sich, und Scarpia und Tosca
bleiben allein.)


TOSCA (seufzend)
Rettet ihn!

SCARPIA
Ich? ... Ihr!
(Er tritt an den Tisch, sieht das unterbrochene
Abendessen und macht sich ruhig und lächelnd


darüber her.)
Meine arme Mahlzeit wurde unterbrochen.
(Er sieht Tosca niedergeschlagen und regungslos
an der Tür.)
So niedergeschlagen? Kommt, schöne Dame, setzt
Euch hierher. Wenn Ihr wollt, überlegen wir
gemeinsam, Tosca, wie wir ihn retten können.
(Tosca zuckt zusammen und sieht ihn an. Scarpia
lächelt noch immer, setzt sich und bedeutet Tosca,
sich ebenfalls zu setzen.)

So nehmt doch Platz und laßt uns plaudern.
Und inzwischen einen Schluck spanischen Wein.
(Er füllt den Becher und reicht ihn Tosca.)
Ein Schlückchen zur Stärkung.

TOSCA
(sieht Scarpia unbewegt an, nähert sich langsam
dem Tische und setzt sich entschlossen Scarpia
gegenüber, dann fragt sie mit tiefster Verachtung)

Wieviel?

SCARPIA (gießt sich ungerührt Wein ein)
Wieviel?
(Er lacht.)

TOSCA
Der Kaufpreis!

SCARPIA
Na gut, man sagt mir nach, ich sei käuflich.
Doch einer schönen Frau verkaufe ich mich nicht für Geld.
Sollte ich den Treueid brechen,
so will ich anderen Lohn dafür.

Diese Stunde habe ich erwartet.
Wohl rührte mich manchmal
die Liebe der Götter,
doch erst, seit ich dich sah,
weiß ich, daß keine dir gleich ist!
deine Tränen weckten meine Sehnsucht
und dein Blick voller Haß,
der mich durchbohrte,
hat mich vor Begierde rasend gemacht!
Geschmeidig wie ein Leopard
hast du den Geliebten umarmt.
In dem Moment
schwor ich mir, daß du mein wirst!
Mein! Ja, ich werde dich haben! ...
(Er nähert sich Tosca mit ausgebreiteten Armen.
Sie hat seiner schamlosen Tirade bewegungslos
zugehört. Jetzt springt sie auf und rettet sich hinter
das Kanapee.)

TOSCA (läuft zum Fenster)
Ah!
Lieber stürze ich mich hinab!

SCARPIA (kalt)
Als Pfand bleibt mir dein Mario!

TOSCA
Ah! Elender Schuft!
Welch übles Geschäft!
(Es fällt ihr ein, die Königin aufzusuchen, und sie
läuft zur Tür.)


SCARPIA (ironisch)
Ich brauche keine Gewalt. Geh, du bist frei!
Doch die Hoffnung trügt; die Königin

wird nur einen Leichnam begnadigen!
(Tosca weicht entsetzt zurück, starrt Scarpia an
und läßt sich auf das Kanapee fallen; dann wendet
sie die Augen von Scarpia mit dem Ausdruck
tiefster Verachtung.)
Wie du mich haßt!

TOSCA
Ach, Gott!

SCARPIA (sich nähernd)
So gerade will ich dich haben!

TOSCA (voller Verachtung)
Rühre mich nicht an, Ungeheuer, ich hasse dich.
Ich hasse dich! Scheusal, Untier!
(Sie weicht entsetzt zurück.)

SCARPIA
Was macht das schon?
Flammen des Zorns und Flammen der Liebe!

TOSCA
Ungeheuer!

SCARPIA
Mein!
(versucht sie zu packen)

TOSCA
Ungeheuer!
(flieht hinter den Tisch)

SCARPIA (folgt ihr)
Mein ...

TOSCA
Hilfe! Hilfe!
(Entfernter Trommelwirbel kommt langsam näher,
entfernt sich dann wieder.)


SCARPIA
Hörst Du?
Es ist die Trommel. Das letzte Geleit geben sie
den Hochverrätern. Die Zeit vergeht.
(Tosca hat in schrecklicher Angst gelauscht, tritt
vom Fenster und läßt sich erschöpft auf dem
Kanapee nieder.)

Weißt du, welche Arbeit sie dort unten tun?
Dort zimmern sie den Galgen. Für deinen Mario
bleibt, wie du's gewollt, nur noch eine Stunde.
(Er stützt sich auf eine Ecke des Tisches und fixiert
Tosca mit kaltem Blick.)


TOSCA
Ich lebte für die Kunst, für die Liebe,
tat nie einem Menschen etwas zuleide .
Offen hatte ich die Hände für die Armen,
half ihnen in ihrem Unglück.
In tiefem Glauben trat ich immer
mit meinen Gebeten
an den heiligen Altar,
in tiefem Glauben schmückte ich
ihn immer mit Blumen.
Warum, mein Gott, warum,
entlohnst du es mir so
in dieser Stunde des Schmerzes?
Schmuck gab ich
der Madonna ans Gewand,

schickte meinen Gesang zu den Sternen
am Himmel, auf daß sie heller strahlten.
Warum, mein Gott, warum
entlohnst du es mir so
in dieser Stunde des Schmerzes?
(Sie kniet vor Scarpia.)

TOSCA
Sieh,
wie ich hier vor dir stehe,
bescheiden dich bitte. Nur ein Wort
der Gnade erwarte ich von dir ...

SCARPIA
Du bist zu schön, Tosca, und zu reizvoll.
Ich gebe nach. Zu einem geringen Preis.
Du verlangst von mir sein Leben, ich von dir nur
einen Augenblick.

TOSCA (mit tiefster Verachtung)
Geh, geh, du widerst mich an!
(Es klopft an der Tür.)

SCARPIA
Wer ist da?

SPOLETTA (tritt keuchend ein)
Euer Gnaden, Angelotti hat sich selbst,
als wir kamen, getötet.

SCARPIA
Na gut, dann hängt ihn tot an den Galgen.
Und der andere Gefangene?

SPOLETTA
Der Herr Cavaradossi?
Es ist alles vorbereitet, Euer Gnaden!

TOSCA (für sich)
O Gott, steh mir bei!

SCARPIA (zu Spoletta)
Warte!
(zu Tosca)
Nun?
(Tosca nickt zustimmend mit dem Kopf, weint vor
Scham und versteckt ihr Gesicht. Zu Spoletta)

Höre ...

TOSCA (unterbricht ihn sofort)
Aber ich will, daß er sofort frei ist ...

SCARPIA (zu Tosca)
Wir müssen täuschen;
öffentlich begnadigen kann ich ihn nicht.
Alle müssen glauben, daß er tot ist.
(deutet auf Spoletta)
Dieser Mann sorgt dafür.

TOSCA
Wer bürgt mir?

SCARPIA
Ich gebe ihm den Befehl in Eurer Gegenwart.
(zu Spoletta)

Spoletta, schließ die Tür!
(Spoletta schließt die Tür und kehrt dann zu
Scarpia zurück.)
Ich habe den Befehl geändert.
Der Gefangene wird erschossen ...
(Tosca starrt in panischer Angst.)
Paß auf ...
(Er sieht Spoletta scharf und bedeutsam an, und
Spoletta nickt, daß er verstanden hat.)

Wie wir es beim Grafen Palmieri machten.

SPOLETTA
Eine Erschießung ...

SCARPIA (mit besonderer Betonung)
... nur zum Schein! Wie beim Grafen Palmieri!
Hast du es richtig verstanden?

SPOLETTA
Ich habe gut verstanden!

SCARPIA
Geh!

TOSCA
Ich will es ihm selbst sagen.

SCARPIA
Wie du willst!
(zu Spoletta)
Du läßt sie passieren ...
Merke dir, um vier Uhr in der Frühe.

SPOLETTA
Ja, wie Palmieri.
(Spoletta geht ab. Scarpia bleibt bei der Tür stehen
und lauscht Spolettas Schritten. In Mimik und
Gestik völlig verändert, nähert er sich Tosca mit
großer Leidenschaft.)


SCARPIA
Ich hielt mein Versprechen ...

TOSCA (hält ihn zurück)
Noch nicht.
Ich will einen Geleitbrief,
um mit ihm aus dem Land zu fliehen.

SCARPIA (galant)
Das Weite wollt Ihr suchen?

TOSCA
Ja, für immer!

SCARPIA
Euer Wunsch sei Euch erfüllt.
(Er geht zum Sekretär, beginnt zu schreiben, hält
um Tosca zu fragen.)
Und welchen Weg nehmt Ihr?

TOSCA
Den kürzesten!

SCARPIA
Civitavecchia?

TOSCA
Ja!
(Während er schreibt, geht Tosca zum Tisch, um
mit zitternder Hand das Glas Wein zu nehmen, das
Scarpia eingegossen hat; als sie es zu ihren
Lippen hebt, sieht sie auf dem Tisch ein spitzes
Messer. Sie sieht, daß Scarpia voll in den Brief
vertieft ist und sie greift außerordentlich vorsichtig,
während sie seine Fragen beantwortet und ihn
ununterbrochen beobachtet, nach dem Messer.

Sie hat schließlich das Messer fassen können.
Sie versteckt es hinter dem Rücken, während sie
sich dem Tisch nähert und dabei Scarpia
beobachtet. Dieser ist mit dem Schreiben fertig,
setzt das Siegel auf den Passierschein und faltet
das Blatt. Dann öffnet er die Arme, nähert sich
Tosca, um sie an seine Brust zu ziehen.)


SCARPIA
Tosca, endlich bist du mein!
(Seine leidenschaftlichen Worte gehen in einen
furchtbaren Schrei über - Tosca hat ihm das
Messer in die Brust gestoßen.)
Verfluchte!

TOSCA
Das ist Toscas Kuß!
(Scarpia streckt den Arm zu Tosca hin und nähert
sich ihr taumelnd und hilfesuchend. Tosca weicht
ihm aus, sieht sich aber plötzlich zwischen Scarpia
und dem Tisch in die Enge getrieben. Als sie
merkt, daß er sie berühren will, stößt sie ihn
entsetzt zurück. Scarpia fällt und heult mit im
Blute erstickender Stimme.)


SCARPIA
Hilfe ... ich sterbe! Zu Hilfe! Ich sterbe!

TOSCA
(sieht zu, wie er sich hilflos auf dem Boden windet
und versucht, sich am Kanapee hochzuziehen)

Erstickst du nun im Blute?
Eine Frau hat dich getötet.
Hast du mich nun genug gequält?
Hörst du mich noch? Sprich!
Sieh mich an! Ich bin Tosca! O Scarpia!

SCARPIA (röchelt und fällt dann tot nach hinten)
Hilfe! Zu Hilfe!

TOSCA (beugt sich über ihn)
Erstickst du nun im Blut?
Stirb in Verdammnis! Stirb! Stirb! Stirb!
(Sie sieht ihn unbeweglich an.)
Er ist tot!
Nun vergebe ich ihm!
Einst zitterte vor ihm ganz Rom!
(Ohne den Blick von der Leiche zu wenden, geht
Tosca zum Tisch, legt das Messer hin, nimmt eine
Flasche Wasser, befeuchtet eine Serviette und
wäscht sich die Hände; dann geht sie zum Spiegel
und richtet ihr Haar. Nun sucht sie den
Passierschein auf dem Schreibtisch, findet ihn
nicht, dreht sich um und bemerkt ihn in der Hand
des Toten. Mit einem Schauder nimmt sie ihm das
Papier ab und versteckt es am Busen. Sie löscht
die Kerzen auf dem Tisch und will fortgehen, zögert
jedoch, holt dann die Kerze auf dem Sekretär,
entzündet die anderen daran und stellt je eine
Kerze rechts und links von Scarpia auf. Sie steht
auf, schaut erneut im Zimmer umher und erblickt


ein Kruzifix, nimmt es von der Wand, verneigt sich
andächtig und legt es dem Toten auf die Brust;
dann erhebt sie sich und geht vorsichtig hinaus,
die Tür hinter sich schließend.)


libretto by Gudrun Meier 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt

 Print-frendly