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“Tosca” by Giacomo Puccini libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |
Scarpias Zimmer im obersten Stockwerk des Palazzo Farnese (Ein gedeckter Tisch. Ein großes Fenster zum Hof des Palastes. Es ist Nacht. Scarpia sitzt am Tisch und ißt; er hält des öfteren inne, um nachzudenken. Er sieht auf die Uhr, wird unruhig und nachdenklich.) SCARPIA Tosca ist ein guter Falke! Sicher bringen mir bald meine Spürhunde die Beute! Morgen bei Tagesanbruch werden dann Angelotti und der schöne Mario am Galgen hängen! (Er läutet; Sciarrone erscheint.) Ist Tosca im Palast? SCIARRONE Ein Kammerherr ist gegangen, sie zu suchen. SCARPIA (zeigt auf das Fenster) Öffne! Es ist schon spät in der Nacht. (Aus dem unteren Stockwerk, wo die Königin von Neapel, Maria Carolina, ein Fest zu Ehren Melas' gibt, klingt Orchestermusik.) Zu der Kantate fehlt noch die Diva! Und sie kratzen Gavotte. (zu Sciarrone) Du paßt die Tosca am Eingang ab |
und sagst ihr, daß ich sie sprechen will, nach der Kantate ... Oder besser ... (Er steht auf, um einen Brief zu schreiben.) Du gibst ihr diesen Brief. (Sciarrone geht. Scarpia setzt sich wieder an den Tisch.) Sie kommt bestimmt, aus Liebe zu ihrem Mario! Die Liebe zu ihrem Mario wird sie mir in die Arme treiben. So wird aus großer Liebe noch größeres Leid. Erzwungene Liebe ist schöner als in Liebe schmachten, im bleichen Mondlicht sie zu betrachten, ist nicht mein Geschmack. Gitarre und Blumenhoroskope liegen mir nicht, kann keine verliebten Fischaugen machen oder turteln wie ein Täuberich! Ich begehre. Was ich begehre, muß ich haben, mich daran sättigen und dann wegwerfen auf der Suche nach Neuem. Gott schuf verschiedene Schönheiten und Weine. Ich will voll genießen von der göttlichen Schöpfung! (Er trinkt. Sciarrone tritt ein.) SCIARRONE Spoletta ist gekommen. SCARPIA Er soll kommen. Endlich! (Spoletta tritt ein. Scarpia befragt ihn, ohne die Augen vom Essen zu heben.) Nun, Verehrtester, wie war die Jagd? |
SPOLETTA (für sich) Heiliger Ignaz, steh mir bei! (zu Scarpia) Die Spur der Dame haben wir verfolgt. Wir kamen zu einem einsamen Landhaus, das hinter Büschen versteckt liegt. Sie ging hinein. Doch schnell kam sie allein wieder heraus. Nun kletterte ich schnell auf die Gartenmauer mit meinen Begleitern und drang ins Haus ein ... SCARPIA Sehr tüchtig, Spoletta! SPOLETTA Flink ... durchsuchten wir ... alles! SCARPIA (bemerkt Spolettas Zögern und erhebt sich, blaß vor Zorn mit gefurchter Stirn) Ah! Und Angelotti? SPOLETTA Er war nicht zu finden. SCARPIA (rasend vor Wut) Ah, du Hund! Du Verräter! Mistkerl, an den Galgen! SPOLETTA Jesus! (sucht Scarpias Zorn zu besänftigen) |
Da war der Maler ... SCARPIA Cavaradossi? SPOLETTA (nickt und fügt schnell hinzu) Er weiß, wo der andere sich versteckt. Jede Gebärde, jedes Wort verrieten so viel Spott und Ironie, daß ich ihn festnehmen ließ. SCARPIA (atmet erleichtert auf) Um so besser! SPOLETTA (zeigt zum Vorraum) Er ist da. (Scarpia geht hin und her, am Überlegen. Er hält plötzlich an, als er durch das offene Fenster die Chorkantate im Appartement der Königin gesungen hört.) SCARPIA (zu Spoletta) Führt den Herrn herein. (Spoletta geht hinaus, zu Sciarrone) Roberti und der Richter zu mir! (Sciarrone geht ab. Scarpia setzt sich wieder. Spoletta und vier Schergen führen Mario Cavaradossi herein; dann folgen Roberti, der Büttel, und der Richter mit einem Schreiber und Sciarrone.) CAVARADOSSI (würdevoll) Welch ein Gewaltakt! SCARPIA (mit gespielter Höflichkeit) Mein Herr, vielleicht möchtet Ihr Platz nehmen. |
CAVARADOSSI Ich möchte wissen ... SCARPIA (weist auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Tisches) Setzt Euch. CAVARADOSSI (ablehnend) Ich werde stehen. SCARPIA Gut! Ihr wißt, daß ein Gefangener ... (Man hört Toscas Stimme, die in der Kantate mitwirkt.) CAVARADOSSI Ihre Stimme! SCARPIA (unterbricht sich, als er Toscas Stimme hört, dann:) Ihr wißt, daß ein Gefangener heute aus dem Kastell Sant'Angelo geflohen ist? CAVARADOSSI Ich weiß es nicht. SCARPIA Immerhin wird behauptet, Ihr hättet ihn in Sant'Andrea versteckt, ihm Essen und Kleidung gegeben ... CAVARADOSSI (unerschrocken) Das ist eine Lüge! |
SCARPIA (fährt unbeirrt fort) ... und ihn dann in Eure Villa vor der Stadt geführt. CAVARADOSSI Das leugne ich! Die Beweise? SCARPIA (schmeichlerisch) Ein treuer Untertan ... CAVARADOSSI Zur Sache. Wer klagt mich an? Eure Schergen fanden nichts in der Villa. SCARPIA Das zeigt, daß er gut versteckt ist. CAVARADOSSI Der Verdacht eines Denunzianten! SPOLETTA (beleidigt) Als wir suchten, lachte er über uns! CAVARADOSSI Ich lache immer noch. SCARPIA (hart) Das hier ist ein Ort der Tränen! Hütet Euch! Genug jetzt! Antwortet! (Er steht auf und schließt ärgerlich das Fenster, um nicht von dem Gesang aus dem unteren Stockwerk gestört zu werden; dann wendet er sich in herrischem Ton an Cavaradossi.) |
Wo ist Angelotti? CAVARADOSSI Ich weiß es nicht! SCARPIA Ihr leugnet, daß ihr ihm zu essen gabt? CAVARADOSSI Das leugne ich! SCARPIA Und Kleider? CAVARADOSSI Ich leugne es! SCARPIA Und Asyl in dem Landhaus? Und daß er dort verborgen ist? CAVARADOSSI (energisch) Ich leugne es! Ich leugne es! SCARPIA (listig und wieder ruhig) Nun mein Herr, bedenkt: klug ist Eure Sturheit sicher nicht. Wenn Ihr gesteht, bleibt Kummer Euch erspart. Ich rate Euch, sagt mir, wo ist nun Angelotti? CAVARADOSSI Ich weiß es nicht. |
SCARPIA Hütet Euch! Ein letztes Mal: Wo ist er? CAVARADOSSI Ich weiß es nicht! SPOLETTA (beiseite) Er ist reif für die Folter! (Tosca tritt angstvoll ein.) SCARPIA (für sich) Da ist sie! TOSCA (sieht Cavaradossi, läuft ihn zu umarmen) Mario, du hier? CAVARADOSSI (spricht leise) Was du alles dort gesehen hast, verschweige, oder du wirst mich töten! (Tosca zeigt, daß sie ihn verstanden hat.) SCARPIA (ernsthaft) Mario Cavaradossi, auf den Beweis wartet dort der Richter. (zu Roberti) Erst die einfache Ausführung ... dann nach meinen Befehlen. (Sciarrone öffnet die Tür zur Folterkammer. Der Richter geht hinein, die anderen folgen ihm. Spoletta zieht sich nach der Tür im Hintergrunde zurück. Tosca und Scarpia bleiben allein.) SCARPIA Und nun plaudern wir als gute Freunde. |
Seht nicht so ängstlich drein. TOSCA (mit gespielter Ruhe) Ich habe keine Angst. SCARPIA Was war mit dem Fächer? (Er tritt auf das Kanapee zu, auf dem Tosca sitzt, beugt sich galant über die Lehne.) TOSCA (mit gespielter Gleichgültigkeit) War blinde Eifersucht. SCARPIA Die Attavanti war also nicht in der Villa? TOSCA Nein, er war allein. SCARPIA Allein! Ihr seid wirklich sicher? TOSCA Nichts entgeht dem Argwohn. Allein! Allein! SCARPIA (nimmt einen Stuhl, trägt ihn zu Tosca hin, setzt sich und blickt sie starr an) Ist das wahr? TOSCA (gereizt) Ganz allein, ja! |
SCARPIA Welch ein Zorn! Ihr habt wohl Angst, etwas auszuplaudern. (zu Sciarrone) Sciarrone, was sagt der Kavalier? SCIARRONE (eilt herbei) Er leugnet! SCARPIA (mit lauter Stimme gegen die Tür) Also dann weiter! (Sciarrone geht wieder hinein und schließt die Tür.) TOSCA (lachend) Ach, das nützt nichts! SCARPIA (ernst, läuft umher) Wir werden sehen, meine Dame. TOSCA Soll er also lügen Euch zu Gefallen? SCARPIA Das nicht, aber die Wahrheit könnte ihm eine peinliche Stunde abkürzen ... TOSCA (überrascht) Eine peinliche Stunde? Was wollt Ihr sagen? Was geschieht in jenem Zimmer? |
SCARPIA Mit Gewalt erfüllt sich das Gesetz. TOSCA Oh, Gott! Was geschieht, was geschieht ... SCARPIA Die Hände und Füße hat Euer Freund gebunden, ein Stacheldiadem um die Schläfen läßt bei jedem Leugnen das Blut hervorspritzen! TOSCA (springt auf) Das ist nicht wahr, es ist nicht wahr! Welch ein teuflisches Grinsen! (Sie hört Cavaradossi laut stöhnen.) Ein Stöhnen? Mitleid ... Mitleid ... SCARPIA Es liegt an Euch, ihn zu retten. TOSCA Gut, doch haltet ein, haltet ein! SCARPIA (ruft) Sciarrone, macht ihn los! SCIARRONE (erscheint in der Tür) Ganz? SCARPIA Ganz! (Sciarrone geht in die Folterkammer zurück und schließt die Tür.) Und nun die Wahrheit! |
TOSCA Ich will ihn sehen! SCARPIA Nein! TOSCA (nähert sich der Tür) Mario! CAVARADOSSIS STIMME Tosca! TOSCA Quälen sie dich noch? CAVARADOSSIS STIMME Nein, nur Mut! Schweige, ich halt' es aus! SCARPIA Nun denn, Tosca, redet! TOSCA (durch Marios Worte ermutigt) Ich weiß nichts! SCARPIA Reicht diese Probe nicht? Roberti, frisch begonnen ... TOSCA (stellt sich zwischen Scarpia und die Tür) Nein! Nicht weiter! |
SCARPIA Ihr wollt also reden? TOSCA Nein, nein! Ah! ... Ungeheuer ... du quälst ihn, du bringst ihn um! SCARPIA Du quälst ihn noch mehr, weil du schweigst. TOSCA Du lachst, du lachst bei all dem Jammer? SCARPIA (bissig) Auf der Bühne war Tosca nie tragischer! (zu Spoletta) Öffnet die Türen, damit man die Klagen hört! (Spoletta öffnet die Tür und postiert sich auf der Schwelle.) CAVARADOSSIS STIMME Ich bin stärker als ihr! SCARPIA Noch stärker! Noch stärker! ... CAVARADOSSIS STIMME Ich bin stärker als ihr! SCARPIA (zu Tosca) Redet ... |
TOSCA Was soll ich sagen? SCARPIA Los, auf ... TOSCA Ah, ich weiß nichts! Sollte ich lügen? SCARPIA Sagt, wo ist Angelotti? TOSCA Nein, nein! SCARPIA Redet doch, los, wo hält er sich versteckt? TOSCA Ich kann nicht mehr! Ah! Welches Grauen! Beendet die Qual! ... Das ist zuviel Leiden ... Ich kann nicht mehr ... ich kann nicht mehr! CAVARADOSSIS STIMME Oh Gott! TOSCA (wendet sich flehend an Scarpia, der Spoletta ein Zeichen gibt, Tosca näher heranzulassen; sie geht zum offenen Eingang, und niedergeschmettert vom Anblick der furchtbaren Szene, wendet sie sich in tiefstem Schmerz an Cavaradossi) |
O Mario, erlaubst du, daß ich rede? CAVARADOSSIS STIMME Nein! TOSCA (flehend) Hör doch, ich kann nicht mehr ... CAVARADOSSIS STIMME Närrin, was weißt du? Was kannst du sagen? SCARPIA (gereizt durch Marios Worte) Bringt ihn zum Schweigen! (Spoletta geht in die Folterkammer und kommt bald wieder heraus, während Tosca, von der furchtbaren Aufregung überwältigt, auf das Kanapee niedersinkt. Schluchzend wendet sie sich an Scarpia, der teilnahmslos und schweigend dasteht. Währenddessen murmelt Spoletta leise Gebete: ...Judex ergo cum sedebit quidquid latet apparebit nil inultum remanebit.) TOSCA Was habe ich Euch in meinem Leben getan? Bin ich es doch, die Ihr so quält, meine Seele ... (Sie bricht in krampfhaftes Weinen aus.) Ihr foltert meine Seele ... |
SPOLETTA (murmelt weiter seine Gebete) Nil inultum remanebit! (Scarpia nutzt Toscas Schwäche, tritt an die Tür der Folterkammer und gibt ein Zeichen, von neuem zu beginnen. Cavaradossi stößt einen furchtbaren Schrei aus. Tosca fährt auf und sagt mit erstickter Stimme zu Scarpia:) TOSCA Im Brunnen ... im Garten ... SCARPIA Dort ist Angelotti? TOSCA Ja! SCARPIA (laut zur Folterkammer hin) Es reicht, Roberti! SCIARRONE (der die Tür geöffnet hat) Er ist ohnmächtig! TOSCA (zu Scarpia) Mörder! Ich will ihn sehen! SCARPIA Bringt ihn her! (Sciarrone geht wieder in die Folterkammer, und der ohnmächtige Cavaradossi wird von den Häschern hereingetragen und auf das Kanapee gelegt. Tosca läuft zu ihm hin, doch der Anblick des |
mit Blut besudelten Cavaradossi erschüttert sie so sehr, daß sie sich die Hand vor die Augen schlägt. Dann schämt sie sich ihrer Schwäche, küßt ihn und weint. Sciarrone, Roberti, der Richter und der Schreiber treten nach hinten ab. Scarpia bedeutet, daß Spoletta und die Schergen bleiben sollen.) CAVARADOSSI (kommt zu sich) Floria! TOSCA (ihn mit Küssen überhäufend) Geliebter! CAVARADOSSI Bist du es? TOSCA Hast du leiden müssen, mein Geliebter! Doch der schmutzige Henker wird es bezahlen! CAVARADOSSI Tosca, hast du geredet? TOSCA Nein, Geliebter! CAVARADOSSI Wirklich? TOSCA Nein! |
SCARPIA (laut zu Spoletta) Im Brunnen ... Im Gar ten ... Hol ihn, Spoletta! (Spoletta geht ab. Cavaradossi hat es gehört. Er erhebt sich drohend auf Tosca zu, aber seine Kraft versagt, und er fällt zurück auf das Kanapee, äußerst vorwurfsvoll, als er ausruft:) CAVARADOSSI Ah! Du hast mich verraten! TOSCA (flehend) Mario! CAVARADOSSI (stößt Tosca zurück) Verfluchte! TOSCA (flehend) Mario! SCIARRONE (rennt angstvoll herein) Euer Gnaden, welche Neuigkeiten! SCARPIA (überrascht) Was besagt die Trauermiene? SCIARRONE Die Nachricht von einer Niederlage! SCARPIA Welche Niederlage? Wie? Wo? |
SCIARRONE Bei Marengo! SCARPIA (ungeduldig) Hölle und Teufel! SCIARRONE Bonaparte hat gesiegt! SCARPIA Und Melas? SCIARRONE Nein, Melas ist geflüchtet! (Cavaradossi hat mit wachsender Unruhe den Worten Sciarrones gelauscht und findet in seiner Begeisterung die Kraft, sich drohend gegen Scarpia zu erheben.) CAVARADOSSI Viktoria! Viktoria! Der siegreiche Tag erscheint, der die Schufte erzittern läßt! Die Freiheit erhebt sich gegen die Tyrannei! TOSCA (versucht verzweifelt, ihn zu beruhigen) Mario, schweige! Mitleid mit mir! CAVARADOSSI Ob der erlittenen Qualen siehst du mich nun frohlocken ... Dein Herz erbebt, |
feiger Henkersknecht! (Tosca klammert sich an Cavaradossi und versucht mit verzweifelten Worten, ihn zu beruhigen, während Scarpia mit einem süffisanten Lächeln antwortet.) SCARPIA Bravo, schrei! Zeige mir deine boshafte Gesinnung! Nur weiter, du richtest dich selbst, der Henker wartet auf dich! (zu den Schergen) Schafft ihn fort! (Sciarrone und die Schergen greifen Cavaradossi und ziehen ihn zur Tür. Tosca macht eine überwältigende Anstrengung ihn zu halten, aber sie stoßen sie brutal zur Seite.) TOSCA Mario, mit dir ... SCARPIA Ihr nicht! (Die Tür schließt sich, und Scarpia und Tosca bleiben allein.) TOSCA (seufzend) Rettet ihn! SCARPIA Ich? ... Ihr! (Er tritt an den Tisch, sieht das unterbrochene Abendessen und macht sich ruhig und lächelnd |
darüber her.) Meine arme Mahlzeit wurde unterbrochen. (Er sieht Tosca niedergeschlagen und regungslos an der Tür.) So niedergeschlagen? Kommt, schöne Dame, setzt Euch hierher. Wenn Ihr wollt, überlegen wir gemeinsam, Tosca, wie wir ihn retten können. (Tosca zuckt zusammen und sieht ihn an. Scarpia lächelt noch immer, setzt sich und bedeutet Tosca, sich ebenfalls zu setzen.) So nehmt doch Platz und laßt uns plaudern. Und inzwischen einen Schluck spanischen Wein. (Er füllt den Becher und reicht ihn Tosca.) Ein Schlückchen zur Stärkung. TOSCA (sieht Scarpia unbewegt an, nähert sich langsam dem Tische und setzt sich entschlossen Scarpia gegenüber, dann fragt sie mit tiefster Verachtung) Wieviel? SCARPIA (gießt sich ungerührt Wein ein) Wieviel? (Er lacht.) TOSCA Der Kaufpreis! SCARPIA Na gut, man sagt mir nach, ich sei käuflich. Doch einer schönen Frau verkaufe ich mich nicht für Geld. Sollte ich den Treueid brechen, so will ich anderen Lohn dafür. |
Diese Stunde habe ich erwartet. Wohl rührte mich manchmal die Liebe der Götter, doch erst, seit ich dich sah, weiß ich, daß keine dir gleich ist! deine Tränen weckten meine Sehnsucht und dein Blick voller Haß, der mich durchbohrte, hat mich vor Begierde rasend gemacht! Geschmeidig wie ein Leopard hast du den Geliebten umarmt. In dem Moment schwor ich mir, daß du mein wirst! Mein! Ja, ich werde dich haben! ... (Er nähert sich Tosca mit ausgebreiteten Armen. Sie hat seiner schamlosen Tirade bewegungslos zugehört. Jetzt springt sie auf und rettet sich hinter das Kanapee.) TOSCA (läuft zum Fenster) Ah! Lieber stürze ich mich hinab! SCARPIA (kalt) Als Pfand bleibt mir dein Mario! TOSCA Ah! Elender Schuft! Welch übles Geschäft! (Es fällt ihr ein, die Königin aufzusuchen, und sie läuft zur Tür.) SCARPIA (ironisch) Ich brauche keine Gewalt. Geh, du bist frei! Doch die Hoffnung trügt; die Königin |
wird nur einen Leichnam begnadigen! (Tosca weicht entsetzt zurück, starrt Scarpia an und läßt sich auf das Kanapee fallen; dann wendet sie die Augen von Scarpia mit dem Ausdruck tiefster Verachtung.) Wie du mich haßt! TOSCA Ach, Gott! SCARPIA (sich nähernd) So gerade will ich dich haben! TOSCA (voller Verachtung) Rühre mich nicht an, Ungeheuer, ich hasse dich. Ich hasse dich! Scheusal, Untier! (Sie weicht entsetzt zurück.) SCARPIA Was macht das schon? Flammen des Zorns und Flammen der Liebe! TOSCA Ungeheuer! SCARPIA Mein! (versucht sie zu packen) TOSCA Ungeheuer! (flieht hinter den Tisch) SCARPIA (folgt ihr) Mein ... |
TOSCA Hilfe! Hilfe! (Entfernter Trommelwirbel kommt langsam näher, entfernt sich dann wieder.) SCARPIA Hörst Du? Es ist die Trommel. Das letzte Geleit geben sie den Hochverrätern. Die Zeit vergeht. (Tosca hat in schrecklicher Angst gelauscht, tritt vom Fenster und läßt sich erschöpft auf dem Kanapee nieder.) Weißt du, welche Arbeit sie dort unten tun? Dort zimmern sie den Galgen. Für deinen Mario bleibt, wie du's gewollt, nur noch eine Stunde. (Er stützt sich auf eine Ecke des Tisches und fixiert Tosca mit kaltem Blick.) TOSCA Ich lebte für die Kunst, für die Liebe, tat nie einem Menschen etwas zuleide . Offen hatte ich die Hände für die Armen, half ihnen in ihrem Unglück. In tiefem Glauben trat ich immer mit meinen Gebeten an den heiligen Altar, in tiefem Glauben schmückte ich ihn immer mit Blumen. Warum, mein Gott, warum, entlohnst du es mir so in dieser Stunde des Schmerzes? Schmuck gab ich der Madonna ans Gewand, |
schickte meinen Gesang zu den Sternen am Himmel, auf daß sie heller strahlten. Warum, mein Gott, warum entlohnst du es mir so in dieser Stunde des Schmerzes? (Sie kniet vor Scarpia.) TOSCA Sieh, wie ich hier vor dir stehe, bescheiden dich bitte. Nur ein Wort der Gnade erwarte ich von dir ... SCARPIA Du bist zu schön, Tosca, und zu reizvoll. Ich gebe nach. Zu einem geringen Preis. Du verlangst von mir sein Leben, ich von dir nur einen Augenblick. TOSCA (mit tiefster Verachtung) Geh, geh, du widerst mich an! (Es klopft an der Tür.) SCARPIA Wer ist da? SPOLETTA (tritt keuchend ein) Euer Gnaden, Angelotti hat sich selbst, als wir kamen, getötet. SCARPIA Na gut, dann hängt ihn tot an den Galgen. Und der andere Gefangene? |
SPOLETTA Der Herr Cavaradossi? Es ist alles vorbereitet, Euer Gnaden! TOSCA (für sich) O Gott, steh mir bei! SCARPIA (zu Spoletta) Warte! (zu Tosca) Nun? (Tosca nickt zustimmend mit dem Kopf, weint vor Scham und versteckt ihr Gesicht. Zu Spoletta) Höre ... TOSCA (unterbricht ihn sofort) Aber ich will, daß er sofort frei ist ... SCARPIA (zu Tosca) Wir müssen täuschen; öffentlich begnadigen kann ich ihn nicht. Alle müssen glauben, daß er tot ist. (deutet auf Spoletta) Dieser Mann sorgt dafür. TOSCA Wer bürgt mir? SCARPIA Ich gebe ihm den Befehl in Eurer Gegenwart. (zu Spoletta) |
Spoletta, schließ die Tür! (Spoletta schließt die Tür und kehrt dann zu Scarpia zurück.) Ich habe den Befehl geändert. Der Gefangene wird erschossen ... (Tosca starrt in panischer Angst.) Paß auf ... (Er sieht Spoletta scharf und bedeutsam an, und Spoletta nickt, daß er verstanden hat.) Wie wir es beim Grafen Palmieri machten. SPOLETTA Eine Erschießung ... SCARPIA (mit besonderer Betonung) ... nur zum Schein! Wie beim Grafen Palmieri! Hast du es richtig verstanden? SPOLETTA Ich habe gut verstanden! SCARPIA Geh! TOSCA Ich will es ihm selbst sagen. SCARPIA Wie du willst! (zu Spoletta) Du läßt sie passieren ... Merke dir, um vier Uhr in der Frühe. |
SPOLETTA Ja, wie Palmieri. (Spoletta geht ab. Scarpia bleibt bei der Tür stehen und lauscht Spolettas Schritten. In Mimik und Gestik völlig verändert, nähert er sich Tosca mit großer Leidenschaft.) SCARPIA Ich hielt mein Versprechen ... TOSCA (hält ihn zurück) Noch nicht. Ich will einen Geleitbrief, um mit ihm aus dem Land zu fliehen. SCARPIA (galant) Das Weite wollt Ihr suchen? TOSCA Ja, für immer! SCARPIA Euer Wunsch sei Euch erfüllt. (Er geht zum Sekretär, beginnt zu schreiben, hält um Tosca zu fragen.) Und welchen Weg nehmt Ihr? TOSCA Den kürzesten! SCARPIA Civitavecchia? |
TOSCA Ja! (Während er schreibt, geht Tosca zum Tisch, um mit zitternder Hand das Glas Wein zu nehmen, das Scarpia eingegossen hat; als sie es zu ihren Lippen hebt, sieht sie auf dem Tisch ein spitzes Messer. Sie sieht, daß Scarpia voll in den Brief vertieft ist und sie greift außerordentlich vorsichtig, während sie seine Fragen beantwortet und ihn ununterbrochen beobachtet, nach dem Messer. Sie hat schließlich das Messer fassen können. Sie versteckt es hinter dem Rücken, während sie sich dem Tisch nähert und dabei Scarpia beobachtet. Dieser ist mit dem Schreiben fertig, setzt das Siegel auf den Passierschein und faltet das Blatt. Dann öffnet er die Arme, nähert sich Tosca, um sie an seine Brust zu ziehen.) SCARPIA Tosca, endlich bist du mein! (Seine leidenschaftlichen Worte gehen in einen furchtbaren Schrei über - Tosca hat ihm das Messer in die Brust gestoßen.) Verfluchte! TOSCA Das ist Toscas Kuß! (Scarpia streckt den Arm zu Tosca hin und nähert sich ihr taumelnd und hilfesuchend. Tosca weicht ihm aus, sieht sich aber plötzlich zwischen Scarpia und dem Tisch in die Enge getrieben. Als sie merkt, daß er sie berühren will, stößt sie ihn entsetzt zurück. Scarpia fällt und heult mit im Blute erstickender Stimme.) SCARPIA Hilfe ... ich sterbe! Zu Hilfe! Ich sterbe! |
TOSCA (sieht zu, wie er sich hilflos auf dem Boden windet und versucht, sich am Kanapee hochzuziehen) Erstickst du nun im Blute? Eine Frau hat dich getötet. Hast du mich nun genug gequält? Hörst du mich noch? Sprich! Sieh mich an! Ich bin Tosca! O Scarpia! SCARPIA (röchelt und fällt dann tot nach hinten) Hilfe! Zu Hilfe! TOSCA (beugt sich über ihn) Erstickst du nun im Blut? Stirb in Verdammnis! Stirb! Stirb! Stirb! (Sie sieht ihn unbeweglich an.) Er ist tot! Nun vergebe ich ihm! Einst zitterte vor ihm ganz Rom! (Ohne den Blick von der Leiche zu wenden, geht Tosca zum Tisch, legt das Messer hin, nimmt eine Flasche Wasser, befeuchtet eine Serviette und wäscht sich die Hände; dann geht sie zum Spiegel und richtet ihr Haar. Nun sucht sie den Passierschein auf dem Schreibtisch, findet ihn nicht, dreht sich um und bemerkt ihn in der Hand des Toten. Mit einem Schauder nimmt sie ihm das Papier ab und versteckt es am Busen. Sie löscht die Kerzen auf dem Tisch und will fortgehen, zögert jedoch, holt dann die Kerze auf dem Sekretär, entzündet die anderen daran und stellt je eine Kerze rechts und links von Scarpia auf. Sie steht auf, schaut erneut im Zimmer umher und erblickt |
ein Kruzifix, nimmt es von der Wand, verneigt sich andächtig und legt es dem Toten auf die Brust; dann erhebt sie sich und geht vorsichtig hinaus, die Tür hinter sich schließend.) |
libretto by Gudrun Meier |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |