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“Tristan und Isolde” by Richard Wagner libretto (German)
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |
EINLEITUNG ERSTE SZENE Isolde. Brangäne. (Stimme eines jungen Seemanns) (Zeltartiges Gemach auf dem Vorderdeck eines Seeschiffes, reich mit Teppichen behangen, beim Beginn nach dem Hintergrunde zu gänzlich geschlossen; zur Seite führt eine schmale Treppe in den Schiffsraum hinab. - Isolde auf einem Ruhebett, das Gesicht in die Kissen gedrückt. - Brangäne einen Teppich zurückgeschlagen haltend, blickt zur Seite über Bord STIMME EINES JUNGEN SEEMANNS (aus der Höhe, wie vom Mast her, vernehmbar) Westwärts schweift der Blick; ostwärts streicht das Schiff. Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! - Weh, ach wehe, mein Kind! - Irische Maid, du wilde, minnige Maid! ISOLDE (jäh auffahrend) Wer wagt mich zu höhnen? (Sie blickt verstört um sich) Brangäne, du? Sag', - wo sind wir? BRANGÄNE (an der Öffnung) Blaue Streifen stiegen im Osten auf; sanft und schnell segelt das Schiff: auf ruhiger See vor Abend erreichen wir sicher das Land. ISOLDE Welches Land? |
BRANGÄNE Kornwalls grünen Strand. ISOLDE Nimmermehr! Nicht heut, noch morgen! BRANGÄNE (lässt den Vorhang zufallen und eilt bestürzt zu Isolde) Was hör' ich? Herrin! Ha! ISOLDE (wild vor sich hin) Entartet Geschlecht! Unwert der Ahnen! Wohin, Mutter, vergabst du die Macht, über Meer und Sturm zu gebieten? O zahme Kunst der Zauberin, die nur Balsamtränke noch braut! Erwache mir wieder, kühne Gewalt; herauf aus dem Busen, wo du dich bargst! Hört meinen Willen, zagende Winde! Heran zu Kampf und Wettergetös'! Zu tobender Stürme wütendem Wirbel! Treibt aus dem Schlaf dies träumende Meer, weckt aus dem Grund seine grollende Gier! Zeigt ihm die Beute, die ich ihm biete! Zerschlag es dies trotzige Schiff, des zerschellten Trümmer verschling's! Und was auf ihm lebt, den wehenden Atem, den lass' ich euch Winden zum Lohn! BRANGÄNE (im äussersten Schreck, um Isolde sich bemühend) O weh! Ach! Ach |
des Übels, das ich geahnt! Isolde! Herrin! Teures Herz! Was bargst du mir so lang? Nicht eine Träne weintest du Vater und Mutter; kaum einen Gruss den Bleibenden botest du. Von der Heimat scheidend kalt und stumm, bleich und schweigend auf der Fahrt; ohne Nahrung, ohne Schlaf; starr und elend, wild verstört: wie ertrug ich, so dich sehend, nichts dir mehr zu sein, fremd vor dir zu stehn? Oh, nun melde, was dich müht! Sage, künde, was dich quält! Herrin Isolde, trauteste Holde! Soll sie wert sich dir wähnen, vertraue nun Brangänen! ISOLDE Luft! Luft! Mir erstickt das Herz! Öffne! Öffne dort weit! (Brangäne zieht eilig die Vorhänge in der Mitte auseinander) |
ZWEITE SZENE Die Vorigen. Tristan. Kurwenal. Schiffswolk. Ritter und Knappen. (Man blickt dem Schiff entlang bis zum Steuerbord, über den Bord hinaus auf das Meer und den Horizont. Um den Hauptmast in der Mitte ist Seevolk, mit Tauen beschäftigt, gelagert; über sie hinaus gewahrt man am Steuerbord Ritter und Knappen, ebenfalls gelagert; von ihnen etwas entfernt Tristan, mit verschränkten Armen stehend, und sinnend in das Meer blickend; zu Füssen ihm, nachlässig gelagert, Kurwenal) Vom Maste her, aus der Höhe, vernimmt man wieder die STIMME DES JUNGEN SEEMANNS Frisch weht der Wind der Heimat zu: mein irisch Kind, wo weilest du? Sind's deiner Seufzer Wehen, die mir die Segel blähen? Wehe, wehe, du Wind! Weh, ach wehe, mein Kind! ISOLDE (deren Blick sogleich Tristan fand und starr auf ihn geheftet blieb, dumpf für sich) Mir erkoren, mir verloren, hehr und heil, kühn und feig! Todgeweihtes Haupt! Todgeweihtes Herz! (zu Brangäne, unheimlich lachend) Was hältst du von dem Knechte? BRANGÄNE (ihrem Blicke folgend) Wen meinst du? ISOLDE Dort den Helden, der meinem Blick den seinen birgt, in Scham und Scheue abwärts schaut. Sag, wie dünkt er dich? BRANGÄNE Frägst du nach Tristan, teure Frau? |
dem Wunder aller Reiche, dem hochgepriesnen Mann, dem Helden ohne Gleiche, des Ruhmes Hort und Bann? ISOLDE (sie verhöhnend) Der zagend vor dem Streiche sich flüchtet, wo er kann, weil eine Braut er als Leiche für seinen Herrn gewann! Dünkt es dich dunkel, mein Gedicht? Frag ihn denn selbst, den freien Mann, ob mir zu nahn er wagt? Der Ehren Gruss und zücht'ge Acht vergisst der Herrin der zage Held, dass ihr Blick ihn nur nicht erreiche, den Helden ohne Gleiche! Oh, er weiss wohl, warum! Zu dem Stolzen geh, meld ihm der Herrin Wort! Meinem Dienst bereit, schleunig soll er mir nahn. BRANGÄNE Soll ich ihn bitten, dich zu grüssen? ISOLDE Befehlen liess dem Eigenholde Furcht der Herrin ich, Isolde! (Auf Isoldes gebieterischen Wink entfernt sich Brangäne und schreitet verschämt dem Deck entlang dem Steuerbord zu, an den arbeitenden Seeleuten vorbei. Isolde, mit starrem Blicke ihr folgend, zieht sich rücklings nach dem Ruhebett zurück, wo sie sitzend während des Folgenden bleibt, das Auge unabgewandt nach dem Steuerbord gerichtet) KURWENAL (der Brangäne kommen sieht, zupft, ohne sich zu erheben, Tristan am Gewande) Hab acht, Tristan! Botschaft von Isolde. TRISTAN (auffahrend) |
Was ist? Isolde? - (Er fasst sich schnell, als Brangäne vor ihm anlangt und sich verneigt) Von meiner Herrin? Ihr gehorsam, was zu hören meldet höfisch mir die traute Magd? BRANGÄNE Mein Herre Tristan, euch zu sehen wünscht Isolde, meine Frau. TRISTAN Grämt sie die lange Fahrt, die geht zu End'; eh' noch die Sonne sinkt, sind wir am Land. Was meine Frau mir befehle, treulich sei's erfüllt. BRANGÄNE So mög Herr Tristan zu ihr gehn: das ist der Herrin Will'. TRISTAN Wo dort die grünen Fluren dem Blick noch blau sich färben, harrt mein König meiner Frau: zu ihm sie zu geleiten, bald nah ich mich der Lichten: keinem gönnt' ich diese Gunst. BRANGÄNE Mein Herre Tristan, höre wohl: deine Dienste will die Frau, dass du zur Stell ihr nahtest dort, wo sie deiner harrt. TRISTAN Auf jeder Stelle, wo ich steh, |
getreulich dien ich ihr, der Frauen höchster Ehr'; liess ich das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' ich sicher den Kiel zu König Markes Land? BRANGÄNE Tristan, mein Herre! Was höhnst du mich? Dünkt dich nicht deutlich die tör'ge Magd, hör meiner Herrin Wort! So, hiess sie, sollt ich sagen: Befehlen liess dem Eigenholde Furcht der Herrin sie, Isolde. KURWENAL (aufspringend) Darf ich die Antwort sagen? TRISTAN (ruhig) Was wohl erwidertest du? KURWENAL Das sage sie der Frau Isold'! Wer Kornwalls Kron' und Englands Erb' an Irlands Maid vermacht, der kann der Magd nicht eigen sein, die selbst dem Ohm er schenkt. Ein Herr der Welt Tristan der Held! Ich ruf's: du sag's, und grollten mir tausend Frau Isolden! (Da Tristan durch Gebärden ihm zu wehren sucht und Brangäne entrüstet sich zum Weggehen wendet, singt Kurwenal der zögernd sich Entfernenden mit höchster Stärke nach:) "Herr Morold zog zu Meere her, in Kornwall Zins zu haben; ein Eiland schwimmt |
auf ödem Meer, da liegt er nun begraben! Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: hei! unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann!" (Kurwenal, von Tristan fortgescholten, ist in den Schiffsraum hinabgestiegen; Brangäne in Bestürzung zu Isolde zurückgekehrt, schliesst hinter sich die Vorhänge, während die ganze Mannschaft aussen sich hören lässt) ALLE MÄNNER "Sein Haupt doch hängt im Irenland, als Zins gezahlt von Engeland: hei! unser Held Tristan, wie der Zins zahlen kann!" |
DRITTE SZENE (Isolde und Brangäne allein, bei vollkommen wieder geschlossenen Vorhängen. Isolde erhebt sich mit verzweiflungsvoller Wutgebärde. Brangäne stürzt ihr zu Füssen) BRANGÄNE Weh, ach wehe! Dies zu dulden! ISOLDE (dem furchtbarsten Ausbruche nahe, schnell sich zusammenraffend) Doch nun von Tristan! Genau will ich's vernehmen. BRANGÄNE Ach, frage nicht! ISOLDE Frei sag's ohne Furcht! BRANGÄNE Mit höf'schen Worten wich er aus. ISOLDE Doch als du deutlich mahntest? BRANGÄNE Da ich zur Stell ihn zu dir rief: wo er auch steh', so sagte er, getreulich dien er ihr, der Frauen höchster Ehr'; liess' er das Steuer jetzt zur Stund', wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land? ISOLDE (schmerzlich bitter) "Wie lenkt' er sicher den Kiel zu König Markes Land?" (grell und heftig) Den Zins ihm auszuzahlen, den er aus Irland zog! |
BRANGÄNE Auf deine eignen Worte, als ich ihm die entbot, liess seinen Treuen Kurwenal! - ISOLDE Den hab ich wohl vernommen, kein Wort, das mir entging. Erfuhrest du meine Schmach, nun höre, was sie mir schuf. Wie lachend sie mir Lieder singen, wohl könnt auch ich erwidern! Von einem Kahn, der klein und arm an Irlands Küste schwamm, darinnen krank ein siecher Mann elend im Sterben lag. Isoldes Kunst ward ihm bekannt; mit Heilsalben und Balsamsaft der Wunde, die ihn plagte, getreulich pflag sie da. Der "Tantris" mit sorgender List sich nannte, als Tristan Isold' ihn bald erkannte, da in des Müss'gen Schwerte eine Scharte sie gewahrte, darin genau sich fügt' ein Splitter, den einst im Haupt des Iren-Ritter, zum Hohn ihr heimgesandt, mit kund'ger Hand sie fand. Da schrie's mir auf aus tiefstem Grund! Mit dem hellen Schwert ich vor ihm stund, an ihm, dem Überfrechen, Herrn Morolds Tod zu rächen. Von seinem Lager blickt' er her, - nicht auf das Schwert, nicht auf die Hand, - er sah mir in die Augen. Seines Elendes |
jammerte mich; - das Schwert - ich liess es fallen! Die Morold schlug, die Wunde, sie heilt' ich, dass er gesunde, und heim nach Hause kehre, - mit dem Blick mich nicht mehr beschwere! BRANGÄNE O Wunder! Wo hatt' ich die Augen? Der Gast, den einst ich pflegen half? ISOLDE Sein Lob hörtest du eben: "Hei! unser Held Tristan" - der war jener traur'ge Mann. Er schwur mit tausend Eiden mir ew'gen Dank und Treue! Nun hör, wie ein Held Eide hält! Den als Tantris unerkannt ich entlassen, als Tristan kehrt' er kühn zurück; auf stolzem Schiff, von hohem Bord, Irlands Erbin begehrt er zur Eh' für Kornwalls müden König, für Marke, seinen Ohm. Da Morold lebte, wer hätt' es gewagt uns je solche Schmach zu bieten? Für der zinspflicht'gen Kornen Fürsten um Irlands Krone zu werben! Ach, wehe mir! Ich ja war's, die heimlich selbst die Schmach sich schuf. Das rächende Schwert, statt es zu schwingen, machtlos liess ich's fallen! Nun dien ich dem Vasallen! BRANGÄNE Da Friede, Sühn' und Freundschaft von allen ward beschworen, wir freuten uns all' des Tags; wie ahnte mir da, dass dir es Kummer schüf'? |
ISOLDE O blinde Augen! Blöde Herzen! Zahmer Mut, verzagtes Schweigen! Wie anders prahlte Tristan aus, was ich verschlossen hielt! Die schweigend ihm das Leben gab, vor Feindes Rache ihn schweigend barg; was stumm ihr Schutz zum Heil ihm schuf, - mit ihr gab er es preis! Wie siegprangend heil und hehr, laut und hell wies er auf mich: "Das wär ein Schatz, mein Herr und Ohm; wie dünkt euch die zur Eh'? Die schmucke Irin hol ich her; mit Steg und Wegen wohlbekannt, ein Wink, ich flieg nach Irenland: Isolde, die ist euer! - mir lacht das Abenteuer!" Fluch dir, Verruchter! Fluch deinem Haupt! Rache! Tod! Tod uns beiden! BRANGÄNE (mit ungestümer Zärtlichkeit auf Isolde stürzend) O Süsse! Traute! Teure! Holde! Goldne Herrin! Lieb' Isolde! (Sie zieht Isolde allmählich nach dem Ruhebett) Hör mich! Komme! Setz dich her! Welcher Wahn! Welch eitles Zürnen! wie magst du dich betören, |
nicht hell zu sehn noch hören? Was je Herr Tristan dir verdankte, sag, konnt' er's höher lohnen, als mit der herrlichsten der Kronen? So dient' er treu dem edlen Ohm; dir gab er der Welt begehrlichsten Lohn: dem eignen Erbe, echt und edel, entsagt er zu deinen Füssen, als Königin dich zu grüssen! (Isolde wendet sich ab) Und warb er Marke dir zum Gemahl, wie wolltest du die Wahl doch schelten, muss er nicht wert dir gelten? Von edler Art und mildem Mut, wer gliche dem Mann an Macht und Glanz? Dem ein hehrster Held so treulich dient, wer möchte sein Glück nicht teilen, als Gattin bei ihm weilen? ISOLDE (starr vor sich hinblickend) Ungeminnt den hehrsten Mann stets mir nah zu sehen, wie könnt ich die Qual bestehen? BRANGÄNE Was wähnst du Arge? Ungeminnt? - (Sie nähert sich schmeichelnd und kosend Isolde) Wo lebte der Mann, der dich nicht liebte? der Isolde säh, und in Isolden selig nicht ganz verging? Doch, der dir erkoren, wär' er so kalt, zög ihn von dir ein Zauber ab: |
den bösen wüsst ich bald zu binden; ihn bannte der Minne Macht. (mit geheimnisvoller Zutraulichkeit ganz zu Isolde) Kennst du der Mutter Künste nicht? Wähnst du, die alles klug erwägt, ohne Rat in fremdes Land hätt' sie mit dir mich entsandt? ISOLDE (düster) Der Mutter Rat gemahnt mich recht; willkommen preis ich ihre Kunst: - Rache für den Verrat, - Ruh in der Not dem Herzen! - Den Schrein dort bring mir her! BRANGÄNE Er birgt, was heil dir frommt. (Sie holt eine kleine goldne Truhe herbei,öffnet sie und deutet auf ihren Inhalt) So reihte sie die Mutter, die mächt'gen Zaubertränke. Für Weh und Wunden Balsam hier; für böse Gifte Gegengift. (Sie zieht ein Fläschen hervor) Den hehrsten Trank, ich halt' ihn hier. |
ISOLDE Du irrst, ich kenn ihn besser; ein starkes Zeichen schnitt ich ihm ein. (Sie ergreift ein Fläschen und zeigt es) Der Trank ist's, der mir taugt! BRANGÄNE (weicht entsetzt zurück) Der Todestrank! (Isolde hat sich vom Ruhebett erhoben und vernimmt mit wachsendem Schrecken den Ruf des Schiffvolks) SCHIFFSVOLK (von aussen) Ho! he! ha! he! Am Untermast die Segel ein! Ho! he! ha! he! ISOLDE Das deutet schnelle Fahrt. Weh mir! Nahe das Land! |
VIERTE SZENE Die Vorigen und Kurwenal (Durch die Vorhänge tritt mit Ungestüm Kurwenal herein) KURWENAL Auf! Auf! Ihr Frauen! Frisch und froh! Rasch gerüstet! Fertig nun, hurtig und flink! (gemessener) Und Frau Isolden sollt ich sagen von Held Tristan, meinem Herrn: Vom Mast der Freude Flagge, sie wehe lustig ins Land; in Markes Königsschlosse mach sie ihr Nah'n bekannt. Drum Frau Isolde bät er eilen, fürs Land sich zu bereiten, dass er sie könnt geleiten. ISOLDE (nachdem sie zuerst bei der Meldung in Schauer zusammengefahren, gefasst und mit Würde) Herrn Tristan bringe meinen Gruss, und meld ihm, was ich sage. Sollt ich zur Seit' ihm gehen, vor König Marke zu stehen, nicht möcht es nach Zucht und Fug geschehn, empfing ich Sühne nicht zuvor für ungesühnte Schuld: - drum such er meine Huld. (Kurwenal macht eine trotzige Gebärde. Isolde fährt mit Steigerung fort) Du merke wohl, und meld es gut! Nicht woll ich mich bereiten, ans Land ihn zu begleiten; |
nicht werd ich zur Seit' ihm gehen, vor König Marke zu stehen; begehrte Vergessen und Vegeben nach Zucht und Fug er nicht zuvor für ungebüsste Schuld: - die böt' ihm meine Huld. KURWENAL Sicher wisst, das sag' ich ihm; nun harrt, wie er mich hört! (Er geht schnell zurück. Isolde eilt auf Brangäne zu und umarmt sie heftig) ISOLDE Nun leb wohl, Brangäne! Grüss mir die Welt, grüsse mir Vater und Mutter! BRANGÄNE Was ist? Was sinnst du? Wolltest du fliehn? Wohin soll ich dir folgen? ISOLDE (fasst sich schnell) Hörtest du nicht? Hier bleib ich, Tristan will ich erwarten. Getreu befolg was ich befehl, den Sühnetrank rüste schnell; du weisst, den ich dir wies. (Sie entnimmt dem Schrein das Fläschen) BRANGÄNE Und welchen Trank? ISOLDE Diesen Trank! In die goldne Schale giess ihn aus; gefüllt fasst sie ihn ganz. BRANGÄNE (voll Grausen das Fläschen empfangend) Trau ich dem Sinn? |
ISOLDE Sei du mir treu! BRANGÄNE Den Trank - für wen? ISOLDE Wer mich betrog. BRANGÄNE Tristan? ISOLDE Trinke mir Sühne! BRANGÄNE (zu Isoldes Füssen stürzend) Entsetzen! Schone mich Arme! ISOLDE (sehr heftig) Schone du mich, untreue Magd! Kennst du der Mutter Künste nicht? Wähnst du, die alles klug erwägt, ohne Rat in fremdes Land hätt' sie mit dir mich entsandt? Für Weh und Wunden gab sie Balsam, für böse Gifte Gegengift: für tiefstes Weh, für höchstes Leid - gab sie den Todestrank. Der Tod nun sag ihr Dank! BRANGÄNE (kaum ihrer mächtig) O tiefstes Weh! ISOLDE Gehorchst du mir nun? BRANGÄNE O höchstes Leid! ISOLDE Bist du mir treu? |
BRANGÄNE Der Trank? KURWENAL (eintretend) Herr Tristan! (Brangäne erhebt sich erschrocken und verwirrt. Isolde sucht mit furchtbarer Anstrengung sich zu fassen) ISOLDE (zu Kurwenal) Herr Tristan trete nah! |
FÜNFTE SZENE Tristan. Isolde. Brangäne. Später Kurwenal, Schiffsvolk, Ritter und Knappen (Kurwenal geht wieder zurück. Brangäne, kaum ihrer mächtig, wendet sich in den Hintergrund, Isolde, ihr ganzes Gefühl zur Entscheidung zusammenfassend, schreitet langsam mit grosser Haltung dem Ruhebett zu, auf dessen Kopfende sich stützend sie den Blick fest dem Eingange zuwendet. - Tristan tritt ein und bleibt ehrerbietig am Eingange stehen. - Isolde ist mit furchtbarer Aufregung in seinen Anblick versunken. - Langes Schweigen) |
TRISTAN Begehrt, Herrin, was Ihr wünscht. ISOLDE Wüsstest du nicht, was ich begehre, da doch die Furcht, mir's zu erfüllen, fern meinem Blick dich hielt? TRISTAN Ehrfurcht hielt mich in Acht. ISOLDE Der Ehre wenig botest du mir; mit off'nem Hohn verwehrtest du Gehorsam meinem Gebot. TRISTAN Gehorsam einzig hielt mich in Bann. ISOLDE So dankt' ich Geringes deinem Herrn, riet dir sein Dienst Unsitte gegen sein eigen Gemahl? TRISTAN Sitte lehrt, wo ich gelebt: zur Brautfahrt der Brautwerber meide fern die Braut. ISOLDE Aus welcher Sorg'? TRISTAN Fragt die Sitte! ISOLDE Da du so sittsam, mein Herr Tristan, auch einer Sitte sei nun gemahnt: |
den Feind dir zu sühnen, soll er als Freund dich rühmen. TRISTAN Und welchen Feind? ISOLDE Frag deine Furcht! Blutschuld schwebt zwischen uns. TRISTAN Die ward gesühnt. ISOLDE Nicht zwischen uns! TRISTAN Im offnen Feld vor allem Volk ward Urfehde geschworen. ISOLDE Nicht da war's, wo ich Tantris barg, wo Tristan mir verfiel. Da stand er herrlich, hehr und heil; doch was er schwur, das schwurt ich nicht: zu schweigen hatt' ich gelernt. Da in stiller Kammer krank er lag, mit dem Schwerte stumm ich vor ihm stund: schwieg da mein Mund, bannt' ich meine Hand, - doch was einst mit Hand und Mund ich gelobt, das schwur ich schweigend zu halten. Nun will ich des Eides walten. TRISTAN Was schwurt ihr, Frau? ISOLDE Rache für Morold! TRISTAN Müht euch die? |
ISOLDE Wagst du zu höhnen? Angelobt war er mir, der hehre Irenheld; seine Waffen hatt' ich geweiht; für mich zog er zum Streit. Da er gefallen, fiel meine Ehr': in des Herzens Schwere schwur ich den Eid, würd' ein Mann den Mord nicht sühnen, wollt' ich Magd mich des erkühnen. Siech und matt in meiner Macht, warum ich dich da nicht schlug? Das sag dir selbst mit leichtem Fug. Ich pflag des Wunden, dass den Heilgesunden rächend schlüge der Mann, der Isolde ihm abgewann. Dein Los nun selber magst du dir sagen! Da die Männer sich all ihm vertragen, wer muss nun Tristan schlagen? TRISTAN (bleich und düster) War Morold dir so wert, nun wieder nimm das Schwert und führ es sicher und fest, dass du nicht dir's entfallen lässt! (Er reicht ihr sein Schwert dar) ISOLDE Wie sorgt' ich schlecht um deinen Herren; was würde König Marke sagen, erschlüg' ich ihm den besten Knecht, der Kron und Land ihm gewann, den allertreusten Mann? Dünkt dich so wenig, was er dir dankt, bringst du die Irin ihm als Braut, dass er nicht schölte, schlüg' ich den Werber, der Urfehde-Pfand |
so treu ihm liefert zur Hand? Wahre dein Schwert! Da einst ich's schwang, als mir die Rache im Busen rang: - als dein messender Blick mein Bild sich stahl, ob ich Herrn Marke taug als Gemahl: - das Schwert - da liess ich's sinken. Nun lass uns Sühne trinken! (Sie winkt Brangäne. Diese schaudert zusammen, schwankt und zögert in ihrer Bewegung. Isolde treibt sie mit gesteigerter Gebärde an. Brangäne lässt sich zur Bereitung des Trankes an) SCHIFFSVOLK (von aussen) Ho! he! ha! he! Am Obermast die Segel ein! Ho! he! ha! he! TRISTAN (aus düsterem Brüten auffahrend) Wo sind wir? ISOLDE Hart am Ziel! Tristan, gewinn ich die Sühne? Was hast du mir zu sagen? TRISTAN (finster) Des Schweigens Herrin heisst mich schweigen: - fass' ich, was sie verschwieg, verschweig ich, was sie nicht fasst. ISOLDE Dein Schweigen fass' ich, weichst du mir aus. Weigerst du die Sühne mir? (Neue Schiffsrufe) (Auf Isoldes ungeduldigen Wink reicht Brangäne ihr die gefüllte Trinkschale) ISOLDE (mit dem Becher zu Tristan tretend, der ihr starr in die Augen blickt) Du hörst den Ruf? |
Wir sind am Ziel: - In kurzer Frist stehn wir - (mit leisem Hohne) vor König Marke. Geleitest du mich, dünkt dich's nicht lieb, darfst du so ihm sagen? "Mein Herr und Ohm, sieh die dir an: ein sanftres Weib gewännst du nie. Ihren Angelobten erschlug ich ihr einst, sein Haupt sandt' ich ihr heim; die Wunde, die seine Wehr mir schuf, die hat sie hold geheilt; mein Leben lag in ihrer Macht: - das schenkte mir die holde Magd und ihres Landes Schand und Schmach, die gab sie mit darein, dein Ehgemahl zu sein. So guter Gaben holden Dank schuf mir ein süsser Sühnetrank; den bot mir ihre Huld, zu sühnen alle Schuld." SCHIFFSVOLK (aussen) Auf das Tau! Anker ab! TRISTAN (wild auffahrend) Los den Anker! Das Steuer dem Strom! Den Winden Segel und Mast! - (Er entreisst ihr die Trinkschale) Wohl kenn ich Irlands Königin und ihrer Künste Wunderkraft. Den Balsam nützt' ich, |
den sie bot: den Becher nehm ich nun, dass ganz ich heut genese. Und achte auch des Sühne-Eids, den ich zum Dank dir sage! Tristans Ehre - höchste Treu'! Tristans Elend - kühnster Trotz! Trug des Herzens! Traum der Ahnung! Ew'ger Trauer einz'ger Trost: Vergessens güt'ger Trank, - dich trink ich sonder Wank! (Er setzt an und trinkt) ISOLDE Betrug auch hier? Mein die Hälfte! (Sie entwindet ihm den Becher) Verräter! Ich trink sie dir! (Sie trinkt. Dann wirft sie die Schale fort. - Beide, von Schauder erfasst, blicken sich mit höchster Aufregung, doch mit starrer Haltung, unverwandt in die Augen, in deren Ausdruck der Todestrotz bald der Liebesglut weicht. - Zittern ergreift sie. Sie fassen sich krampfhaft an das Herz - und führen die Hand wieder an die Stirn. - Dann suchen sie sich wieder mit dem Blick, senken ihn verwirrt und heften ihn wieder mit steigender Sehnsucht aufeinander) ISOLDE (mit bebender Stimme) Tristan! TRISTAN (überströmend) Isolde! ISOLDE (an seine Brust sinkend) Treuloser Holder! TRISTAN (mit Glut sie umfassend) Seligste Frau! (Sie verbleiben in stummer Umarmung) (Aus der Ferne vernimmt man Trompeten, von aussen auf dem Schiffe den Ruf der) |
MÄNNER Heil! König Marke Heil! BRANGÄNE (die, mit abgewandtem Gesicht, voll Verwirrung und Schauder sich über den Bord gelehnt hatte, wendet sich jetzt dem Anblick des in Liebesumarmung versunkenen Paares zu und stürzt händeringend voll Verzweiflung in den Vordergrund) Wehe! Weh! Unabwendbar ew'ge Not für kurzen Tod! Tör'ger Treue trugvolles Werk blüht nun jammernd empor! (Tristan und Isolde fahren aus der Umarmung auf) TRISTAN (verwirrt) Was träumte mir von Tristans Ehre? ISOLDE Was träumte mir von Isoldes Schmach? TRISTAN Du mir verloren? ISOLDE Du mich verstossen? TRISTAN Trügenden Zaubers tückische List! ISOLDE Törigen Zürnens eitles Dräu'n! TRISTAN Isolde! ISOLDE Tristan! |
TRISTAN Süsseste Maid! ISOLDE Trautester Mann! BEIDE Wie sich die Herzen wogend erheben! Wie alle Sinne wonnig erbeben! Sehnender Minne schwellendes Blühen, schmachtender Liebe seliges Glühen! Jach in der Brust jauchzende Lust! Isolde! Tristan! Welten entronnen, du mir gewonnen! Du mir einzig bewusst, höchste Liebeslust! (Die Vorhänge werden weit auseinander gerissen; das ganze Schiff ist mit Rittern und Schiffsvolk bedeckt, die jubelnd über Bord winken, dem Ufer zu, das man, mit einer hohen Felsenburg gekrönt, nahe erblickt. Tristan und Isolde bleiben, in ihrem gegenseitingen Anblick verloren, ohne Wahrnehmung des um sie Vorgehenden) BRANGÄNE (zu den Frauen, die auf ihren Wink aus dem Schiffsraum heraufsteigen) Schnell, den Mantel, den Königsschmuck! (Zwischen Tristan und Isolde stürzend) Unsel'ge! Auf! Hört, wo wir sind! (Sie legt Isolde, die es nicht gewahrt, den Königsmantel an) ALLE MÄNNER Heil! Heil! Heil! König Marke Heil! Heil dem König! KURWENAL (lebhaft herantretend) Heil Tristan, glücklicher Held! Mit reichem Hofgesinde, dort auf Nachen |
naht Herr Marke. Hei! wie die Fahrt ihn freut, dass er die Braut sich freit! TRISTAN (in Verwirrung aufblickend) Wer naht? KURWENAL Der König! TRISTAN Welcher König? (Kurwenal deutet über Bord) ALLE MÄNNER (die Hüte schwenkend) Heil! König Marke Heil! (Tristan starrt wie sinnlos nach dem Lande) ISOLDE (in Verwirrung) Was ist, Brangäne? Welcher Ruf? BRANGÄNE Isolde! Herrin! Fassung nur heut! ISOLDE Wo bin ich? Leb ich? Ha! Welcher Trank? BRANGÄNE (verzweiflungsvoll) Der Liebestrank. ISOLDE (starrt entsetzt auf Tristan) Tristan! TRISTAN Isolde! ISOLDE Muss ich leben? (Sie stürzt ohnmächtig an seine Brust) |
BRANGÄNE (zu den Frauen) Helft der Herrin! TRISTAN O Wonne voller Tücke! O truggeweihtes Glücke! ALLE MÄNNER (Ausbruch allgemeinen Jauchzens) Kornwall Heil! (Trompeten vom Lande her) (Leute sind über Bord gestiegen, andere haben eine Brücke ausgelegt, und die Haltung aller deutet auf die soeben bevorstehende Ankunft der Erwarteten, als der Vorhang schnell fällt) |
libretto by Richard Wagner |
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |