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“Tristan und Isolde” by Richard Wagner libretto (German)
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |
EINLEITUNG ERSTE SZENE Isolde. Brangäne. (Garten mit hohen Bäumen vor dem Gemach Isoldes, zu welchem, seitwärts gelegen, Stufen hinaufführen. Helle, anmutige Sommernacht. An der geöffneten Türe ist eine brennende Fackel aufgesteckt. - Jagdgetön. Brangäne, auf den Stufen am Gemach, späht dem immer entfernter vernehmbaren Jagdtrosse nach. Zu ihr tritt aus dem Gemach, feurig bewegt, Isolde) ISOLDE Hörst du sie noch? Mir schwand schon fern der Klang. BRANGÄNE (lauschend) Noch sind sie nah; - deutlich tönt's daher. |
ISOLDE (lauschend) Sorgende Furcht beirrt dein Ohr. Dich täuscht des Laubes säuselnd Getön', das lachend schüttelt der Wind. BRANGÄNE Dich täuscht des Wunsches Ungestüm, zu vernehmen, was du wähnst. (Sie lauscht) Ich höre der Hörner Schall. ISOLDE (wieder lauschend) Nicht Hörnerschall tönt so hold, des Quelles sanft rieselnde Welle rauscht so wonnig daher. Wie hört' ich sie, tosten noch Hörner? Im Schweigen der Nacht nur lacht mir der Quell. Der meiner harrt in schweigender Nacht, als ob Hörner noch nah dir schallten, willst du ihn fern mir halten? BRANGÄNE Der deiner harrt, - o hör mein Warnen! - des harren Späher zur Nacht. Weil du erblindet, wähnst du den Blick der Welt erblödet für euch? Da dort an Schiffes Bord von Tristans bebender Hand die bleiche Braut, kaum ihrer mächtig, König Marke empfing, als alles verwirrt auf die Wankende sah, der güt'ge König, mild besorgt, die Mühen der langen Fahrt, die du littest, laut beklagt': - |
ein einz'ger war's, ich achtet' es wohl, der nur Tristan fasst' ins Auge; mit böslicher List lauerndem Blick sucht' er in seiner Miene zu finden, was ihm diene. Tückisch lauschend treff ich ihn oft: - der heimlich euch umgarnt, vor Melot seid gewarnt! ISOLDE Meinst du Herrn Melot? O, wie du dich trügst! Ist er nicht Tristans treuester Freund? Muss mein Trauter mich meiden, dann weilt er bei Melot allein. BRANGÄNE Was mir ihn verdächtig, macht dir ihn teuer! Von Tristan zu Marke ist Melots Weg; - dort sät er üble Saat. Die heut im Rat dies nächtliche Jagen so eilig schnell beschlossen, einem edlern Wild, als dein Wähnen meint, gilt ihre Jägerslist. ISOLDE Dem Freund zulieb erfand diese List aus Mitleid Melot, der Freund. Nun willst du den Treuen schelten? Besser als du sorgt er für mich; ihm öffnet er, was mir du sperrst. O spar mir des Zögerns Not! Das Zeichen, Brangäne! O gib das Zeichen! Lösche des Lichtes letzten Schein! Dass ganz sie sich neige, winke der Nacht. Schon goss sie ihr Schweigen |
durch Hain und Haus, schon füllt sie das Herz mit wonnigem Graus. O lösche das Licht nun aus! Lösche den scheuchenden Schein! Lass meinen Liebsten ein! BRANGÄNE O lass die warnende Zünde, lass die Gefahr sie dir zeigen! O wehe! Wehe! Ach mir Armen! Des unseligen Trankes! Dass ich untreu einmal nur der Herrin Willen trog! Gehorcht' ich taub und blind, dein Werk war dann der Tod. Doch deine Schmach, deine schmählichste Not, - mein Werk, muss ich Schuld'ge es wissen! ISOLDE Dein Werk? O tör'ge Magd! Frau Minne kenntest du nicht? Nicht ihres Zaubers Macht? Des kühnsten Mutes Königin? des Weltenwerdens Wälterin? Leben und Tod sind untertan ihr, die sie webt aus Lust und Leid, in Liebe wandelnd den Neid. Des Todes Werk, nahm ich's vermessen zur Hand, - Frau Minne hat es meiner Macht entwandt. Die Todgeweihte nahm sie in Pfand, fasste das Werk in ihre Hand. Wie sie es wendet, wie sie es endet, was sie mir küre, wohin mich führe, ihr ward ich zu eigen: num lass mich Gehorsam zeigen! |
BRANGÄNE Und musste der Minne tückischer Trank des Sinnes Licht dir verlöschen, darfst du nicht sehen, wenn ich dich warne: nur heute hör', o hör' mein Flehen! Der Gefahr leuchtendes Licht, nur heute, heut'! die Fackel dort lösche nicht! ISOLDE Die im Busen mir die Glut entfacht, die mir das Herze brennen macht, die mir als Tag der Seele lacht, - Frau Minne will: es werde Nacht, dass hell sie dorten leuchte, (sie eilt auf die Fackel zu) wo sie dein Licht verscheuchte. (Sie nimmt die Fackel von der Tür) Zur Warte du: dort wache treu! Die Leuchte, und wär's meines Lebens Licht, - lachend sie zu löschen zag ich nicht! (Sie wirft die Fackel zur Erde, wo sie allmählich verlischt) (Brangäne wendet sich bestürzt ab, um auf einer äusseren Treppe die Zinne zu ersteigen, wo sie langsam verschwindet) (Isolde lauscht und späht, zunächst schüchtern, in einen Baumgang. Von wachsendem Verlangen bewegt, schreitet sie dem Baumgang näher und späht zuversichtlicher. Sie winkt mit einem Tuche, erst seltener, dann häufiger, und endlich, in leidenschaftlicher Ungeduld, immer schneller) (Eine Gebärde des plötzlichen Entzückens sagt, dass sie den Freund in der Ferne gewahr geworden. Sie streckt sich höher und höher, und, um besser den Raum zu übersehen, eilt sie zur Treppe zurück, von deren oberster Stufe aus sie dem Herannahenden zuwinkt) |
ZWEITE SZENE Tristan und Isolde TRISTAN (stürzt herein) Isolde! Geliebte! ISOLDE (ihm entgegenspringend) Tristan! Geliebter! (Stürmische Umarmungen beider, unter denen sie in den Vordergrund gelangen) |
ISOLDE Bist du mein? TRISTAN Hab ich dich wieder? ISOLDE Darf ich dich fassen? TRISTAN Kann ich mir trauen? ISOLDE Endlich! Endlich! TRISTAN An meiner Brust! ISOLDE Fühl ich dich wirklich? TRISTAN Seh' ich dich selber? ISOLDE Dies deine Augen? TRISTAN Dies dein Mund? ISOLDE Hier deine Hand? TRISTAN Hier dein Herz? ISOLDE Bin ich's? Bist du's? Halt ich dich fest? TRISTAN Bin ich's? Bist du's? Ist es kein Trug? BEIDE Ist es kein Traum? O Wonne der Seele, o süsse, hehrste, kühnste, schönste, seligste Lust! |
TRISTAN Ohne Gleiche! ISOLDE Überreiche! TRISTAN Überselig! ISOLDE Ewig! TRISTAN Ewig! ISOLDE Ungeahnte, nie gekannte! TRISTAN Überschwenglich hoch erhabne! ISOLDE Freudejauchzen! TRISTAN Lustentzücken! ISOLDE Himmelhöchstes Weltentrücken! Mein! Tristan mein! Mein und dein! Ewig, ewig ein! TRISTAN Himmelhöchstes Weltentrücken! Mein! Isolde mein! Mein und dein! Ewig, ewig ein! ISOLDE Wie lange fern! Wie fern so lang! TRISTAN Wie weit so nah! So nah wie weit! |
ISOLDE O Freundesfeindin, böse Ferne! Träger Zeiten zögernde Länge! TRISTAN O Weit' und Nähe! Hart entzweite! Holde Nähe! Öde Weite! ISOLDE Im Dunkel du, im Lichte ich! TRISTAN Das Licht! Das Licht! O dieses Licht, wie lang verlosch es nicht! Die Sonne sank, der Tag verging, doch seinen Neid erstickt' er nicht: sein scheuchend Zeichen zündet er an, und steckt's an der Liebsten Türe, dass nicht ich zu ihr führe. ISOLDE Doch der Liebsten Hand löschte das Licht; wes die Magd sich wehrte, scheut' ich mich nicht: in Frau Minnes Macht und Schutz bot ich dem Tage Trutz! TRISTAN Dem Tage! dem Tage! dem tückischen Tage, dem härtesten Feinde Hass und Klage! Wie du das Licht, o könnt' ich die Leuchte, der Liebe Leiden zu rächen, dem frechen Tage verlöschen! Gibt's eine Not, gibt's eine Pein, die er nicht weckt mit seinem Schein? Selbst in der Nacht |
dämmernder Pracht hegt ihn Liebchen am Haus, streckt mir drohend ihn aus! ISOLDE Hegt ihn die Liebste am eignen Haus, im eignen Herzen hell und kraus, hegt' ihn trotzig einst mein Trauter: Tristan, - der mich betrog! War's nicht der Tag, der aus ihm log, als er nach Irland werbend zog, für Marke mich zu frein, dem Tod die Treue zu weihn. TRISTAN Der Tag! Der Tag, der dich umgliss, dahin, wo sie der Sonne glich, in höchster Ehren Glanz und Licht Isolde mir entrückt'! Was mir das Auge so entzückt', mein Herze tief zur Erde drückt': in lichten Tages Schein wie war Isolde mein? ISOLDE War sie nicht dein, die dich erkor? Was log der böse Tag dir vor, dass, die für dich beschieden, die Traute du verrietest? TRISTAN Was dich umgliss mit hehrster Pracht, der Ehre Glanz, des Ruhmes Macht, an sie mein Herz zu hangen, hielt mich der Wahn gefangen. Die mit des Schimmers hellstem Schein |
mir Haupt und Scheitel licht beschien, der Welten-Ehren Tages-Sonne, mit ihrer Strahlen eitler Wonne, durch Haupt und Scheitel drang mir ein, bis in des Herzens tiefsten Schrein. Was dort in keuscher Nacht dunkel verschlossen wacht', was ohne Wiss' und Wahn ich dämmernd dort empfahn: ein Bild, das meine Augen zu schaun sich nicht getrauten, von des Tages Schein betroffen lag mir's da schimmernd offen. Was mir so rühmlich schien und hehr, das rühmt ich hell vor allem Heer; vor allem Volke pries ich laut der Erde schönste Königsbraut. Dem Neid, den mir der Tag erweckt'; dem Eifer, den mein Glücke schreckt'; der Missgunst, die mir Ehren und Ruhm begann zu schweren: denen bot ich Trotz, und treu beschloss, um Ehr' und Ruhm zu wahren, nach Irland ich zu fahren. ISOLDE O eitler Tagesknecht! Getäuscht von ihm, der dich getäuscht, wie musst' ich liebend um dich leiden, den, in des Tages falschem Prangen, von seines Gleissens Trug befangen, dort wo ihn Liebe heiss umfasste, im tiefsten Herzen hell ich hasste. |
Ach, in des Herzens Grunde, wie schmerzte tief die Wunde! Den dort ich heimlich barg, wie dünkt' er mich so arg, wenn in des Tages Scheine der treu gehegte eine der Liebe Blicken schwand, als Feind nur vor mir stand! Das als Verräter dich mir wies, dem Licht des Tages wollt' ich entfliehn, dorthin in die Nacht dich mit mir ziehn, wo der Täuschung Ende mein Herz mir verhiess; wo des Trugs geahnter Wahn zerrinne; dort dir zu trinken ew'ge Minne, mit mir dich im Verein wollt' ich dem Tode weihn. TRISTAN In deiner Hand den süssen Tod, als ich ihn erkannt, den sie mir bot; als mir die Ahnung hehr und gewiss zeigte, was mir die Sühne verhiess: da erdämmerte mild erhabner Macht im Busen mir die Nacht; mein Tag war da vollbracht. ISOLDE Doch ach, dich täuschte der falsche Trank, dass dir von neuem die Nacht versank: dem einzig am Tode lag, den gab er wieder dem Tag! TRISTAN O Heil dem Tranke! Heil seinem Saft! Heil seines Zaubers hehrer Kraft! Durch des Todes Tor, |
wo er mir floss, weit und offen er mir erschloss, darin ich sonst nur träumend gewacht, das Wunderreich der Nacht. Von dem Bild in des Herzens bergendem Schrein scheucht er des Tages täuschenden Schein, dass nachtsichtig mein Auge wahr es zu sehen tauge. ISOLDE Doch es rächte sich der verscheuchte Tag; mit deinen Sünden Rat's er pflag; was dir gezeigt die dämmernde Nacht, an des Taggestirnes Königsmacht musstest du's übergeben, um einsam in öder Pracht schimmernd dort zu leben. Wie ertrug ich's nur? Wie ertrag ich's noch? TRISTAN O nun waren wir Nachtgeweihte! Der tückische Tag, der Neidbereite, trennen konnt uns sein Trug, doch nicht mehr täuschen sein Lug! Seine eitle Pracht, seinen prahlenden Schein verlacht, wem die Nacht den Blick geweiht: seines flackernden Lichtes flüchtige Blitze blenden uns nicht mehr. Wer des Todes Nacht liebend erschaut, wem sie ihr tief Geheimnis vertraut: des Tages Lügen, Ruhm und Ehr', Macht und Gewinn, so schimmernd hehr, wie eitler Staub der Sonnen |
sind sie vor dem zersponnen! In des Tages eitlem Wähnen bleibt ihm ein einzig Sehnen - das Sehnen hin zur heil'gen Nacht, wo urewig, einzig wahr Liebeswonne ihm lacht! (Tristan zieht Isolde sanft zur Seite auf eine Blumenbank nieder, senkt sich vor ihr auf die Knie und schmiegt sein Haupt in ihren Arm) BEIDE O sink hernieder, Nacht der Liebe, gib Vergessen, dass ich lebe; nimm mich auf in deinen Schoss, löse von der Welt mich los! TRISTAN Verloschen nun die letzte Leuchte; ISOLDE was wir dachten, was uns deuchte; TRISTAN all Gedenken - ISOLDE all Gemahnen - BEIDE heil'ger Dämm'rung hehres Ahnen löscht des Wähnens Graus welterlösend aus. |
ISOLDE Barg im Busen uns sich die Sonne, leuchten lachend Sterne der Wonne. TRISTAN Von deinem Zauber sanft umsponnen, vor deinen Augen süss zerronnen; ISOLDE Herz an Herz dir, Mund an Mund; TRISTAN eines Atems ein'ger Bund; - BEIDE bricht mein Blick sich wonn'-erblindet, erbleicht die Welt mit ihrem Blenden: ISOLDE die uns der Tag trügend erhellt, TRISTAN zu täuschendem Wahn entgegengestellt, BEIDE selbst dann bin ich die Welt: Wonne-hehrstes Weben, Liebe-heiligstes Leben, Niewiedererwachens wahnlos hold bewusster Wunsch. (Tristan und Isolde versinken wie in gänzliche Entrücktheit, in der sie, Haupt an Haupt auf die Blumenbank zurückgelehnt, verweilen) |
BRANGÄNES STIMME (von der Zinne her) Einsam wachend in der Nacht, wem der Traum der Liebe lacht, hab der einen Ruf in acht, die den Schläfern Schlimmes ahnt, bange zum Erwachen mahnt. Habet acht! Habet acht! Bald entweicht die Nacht. ISOLDE (leise) Lausch, Geliebter! TRISTAN (ebenso) Lass mich sterben! ISOLDE (allmählich sich ein wenig erhebend) Neid'sche Wache! TRISTAN (zurückgelehnt bleibend) Nie erwachen! ISOLDE Doch der Tag muss Tristan wecken? TRISTAN (ein wenig das Haupt erhebend) Lass den Tag dem Tode weichen! ISOLDE Tag und Tod, mit gleichen Streichen, sollten unsre Lieb' erreichen? TRISTAN (sich mehr aufrichtend) Unsre Liebe? Tristans Liebe? |
Dein' und mein', Isoldes Liebe? Welches Todes Streichen könnte je sie weichen? Stünd' er vor mir, der mächt'ge Tod, wie er mir Leib und Leben bedroht, die ich so willig der Liebe lasse, wie wäre seinen Streichen die Liebe selbst zu erreichen? (immer inniger mit dem Haupt sich an Isolde schmiegend) Stürb ich nun ihr, der so gern ich sterbe, wie könnte die Liebe mit mir sterben, die ewig lebende mit mir enden? Doch, stürbe nie seine Liebe, wie stürbe dann Tristan seiner Liebe? ISOLDE Doch unsre Liebe, heisst sie nicht Tristan und - Isolde? Dies süsse Wörtlein: und, was es bindet, der Liebe Bund, wenn Tristan stürb, zerstört' es nicht der Tod? TRISTAN Was stürbe dem Tod, als was uns stört, was Tristan wehrt, Isolde immer zu lieben, ewig ihr nur zu leben? ISOLDE Doch dieses Wörtlein: und, - wär' es zerstört, wie anders als mit Isoldes eignem Leben wär' Tristan der Tod gegeben? (Tristan zieht, mit bedeutungsvoller Gebärde, Isolde sanft an sich) |
TRISTAN So starben wir, um ungetrennt, ewig einig ohne End', ohn' Erwachen, ohn' Erbangen, namenlos in Lieb' umfangen, ganz uns selbst gegeben, der Liebe nur zu leben! ISOLDE (wie in sinnender Entrücktheit zu ihm aufblickend) So stürben wir, um ungetrennt, - TRISTAN ewig einig ohne End', - ISOLDE ohn' Erwachen, - TRISTAN ohn' Erbangen, - BEIDE namenlos in Lieb' umfangen, ganz uns selbst gegeben, der Liebe nur zu leben! (Isolde neigt wie überwältigt das Haupt an seine Brust) BRANGÄNES STIMME (wie vorher) Habet acht! Habet acht! Schon weicht dem Tag die Nacht. TRISTAN (lächelnd zu Isolde geneigt) Soll ich lauschen? |
ISOLDE (schwärmerisch zu Tristan aufblickend) Lass mich sterben! TRISTAN Muss ich wachen? ISOLDE Nie erwachen! TRISTAN Soll der Tag noch Tristan wecken? ISOLDE Lass den Tag dem Tode weichen! TRISTAN Des Tages Dräuen nun trotzten wir so? ISOLDE (mit wachsender Begeisterung) Seinem Trug ewig zu fliehn! TRISTAN Sein dämmernder Schein verscheuchte uns nie? ISOLDE (mit grosser Gebärde ganz sich erhebend) Ewig währ uns die Nacht! (Tristan folgt ihr, sie umfangen sich in schwärmerischer Begeisterung) |
BEIDE O ew'ge Nacht, süsse Nacht! Hehr erhabne Liebesnacht! Wen du umfangen, wem du gelacht, wie wär' ohne Bangen aus dir er je erwacht? Nun banne das Bangen, holder Tod, sehnend verlangter Liebestod! In deinen Armen, dir geweiht, urheilig Erwarmen, von Erwachens Not befreit! Wie sie fassen, wie sie lassen, diese Wonne, Fern der Sonne, fern der Tage Trennungsklage! Ohne Wähnen sanftes Sehnen; ohne Bangen süss Verlangen; ohne Wehen hehr Vergehen; ohne Schmachten hold Umnachten; ohne Meiden, ohne Scheiden, traut allein, ewig heim, in ungemessnen Räumen übersel'ges Träumen. TRISTAN Tristan du, ich Isolde, nicht mehr Tristan! ISOLDE Du Isolde, Tristan ich, nicht mehr Isolde! BEIDE Ohne Nennen, ohne Trennen, |
neu Erkennen, neu Entbrennen; endlos ewig, ein-bewusst: heiss erglühter Brust höchste Liebeslust! (Sie bleiben in verzückter Stellung) |
DRITTE SZENE Die Vorigen. Kurwenal, Brangäne, Marke, Melot und Hofleute. (Brangäne stösst einen grellen Schrei aus. Kurwenal stürzt mit entblösstem Schwerte herein) KURWENAL Rette dich, Tristan! (Er blickt mit Entsetzen hinter sich in die Szene zurück. Marke, Melot und Hofleute [in Jägertracht] kommen aus dem Baumgange lebhaft nach dem Vordergrunde und halten entsetzt der Gruppe der Liebenden gegenüber an. Brangäne kommt zugleich von der Zinne herab und stürzt auf Isolde zu. Diese, von unwillkürlicher Scham ergriffen, lehnt sich, mit abgewandtem Gesicht, auf die Blumenbank. Tristan, in ebenfalls unwillkürlicher Bewegung, streckt mit dem einen Arme den Mantel breit aus, so dass er Isolde vor den Blicken der Ankommenden verdeckt. In dieser Stellung verbleibt er längere Zeit, unbeweglich den starren Blick auf die Männer gerichtet, die in verschiedener Bewegung die Augen auf ihn heften. - Morgendämmerung) |
TRISTAN (nach längerem Schweigen) Der öde Tag zum letztenmal! MELOT (zu Marke) Das sollst du, Herr, mir sagen, ob ich ihn recht verklagt? Das dir zum Pfand ich gab, ob ich mein Haupt gewahrt? Ich zeigt' ihn dir in offner Tat: Namen und Ehr' hab ich getreu vor Schande dir bewahrt. MARKE (nach tiefer Erschütterung, mit bebender Stimme) Tatest du's wirklich? Wähnst du das? Sieh ihn dort, den treuesten aller Treuen; blick auf ihn, den freundlichsten der Freunde: seiner Treue freister Tat traf mein Herz mit feindlichstem Verrat! Trog mich Tristan, sollt' ich hoffen, was sein Trügen mir getroffen, sei durch Melots Rat redlich mir bewahrt? TRISTAN (krampfhaft heftig) Tagsgespenster! Morgenträume! täuschend und wüst! Entschwebt! Entweicht! MARKE (mit tiefer Ergriffenheit) Mir dies? Dies, Tristan, mir? - Wohin nun Treue, da Tristan mich betrog? Wohin nun Ehr' |
und echte Art, da aller Ehren Hort, da Tristan sie verlor? Die Tristan sich zum Schild erkor, wohin ist Tugend nun entflohn, da meinen Freund sie flieht, da Tristan mich verriet? (Tristan senkt langsam den Blick zu Boden; in seinen Mienen ist, während Marke fortfährt, zunehmende Trauer zu lesen) Wozu die Dienste ohne Zahl, der Ehren Ruhm, der Grösse Macht, die Marken du gewannst; musst' Ehr' und Ruhm, Gröss' und Macht, musste die Dienste ohne Zahl dir Markes Schmach bezahlen? Dünkte zu wenig dich sein Dank, dass, was du ihm erworben, Ruhm und Reich, er zu Erb' und Eigen dir gab? Da kinderlos einst schwand sein Weib, so liebt' er dich, dass nie aufs neu sich Marke wollt vermählen. Da alles Volk zu Hof und Land mit Bitt' und Dräuen in ihn drang, die Königin dem Lande, die Gattin sich zu kiesen; da selber du den Ohm beschworst, des Hofes Wunsch, des Landes Willen gütlich zu erfüllen; in Wehr wider Hof und Land, in Wehr selbst gegen dich, mit List und Güte weigerte er sich, bis, Tristan, du ihm drohtest, |
für immer zu meiden Hof und Land, würdest du selber nicht entsandt, dem König die Braut zu frein, da liess er's denn so sein. - Dies wundervolle Weib, das mir dein Mut gewann, wer durft' es sehen, wer es kennen, wer mit Stolze sein es nennen, ohne selig sich zu preisen? Der mein Wille nie zu nahen wagte, der mein Wunsch ehrfurchtscheu entsagte, die so herrlich hold erhaben mir die Seele musste laben, trotz Feind und Gefahr, die fürstliche Braut brachtest du mir dar. Nun, da durch solchen Besitz mein Herz du fühlsamer schufst als sonst dem Schmerz, dort wo am weichsten, zart und offen, würd' ich getroffen, nie zu hoffen, dass je ich könnte gesunden: warum so sehrend, Unseliger, dort nun mich verwunden? Dort mit der Waffe quälendem Gift, das Sinn und Hirn mir sengend versehrt, das mir dem Freund die Treue verwehrt, mein offnes Herz erfüllt mit Verdacht, dass ich nun heimlich in dunkler Nacht den Freund lauschend beschleiche, meiner Ehren Ende erreiche? Die kein Himmel erlöst, warum mir diese Hölle? Die kein Elend sühnt, |
warum mir diese Schmach? Den unerforschlich tief geheimnisvollen Grund, wer macht der Welt ihn kund? TRISTAN (mitleidig das Auge zu Marke erhebend) O König, das kann ich dir nicht sagen; und was du frägst, das kannst du nie erfahren. (Er wendet sich zu Isolde, die sehnsüchtig zu ihm aufblickt) Wohin nun Tristan scheidet, willst du, Isold', ihm folgen? Dem Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint: es ist das dunkel nächt'ge Land, daraus die Mutter mich entsandt, als, den im Tode sie empfangen, im Tod sie liess an das Licht gelangen. Was, da sie mich gebar, ihr Liebesberge war, das Wunderreich der Nacht, aus der ich einst erwacht; das bietet dir Tristan, dahin geht er voran: ob sie ihm folge treu und hold, - das sag' ihm nun Isold'! ISOLDE Als für ein fremdes Land der Freund sie einstens warb, dem Unholden treu und hold musst' Isolde folgen. Nun führst du in dein Eigen, dein Erbe mir zu ziegen; wie flöh' ich wohl das Land, das alle Welt umspannt? Wo Tristans Haus und Heim, da kehr Isolde ein: auf dem sie folge treu und hold, |
den Weg nun zeig Isold'! (Tristan neigt sich langsam über sie, und küsst sie sanft auf die Stirn. - Melot fährt wütend auf) MELOT (das Schwert ziehend) Verräter! Ha! Zur Rache, König! Duldest du diese Schmach? (Tristan zieht sein Schwert, und wendet sich schnell um) TRISTAN Wer wagt sein Leben an das meine? (Er heftet den Blick auf Melot) Mein Freund war der, er minnte mich hoch und teuer; um Ehr' und Ruhm mir war er besorgt wie keiner. Zum Übermut trieb er mein Herz; die Schar führt' er, die mich gedrängt, Ehr' und Ruhm mir zu mehren, dem König dich zu vermählen! Dein Blick, Isolde, blendet' auch ihn; aus Eifer verriet mich der Freund dem König, den ich verriet! (Er dringt auf Melot ein) Wehr dich, Melot! (Als Melot ihm das Schwert entgegenstreckt, lässt Tristan das seinige fallen und sinkt verwundet in Kurwenals Arme. Isolde stürzt sich an seine Brust. Marke hält Melot zurück. - Der Vorhang fällt schnell) |
libretto by Richard Wagner |
Contents: Personen; Erster Aufzug; Zweiter Aufzug; Dritter Aufzug |