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Turandot” by Giacomo Puccini libretto (German)

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Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt
ZWEITER AKT

Erste Szene

Ein großer Zeltpavillon
(Die Zeltwand seltsam verziert mit symbolischen und
phantastischen, chinesischen Figuren. Die Szene ist
ganz im Vordergrund und hat drei Ausgänge: einen
mittleren und zwei seitliche. Ping lugt herein durch die
mittlere Öffnung. Er dreht sich zuerst nach rechts, dann
nach links und ruft seine Gefährten. Diese treten auf; es
folgen ihnen drei Diener mit einer roten, einer grünen
und einer gelben Laterne, welche sie symmetrisch in die
Mitte der Szene stellen, wohin sie gleichfalls einen
niedrigen Tisch und drei Schemel bringen. Die Diener
ziehen sich sodann in den Hintergrund zurück, wo sie in
hockender Stellung verharren.)


PING
Holla, Pang! Holla, Pong!
Wenn der tödliche Gong erklungen
wohl über Schloß und Stadt,

harren wir auf das Ergebnis:
Wenn der Sieg dem Fremden lacht,
so gibt es eine Hochzeit;
und wenn der Fremde fehlrät,
ein Begräbnis.

PONG
Ich bereite die Hochzeit!

PANG
Und ich das Begräbnis!

PONG
Ich festliche rote Laternen!

PANG
Ich traurige weiße Laternen!

PANG und PONG
Und Weihrauch und Opfer...

PONG
Goldmünzen aus Pappe...

PANG
Tee, Zucker und Muskatnuß!

PONG
Die feine scharlachrote Sänfte!

PANG
Den Sarg aus schönem Holz!

PONG
Und Bonzen zum Festgesang...

PANG
Und Bonzen zum Leidgesang..

PONG und PANG
Und alles, was dazu gehört,
wie’s alte Sitte fordert...
die jedem eingefleischt!

PING
O China, o China!
In deinen Grundfesten
seh’ ich dich erbeben!
Es ist vorbei, dein seit Jahrtausenden
träges, sorgenfreies Leben!

DIE MINISTER
Alle Dinge nahmen ihren Lauf
nach jahrtausendalter Regel.
Da ward Turandot geboren...

PING
Und seit Jahren schon gibt man bei
unseren Festen dasselbe Schauspiel:

PONG
... dreimal schlagen sie den Gong...

PANG
... dreimal raten sie...

PING
... und dann den Kopf ab!

PONG
... und dann den Kopf ab!

PANG
Im Jahre der Maus waren’s sechs.

PONG
Im Jahre des Hundes waren’s acht.

DIE MINISTER
Und in diesem Jahr,
dem furchtbaren Jahr des Tigers,
sind es schon dreizehn,
die wir ins Jenseits gehen sahen!
Welche Last! Welcher Ekel!
Wohin sind wir gekommen?
Wir sind Minister eines Henkers!

PING
Fern in Honan guckt mein Haus
hinterm Zaun aus Bambusrohr
aus dem blauen Teich heraus.
Doch ich Tor bin lang’ schon hier
und studier’, und studier’
die heil’gen Schriften...
Könnt’ ich doch zurück sogleich,
wo am stillen, blauen Teich
friedsam liegt mein Bambusreich!

PONG
So geh zurück!
Ich hab’ Wälder nah’ bei Tsiang,
schön’re Wälder gibt es nicht,
doch ihr Schatten gilt nicht mir.
Ich hab’ Wälder,
schön’re Wälder gibt es nicht!

PANG
So geh zurück!
Bei Kiù hab’ ich einen Garten,
den ließ ich, um hierher zukommen.
Werd’ ich ihn jemals wiederseh’n?

DIE MINISTER
Jetzt sind wir hier,
um sinnlos zu studieren
die heil’gen Bücher.

PONG
Könnt’ ich doch zurück nach Tsiang...

PING
Könnt’ ich doch sogleich zurück...

PANG
Könnt’ ich doch zurück nach Kiù...

PING
... in mein Bambusblütenreich!

PONG
Tsiang...

PANG
Kiù...

PING
Honan...
in mein Bambusblütenreich!

PONG
Könnt’ ich doch zurück nach Tsiang!

PANG
Könnt’ ich doch zurück nach Kiù!

DIE MINISTER
Die Welt ist voll von liebestollen Narren!
Wir sah’n die Freier kommen!
O, die Scharen, die Scharen!
Wir sah’n die Freier kommen!
Die Welt ist voll von liebestollen Narren!

PING
Erinnert ihr euch noch
des Königssohns
aus Samarkand?
Der wollte Rätsel raten,
doch Turandot schickt’ ihm den Henker!

CHOR
Ölt und schleift,
daß die Schneide Blut
und Funken sprühe!

PONG
Und aus Indien der schöne Sagarika
mit den Bimbamglöckchen hinterm Ohr?
Liebe suchte er
und fand den Henker!

PANG
Und der aus Birma?

PONG
Und der Prinz der Kirgisen?

DIE MINISTER
Kopf ab! Kopf ab!

PING
Und der Tartar mit dem
sechs Ellen langen Bogen!
Gehüllt war er in weichen Pelz.

CHOR
Ölt und schleift, usw.

PONG und PANG
Hingerichtet!

PING
Geköpft...

CHOR
Wo Turandot regiert,
gibt es immer Arbeit!

DIE MINISTER
Töten... und hinrichten...
Schlachten..
Liebe, ade!
Sippe, ade!
Göttliche Rasse, ade!
Mit China ist es aus!
Aber sollte
die Nacht der Kapitulation kommen...

PONG
Das Federbett will ich
ihr aufschütteln!

PANG
Den Alkoven will ich mit Düften umhüllen!

PING
Das Brautpaar will ich
mit der Laterne führen!

DIE MINISTER
Dann singen wir frei von Sorgen
im Garten alle drei
bis zum frühen Morgen...
wie jetzt.. .wie jetzt:
Nicht länger gibt’s für uns
in China Glück,
da eine Frau der Liebe sich entzieht!
Das kann nur eine,
die aus Eis war und
jetzt in Liebe glüht!
Prinzessin, dein Reich
erstreckt vom Tse-Kiang sich
bis hin zum Jang-Tse!

PING
Doch hinter den Vorhängen deiner Kammer,
da herrscht ein Gatte über dich!

DIE MINISTER
Du fühlst schon die Glut deiner Küsse,
du bist schon Frau,
Sehnsucht erfüllt sich!
Im Garten, da wehen Lüfte,
da erklingen Glocken aus Gold...
Die Blumen flüstern Liebesworte
und erglänzen im Tau!

Gloria dem entblößten Leib,
der das Mysterium erfahren hat!
Gloria der Wollust und der Liebe,
die gesiegt und unserem China
den Frieden wiedergegeben hat!

PING
Derweil wir träumen, wimmelt’s
im Palaste von Laternen,
Sklaven und Soldaten!
Man hört die große Trommel
des grünen Tempels schon!
Man hört unzählige Schritte
des Volkes von Peking!

PONG
Man hört die Trompeten!
Das ist unser Frieden!

PANG
Die Festlichkeit hat begonnen!

DIE MINISTER
Es bleibt uns nichts übrig,
als wieder dabei zu sein!

Zweite Szene

Ein riesiger Platz innerhalb des Palastes
(In der Mitte eine große Marmortreppe, die sich nach
oben zwischen den perforierten Bögen der
Laubengänge verliert. Die Treppe führt über drei große
Absätze. Zahlreiche Diener bringen überall rote
Laternen an. Die Menge dringt nach und nach auf den


Platz. Die Mandarine, in blaugoldenen Festgewändern,
treten auf. Die acht Weisen, sehr große und stattliche
Männer, schreiten vorüber. Sie sind sehr alt, von fast
gleichmäßiger riesenhafter und massiver Gestalt. Sie
bewegen sich langsam und gleichzeitig. Jeder hält drei
versiegelte Seidenrollen in der Hand. Diese Rollen
enthalten die Lösung zu Turandots Rätseln.)


DIE MENGE
Seht! In abgemess’nen Schritten
mit den Lösungen der Rätsel
kommt der Weisen Schar.
Da sind auch Ping, Pong und Pang.
(Aus den Weihrauchwolken erscheinen die weißen und
gelben Standarten des Kaisers. Oberhalb der Treppe
wird, aufeinem großen Elfenbeinturm sitzend, der
Kaiser Altoum sichtbar Er ist ganz weiß, uralt,
verehrungswürdig. Er gleicht einem Gott.)
Zehntausend Jahre und ewiger
Ruhm unserem Kaiser!
(Die Menge sinkt nieder, mit dem Gesicht zu Boden, in
der Haltung großer Ehrfurcht. Der Platz ist in rotes
Licht gehüllt. Der unbekannte Prinz steht am Fuße der
Treppe, Timur und Liù links in der Menge.)

DER KAISER
Ein schlimmer Eid, den ich einst geschworen,
zwingt mich aufs neue zu dem Schreckensamte.
Und dieses heil’ge Szepter
trieft doch schon von Blut!
Ich will kein Blut mehr sehen!
Jüngling, hinweg!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Sohn des Himmels! Laß mich
bestehen diese Probe!

DER KAISER
Laß mich sterben, ohne daß
auch dein junges Leben noch
die Seele mir belaste!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Sohn des Himmels, laß mich
bestehen diese Probe!

DER KAISER
Bestehe nicht darauf, daß nicht die Welt
noch einmal erbebe vor Grauen!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Sohn des Himmels, laß mich
bestehen diese Probe!

DER KAISER
Wohlan, du todestrunkener Fremdling!
Es sei!
So möge dein Schicksal sich vollenden!

DIE MENGE
Zehntausend Jahre unserem Kaiser!

DER MANDARIN
Volk von Peking, höre!
Die Satzung lautet:
Turandot die Reine eh’licht
den Mann von königlichem Blute,

der die drei Rätsel löst,
die sie ihm aufgibt.
Doch wer die Probe sucht
und nicht besteht,
soll fallen durch die Hand
des Henkers!

KNABEN
Von der Wüste bis ans Meer
hört man nicht tausend Stimmen
seufzen: „Prinzessin, komm zu mir!
Und alles wird im Glanz erstrahlen!“
(Der Mandarin zieht sich zurück. Turandot kommt nach
vorn, bis zum Thron. Schön und kalt, schaut sie den
Prinzen mit eisigen Augen an.)

TURANDOT
In diesem Schloß,
vor vielen tausend Jahren,
ertönte einst verzweiflungsvoll ein Schrei.
Der Schrei,
er drang durch lange Ahnenreihen
bis her zu mir und füllt nun meine Seele.
O Prinzessin Lo-u-ling,
meine große, tapf’re Ahnfrau,
die du schweigsam wohl und still,
doch in reiner Freude herrschtest,
immer unbeugsamen Stolz
roher Gewalt entgegensetztest,
du auferstehst in mir!

DIE MENGE
Das war, als der Tatarenkönig zog
mit sieben Fahnen gegen uns!

TURANDOT
Doch in der Zeit, wie jeder von euch lernte,
war viele Furcht und großer Lärm der Waffen!
Das Reich besiegt! Vom Feind bezwungen!
Und Lo-u-ling, die Ahne mein,
entführet von einem Mann
wie du, von einem Fremden!
Bis in der grauenvollsten aller Nächte
Lo-u-lings Stimme frischer Klang verstummte!

DIE MENGE
Seit tausend Jahren schläft sie
in ihrem Riesengrabe!

TURANDOT
Ihr Prinzen,
die ihr mit langen Karawanen herkommt
aus aller Herren Länder
und euer Glück hier sucht:
Ich sühne jenen Tod,
ich sühne jene Untat
an euch mit eurem Tode!
Keiner wird mein Gemahl!
Denn die Missetat des Fremdlings
flößte zuviel Grau’n mir ein!
Nein, niemand soll mich haben!
In mir lebt wieder auf der Stolz
der unberührten Frau!
O Fremdling! Keiner soll mich je besitzen!
Drei sind die Rätsel,
einer ist der Tod!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Nein, nein! Drei sind die Rätsel,
eines ist das Leben!

DIE MENGE
So gib dem fremden Prinzen
jetzt deine Rätsel auf,
o Turandot!
(Trompetenstöße. Stille. Turandot verkündet das erste
Rätsel.)

TURANDOT
Wohlan, so höre!
„Durch die tiefe Nacht schwebt
ein farbig schillerndes Phantom,
schwebet auf und nieder
über der Menschen endlosem Gewühl!
Fassen möcht’ es ein jeder,
um durch die Welt mit ihm zu fliegen!
Das Phantom ist am Morgen verschwunden,
doch wird es aufs neue geboren!
Wird jede Nacht geboren,
um jeden Tag zu sterben!“

DER UNBEKANNTE PRINZ
Ja! von neuem, von neuem,
wird geboren und trägt mich
zu dir hin, Turandot:
die Hoffnung!

DIE WEISEN (öffnen die erste Rolle.)
Die Hoffnung!

TURANDOT
Ja! Die Hoffnung, die noch jeden trog!
„Lodernd gleich einer Flamme,
und doch selbst keine Flamme,
manchmal rasend im Fieber,
und ungestüm verlangend!
In Ruhe sich verzehrend wie die Sehnsucht!
Wenn du zugrunde gehest,
wird es kalt!
Wenn du den Sieg erträumst, glüht es auf!
Eine Stimme hat es, der du bebend lauschest,
und gleich der Son’ am Abend ist sein Glanz!“

DER KAISER
Verlier dich nicht, o Fremdling!

DIE MENGE
Es geht um dein Leben! Sprich!
Fremdling verlier dich nicht!
Sprich!

LIÙ
Es geht um die Liebe!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Ja, Prinzessin!
Es schmachtet voller Glut
nach dir,
in meinen Adern:
das Blut!

DIE WEISEN (öffnen die zweite Rolle.)
Das Blut!

DIE MENGE
Nun löse auch das dritte Rätsel!

TURANDOT (zu den Wachen, auf die Menge weisend)
Schlagt mit Geißeln die Frechen!
(Sie steigt die Treppe hinab und beugt sich über den
Prinzen, der auf die Knie fällt.)
„Eis, das sich entzündet
und durch dein Feuer noch mehr erstarret!
Klar ist’s und doch dunkel!
Wenn’s frei dich will,
so mehrt es deine Knechtschaft!
Wenn es zum Knecht dich nimmt,
so wirst du König!“
Armer Fremdling!
Die Angst macht dich erbleichen!
Diesmal fühlst du dich verloren!
Rede, Fremdling! Sag an,
an welchem Eise man verbrennt?

DER UNBEKANNTE PRINZ (springt auf und ruft)
Du Eis, das mir verfallen
nach meinem dritten Sieg,
an meinem Feuer taust du auf:
Turandot!

DIE WEISEN (öffnen die dritte Rolle.)
Turandot!

DIE MENGE
Turandot!
Gloria dem Sieger!
Dein harrt das Leben!
Dein harrt die Liebe!

Zehntausend Jahre unserem Kaiser!
Licht, du König der Welt!

TURANDOT
O Sohn des Himmels!
Hoher Vater! Nein!
Wirf deine reine Tochter nicht
dem Fremdling in die Arme!

DER KAISER
Der Eid ist heilig!

TURANDOT
Doch nicht so heilig
wie dein eignes Kind!
Du kannst mich nicht geben
wie eine Sklavin! Nein!
Ich sterbe vor Scham!
(zum Prinzen)
Was schaust du mich so an?
Verlachst gar meinen Stolz!
Ich werde nie die Deine! Niemals!

DER KAISER
Der Eid ist heilig!

DIE MENGE
Der Eid ist heilig!

TURANDOT
Nein, sieh mich nicht so an,
ich werde nie die Deine.

DIE MENGE
Du bist besiegt, Prinzessin!
Er wagte für dich sein Leben!

TURANDOT
Nie wird er mich besitzen!

DIE MENGE
Du bist der Preis seiner Kühnheit!
Er wagte für dich sein Leben!
Der Eid ist heilig!

TURANDOT
Willst du mich, Fremdling,
mit Gewalt in deine Arme zwingen?

DER UNBEKANNTE PRINZ
Nein, nein, Prinzessin!
Ich will dich in Liebe erglühend!

DIE MENGE
Kühner Fremdling!
O Held!

DER UNBEKANNTE PRINZ
Drei Rätsel gabest du mir auf!
Und drei hab’ ich geraten!
Jetzt geb ich dir
ein einzig Rätsel auf:
Meinen Namen weißt du nicht!
Nenn meinen Namen,
eh’ der Tag beginnt!
Dann will ich
morgen sterben!
(Turandot beugt zustimmend das Haupt.)

DER KAISER
Der Himmel füge,
daß du beim ersten Sonnenstrahl
mein Sohn wirst!

DIE MENGE
Wir sinken vor dir nieder,
Licht, König der ganzen Welt!
Für deine Weisheit,
für deine Güte
geben wir uns dir,
glücklich in unserer Erniedrigung!
Unsere Liebe steige zu dir empor!
Zehntausend Jahre unserem Kaiser!
Laß zu dir, dem Erben des Hien-Wang,
uns rufen:
Zehntausend Jahre unserem großen Kaiser!
Alle Fahnen wehen
Gloria für dich! Gloria für dich!

 
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt

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