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“Turandot” by Giacomo Puccini libretto (German)
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |
Erste Szene Der Schloßgarten (Rechts ein Pavillon, zu dem man auf fünf Stufen emporsteigt, dahinter eine reich bestickte Zeltwand. Der Pavillon dient als Eingang zu einem der Palastflügel, wo sich die Gemächer Turandots befinden. Es ist Nacht. Aus der Ferne erklingen die Stimmen der Herolde, die in der Stadt den königlichen Befehl verkünden. Auf den Stufen des Pavillons ruht der Prinz. In der Stille der Nacht horcht er den Heroldsrufen, als lebte er nicht mehr in der wirklichen Welt) |
HEROLDE Hört wohl, was Turandot befiehlt: „Diese Nacht soll niemand schlafen in Peking!“ FERNE STIMMEN Keiner schlafe! Keiner schlafe! HEROLDE „Bei Todesstrafe sei der Name des Fremdlings offenbart, ehe noch der Tag graut!“ FERNE STIMMEN Bei Todesstrafe! HEROLDE „Diese Nacht soll niemand schlafen in Peking!“ FERNE STIMMEN Keiner schlafe! Keiner schlafe! DER UNBEKANNTE PRINZ Keiner schlafe! Keiner schlafe... Auch du, Prinzessin, in deinen kalten Räumen, blickst schlaflos nach den Sternen, die flimmernd von Lieb’ und Hoffnung träumen! Doch mein Geheimnis wahrt mein Mund, den Namen tu’ ich keinem kund! |
Nein, nur auf deinen Lippen sag’ ich ihn, sobald die Sonne aufgeht! Der Kuß allein soll dieses Schweigen lösen, durch den du mein wirst! FRAUENSTIMMEN Wenn niemand seinen Namen weiß, dann müssen wir den Tod erleiden! DER UNBEKANNTE PRINZ Die Nacht entweiche! Der letzte Stern erbleiche! Damit der Tag ersteh’ und, mit dem Tag, mein Sieg! (Zwischen Gebüschen schleichen die drei Minister heran an der Spitze von bunten Gestalten, die immer zahlreicher werden.) PING Statt deinen Blick nach den Sternen zu lenken, solltest du auf uns deine Augen senken! PONG In deiner Hand liegt unser Leben! PANG Ja, unser Leben! PING Kennst du den Aufruf? Durch ganz Peking rennt der Tod und klopft an jede Tür: Der Name! |
DIE MINISTER Der Name! Unser Blut! DER UNBEKANNTE PRINZ Was verlangt ihr von mir? DIE MINISTER Sag, was du willst! Suchest du wirklich die Liebe? Wohlan: so bediene dich! (stößt dem Prinzen eine Gruppe sehr hübscher, halbnackter Mädchen vor die Füße) Sieh nur diese schlanken Mädchen! PONG und PANG Oh, schöne Weiber... PING O berauschende Formen der jungen Leiber! FRAUEN Ah, ah! DER UNBEKANNTE PRINZ Nein, nein! PONG und PANG Suchst du Reichtum? Er werde dir zuteil! (auf einen Wink werden Körbe mit Gold und Kleinodien gebracht) |
PING Durch tiefstes Dunkel leuchten diese Steine... PONG Blaue Feuer! PING Glänzende Edelsteine! PANG Grünes Flimmern! PONG Bleiche Hyazinthen! PANG Rote, flammende Rubine! PING Tränen sind’s aus Sternen! PONG und PANG Blaue Feuer! Rote Flammen! PING Nimm: alles sei dein! DER UNBEKANNTE PRINZ Nein! Reichtümer will ich nicht! DIE MINISTER Willst du den Ruhm? Wir verhelfen dir zur Flucht... |
PONG und PANG ... und du wirst den Sternen nachziehen, ferne Märchenreiche zu erobern! ALLE Flieh, flieh von hier! Daß du uns verläßt, ist allein unsere Rettung! DER UNBEKANNTE PRINZ Tag, brich an! Daß der Alpdruck von mir weiche! PING Du weißt noch nicht, wozu die Grausame fähig ist! Du weißt es nicht! DIE MINISTER Du weißt nicht, welche Qualen China erfinden wird, wenn du bleibst und uns deinen Namen nicht nennst! ALLE Die Schlaflose kennt kein Verzeihen! Wir sind alle verloren! Es wird ein furchtbares Gemetzel geben! Scharfe Eisen! Quälendes Rädern! Glühende Zangen! Langer, qualvoller Tod! Verdirb uns nicht! |
DER UNBEKANNTE PRINZ Vergeblich alles Bitten! Vergeblich alles Drohen! Mag die Welt untergehen: ich will Turandot! DIE MENGE Sie wird nie dein! Nein! Weil du noch vor uns stirbst! Verfluchter! Sag uns deinen Namen! (Eine Gruppe von Häschern schleppt den alten Timur und Liù herbei. Beide bluten.) HÄSCHER Hier ist der Name! Wir haben ihn! DER UNBEKANNTE PRINZ Die beiden kennen meinen Namen nicht! PING Der Alte und das Mädchen, die gestern mit ihm sprachen! DER UNBEKANNTE PRINZ Laßt sie los! PING Sie kennen das Geheimnis! Wo habt ihr sie gefangen? |
HÄSCHER An der Stadtmauer sahen wir sie gehen! MINISTER und MENGE Prinzessin! Prinzessin! (Turandot erscheint. Alles sinkt zu Boden. Nur Ping tritt äußerst untertänig vor und sagt:) PING Göttergleiche Prinzessin! Des Unbekannten Name steckt hinter diesen Lippen verschlossen. Doch gibt es Eisen, diese Zähne zu brechen und diesen Mündern den Namen zu entreißen! TURANDOT Wie bleich wirst du, Fremdling! DER UNBEKANNTE PRINZ Die eigne Angst nur läßt dir mein Antlitz bleich erscheinen! Den beiden bin ich unbekannt! TURANDOT Wir werden sehen! Du, Alter. sprich! Ich will, daß er spricht! Sein Name! |
LIÙ Den Namen, den ihr suchet, kenn’ ich allein! DIE MENGE Wir sind gerettet, atmen wieder auf! DER UNBEKANNTE PRINZ Was weißt du, Sklavin, denn! LIÙ Ich weiß den Namen... Welche Wonne, allein den Namen zu wissen und ihn nie zu verraten! DIE MENGE Spannt sie auf die Folter! Sie soll reden oder sterben! DER UNBEKANNTE PRINZ (stellt sich schützend vor Liù) Büßen sollt ihr diese Tränen! Ihre Leiden sollt ihr büßen! TURANDOT Bindet Ihn! LIÙ Gebieter, rede nicht! (Der Prinz wird von den Wachen gefesselt; Liù, von ihren Qualen ermattet, ist auf die Knie gesunken.) |
PING Sein Name! LIÙ Nein! PING Sein Name! LIÙ Vergib, Gebieter, der Sklavin: sie kann nicht mehr gehorchen! (Ein Häscher dreht ihr das Handgelenk um.) Ah! TIMUR Warum schreist du? DER UNBEKANNTE PRINZ Laßt sie! LIÙ Nein...nein...Ich schrei’ nicht mehr! Niemand tut mir weh! Niemand rührt mich an. (zu den Häschern) Fester... Aber schließt mir den Mund, sodaß er mich nicht hört! Ich halte es nicht länger aus! DIE MENGE Sag seinen Namen! |
TURANDOT Laßt sie frei! Sprich! (Liù wird entfesselt.) LIÙ Dann lieber den Tod! TURANDOT Wer hat deinem Herzen solchen Heldenmut gegeben? LIÙ Die Liebe, Prinzessin! TURANDOT Die Liebe? LIÙ Diese heimliche Liebe, die ich nie eingestand; sie ist so gewaltig, daß die Folter mir süß, wie ein Geschenk an meinen Herrn, erscheint... Denn durch mein Schweigen schenk’ ich ihm deine Liebe... Dich, Prinzessin, schenk ich ihm, und selbst verlier’ ich alles bis auf den letzten Hoffnungsschimmer... So fesselt mich und foltert mich! Zeigt nur kein Mitgefühl! Quält mich! Alle Qualen sind meine Liebesgabe! |
TURANDOT Entreißt ihr das Geheimnis! PING So ruft Pu-Tin-Pao! DER UNBEKANNTE PRINZ Nein, du Verfluchter! DIE MENGE Den Henker ruft! PING Er soll sie foltern! DIE MENGE Schnell auf die Folter! Rede! LIÙ Ich kann nicht länger widerstehen! Ich habe Angst vor mir! Laßt mich hindurch! DIE MENGE Rede! Rede’ LIÙ Nun denn, Prinzessin, höre! Du bist von Eis umgürtet, doch solcher Glut wirst du erliegen, und dann wirst lieben ihn auch du! Eh’ noch der Morgen dämmert, schließ müde ich die Augen, damit er nochmals siege... Und ich ihn nimmer wiederseh’! |
(Sie ergreift plötzlich den Dolch eines Soldaten und stößt ihn sich in die Brust. Sie erblickt den Prinz und sieht ihn voller Zärtlichkeit an. Dann sinkt sie tot vor seinen Füßen zusammen.) DIE MENGE Rede! Rede! Sag uns den Namen! DER UNBEKANNTE PRINZ Ah! Tot ist sie, meine arme, kleine Liù! (Turandot starrt auf die am Boden liegende Liù, dann reißt sie zornig einem Häscher eine Peitsche aus der Hand und schlägt damit dem Soldaten, der sich von Liù das Messer hatte nehmen lassen, ins Gesicht Der unbekannte Prinz wird aus seinen Fesseln befreit Dann erhebt sich der alte Timur wie ein Irrsinniger und geht wankend zu der Toten. Kniet ergriffen nieder und sagt:) TIMUR Liù...Liù...Erhebe dich! Die Stunde ist da, wo alles erwacht! Der Morgen ist da, Liù... Öffne deine Augen, Täubchen! (Eine Regung des Mitleids geht durch die Menge. Auf dem Antlitz Turandots bemerkt man den Ausdruck von Furcht. Ping geht roh zum alten Timur, um ihn fortzuführen. Aber als er nahe bei ihm ist, wird seine Grausamkeit besiegt und die Härte seines Tons gemildert.) |
PING Erhebe dich, Alter! Sie ist tot! TIMUR Ah! Fürchterliche Untat! Dafür büßen wir alle! Ihre gekränkte Seele wird sich rächen! (Da ergreift eine ungeheure Furcht die Menge: die Furcht, daß jene Tote nun ein Geist geworden sei und sich in einen Vampir verwandelt habe-gemäß chinesischem Aberglauben. Während Kammerfrauen das Antlitz Turandots mit einem Schleier bedecken, ruft die Menge flehend.) DIE MENGE Klagender Schatten, vergilt es nicht an uns! Klagender Schatten, gib uns Vergebung! (Andächtig wird der kleine Körper emporgehoben, während die Menge ergriffen zuschaut. Timur geht zu dem Leichnam und ergreift eine Hand der Toten, neben ihr gehend.) TIMUR Liù... so treu! Liù... so treu! Laß uns von neuem auf die Wand’rung gehen, ich fasse deine Hand, daß du mich führst! Wohin, das weiß ich wohl. Und folgsam wie bisher will den letzten Gang ich tun, um dann für immer neben dir zu ruh’n! |
PING Heute zum ersten Mal entlockt mir der Tod kein höhnisch Lachen! PONG Allzusehr spür’ ich heute das Herz, das in mir erwachte und mich quält. PANG Dieses tote Mädchen lastet wie ein Stein auf mir! (Während des Trauerzuges spricht die Menge:) DIE MENGE Liù... du Gute... vergib uns! Liù... du Süße... schlafe! Liù... Poesie... vergiß! (Alle haben den Platz verlassen. Nur der Prinz und Turandot bleiben zurück.) DER UNBEKANNTE PRINZ Prinzessin des Todes! Prinzessin von Eis! O steig herab auf die Erde aus deinem freudlosen Himmel! Hebe empor deinen Schleier... Gönn’ deinen grausamen Augen den Anblick des Bluts, das geflossen für dich! (Er stürzt vor und entreißt ihr den Schleier) TURANDOT Fremder Mann, was erkühnst du dich? Ich bin kein Menschenwesen... |
Ich bin die Tochter des Himmels! Nun hältst du wohl meinen Schleier, doch an meine Seele reichst du nicht! DER UNBEKANNTE PRINZ Deine Seele mag fern sein, doch dein Leib, der ist nah! Und mit brennenden Händen will ich fassen den goldenen Saum des Sternenmantels, der dich einhüllt. Meine bebenden Lippen will ich pressen auf dich. TURANDOT Entweih’ mich nicht! DER UNBEKANNTE PRINZ Ich will dich lebend fühlen! TURANDOT Hinweg! Entweih’ mich nicht! DER UNBEKANNTE PRINZ Deine Kälte ist Lüge! TURANDOT Nie beug’ ich mich dem Mann! DER UNBEKANNTE PRINZ Ich will, daß du mein wirst! TURANDOT Was die Ahnfrau erduldet, soll mir nicht gescheh’n! |
DER UNBEKANNTE PRINZ Ich will, daß du mein wirst! TURANDOT Rühr’ mich nicht an! Es ist Frevel! DER UNBEKANNTE PRINZ Dein Kuß gibt mir die Ewigkeit! TURANDOT Frevel! (Nach seinem letzten Wort, im Bewußtsein seines guten Rechtes und seiner Leidenschaft, reißt er Turandot in seine Arme und bedeckt sie mit glühenden Küssen. Solchem Ungestüm weicht Turandots Widerstand; sie hat keine Stimme, keine Kraft, keinen Willen mehr. Die Umarmung hat sie verwandelt. In flehendem, fast kindlichem Ton flüstert sie:) Was ist mir geschehen? Ich bin verloren! DER UNBEKANNTE PRINZ Du morgenfrische Blume! Ich atme deinen Duft! Ich fühle dich mit Wonne an meiner Brust erbeben! In Ohnmacht dich vor Lust versinken! Du lilienweiße, in deinem Silbergewande! STIMMEN VON INNEN Ah! Ah! |
TURANDOT Wie konntest du siegen? DER UNBEKANNTE PRINZ Du weinst? TURANDOT Es tagt! Es tagt! Und Turandot geht unter! STIMMEN VON INNEN Morgen! Licht und Leben! Alles ist rein! Alles ist heilig! Wie süß sind deine Tränen! DER UNBEKANNTE PRINZ Es tagt! Es tagt! Mit der Sonne geht die Liebe auf! TURANDOT Niemand soll mich seh’n... Mein Ruhm ist hin! DER UNBEKANNTE PRINZ Nein! Er beginnt erst! TURANDOT Scham über mich! DER UNBEKANNTE PRINZ O Wunder! Wie Glorienschein krönt dich der Zauber des ersten Kusses, der ersten Tränen. |
TURANDOT Die ersten Tränen... ach! Ja, die ersten Tränen fühle ich. Fremdling, als du gekommen, empfand ich mit Schauder dieses Lust- und Wehgefühl. Wie viele sah ich für mich sterben! Ich habe sie verachtet, doch dich hab’ ich gefürchtet! Aus deinen Augen strahlte der Glanz der Helden! Aus deinen Augen strahlte die kühnste Sicherheit... Dafür hab’ ich dich geliebt, gequält und zerrissen von zwei verzehrenden Ängsten: Dich zu besiegen oder besiegt zu werden... Und ich bin besiegt... Ah! Nicht siegte über mich die Prüfung so sehr als dieses Feuer, das aus dir strömte! DER UNBEKANNTE PRINZ Sei mein! Mein! TURANDOT Das war’s, was du verlangtest. Jetzt hast du es erreicht. Verlange nicht nach größ’rem Sieg... Verlaß mich, Fremdling, nimm dein Geheimnis mit dir! |
DER UNBEKANNTE PRINZ Mein Geheimnis? Ich habe es nicht mehr! Sei mein! Die du bebst, sobald ich dich berühre, die du erbleichst, wenn ich dich küsse; du kannst mich verderben, wenn du willst. Meinen Namen und mein Leben geb’ ich dir. Ich bin Calaf, des Timur Sohn! TURANDOT Ich kenne deinen Namen! CALAF Mein Ruhm ist deine Umarmung! TURANDOT Hör’ die Trompeten! CALAF Mein Leben ist dein Kuß! TURANDOT Die Stunde ist da! Die Stunde der Prüfung! CALAF Ich fürcht’ sie nicht! TURANDOT O Calaf, komm vor das Volk mit mir! CALAF Du hast gesiegt! |
Zweite Szene Die malerische Außenseite des Kaiserpalastes (Ganz in weißem Marmor, auf dem die Morgenröte gleichsam Blumen malt, über einer Treppe, in der Mitte der Bühne, thront der Kaiser, umgeben vom Hof, den Würdenträgern und Weisen. Auf beiden Seiten des Platzes, in weitem Halbkreis, eine zahllose, jubelnde Volksmenge.) DIE MENGE Zehntausend Jahre unserm Kaiser! (Die drei Minister breiten einen goldenen Mantel über den Boden, als Turandot die Treppe emporsteigt. Plötzlich tritt Stille ein.) TURANDOT Mein Herr und Vater! Ich weiß des Fremdlings Namen! Sein Name ist: Gemahl (Calaf stürmt die Treppe empor. Die beiden Liebenden sinken sich in die Arme.) DIE MENGE Gemahl! O Sonne! Leben! Ewigkeit! O Liebe, Licht der Welt! Wir jubeln und singen der Sonne die Unermeßlichkeit uns’res Glücks! Glück dir! Segen dir! ENDE |
Contents: Personen; Erster Akt; Zweiter Akt; Dritter Akt |