Lucia di Lammermoor” by Gaetano Donizetti libretto (German)

Personen

Lord Enrico Ashton (Bariton)
Lucia, seine Schwester (Sopran)
Sir Edgardo di Ravenswood, ihr Geliebter (Tenor)
Lord Arturo Bucklaw (Tenor)
Raimondo Bidebent, Erzieher und Vertrauter Lucias (Bass)
Alisa, Lucias Vertraute (Mezzosopran)
Normanno, Hauptmann der Truppen von Ravenswood (Tenor)
Ritter und Edeldamen, Jäger, Soldaten, Bewohner von Lammermoor und Ravenswood etc. (Chor)

Ort und Zeit der Handlung: Schottland, Ende des 16. Jahrhunderts

Vorspiel

ERSTER AKT

1. Szene

Wald beim Schloß

NORMANNO
Auf, durchstreichet die Gestade...

CHOR
Wir durchstreichen die Gestade...

NORMA
...der Ruinen verödete Pfade.

CHOR
...der Ruinen verödete Pfade.

NORMANNO
Fall' des Geheimnisses Schleier,
es gebietet's die Ehre, die Pflicht.

CHOR
Fall' des Geheimnisses Schleier,
es gebietet's die Ehre, die Pflicht.

NORMANNO und CHOR
Leuchte Wahrheit in gräßlichem Feuer,
wie des Blitzes verderbendes Licht,

leuchte Wahrheit in gräßlichem Feuer,
usw.

fall' des Geheimnisses Schleier,
usw.

...so gebietet's die Ehre.
(Der Chor entfernt sich. Enrico und Raimondo treten ein.)

NORMANNO
(zu Enrico)

Dich quälet Unruh'!

ENRICO
Wohl hab' ich Ursach, du weißt es -
daß meines Schicksals Stern sich hat verdunkelt,
indes Edgardo, Todfeind meines Geschlechts,
hebt übermütig nun die stolze Stirne,
aus seiner Trümmerburg mit frechem Hohne!
Nur eine Hand mich schützen konnte
von meinem nahen Sturz, doch nein -
Lucia stößt sie zurück mit eitlem Schmähen,
ach, Schwester war sie mir nie!

RAIMONDO
Betrübte Jungfrau, die innig mit bittern Tränen
am frischen Grab der Mutter weinet,
denkt die an Hymen? O, vergib dem Herzen,
das der Liebe entsagt, gebeugt von Schmerzen.

NORMANNO
Der Liebe entsagt? - Lucia glüht vor Liebe!

ENRICO
Ha, was sprichst du?

RAIMONDO
(beiseite)
(Nur Worte!)

NORMANNO
Einst wandelte sie im Haine,
auf jenem öden Pfad, der ihrer Mutter
Grab umschließt, als unter wildem Brüllen
auf sie ein Stier losstürzet.
Doch durch die Lüfte fährt
ein Schwertstreich, und hingestrecket
fällt das Untier.

ENRICO
Und wer hat es erschlagen?

NORMANNO
Der, dessen Namen ich nie nennen wollte.

ENRICO
Nun, und Lucia?

NORMANNO
Sie liebt.

ENRICO
Sah sie ihn wieder?

NORMANNO
Ja, täglich.

ENRICO
Und wo denn?

NORMANNO
In jenem Haine.

ENRICO
Ich bebe! Und den Verführer kennst du nicht?

NORMANNO
Nur Argwohn konnt' ich schöpfen.

ENRICO
Ha, rede!

NORMANNO
Es ist dein Todfeind.

RAIMONDO
(beiseite)
O Gott!

NORMANNO
Den du verbanntest.

ENRICO
Wäre es möglich! Edgardo?

RAIMONDO
(beiseite)
Ach!

NORMANNO
Ja, du sagst es.

ENRICO
Grausam flammt die Höllenwut,
die du mir weckst im Herzen!
Entsetzlich wühlt mit wilder Glut
Argwohn in meinem Herzen.
Des Hauptes Haare sträuben sich,
es zerreißet mir das Herz!,
usw.
So ist von Schuld beladen
die Schwester, meine Schwester.

NORMANNO
Um dich nicht entehrt zu sehn
war grausam ich mit dir.

RAIMONDO
(beiseite)
O Himmel, hör' mein Flehen!
Schütz du die Unschuld hier.

ENRICO
Ach, wär', eh schuldig so entdecket,
sie aus der Welt geschieden!
Hätt' sie ein Blitz dahin gestrecket...
Es wär' nicht größ'rer Schmerz!
usw.

NORMANNO und RAIMONDO
O Gott!

ENRICO
War grausam ich mit dir.

RAIMONDO
Schütz du die Unschuld hier, o Gott! ach! o Gott.

CHOR
(auf Normanno zueilend)
Deine Zweifel sind berechtigt.

NORMANNO
(zu Enrico)
Hörst du es?

ENRICO
Erzählet!

CHOR
O unglückseliger Tag!
In das Gras dahingestrecket,

von dem langen Jagen müde,
saßen wir in jenem Tale,
von des Turmes Dach beschattet,
als ein Mann in voller Eile
totenbleich vorüber sprenget.
Als er näher uns gekommen,
ward er scharf ins Aug' genommen;
doch auf seines Rosses Rücken
floh er pfeilschnell unsern Blicken.
Dennoch nannt' ein Falkonierer
uns des Unbekannten Namen.

ENRICO
Und welchen?

CHOR
Edgardo.

ENRICO
Er ist's!
Rache, ich schwöre,
dir entgeht dein Opfer nicht.

RAIMONDO
Ach nein, das glaube ich nicht!
Nein, nein...

ENRICO
Dir entgeht dein Opfer nicht,
dir entgeht nicht! Nein, nein!

RAIMONDO
O, so höre! Höre doch!

ENRICO
Nein, nein!

RAIMONDO
Ach, so höre!

ENRICO
Ich höre nicht! Ganz vergebens ist dein Streben,
mich um Mitleid anzusprechen,
wirst du mir von Rache sprechen,
dann, nur dann versteh' ich dich.
Verwegnes Paar, es könnt' euer Leben
ja mein Grimm verdammen,
und der argen Liebe Flammen
lösch mit eurem Blute ich.
Mit Blute löschen!
usw.

RAIMONDO
Nein, nein, er darf nicht!
usw.

CHOR
Ach, ja, löschen!
usw.

2. Szene

Park bei Schloß Ravenswood

(Am Brunnen der Sirene, eine Quelle, die früher im
Schutz eines imposanten Gewölbes lag, das mit den für
die gotische Architektur typischen Verzierungen
geschmückt war; jetzt aber liegt es in Trümmern. Es
dämmert. Lucia tritt erregt mit Alisa ein.)


LUCIA
Noch ist er ferne!

ALISA
Verwegne. Und du kannst es wagen,
hier sein zu harren, wo auch der Bruder weilt?
Es war allzu kühn!

LUCIA
Du sprichst wahr! Edgardo wisse,
daß ihn bedrohen gräßliche Gefahren.

ALISA
Was ist dir
widerfahren?

LUCIA
Jene Quelle - ach, nie
kann ich ohne Furcht sie sehen.
Ja, du weißt es; ein Ravenswood hat
in blinder Eifersucht die Gattin dort ermordet.
Die Arme stürzte in die Wogen,
dort liegt sie nun begraben,
und mir erschien ihr Schatten.

ALISA
Was sagst du?

LUCIA
So höre!
Schweigende, dunkle Mitternacht
umhüllte Berg und Haine,
und traurig rieselte der Bach
bei mattem Mondenscheine,
als ich ein Ächzen hier vernahm,
das mich mit Schauder füllt',
und plötzlich aus des Baches Wellen kam, ah!
das bleiche Schattenbild. Ah!

Als ob es spräche, sah ich's
die Lippen nun bewegen;
als ob es winkte, schien es mir
die Totenhand zu regen.
So stand es einen Augenblick,
dann schwand es schnell dahin;
das Wasser, erst wie Silber klar,
floß blutig nun dahin.
Ja, Silber klar,
usw.

ALISA
Deutlich, o Himmel,
liegt es hier zutage.
O, Lucia, Lucia! Entsage
dieser Unglücksliebe!

LUCIA
Ach, was sagst du? Dem wunden Herzen
lindert Liebe nur die Schmerzen.
Wenn er, entzückt vom Hochgefühl
der reinsten, wärmsten Liebe,
aus wahren Herzenstrieben
mir ewige Treue schwört,

dann schwindet all mein Kummer hin;
Tränen, sie werden zur Freude.
Mir scheint, daß ihm zur Seite
der Himmel mir gehört,
usw.

ALISA
Ach, würde dir nicht die Freude
in Angst und Leid verkehret!
Ach, Lucia, entsage!

LUCIA
Wenn er, entzückt vom Hochgefühl,
usw.

ALISA
Ich hör' ihn kommen. Bei der nahen Pforte
werd' auf der Hut ich sein.
(Sie geht. Edgardo tritt ein.)

EDGARDO
Verzeihe, wenn ich zu solcher Stunde
dich zu sehn heut' wünschte.
Dazu bestimmen mich gewichtige Gründe!
Eh am Himmel nahes Morgenrot dämmert,
werd' ich fern vom Heimatlande sein.

LUCIA
Was hör' ich?

EDGARDO
Nach Frankreichs Freundesküste
richt' ich die Segel, dort kann ich
das Schicksal Schottlands wenden.

LUCIA
Und so in Trauer
verläßt du mich hier?

EDGARDO
Eh' ich dich verlasse,
seh' mich noch Enrico; ich will versöhnt erst
reichen ihm die Rechte und deine Hand
zum Pfande des Friedens verlangen.

LUCIA
Ach nein!
Es bleibe dunkel verborgen
noch unser Bund der Liebe.

EDGARDO
Verstehe! Meines Stammes
geschworener ärgster Feind
ist noch nicht zufrieden mit dem, was er getan.
Er nahm mir alles, den Vater, meine Habe!
Was weiter, was will er noch?
Was soll, was kann ich noch geben?
Soll ganz ich untergehen?
Will er mein Blut? Ja, er haßt mich!

LUCIA
Ach, nein!

EDGARDO
Er haßt mich!

LUCIA
Mäß'ge deines Zornes Regen.

EDGARDO
Flammen glühn im Busen mir.
Höre!

LUCIA
Edgardo.

EDGARDO
Höre und bebe!
Auf dem Grabe,
das die Glieder des verratenen Vaters
decket, ihn zu rächen einst an den Deinen,
schwur ich bei dem ewigen Gotte.

LUCIA
Ah!

EDGARDO
Aber ich sah dich -
und im Herzen fühlt' ich Liebe.
Doch mein Schwur ist nicht gebrochen,
noch kann er vollzogen sein!

LUCIA
O sei ruhig, o so schweige!

EDGARDO
Ach, Lucia!

LUCIA
Jeder Laut kann dich hier verraten.
Siehst du nicht, wie sehr ich leide?
Soll ich sterben noch vor Schrecken?

EDGARDO
Ach! Nein, nein!

LUCIA
Weichen müssen nun die wilden Triebe.
Dich entflamme nur die Liebe.
Und der Eid, den du geschworen,
sei für Liebe nur allein,
ach, dich entflamme,
usw.
Nur sie allein.

EDGARDO
Doch der Schwur ist nicht gebrochen,
usw.

Noch kann er vollzogen sein.

(jäh, entschlossen)

Schwör' in dieser heiligen Stunde
als Braut mir ew'ge Treue;

Gott ist Zeuge in diesem Bunde,
und der Himmel ist unser Altar.

(streift einen Ring auf Lucias Finger)

Dein Geschick ist nun auch das meine.
Ich bin dein Gatte!

LUCIA
(auch sie gibt Edgardo einen Ring)

Und ich die Deine!

EDGARDO und LUCIA
Unserer Herzen reine Triebe
kann verlöschen nur der Tod.

LUCIA
Unser Schicksal lenkt die Liebe,
unsre Liebe schirmt ein Gott.

EDGARDO
Unsre Liebe schirmt ein Gott.
Doch es ist nun Zeit zu scheiden.

LUCIA
Welche Schreckensworte!
O, mein Herz wird dich begleiten.

EDGARDO
Mein's bleibt hier bei dir zurück,
usw.

LUCIA
Ach, Edgardo!

EDGARDO
Trennen müssen wir uns nun.

LUCIA
Mögen öfters ein'ge Zeilen
Kunde mir von dir erteilen.
Und das halb entfloh'ne Leben
nähret Hoffnung immerhin.

EDGARDO
Stets wird mich dein Bild begleiten,
und ewig, Teure, bin ich dein.

LUCIA
Ach!
Es wird dir meine Seufzer
der Zephir übertragen;
du hörst im Meer, das murmelnd braust,
das Echo meiner Klagen.
Wenn du bedenkst, daß Seufzer nur
mein Los, nur Schmerz -
So drück', von einer Träne feucht,
diesen Ring dann an dein Herz,
ach, diesen Ring,
usw.

EDGARDO
Es wird dir meine Seufzer,
usw.

EDGARDO und LUCIA
Es wird dir meine Seufzer,
usw.

EDGARDO
Erinnere dich, uns bindet ein Schwur.

EDGARDO und LUCIA
Leb wohl!

ZWEITER AKT

1. Szene

Gemach im Schlosse Ravenswood
(Enrico und Normanno sitzen am Tisch.)


NORMANNO
Lucia wird bald hier sein.

ENRICO
Bebend erwart' ich sie.
Den hohen Hochzeitstag zu feiern,
sind schon vereint im Schloß die Gäste,
Zweige des edelsten Stammes.
Bald wird Arturo erscheinen.
Und wenn sie's wagen könnte,
sich dann noch zu sträuben -

NORMANNO
Fürchte nichts, die lange Entfernung
deines Feindes, die Briefe,
die stets wir raubten, und die falsche Nachricht,
daß er von fremder Liebe glühe,
werden sicher in Luciens Herzen
löschen die blinde Liebe.

ENRICO
Siehe, sie naht! Das gefälschte Schreiben
reiche mir...
(Normanno gibt ihm das Schreiben.)
Und gehe auf dem nächsten Wege
zum stolzen Königssitze
von Schottland; und unter lautem Jubel
führe Arturo hierher.

(Normanno geht ab. Lucia verharrt auf der Schwelle.
Ihr blasses Gesicht und ihr verstörter Blick verraten,
daß sie leidet; auch sieht man die ersten Anzeichen
ihrer geistigen Umnachtung.)


ENRICO
Komm näher, Lucia.
Ich glaubt', dich heiter heute zu sehen,
da Hymens goldne Fackel für dich
entzündet ist. Du stehst und schweigst?

LUCIA
Jene kalten Todesschauer,
die mit Blässe mich umschweben,
sagen dir in ew'ger Dauer,
du bist Ursach' von meinem Schmerz.
Möge Gott dir einst vergeben
dein unmenschlich hartes Herz,
möge Gott dir einst vergeben,
usw.

...und meinen Schmerz.

ENRICO
Deine Liebe, so vermessen,
machte einst mich zum Tyrannen,
doch dies alles sei vergessen,
ja, dein Bruder spricht zu dir.
Ich kann meinen Zorn verbannen,
bann' die schnöde Liebe du!
Ich kann meinen Zorn,
usw.

Nimm Arturo -

LUCIA
Schweig, o schweige!

ENRICO
Wie so?

LUCIA
Einem Andern schwur ich Treue.

ENRICO
(wütend)
Nein, du kannst nicht!

LUCIA
Enrico!

ENRICO
(wütend)
Nein, unmöglich!

LUCIA
Einem Andern schwur ich Treue.

ENRICO
Genug denn!
(überreicht ihr das von Normanno erhaltene Schreiben)

Dies Schreiben wird dir sagen,
wie unwürdig du gewählt!
Lies denn!

LUCIA
(Sie liest: Überraschung, dann Erschrecken spiegeln
sich auf ihrem Gesicht wider. Sie zittert am ganzen Leibe.)

Ach, mir zerspringt das Herz!

ENRICO
(eilt ihr zu Hilfe)

Sie erbleichet!

LUCIA
Weh mir Armen!
Ach, schon tötet mich der Schmerz!
Ich litt in Tränen, ich schmachtete in Schmerzen.
Mein Leben und Hoffen - nun alles zu Ende!
Der Tod sei willkommen!
Dies Herz voller Tücke verleugnete dich!

ENRICO
Du trautest dem trugvollen Herzen.
Versetztest die Deinen in Schmerzen.

LUCIA
Oh, Gott!

ENRICO
Der zürnende Himmel, schon rächte er sich.
Sein Herz voller Tücke verleugnete dich.

LUCIA
O weh!
Ich fühle mein Ende, zerbrochen bin ich!
Dies Herz voller Tücke verleugnete mich,
usw.

ENRICO
Du trautest dem trugvollen Herz,
usw.
Dies Herz voller Tücke verleugnete mich,
usw.
(Von draußen hört man Festklänge.)

LUCIA
Was hör ich?

ENRICO
Jubelton
erschallet draußen.

LUCIA
Weshalb?

ENRICO
Dein Bräutigam naht!

LUCIA
Wie jagt das Blut durch die Adern mir!

ENRICO
Schon harret das Brautbett deiner.

LUCIA
Das Grab, es harret schon meiner.

ENRICO
O welche schlechte Stunde!

LUCIA
Dunkle Nacht, hüll' mich ein!

ENRICO
Höre!
Tot ist der König!
Unweigerlich besteigt den Thron Maria nun!
Und die Partei, der ich getreu,
liegt darnieder im Staube!

LUCIA
Ach, ich bebe!

ENRICO
Von meinem Sturz Arturo kann mich retten,
ja, er nur!

LUCIA
Und ich dann?

ENRICO
Mich retten mußt du!

LUCIA
Enrico!

ENRICO
Komm nun zum Bräutigam.

LUCIA
Mich bindet ein Eid!

ENRICO
Du mußt mich retten!

LUCIA
Doch -

ENRICO
Du mußt es!

LUCIA
O Gott! O Gott!

ENRICO
Könntest du mich hintergehen,
dann ist alles preisgegeben;
Ehre raubst du mir und Leben,

gibst dem Henkersbeil mich hin!
Ja, du wirst im Traum mich sehen
drohend dir als Geist erschienen,
und das Beil mit meinem Blute
schwebe stets vor deinem Sinn,
usw.

LUCIA
(schaut mit tränenerfüllten Augen zum Himmel)
Gott, der jede Träne zählet,
du, der liest in diesem Herzen,
wenn ich nicht in meinen Schmerzen
ganz von dir verstoßen bin:
O, so nimm mir, ew'ges Wesen,
dieses Leben, das mich drückt,
in der Qual, die mich zerschmettert,
ist der Tod für mich Gewinn,
usw.

ENRICO
Und das Beil mit meinem Blute
schwebe stets vor deinem Sinn,
usw.

2. Szene

Festlicher Saal im Schloß
(Die Szene ist zu Arturos Empfang gerüstet. Enrico,
Arturo, Normanno, Ritter, Edeldamen, Ashtons
Verwandte, Pagen, Kammerherren, Bewohner von
Lammermoor und Bedienstete.)


CHOR
Für dich im frohen Jubelruf
laut tönen Burg und Säle,
durch dich erfüllt nach langem Harm
Hoffnung nun unsere Seele.
Freundschaft ist's, die dich führet,
Liebe, sie leitet dein Herz,

laut tönen Burg und Säle,
Liebe, sie leitet dein Herz,
wie Stern' bei düsterm Himmel,
wie Lächeln unter Schmerz,
wie Stern' bei düsterm Himmel,
usw.

ARTURO
Verschwunden nur auf kurze Zeit
war euer Stern im Dunkeln;
durch mich soll er nun wiederum
in voller Schönheit funkeln.
Reich mir die Hand zum Pfande,
komm, Enrico, an mein Herz;
vor unserm Freundschaftsbunde
entfliehet Not und Schmerz.

CHOR
Ach, für dich im frohen Jubelruf,
usw.

ARTURO
Vor unserm Freundschaftsbunde,
usw.

... entfliehet Not und Schmerz,
usw.

CHOR
... wie Stern' bei düsterm Himmel,
usw.

... entfliehet Not und Schmerz,
usw.

ARTURO
Wo ist Lucia?

ENRICO
Bald werden wir bei uns sie sehen...
(beiseite zu Arturo)
Wenn zu traurig sie erschiene,

so befremde dies dich nicht;
der Mutter Tod betrübte
sie, die tief und innig liebte.

ARTURO
Ich weiß es, ja, ich weiß es.

ENRICO
Zu lang währt schon die Trauer,
doch war es ja die Mutter!

ARTURO
Doch eine Frage:
Edgardo, hieß es, wollt' es wagen
mit Frechheit ohnegleichen,
von Liebe ihr zu sagen.
Der Verwegne!

ENRICO
Er tat es - jedoch Lucia - sie...

ARTURO
Ha!

CHOR
Sieh da, Lucia naht!

ENRICO
(zu Arturo)
Sie weinet noch um ihre Mutter...
(Lucia, von Raimondo und Alisa begleitet, tritt ein. Sie
ist völlig niedergeschlagen.)

ENRICO
(stellt Arturo Lucia vor)

Sieh' da, dein Bräutigam.

(Lucia will sich abwenden. Enrico flüstert ihr zu.)

(Unsel'ge! Willst du mein Unglück?)

LUCIA
(beiseite)

O, Himmel!

ARTURO
Nimm, Teure, meine Schwüre
der reinsten, wärmsten Liebe -

ENRICO
(geht zum Tisch auf dem der Ehevertrag liegt; er fällt
Arturo ins Wort; zu Lucia)

Unsel'ge!
(zu Lucia)
Vollziehn wir nun den Ritus!

LUCIA
(O, Himmel!)

ENRICO
(zu Arturo)
Tritt näher!

ARTURO
O, süßes Glück!
(Er unterzeichnet den Vertrag: auch Enrico
unterschreibt. Während dessen führen Raimondo und
Alisa die zitternde Lucia zum Tisch.)


LUCIA
(beiseite)
Ich gehe nun als Opfer hin!

ENRICO
(zu Lucia)
So zögre nicht, schreibe!

RAIMONDO
(beiseite)

Tröste, o Himmel, die Arme!

ENRICO
Schreibe!
(Lucia unterzeichnet den Vertrag.)

LUCIA
(beiseite)
So sei es denn. - Es ist geschehen.

ENRICO
(beiseite)
Ich atme auf)

LUCIA
(beiseite)
Ich starre, ich glühe...Ich sinke!
(Von der Hintertüre kommt ein Geräusch, es scheint als
ob jemand mit Gewalt ins Zimmer einzudringen
versucht.)

ALLE
Was geschieht? Wer nahet?
(Edgardo tritt, in einem Umhang gehüllt, ein.)

EDGARDO
Edgardo!
ALLE
Edgardo! Welcher Schreck!

LUCIA
Edgardo! O Todesstreich!

EDGARDO
(beiseite)

Wer vermag's, den Zorn zu hemmen,
der mein Herz dahingerissen?
Wie ihn Schreck' und Schmerz beklemmen,
Reue peinigt sein Gewissen!
So wie Rosen welkend leben,
schwebt sie zwischen Tod und Leben.
Ja, du siegtest, für dich fühlet
Liebe immer noch mein Herz.

ENRICO
(beiseite)
(Wer hemmt mich in meinem Grimme?
Meine Hand dies Schwert schon faßt!
Doch in mir regt sich eine Stimme
für die Arme, halb Erblaßte.
Meine Schwester, durch mein Streben
schwebt sie zwischen Tod und Leben.
Ach, wie mir im Innern wühlt
der Gewissensbisse Schmerz.)

LUCIA
(beiseite)
(Ach, ich hoffte, daß mein Leben
schon ein Raub des Schreckens würde;
doch der Tod, taub meinem Streben,
löst mich nicht von dieser Bürde.
Ja, die Binde ist gefallen,
seh betrogen mich von allen.
Könnt' ich Tränen nur erwecken,
weinend lindern meinen Schmerz!)

RAIMONDO
(beiseite)
(Worte kann ich keine finden,
um zu schildern meinen Schrecken.
Finst're Unglückswolken scheinen
heut' der Sonne Strahlen zu decken.

So wie Rosen welkend leben
schwebt sie zwischen Tod und Leben.
Wer für sie nicht Mitleid fühlet,
hat fürwahr ein steinern Herz.)

ENRICO
Meine Schwester, durch mein Streben,
usw.

EDGARDO
(Wer vermag es, den Zorn zu hemmen?
usw.

ALISA, CHOR
So wie Rosen welkend leben,
usw.

ARTURO
Worte kann ich keine finden,
usw.

ENRICO
Ach, meine Schwester, durch mein Streben,
usw.

LUCIA
(Könnt' ich Tränen nur erwecken,
usw.

RAIMONDO
(Wer für sie nicht Mitleid fühlet,
usw.

EDGARDO
Ja, du siegtest, für dich fühlet,
usw.

ARTURO und ENRICO
Fort! Verwegner!
(greifen zum Schwert)
Sonst mußt du durchs Schwert hier fallen.

CHOR
Eile fort, Verwegner -

EDGARDO
(zieht sein Schwert)
Fallen werd' ich, doch ich schwöre:
mit mir wird andres Blut noch fließen.

RAIMONDO
(unterbricht, gebieterisch)

Gebet Gott, dem Höchsten, Ehre!
Stecket eure Schwerter ein!
Ich gebiet's in seinem Namen;
sucht sein Beispiel nachzuahmen.
Friede, Friede...Seine Gnade
haßt den Mörder; die Schrift sagt's klar:
wer durchs Schwert dem Nächsten schadet,
wird durchs Schwert gerichtet bald.
(Alle stecken ihre Schwerter zurück in die Scheiden.)
Friede! Friede!

ENRICO
(geht auf Edgardo zu)

Sag, Verwegner! Was führt dich in diese Mauern?

EDGARDO
Mein Verhängnis, meine Rechte!

ENRICO
Ha, Verwegner!

EDGARDO
Ja, Lucia schwur zuvor Treue mir.

RAIMONDO
O leist' Verzicht auf diese Liebe.
Sie ist Braut schon!

EDGARDO
Braut schon? Nein!

RAIMONDO
(zeigt den Ehevertrag)
Sieh her!

EDGARDO
(liest, dann starrt er Lucia an)
Sage...Ha, du bebest!
Deine Schrift ist's?
(zeigt auf die Unterschrift)
So gib mir Antwort!

LUCIA

Ja!

EDGARDO
(seinen Zorn unterdrückend, gibt er ihr den Ring)
Nimm hin den Ring, untreues Herz.

LUCIA
Ach!

EDGARDO
Gib den meinen!

LUCIA
So höre!

EDGARDO
So gib ihn!

LUCIA
Edgardo! Edgardo!
(ganz fassungslos. Gibt ihm den Ring zurück.)

EDGARDO
Treulos warst du mir und dem Himmel.
Ha, verflucht sei jene Stunde,
als wir schwuren diesem Bunde!
Stammverhaßter, Stammverruchter,
fliehen sollte ich vor dir?!
Gottes Arm in seinem Fluche
soll dich treffen durch mein Schwert!

LUCIA
Ah!

EDGARDO
Ah! Durch mein Schwert!

ENRICO
Er wagt es hier? - Fort denn!

RAIMONDO
Er wagt es? - Friede!

CHOR
Er wagt es?

ARTURO, ENRICO und CHOR
Fort, entfliehe den tödlichen Streichen!
Noch vermagst du von hier zu entfliehen.
Doch der Zorn, der im Herzen uns lodert,
holet, Verruchter, in Kürze dich ein,
doch der Zorn,
usw.

RAIMONDO
Ungücksel'ger! Entfliehe!
Es stellt sich Glück und Zufriedenheit ein...

Leb! Die Zeit heilt alle Wunden,
auch für dich wird Hilfe noch sein!

LUCIA
(fällt auf die Knie)
Schütz ihn, Gott, in so schrecklicher Stunde,
hör' die Bitte aus bebendem Munde!
Hör' die Bitte einer Armen,
die auf Erden nicht glücklich sein kann!
Dieses letzte Flehen eines Herzens,
du kannst helfen allein, o Gott,
dieses letzte Flehen,
usw.

EDGARDO
(sein Schwert wegwerfend)

Stoßt mich nieder, das Fest nun beginne,
bin das Opfer betrogener Minne.
Wenn mein Blut den Boden beflecket,
o, wie wird dies die Grausame freu'n!
Und mein Leichnam, von Blut überströmet,
wird ihr Stufe zum Traualtar sein,
und mein Leichnam,
usw.

ENRICO, ARTURO und CHOR
Fort hier! Geh!
Der Schandfleck wird
mit Blut abgewaschen!
Fort, entfliehe den tödlichen Streichen!
Noch vermagst du von hier zu entfliehen.
Doch der Zorn, der im Herzen uns lodert,
holet, Verruchter, in Kürze dich ein.

ALISA, RAIMONDO und CHOR
Unglücksel'ger!
O entfliehe!
Es stellt sich Glück und Zufriedenheit ein...

Leb! Die Zeit heilt alle Wunden,
auch für dich wird Hilfe noch sein!
Wie oft wird eine einz'ge Pein
mit tausend Freuden überwunden.
(Raimondo stützt Lucia, die von tiefstem Leid gebeugt
scheint; Alisa und die Damen umgeben sie. Die
anderen, Edgardo nachdrängend, folgen ihm bis zur
Tür. Der Vorhang fällt.)

DRITTER AKT

1. Szene

Schloßsaal wie im zweiten Akt.
(Von den Nachbarräumen erklingt Tanzmusik. Im
Hintergrund der Szene befinden sich Pagen und
Bewohner des Schlosses Lammermoor; auch noch
andere Damen und Ritter treten zu der fröhlichen
Gruppe, die in Gesang ausbricht.)


CHOR
Freudigen Jubelruf
laßt heut' erklingen!
Laut tönt die Freude
in Schottland nun wieder.
Wisse der Feinde Schar,
daß wir beglücket,
daß uns gewogen
noch die Sterne auch sei'n,
daß uns die Furcht
nimmer bedrücket,
Freundschaft und Liebe
schützt den Verein,
wisse der Feinde Schar,
daß wir beglücket,
usw.

RAIMONDO
(um Atem ringend, kommt mit unsicheren Schritten näher)
Ach!...
Laßt diese Jubeltöne schweigen!

CHOR
Wie dich Totenblässe deckt!

RAIMONDO
Schweiget, schweiget!

CHOR
Gott, was bringst du?

RAIMONDO
Ach, Schreckenskunde!

CHOR
Ha, du machst uns starr vor Schrecken!

RAIMONDO
Ach!
(bittet die anderen sich um ihn zu versammeln)
Aus des Brautpaar's geheimem Zimmer,
wo vor kurzem hin sie gingen,
hört' ich deutlich ein Klagegewimmer
wie ein Sterberöcheln dringen;
eilends trat ich in die Kammer -
Wer beschreibet meinen Jammer -
Gräßlich lag in seinem Blute
tot Arturo hingestrecket.
Und Lucia mit wildem Blicke
hielt sein Schwert noch blutbeflecket.

Lächelnd tat sie mir die Frage:
„Ha, wo ist mein Bräut'gam, sage!"
Und in ihrem starren Blicke
zeigt' sich ihr verwirrter Sinn.
Unglückseliges Geschick,
ihr Verstand, er ist dahin,
unglückseliges Geschick,
usw.

Ach!

CHOR
O schweres Unglück, welchen Schrecken
muß dies Ereignis in uns erwecken!
O Nacht, mit deiner dichten Hülle
sei der Schreckenstat ein Grab.

RAIMONDO und CHOR
Ach, komme nur nicht
des Himmels Straf' auf uns herab!

RAIMONDO
Und Lucia mit wildem Blicke
hielt sein Schwert noch blutbeflecket.

CHOR
...hielt sein Schwert noch blutbeflecket.

RAIMONDO und CHOR
Ach, komme nur nicht
des Himmels Straf' auf uns herab!
(Lucia tritt ein. Sie ist weißgekleidet, ihr Haar zerzaust.
Die Todesblässe im Gesicht gibt ihr einen geisterhaften
Ausdruck. Ihr steinerner Blick, die krampfartigen
Bewegungen und ihr bitteres Lächeln deuten nicht nur
auf Wahnsinn hin; man fühlt, daß sie dem Tode nahe
ist.)

RAIMONDO
Seht, sie naht!

CHOR
(Gerechter Himmel!
Sie scheint vom Tode erstanden!)

LUCIA
Ich hörte sprechen -
O, süße Töne! Ach, jene Stimme
stieg mir ins Herz hernieder.
Edgardo, du hast mich wieder!
Edgardo, ach mein Edgardo!
Entflohen bin ich
deinen Feinden!
Ein Schauer rieselt kalt mir durchs Herz,
durch alle Glieder. Mein Fuß wankt.
Hier bei der Quelle setz dich zu mir.
O weh, der blut'ge Schatten erhebt sich,
um uns zu scheiden.
O weh! Edgardo! Edgardo! Ach!
Der Schatten will uns scheiden.
Hier am Altar wird er uns meiden. - Siehst du
die Rosen? Hörst du himmlische Harmonien
entönen? Ach, innig klingt
die Nacht! Die Hochzeit für uns
beginnt! O Freude!
O Wonne, die ich fühle,
nicht zu beschreiben!
Die Kerzen leuchten,schon glimmt
der Weihrauch,
es naht der Priester! Reiche mir
die Rechte! O Tag der Freude!
Endlich bin ich dein, du bist der Meine!
Wir sind auf immer vereint!

RAIMONDO, NORMANNO und CHOR
Und beide noch so jung!
Nimm, o Herr, dich ihrer an!

LUCIA
Wir sind auf immer vereint!
nichts kann uns mehr trennen!
Der Erde höchste Wonne
sei mir mit dir beschieden!

(Enrico tritt ein.)

Ein Himmel
sei hienieden
für uns
des Lebens Bahn!
An deiner Seite
winkt mir ein neues Leben.
Ach, ja, winkt mir,
usw.

RAIMONDO und CHOR
In dieser Schreckensstunde
nimm, Herr, dich ihrer an.

ENRICO
O welche Schreckenskunde!
Die Strafe folgt zur Stunde.

LUCIA
Ein Himmel sei hienieden,
usw.

2. Szene

Die Begräbnisstätte von Schloß Ravenswood
(Gruft der Ravenswoods. Es ist Nacht.)


EDGARDO
Ihr Gräber meiner Ahnen! Den letzten Sproß
des unglücksel'gen Stammes,
o nehmt ihn friedlich auf! Der Rache Flamme ist
schon verlodert; ja, des Feindes Klinge duchbohre
meine Brust. Mir ist mein Leben verhaßte Bürde.
Des Weltalls Rund ist mir eine Wüste
ohne dich, Lucia!
Hell schimmern Kerzen noch
im Schloß, ach, kurz nur war
die Nacht zum Feste. O Undankbare!
Indes ich schmacht in Verzweiflung,
du unter Scherzen
lachest dem Gatten!
Du voller Freude - ich an des Grabes Rand!
Mein Leib wird bald in Grabes Nacht
den Ahnen sich anschließen,
und keine Träne wird
auf meine Urne fließen.
Sogar der Toten letzter Trost,
er ist versagt für mich!
Auch du vergißt
mein Grab in dieser Weite.
Geh nie vorüber
an deines Gatten Seite!
Und kränk' die Asche dessen nicht,
der hier verschied für dich.

Geh nie vorüber,
auch du vergißt,
und kränk' die Asche dessen nicht,
usw.

Ach! Undankbare! Kränk' die Asche,
usw.

(Die Gäste kommen aus dem Schloß.)

CHOR
Ach, die Arme! O Schreckensnacht!
Es ist um sie gescheh'n!
Ihre Blicke werden nicht
den nächsten Morgen sehn!

EDGARDO
Gott, was hör' ich! So sagt!

CHOR
Ach, die Arme!

EDGARDO
Wer wird so von euch beklaget?
Gebt mir Antwort, sagt es mir!

CHOR
Ach, Lucia!

EDGARDO
Lucia? O Himmel!

CHOR
Ach, die Arme!

EDGARDO
O so saget -

CHOR
Ja, die Arme liegt im Sterben -

EDGARDO
Ach!

CHOR
Flieht aus diesem Weltgetümmel,
Liebe raubte ihre Sinne.
Schon fühlt sie des Todes Bangen,
nur nach dir steht ihr Verlangen.

EDGARDO
Ach, Lucia stirbt? Lucia!

CHOR
Ihre Blicke werden nicht den nächsten Morgen sehn!
Liebe raubte ihre Sinne,
nur nach dir steht ihr Verlangen!

EDGARDO
Ihre Blicke werden nicht
den nächsten Morgen
sehn?

CHOR
Liebe raubte ihre Sinne, für dich!

EDGARDO
Ach!

CHOR
Die Sterbeglocke tönet! Ruh' in Frieden!

EDGARDO
Wie sie ins Herz mir dröhnet!
Ha, mein Schicksal ist entschieden!

CHOR
O höre!

EDGARDO
Noch einmal will ich sie sehen...

CHOR
Sammle vorher deine Sinne,
o, gib unserm Rat Gehör!

EDGARDO
Dann enden.

(Raimondo tritt ein.)

RAIMONDO
Armer, was ist dein Begehr?
Lucia lebt nicht mehr.

EDGARDO
Lucia!

RAIMONDO
Unglücksel'ger!

EDGARDO
Lebt nicht mehr? Ist es Wahrheit?

RAIMONDO
Sie ist im Himmel.

EDGARDO
Sie lebt nicht mehr!

CHOR
Unglücksel'ger! Unglücksel'ger!

EDGARDO
Du, die schon zum Himmel eilet,
reiner Geist auf lichten Schwingen,
laß Verzeihung mich erringen!
Dein Getreuer folget dir!
Ach, wenn hier, wo wir geweilet,
uns nur drohten stets Gefahren,
wenn wir hier geschieden waren,
eint ein Gott mich dort mit dir.
Reiner Geist auf lichten Schwingen,
mich eint ein Gott mit dir,
usw.
(Er zieht plötzlich seinen Dolch.)


Sieh, ich folge!

RAIMONDO
Rasender! Rasender!

RAIMONDO und CHOR
Ha, was tust du?

EDGARDO
Laßt mich! Sterben will ich!

RAIMONDO und CHOR
O kehr zurück!

EDGARDO
Nein, nein, nein!
(Er durchbohrt sich.)

RAIMONDO und CHOR
Ach!

RAIMONDO
Was tatest du?

EDGARDO
Sieh, ich folge, reine Seele!

RAIMONDO
Unglücksel'ger!

EDGARDO
Dein Treuer, er folget dir!

RAIMONDO
Himmel, vergib ihm!

EDGARDO
Ach, wenn hier, wo wir geweilet...

CHOR
Welch ein Ende! Welch ein Ende!

EDGARDO
Uns Gefahren drohten...
o reine Seele, bald vereint mich Gott mit dir!
O reine Seele,
usw.
Bald vereint mich Gott mit dir!

RAIMONDO
Himmel vergib ihm!
Vergib ihm, Gott!
Vergib ihm dies Vergehn!

CHOR
O grausames Schicksal!
Vergib ihm, Gott, vergib ihm dies Vergehn!
(Alle sinken in die Knie, Edgardo stirbt.)
 

 

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