Don Giovanni, ein ausschweifender junger Edelmann (Bassbariton oder Bariton) Il Commendatore (Der Komtur) (Bass) Donna Anna, seine Tochter und Braut von Don Ottavio (Sopran) Don Ottavio, ihr Verlobter (Tenor) Donna Elvira, vornehme Dame aus Burgos, Don Giovannis verlassene Geliebte (Sopran) Leporello, Don Giovannis Diener (Bass) Masetto, ein Bauer, Bräutigam der Zerlina (Bass) Zerlina, seine Braut, eine Bäuerin (Sopran, auch Mezzo-Sopran) Bauern, Bäuerinnen, Musikanten, Diener (Chor) Ort und Zeit der Handlung: Sevilla, 17 Jahrhundert. Ouvertüre Erste Szene Garten am Komturs Hause. Nacht. Introduktion (Leporello geht vor dem Hause der Donna Anna auf und ab.) LEPORELLO Tag und Nacht nur Schinderei für einen, der's nicht zu schätzen weiß. Ich halte Wind und Regen aus, esse schlecht und schlafe schlecht. Ich will selbst ein Herr und nicht mehr Diener sein. Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nicht mehr Diener sein. Oh, so ein feiner Ehrenmann! Ihr seid da drinnen mit Eurer Dame, Und ich muß den Aufpasser spielen! Ich will selbst ein Herr, usw. Doch glaub ich, man kommt! Ich will nicht, daß man mich hört, usw. (Er verbirgt sich. Don Giovanni stürzt aus dem Haus, gefolgt von Donna Anna, die verzweifelt versucht, ihn festzuhalten.) DONNA ANNA Glaube nicht, ich ließe dich gehen; du müßtest mich schon töten! DON GIOVANNI Wahnsinnige! Du schreist vergebens. Nie wirst du erfahren, wer ich bin! DONNA ANNA Glaube nicht, usw. DON GIOVANNI Wahnsinnige! usw. LEPORELLO (beiseite) Welch ein Spektakel! Himmel, welche Schreie! Ein neues Malheur für meinen Herrn! DONNA ANNA Hilfe! Ihr Leute! Der Verräter! DON GIOVANNI Sei still! Hüte dich vor meinem Zorn! DONNA ANNA Schändlicher! DON GIOVANNI Närrin! DONNA ANNA Schändlicher! DON GIOVANNI Närrin! LEPORELLO (beiseite) Wir werden sehen, ob dieser Schelm nicht noch mein Ende sein wird! DONNA ANNA Hilfe! Ihr Leute! DON GIOVANNI Sei still! DONNA ANNA Wie eine verzweifelte Furie werde ich dich verfolgen! usw. Schändlicher! Hilfe! Ihr Leute! Wie eine verzweifelte Furie, usw. DON GIOVANNI Diese verzweifelte Furie will mich vernichten! usw. Närrin! Sei still! Diese verzweifelte Furie, usw. LEPORELLO (beiseite) Welch ein Spektake! Himmel, welche Schreie! Wir werden sehen, ob dieser Schelm, usw. (Donna Anna hört die Stimme des Komturs und eilt ins Haus.) KOMTUR Laß ab von ihr, du Schuft, und schlage dich mit mir! DON GIOVANNI Hinweg! Ich mag mit dir nicht kämpfen! KOMTUR Glaubst du, mir so zu entkommen? LEPORELLO (beiseite) Könnte ich hier nur entfliehen! DON GIOVANNI Hinweg! Ich mag mit dir - nein! KOMTUR Glaubst du, mir so zu entkommen? LEPORELLO (beiseite) Könnte ich hier nur entfliehen! KOMTUR Schlage dich mit mir! DON GIOVANNI Also sei es, wenn du sterben willst! (Sie kämpfen. Der Komtur wird auf den Tod getroffen.) KOMTUR Ach! zu Hilfe! Ich ward betrogen! Der Mörder hat mich verwundet, und aus meiner wogenden Brust fühle ich meine Seele fliehen, usw. DON GIOVANNI Ah, schon ist der Schuft gefallen, er keucht im Todeskampf; aus seiner wogenden Brust sehe ich schon die Seele entschwinden, usw. LEPORELLO Welch eine Missetat! Welch ein Verbrechen! Ich kann fühlen, wie laut mein Herz in seiner Angst schlägt! Ich weiß nicht, was ich sagen, was ich tun soll. (Der Komtur stirbt.) Rezitativ DON GIOVANNI Leporello, wo bist du? LEPORELLO Ich bin hier, leider, und Ihr? DON GIOVANNI Hier drüben. LEPORELLO Wer ist tot, Ihr oder der alte Mann? DON GIOVANNI Welch blöde Frage! Der alte Mann. LEPORELLO Gut gemacht! Zwei Missetaten! Erst die Tochter verführt, dann den Vater ermordet. DON GIOVANNI Er hat's so gewollt; es war sein Schaden. LEPORELLO Und Donna Anna, hat auch sie's gewollt? DON GIOVANNI Sei still jetzt. Du wirst mir lästig. Komm, wenn du selbst hier nichts zu schaffen hast. LEPORELLO Ich habe keine Wünsche, Herr, und nichts mehr zu sagen. (Sie gehen ab. Donna Anna kehrt zurück, begleitet von Don Ottavio und Dienern mit Fackeln.) Rezitativ & Duett DONNA ANNA Ach, mein Vater ist in Gefahr; laßt uns zu ihm eilen. DON OTTAVIO Wenn nötig, werde ich all mein Blut vergießen. Doch wo ist der Schurke? DONNA ANNA Hier ... (Sie sieht den Leichnam.) Doch, o Götter, welch ein Bild? Mein Vater, mein lieber Vater! DON OTTAVIO Meine Dame! DONNA ANNA Ach, der Mörder hat ihn getötet! Das Blut ... die Wunde ... sein Gesicht, die Farbe des Todes. Er atmet nicht mehr ... seine Glieder sind kalt. Mein Vater, mein geliebter Vater! Ich vergehe ... ich sterbe. (Sie wird ohnmächtig.) DON OTTAVIO Helft, geliebte Freunde! Schnell, bringt Riechsalz, Stärkung. Rasch! (Die Diener eilen davon.) Donna Anna! Meine Braut! Meine Geliebte! Der Schmerz bringt sie um! DONNA ANNA O weh! DON OTTAVIO Ihr Bewußtsein kehrt zurück ... (Die Diener kommen wieder.) Helft ihr auf. DONNA ANNA Mein Vater! DON OTTAVIO Schnell, befreit ihren Blick von dem Gegenstand des Schreckens. (Die Diener bringen den Leichnam hinweg.) Meine Geliebte, laß dich trösten, schöpfe Kraft. DONNA ANNA Hinweg, Grausamer, hinweg! Laß auch mich sterben, jetzt, da der tot ist, o Gott, der mir das Leben gab! DON OTTAVIO Höre, Geliebte, bitte höre! Sieh mich einen Augenblick an! Dein Geliebter spricht zu dir, er, der nur für dich lebt. DONNA ANNA Du bist es - vergib mir, mein Liebster - Meinen Gram, mein Leid ... Ach, wo ist mein Vater? DON OTTAVIO Dein Vater? Verbanne, Geliebte, die bittere Erinnerung. Ehemann und Vater bin ich dir. DONNA ANNA Ach, wo ist mein Vater? DON OTTAVIO Verbanne, Geliebte, usw. DONNA ANNA Ah, schwöre, sein Blut zu rächen, wenn du's vermagst! DON OTTAVIO Ich schwöre, ich schwöre, ich schwöre es bei deinen Augen! Ich schwöre es bei unserer Liebe! DONNA ANNA, DON OTTAVIO Welch ein Gelübde, ihr Götter, welch entsetzlicher Augenblick! Hunder t und aberhunder t Gefühle durchwogen das Herz, usw. DONNA ANNA Schwöre, sein Blut zu rächen! DON OTTAVIO Ich schwöre es bei deinen Augen, bei unserer Liebe! DONNA ANNA, DON OTTAVIO Welch ein Gelübde, ihr Götter! usw. (Sie gehen ab.) Zweite Szene Eine Straße bei einem Gasthof. Dämmerung. Rezitativ DON GIOVANNI Los jetzt, eile dich. Was willst du? LEPORELLO Es handelt sich um eine wichtige Sache. DON GIOVANNI Das glaub' ich. LEPORELLO Äußerst wichtig. DON GIOVANNI Um so besser. Heraus damit. LEPORELLO Versprecht, daß Ihr nicht wütend werdet. DON GIOVANNI Ich schwöre es bei meiner Ehre, so lange du nicht vom Komtur sprichst. LEPORELLO Sind wir allein? DON GIOVANNI Siehst du das nicht? LEPORELLO Niemand kann uns hören? DON GIOVANNI Los jetzt! LEPORELLO Kann ich Euch alles freimütig sagen? DON GIOVANNI Ja. LEPORELLO Nun denn, mein teurer Herr, das Leben, das Ihr führt, ist das eines Schurken. DON GIOVANNI Kerl, du wagst es ... LEPORELLO Und Euer Versprechen? DON GIOVANNI Ich weiß von keinem Versprechen. Halt's Maul, sonst ... LEPORELLO Ich schweige still - kein Flüstern mehr, mein teurer Herr. DON GIOVANNI So bleiben wir Freunde. Jetzt höre: Weißt du, warum ich hier bin? LEPORELLO Ich weiß von nichts. Doch da schon bald der Morgen dämmert, könnte es um eine neue Eroberung gehen ... ? Das muß ich wegen der Liste wissen. DON GIOVANNI Schau an, du bist mir einer! So wisse, daß ich eine schöne Dame liebe und sie, da bin ich sicher, mich wiederliebt. Ich sah sie, sprach mit ihr - und sie will heute Nacht in meine Villa kommen ... Still! Ich glaube, ich rieche ein Weib! LEPORELLO (beiseite) Meine Güte, welch vollkommene Nase! DON GIOVANNI Ich glaube, eine charmante Erscheinung! LEPORELLO (beiseite) Und welch ein Auge! DON GIOVANNI Ziehen wir uns ein wenig zurück und sichten wir das Terrain! LEPORELLO (beiseite) Er fängt schon Feuer! (Sie verstecken sich. Donna Elvira tritt auf.) Arie DONNA ELVIRA Ah, wer kann mir sagen, wo der Unmensch ist, den ich zu meiner Schande liebte und der mich so betrog? Oh, wenn ich diesen Schurken finde, und er kommt nicht zurück zu mir, werd' ich ein Gemetzel anrichten und ihm das Herz aus dem Leibe reißen. DON GIOVANNI (zu Leporello) Hörst du? Eine Schöne, die von ihrem Geliebten verlassen wurde. DONNA ELVIRA Werd' ich ein Gemetzel anrichten und ihm das Herz aus dem Leibe reißen! DON GIOVANNI (zu Leporello) Armes Kind! DONNA ELVIRA Ihm das Herz aus dem Leibe reißen, usw. DON GIOVANNI (zu Leporello) Versuchen wir, sie in ihrem Kummer zu trösten. LEPORELLO (beiseite) So hat er schon achtzehnhundert getröstet. DONNA ELVIRA Ah, wer kann mir sagen, usw. DON GIOVANNI (zu Leporello) Armes Kind! DONNA ELVIRA Ihm das Herz aus dem Leibe reißen, usw. DON GIOVANNI (zu Leporello) Versuchen wir, usw. LEPORELLO (beiseite) So hat er schon, usw. DONNA ELVIRA Ihm das Herz aus dem Leibe reißen, usw. (Don Giovanni tut einen Schritt vorwärts.) DON GIOVANNI Mein Fräulein! Rezitativ DONNA ELVIRA Wer ist da? DON GIOVANNI O Himmel! Was sehe ich? LEPORELLO (beiseite) Großartig! Donna Elvira! DONNA ELVIRA Don Giovanni! Du bist hier, du Ungeheuer, du Verbrecher, du Nistplatz der Lüge! LEPORELLO (beiseite) Welch treffliche Namen! Gut, daß sie ihn kennt. DON GIOVANNI Kommt, meine liebe Donna Elvira, beruhigt Euch, hört mir zu und laßt mich sprechen. DONNA ELVIRA Was wolltest du sagen nach einer so schändlichen Tat? Du schlichst dich in mein Haus, und durch deine Kunstfertigkeit, dein Versprechen und Weheklagen vermochtest du mich zu verführen. Ich verliebte mich, Grausamer, und du nanntest mich Braut. Dann brachst du alle Gesetze des Himmels und der Erde und flohst nach drei Tagen aus Burgos. Mich ließest du allein zurück, ein Opfer meiner Gewissensbisse und Tränen - die Strafe womöglich für die übergroße Liebe zu dir! LEPORELLO (beiseite) Wie ein gedrucktes Buch! DON GIOVANNI Oh, was das angeht, da hatte ich meine Gründe, nicht wahr? LEPORELLO Und welch zwingende Gründe! DONNA ELVIRA Und welche wären das gewesen, wenn nicht deine Heimtücke und Leichtfertigkeit? Doch der gerechte Himmel wollte, daß ich dich finde, um sich und mich zu rächen. DON GIOVANNI Komm, sei verständig! (beiseite) Sie wird mir riskant! (zu Elvira) Wenn du meinen Worten nicht glaubst, so glaube doch diesem Ehrenmann ... LEPORELLO (beiseite) ... alles außer der Wahrheit. DON GIOVANNI (zu Leporello) Nun los, erzähl's ihr. LEPORELLO (beiseite, zu Don Giovanni) Und was soll ich ihr sagen? DON GIOVANNI Ja, ja, sage ihr alles. DONNA ELVIRA (zu Leporello, während Don Giovanni sich davonmacht, ohne daß Donna Elvira es bemerkt) Nun gut, mach schnell. LEPORELLO Madame - wirklich - in dieser Welt, wo ein Rechteck nun mal kein Kreis ist ... DONNA ELVIRA Schuft! So verspottest du meinen Schmerz? Oh, du ... (wendet sich zu Don Giovanni) Himmel! Der Schurke ist geflohen! Ach, ich Arme! Wo kann er sein? Wo? LEPORELLO Oh, laßt ihn nur gehen. Er verdient nicht, daß man sich seinetwegen sorgt. DONNA ELVIRA Der Schuft hat mich überlistet, mich betrogen ... LEPORELLO Beruhigt Euch! Ihr seid nicht die erste oder letzte, Ihr wart es nicht und werdet es auch nicht sein. Schaut: Dieses kleine üppige Buch ist mit den Namen seiner Geliebten gefüllt. Jede Stadt, jeder Ort, jede Gegend bezeugt, was er mit Frauen unternahm. Arie Teure Dame, dies ist die Liste der Schönen, die mein Herr geliebt hat. Eine Liste, dich ich selbst anlegte. Seht und lest gemeinsam mit mir. In Italien sechshundertvierzig; In Deutschland zweihunderteinunddreißig; hundert in Frankreich; in der Türkei einundneunzig; doch in Spanien sind's schon tausenddrei. Darunter sind Bauernmädchen, Zofen, Mädchen aus der Stadt, Gräfinnen, Baronessen, Marquisen, Prinzessinnen, Frauen jeden Standes, jeder Gestalt, jeden Alters. In Italien sechshundertvierzig; usw. An Blonden lobt er ihr sanftes Wesen; an Brünetten ihre Treue; bei den Hellblonden ihre Lieblichkeit. Im Winter mag er die Dicken, im Sommer die Dünnen. Die Großen nennt er majestätisch, die Kleinen stets bezaubernd. Die Alten verführt er aus Vergnügen, damit sie auf die Liste kommen. Seine größte Leidenschaft sind die jungen Anfängerinnen. Es tut nichts, ob sie reich sind, häßlich oder schön, ob sie reich sind, häßlich oder schön; wenn sie nur einen Unterrock trägt, wißt Ihr schon, was dann geschieht! Wenn sie nur einen Unterrock trägt, usw. (Er geht ab.) Rezitativ DONNA ELVIRA Auf diese Weise also hat der Schurke mich hintergangen; ist das der Lohn, den der Unmensch mir für meine Liebe zahlt? Oh, ich will mich dafür rächen, daß er mein Herz betrog. Bevor er flieht, gehe ich, ihn zu suchen. Nichts als die Blutrache spricht aus mir, nichts als Wut und Haß. (Sie geht ab.) Dritte Szene Offene Gegend auf dem Lande nahe dem Hause des Don Giovanni. Es ist Morgen. (Zerlina, Masetto und der Chor der Landleute treten auf.) Chor ZERLINA Ihr Mädchen, die ihr mit der Liebe spielt, laßt nicht den Frühling vorübergehen. Wenn in der Brust das Herz hüpft, dann findet ihr hier die Heilung. Ah! Welche Freude, welche Freude wird das sein! LANDLEUTE Oh, welche Freude, welche Freude wird das sein! La la la, usw. MASETTO Ihr leichtfertigen Jünglinge, wandert nicht ziellos umher. Die Feste der Narren währen nicht lang, Doch für mich hat es nicht einmal begonnen. Ah! Welche Freude, welche Freude wird das sein! LANDLEUTE Ach! Welche Freude, usw. La la la, usw. ZERLINA und MASETTO Komm, Geliebte(r), wir wollen uns freuen, und singen und tanzen und spielen! Komm, Geliebte(r), wir wollen uns freuen! Welche Freude, welche Freude wird das sein! Ach! Welche Freude, usw. ALLE Ach! Welche Freude, usw. La la la lera, usw. (Don Giovanni und Leporello treten auf.) Rezitativ DON GIOVANNI Nun, jetzt ist sie endlich weg. O schau, welch schöne Jugend - und was für hübsche Frauen! LEPORELLO (beiseite) Meiner Treu, unter so vielen werde ich wohl doch auch eine finden! DON GIOVANNI Meine lieben Freunde, guten Morgen. Vergnügt euch nur weiter, spielt, meine guten Leute. Gibt's eine Hochzeit? ZERLINA Ja, und ich bin die Braut. DON GIOVANNI Schön, ganz allerliebst! Und der Bräutigam? MASETTO Hier bin ich, zu Euren Diensten. DON GIOVANNI Bravo! Zu meinen Diensten; so spricht ein wahrer Ehrenmann. LEPORELLO (beiseite) Es sollte genug sein, daß er Gatte ist. ZERLINA Oh, mein Masetto hat ein sehr gutes Herz. DON GIOVANNI Und auch ich, seht ihr! Ich möchte, daß wir Freunde werden. Euer Name? ZERLINA Zerlina. DON GIOVANNI Und der deine? MASETTO Masetto. DON GIOVANNI Oh, mein lieber Masetto! Und meine liebe Zerlina! Ich biete euch meinen Schutz. (zu Leporello, der mit den Mädchen scherzt) Leporello! Was tust du da, du Kerl? LEPORELLO Auch ich, mein Herr, biete meinen Schutz. DON GIOVANNI Rasch, gehe mit ihnen. Nimm sie sogleich mit in meine Villa. Schau, daß man ihnen Schokolade, Kaffee, Wein und Schinken serviert. Sorge dafür, daß alle sich gut unterhalten; zeig ihnen den Garten, die Galerie, die Gemächer. Kümmere dich darum, daß mein lieber Masetto glücklich ist. Hast du verstanden? LEPORELLO Ich verstehe. Laßt uns gehen! MASETTO Herr! DON GIOVANNI Was gibt's? MASETTO Zerlina kann nicht ohne mich bleiben. LEPORELLO Seine Exzellenz werden an Eure Stelle treten, und er weiß, wie diese Rolle zu spielen ist. DON GIOVANNI Oh, Zerlina ist in den Händen eines Kavaliers. Geh nun; sie wird später mit mir nachkommen. ZERLINA Mach' dir keine Sorgen. Ich bin in den Händen eines Kavaliers. MASETTO Und das heißt? ZERLINA Das heißt, du mußt dir keine Sorgen machen. MASETTO Und ich, beim Himmel ... DON GIOVANNI Heda, hört auf mit diesem Zank! Wenn du uns nicht gleich verläßt, Masetto, dann hab acht, du wirst es bereuen! (Zeigt ihm den Degen.) Arie MASETTO Ich verstehe, Herr, ich verstehe. Ich neige mein Haupt und verschwinde. Wenn Ihr es so haben wollt, mach' ich keine Schwierigkeiten. Schließlich seid Ihr ein Kavalier. Ich muß mir Euretwegen wirklich keine Sorgen machen. Das sagt mir die Güte, die Ihr mir erweisen wollt. (beiseite zu Zerlina) Du arge kleine Hexe! Du warst stets mein Ruin! (zu Leporello) Ich komme, ich komme. (zu Zerlina) Bleib hier, bleib hier. Es ist eine ehrenvolle Sache! Vielleicht macht dich der Kavalier sogar zu seiner Dame. Du arge kleine Hexe! Du warst stets, usw. (Masetto geht mit Leporello und den Bauern ab.) Rezitativ & Duettino DON GIOVANNI Endlich sind wir, liebste Zerlina, diesen Rüpel los. Sagt mir, meine Liebe, habe ich das nicht geschickt gelöst? ZERLINA Herr, er ist mein Gemahl. DON GIOVANNI Was, dieser da? Glaubt Ihr, ein so ehrenwerter Mann und Kavalier, wie ich ja doch wohl einer bin, könnte ein so liebenswertes Gesichtchen, eine so süße Schönheit von einem derartigen Tölpel rauben lassen? ZERLINA Aber Herr, ich versprach, ihn zu heiraten. DON GIOVANNI Diese Art Versprechen hat nichts zu sagen. Ihr seid nicht zum Bauernmädchen geschaffen. Diese schelmischen Augen, diese lieblichen Lippen, diese schlanken, duftenden Finger, so weich und wohlriechend wie Rosen - all das verlangt ein anderes Geschick. ZERLINA Ach, aber ich will nicht ... DON GIOVANNI Was wollt Ihr nicht? ZERLINA ... am Ende betrogen werden. Ich weiß, daß ihr Kavaliere nur sehr selten ehrenwert seid und aufrichtig zu den Frauen. DON GIOVANNI Oh, eine bloße Verleumdung, vom gemeinen Volk in die Welt gesetzt. Wahren Edelmut kann man in den Augen sehen. Komm nun, wir wollen keine Zeit verlieren. Ich möchte dich auf der Stelle heiraten. ZERLINA Ihr? DON GIOVANNI Natürlich. Dieses kleine Häuschen gehört mir. Wir werden allein sein, und dort, mein Juwel, werden wir heiraten. Dort reichst du mir deine Hand, Dort sagst du mir „Ja". Du siehst, es ist nicht weit. Laß uns gehen, Geliebte. ZERLINA Ich möchte gern und wieder auch nicht, es zittert ein wenig das Herz; ja, ich wäre glücklich, gewiß, doch könnt' er mich auch hintergehen. DON GIOVANNI Komm, meine Vielgeliebte! ZERLINA Masetto tut mir leid! DON GIOVANNI Ich werde dein Schicksal verwandeln. ZERLINA Bald widerstehe ich nicht mehr. DON GIOVANNI Laß uns gehen! Dort reichst du mir deine Hand, ZERLINA Ich möchte gern und wieder auch nicht! DON GIOVANNI Dort sagst du mir „Ja". ZERLINA Es zittert ein wenig das Herz. DON GIOVANNI Laß uns gehen, Geliebte. ZERLINA Doch könnt' er mich auch hintergehen. DON GIOVANNI Komm, meine Vielgeliebte! ZERLINA Masetto tut mir leid! DON GIOVANNI Ich werde dein Schicksal verwandeln. ZERLINA Bald widerstehe ich nicht mehr. DON GIOVANNI Laß uns gehen! ZERLINA Laß uns gehen! BEIDE Laß uns gehen, laß uns gehen, Geliebte(r), das Weh unschuldiger Liebe zu lindern, usw. (Donna Elvira tritt auf.) Rezitativ DONNA ELVIRA Halt, Schurke! Der Himmel wollte, daß ich deine Tücken hörte. Ich komme gerade recht, diese unglückliche Unschuld aus deinen schrecklichen Klauen zu retten. ZERLINA Ich Arme! Was höre ich? DON GIOVANNI (beiseite) Gott Amor, was soll ich tun? (zu Donna Elvira) Meine liebe Dame, seht Ihr nicht, daß ich mich zu zerstreuen wünsche? DONNA ELVIRA Zerstreuen? Gewiß. Zerstreuen. Ich weiß, Grausamer, wie du dich zerstreust. ZERLINA Aber Herr Kavalier, ist es wahr, was sie sagt? DON GIOVANNI (zu Zerlina, beiseite) Diese arme Frau liebt mich, und aus Mitleid muß ich so tun, als liebte ich sie auch, denn leider habe ich ein gutes Herz. Arie DONNA ELVIRA Ach, fliehe den Verräter! Höre nicht auf seine Worte! Seine Lippen lügen, seine Augen betrügen. Lerne aus meinem Leiden traue dem, was ich sage, und laß mein eigenes Los dir eine Warnung sein. Ach, fliehe, fliehe! Ach, fliehe den Verräter! Höre nicht auf seine Wor te, usw. (Sie geht ab und nimmt Zerlina mit sich.) Rezitativ & Quartett DON GIOVANNI Es scheint, der Teufel amüsiert sich heute auf meine Kosten. Nichts geht so, wie es soll. (Donna Anna und Don Ottavio treten auf.) DON OTTAVIO Ach, meine Geliebte, hier sind die Tränen vergebens. Laß uns von der Rache sprechen. Ach, Don Giovanni! DON GIOVANNI (beiseite) Das war's, was mir noch fehlte! DONNA ANNA Herr, wir finden Euch beizeiten. Habt Ihr ein Herz, eine edle Seele? DON GIOVANNI (beiseite) Jetzt werden wir sehen, ob ihr der Teufel etwas verraten hat. (zu Donna Anna) Welch eine Frage! Warum? DONNA ANNA Wir bedürfen Eurer Freundschaft. DON GIOVANNI (beiseite) Das Leben kehrt mir wieder. (zu Donna Anna) Zu Euren Diensten. Meine Eltern, meine Verwandten, dieser Arm, dieses Schwert, mein Besitz, mein Blut, alles stelle ich in Euren Dienst. Doch, Donna Anna, was weint Ihr so? Wer war der Grausame, der es wagte, Euren Seelenfrieden zu stören? (Donna Elvira tritt ein.) DONNA ELVIRA Ah, habe ich dich wiedergefunden, treuloses Ungeheuer! Glaube nicht, Unglückselige, an dieses Schurken Herz! Mich hat der Lump bereits betrogen, jetzt plant dasselbe er mit dir. DONNA ANNA, DON OTTAVIO Himmel, welch edle Erscheinung, Welch milde Majestät. Ihre Blässe, ihre Tränen erfüllen mich mit Mitleid. DON GIOVANNI Das arme Mädchen ist verrückt, meine Freunde. Laßt mich allein mit ihr, (beiseite) vielleicht beruhigt sie sich. DONNA ELVIRA Ach, glaubt dem Treulosen nicht! DON GIOVANNI Sie ist verrückt, beachtet sie nicht. DONNA ELVIRA Bleibt, um Himmels willen, bleibt! DONNA ANNA, DON OTTAVIO Wem sollen wir glauben? DON GIOVANNI Sie ist verrückt! DONNA ELVIRA Bleibt! DONNA ANNA, DON OTTAVIO Wem sollen wir glauben? DONNA ELVIRA Ach, glaubt dem Treulosen nicht. Bleibt! DONNA ANNA, DON OTTAVIO, DON GIOVANNI Ich fühle in meiner Brust. Eine unbekannte Qual... DONNA ELVIRA Verachtung, Wut, Ekel und Furcht... DONNA ANNA, DON OTTAVIO, DON GIOVANNI ... spüre ich in meiner Seele. DONNA ELVIRA ... spüre ich in meiner Seele. DONNA ANNA, DON OTTAVIO, DON GIOVANNI Sie sagt mir von der armen Frau hundert Dinge, die ich noch nicht begreife, usw. DONNA ELVIRA Sie sagen mir von diesem Betrüger hundert Dinge, die ich noch nicht begreife, usw. DON OTTAVIO (beiseite) Ich werde nicht gehen, bis ich die Wahrheit kenne. DONNA ANNA (beiseite) Es gibt kein Anzeichen des Wahnsinns in ihrer Art, in ihrem Sprechen. DON GIOVANNI (beiseite) Es könnte ihren Argwohn wecken, machte ich mich jetzt davon. DONNA ELVIRA (beiseite) An seiner Fratze sollten sie den üblen Charakter erkennen. DON OTTAVIO (zu Don Giovanni) So ist sie ... DON GIOVANNI ... ein bißchen verrückt. DONNA ANNA (zu Donna Elvira) So ist er ... DONNA ELVIRA ... ein Betrüger. DON GIOVANNI Unglückliche! DONNA ELVIRA Lügner! Lügner! Lügner! DONNA ANNA, DON OTTAVIO Ich beginne zu zweifeln. DON GIOVANNI (zu Donna Elvira) Gemach, gemach! Schon umringen uns die Leute. Mäßigt Euch ein wenig, sonst zieht man über uns her. DONNA ELVIRA (laut zu Don Giovanni) Darauf hoffe nicht, du Schurke, all meine Mäßigung ist dahin; deine Schuld und mein Geschick - alle sollen es erfahren. Darauf hoffe nicht, usw. DONNA ANNA, DON OTTAVIO (beiseite) Dieses dauernde Flüstern, und immer wieder das Erröten - das sind doch Zeichen, die mich begreifen lassen, usw. DON GIOVANNI (zu Donna Elvira) Gemach, gemach! (Donna Elvira geht ab.) Rezitativ DON GIOVANNI Unglückliches Weib! Ich muß ihr nach. Ich will nicht, daß sie ins Verderben stürzt. Entschuldigt mich, schönste Donna Anna. Wenn ich Euch zu Diensten sein kann, erwarte ich Euch in meinem Haus. Meine Freunde,lebt wohl. (Geht eilig ab.) Rezitativ & Arie DONNA ANNA Don Ottavio, ich sterbe! DON OTTAVIO Was ist's? DONNA ANNA Um der Barmherzigkeit, hilf mir! DON OTTAVIO Geliebte, faß Mut! DONNA ANNA Ihr Götter! Er ist's, der meinen Vater erschlug! DON OTTAVIO Was sagst du? DONNA ANNA Es gibt keinen Zweifel. Seine Abschiedsworte, seine Stimme erinnern mich an den Schurken, der in meiner Wohnung ... DON OTTAVIO Gütiger Himmel! Ist es möglich, daß unter dem heiligen Mantel der Freundschaft - doch was geschah? Erzähle mir das sonderbare Geschehen. DONNA ANNA Es war schon spät, und ich war, wie sich's fügte, allein in meinen Gemächern, als ich einen verhüllten Mann eintreten sah, den ich zunächst für dich hielt. Rasch aber erkannte ich meinen Irr tum. DON OTTAVIO Gütiger Herr! Weiter! DONNA ANNA Leise kam er näher und versuchte, mich zu umarmen. Ich wollte mich befreien, doch er hielt mich nur desto fester. Ich schrie, doch niemand kam! Mit einer Hand versuchte er, mich zum Schweigen zu bringen, mit der anderen packte er mich so fest, daß ich mich schon verloren gab. DON OTTAVIO Der Schurke! Und dann? DONNA ANNA Am Ende verliehen mir Verzweiflung und Entsetzen über die Tat eine solche Kraft, daß ich mich durch Drehen, Wenden und Winden befreien konnte. DON OTTAVIO Oje! Ich atme auf! DONNA ANNA Dann schrie ich nochmal so laut. Der Gauner floh. Rasch folgte ich ihm auf die Straße, um ihn zu stellen, selbst nun Verfolger geworden. Mein Vater eilte heraus, wollte wissen, wer es sei, und der Kerl, der stärker war als der alte Mann, vollendete seine Schandtat, indem er ihn tötete. Jetzt weißt du, wer versuchte, mir die Ehre zu rauben, wer der Betrüger war, der meines Vaters Leben nahm. Rache erbitte ich von dir, und auch dein Herz verlangt danach. Gedenke stets der Wunde in der Brust des armen Mannes, des Erdreichs umher, das mit Blut besdelt war, wenn dein gerechter Zorn an Schärfe verlieren will. Jetzt weißt du, wer versuchte, usw. Rache erbitte ich von dir, usw. (Geht ab.) Rezitativ & Arie DON OTTAVIO Wie könnte ich glauben, daß ein Edelmann solch finstere Verbrechen begehen könnte? Ach, ich muß auf jede Weise die Wahrheit entdecken. Ich fühle, daß es als Freund und Liebhaber meine einfache Pflicht ist, ihr seine Unschuld zu beweisen oder sie zu rächen. Von ihrem Seelenfrieden hängt auch der meine ab; was ihr gefällt, gibt mir das Leben, was sie nicht mag, bringt mir den Tod. Wenn sie seufzt, seufze ich mit ihr. Ihre Wut ist auch die meine, ihr Tränen vergieße ich. Und froh bin ich nur, wenn sie es ist. Von ihrem Seelenfrieden, usw. (Geht ab.) (Leporello tritt auf, gefolgt von Don Giovanni.) Rezitativ LEPORELLO Ich muß einen Weg finden, von dem Verrückten für immer wegzukommen. Da ist er schon. Seht nur, wie gleichgültig er daherkommt. DON GIOVANNI Oh, mein lieber Leporello, ist alles in Ordnung? LEPORELLO Mein lieber Don Giovannino, nichts ist in Ordnung. DON GIOVANNI Was meinst du damit: Nichts ist in Ordnung? LEPORELLO Ich ging, wie Ihr befahlt, mit all diesen Leuten heim. DON GIOVANNI Gut gemacht! LEPORELLO Durch Geschwätz, Schmeichelei und Lügen - Kniffe also, die ich von Euch erlernte - versuchte ich, sie festzuhalten. DON GIOVANNI Gut gemacht! LEPORELLO Ich erzählte Masetto tausend Lügen, um die Eifersucht aus seinem Kopf zu treiben. DON GIOVANNI Gut gemacht, bei meiner Ehr'! LEPORELLO Ich sehe darauf, daß Männer und Frauen trinken. Schon sind sie besäuselt. Die einen singen, die andern scherzen, die dritten trinken weiter. Und auf dem Höhepunkt, ratet, wer platzt da herein? DON GIOVANNI Zerlina. LEPORELLO Richtig! Und mit wem? DON GIOVANNI Donna Elvira. LEPORELLO Richtig! Und sie sagte von Euch ... DON GIOVANNI Alles, was an Übel sie nur ersinnen konnte. LEPORELLO Richtig, richtig, bei meiner Ehr'! DON GIOVANNI Was aber tatest du? LEPORELLO Ich blieb still. DON GIOVANNI Und sie? LEPORELLO Sie schrie in einem fort. DON GIOVANNI Und wieder du? LEPORELLO Als ich dachte, sie sei fertig, führte ich sie ruhig hinaus und verschloß geschickt das Tor hinter ihr; dann machte ich mich davon und ließ sie auf der Straße allein. DON GIOVANNI Bravo, bravo, dreimal bravo! Die Sache hätte nicht besser gehen können. Du hast sie begonnen, ich bring' sie zu Ende. Diese wollüstigen Bauernmädchen beschäftigen mich sehr. Ich will sie bis zum Anbruch der Nacht unterhalten. Arie Jetzt, da der Wein ihre Köpfe in Taumel versetzt hat, Geh und bereite ein herrliches Fest. Wenn du dabei eine junge Dame findest, suche auch sie mitzubringen. Das Tanzen soll ohne alle Ordnung sein; sie können das Menuett, die Gavotte, den Walzer tanzen, ganz wie sie wollen. Und inzwischen werde ich hinter der Szene mit dieser oder jener tändeln. Ah, meiner Liste wirst du morgen früh mindestens zehn Namen hinzuzusetzen haben! usw. (Sie gehen ab.) Vierte Szene Der zum Hause des Don Giovanni gehörige Garten (Zerlina, Masetto, Landleute) Rezitativ ZERLINA Masetto, höre mich an. Masetto, bitte. MASETTO Rühr mich nicht an. ZERLINA Warum? MASETTO Du fragst mich warum? Treulose! Was sollte ich mich von einem Frauenzimmer wie dir anrühren lassen? ZERLINA O nein! Grausamer, schweig. Solche Behandlung verdiene ich nicht. MASETTO Was? Du hast die Stirn, Entschuldigungen vorzubringen? Allein bei einem Mann zu bleiben, mich zu verlassen an meinem Hochzeitstag! Einen ehrenwerten Bauern so zu blamieren! Ach, wenn es nicht einen Skandal gäbe, ich würde ... (Die Landleute gehen ab.) ZERLINA Doch wenn ich unschuldig wäre? Wenn er mich überlistet hat? Und dann: Was fürchtest du? Beruhige dich, mein Liebster; er hat nicht einmal meine Fingerspitzen berührt. Du glaubst mir nicht? Undankbarer! Komm her, mach deinem Ärger Luft, töte mich! Tu mit mir, was du willst, doch nachher, mein Masetto, laß uns Frieden schließen. Arie Schlag mich, schlag mich, mein Masetto, schlag deine arme Zerlina; ich werde stehen wie ein Lamm und deine Schläge erwarten. Schlag mich, schlag mich, usw. Du kannst mir das Haar ausreißen, mir die Augen auskratzen, und ich werde beglückt deine lieben Hände küssen. Schlag mich, schlag mich, usw. Ach, ich sehe, du hast kein Herz! Frieden, Frieden, o mein Leben, glücklich und voller Freude wollen wir Tage und Nächte verbringen, ja, Tage und Nächte verbringen, usw. Frieden, Frieden, o mein Leben, usw. Rezitativ MASETTO Schau nur, wie die kleine Hexe mich um den Finger wickelt! Wie weich müssen wir im Kopfe sein! DON GIOVANNI (hinter der Bühne) Alles soll für ein großes Fest bereitet werden. ZERLINA Ah, Masetto, Masetto, das ist die Stimme des Kavaliers. MASETTO Ja, und was heißt das? ZERLINA Er kommt! MASETTO Er soll nur kommen. ZERLINA Ah, wenn man sich doch verstecken könnte! MASETTO Was fürchtest du? Warum erbleichst du? Ah, ich verstehe, du Frauenzimmer! Du fürchtest, daß ich verstehe, was wirklich zwischen euch beiden war. Finale MASETTO Schnell, schnell, bevor er kommt, muß ich mich irgendwo verbergen; da in der Ecke dort drüben werde ich mäuschenstille bleiben. ZERLINA Höre, höre! Wo gehst du hin? Ah, versteck dich nicht dort! Wenn er dich findet, du Ärmster, du weißt nicht, was er mit dir tut! MASETTO Er kann tun und sagen, was er will. ZERLINA Ach, was nützen diese Worte! MASETTO Sprich laut und bleibe hier. ZERLINA (beiseite) Welche Verrücktheit hast du im Sinn? MASETTO Sprich laut und bleibe hier! (beiseite) Ich will sehen, ob sie treu ist, und wie die Sache geht, usw. ZERLINA (beiseite) Der undankbare, grausame Mann will heute niederstürzen. (Masetto versteckt sich. Don Giovanni tritt mit Dienern ein. Die Landleute kommen zurück.) DON GIOVANNI Kommt, aufgewacht, ihr Leute! Kommt, nur Mut, ihr guten Leute! Wir wollen uns vergnügen, wir wollen lachen und scherzen. Auf der Stelle sei jeder zum Ballsaal gebracht, und seht darauf, daß Erfrischungen im Überfluß vorhanden sind. DIENER Kommt, wacht auf, ihr Leute! usw. (Die Diener und Landleute gehen ab. Zerlina sucht sich zu verstecken.) ZERLINA Zwischen diesen Büschen sieht er mich vielleicht nicht. DON GIOVANNI Zerlina, meine Süße, ich habe dich erspäht, lauf' nicht davon! ZERLINA O bitte, laßt mich gehen! DON GIOVANNI Nein, nein, bleib, du Freude meines Lebens! ZERLINA Wenn Liebe in Eurem Herzen ist ... DON GIOVANNI Ja, meine Liebste, ich bin voll der Liebe. Komm ein wenig hierher, ich will dich glücklich machen. Komm ein wenig hierher, usw. ZERLINA (beiseite) Ach, wenn er meinen Gatten sieht, dann weiß ich, was geschieht! (Don Giovanni zieht Zerlina beiseite; er sieht Masetto und tut eine überraschte Bewegung.) DON GIOVANNI Masetto? MASETTO Ja, Masetto. DON GIOVANNI Hier versteckt? Warum? Deine schöne Zerlina, das arme Mädchen, kann nicht mehr ohne dich sein. MASETTO Ich verstehe, ja, ich verstehe, mein Herr. DON GIOVANNI Nun kommt, seid fröhlich, alle beide. Hört ihr die Musiker? Kommt mit zu mir. ZERLINA, MASETTO Ja, ja, wir wollen fröhlich sein und mit den andern tanzen; gehen wir alle drei, usw. (Sie gehen ab. Don Ottavio, Donna Anna und Donna Elvira treten auf. Sie sind maskiert.) DONNA ELVIRA Wir müssen mutig sein, meine lieben Freunde; so werden wir seine Missetaten entdecken können. DON OTTAVIO Unsere Freundin hat recht, wir müssen mutig sein, verbanne, Geliebte, deine Sorgen und Furcht. DONNA ANNA Der Schritt ist gefährlich; er könnte schlimme Folgen haben. Ich fürchte um meinen Geliebten und um uns alle. (Leporello öffnet ein Fenster.) LEPORELLO (zu Don Giovanni) Herr, schaut einen Augenblick auf diese drei galanten Masken! DON GIOVANNI (am Fenster) Laß sie hereinkommen, sag ihnen, es sei uns eine Ehre. DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO (beiseite) Sein Blick, seine Stimme offenbaren den Verräter. LEPORELLO Psst! Ihr Masken! Psst! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA (zu Don Ottavio) Kommt, antwortet. LEPORELLO Psst! Ihr Masken! DON OTTAVIO Was wollt Ihr? LEPORELLO Wenn's Euch gefällt, einzutreten, lädt Euch mein Herr zum Tanz. DON OTTAVIO Zu viel der Ehre! Treten wir ein, liebe Freunde. LEPORELLO (beiseite) Unser Freund wird seine Hände auch an diesen versuchen. (Er tritt vom Fenster zurück.) DONNA ANNA, DON OTTAVIO Möge der gerechte Himmel den Eifer meines Herzens schützen, usw. DONNA ELVIRA Möge der gerechte Himmel meine verratene Liebe rächen! (Sie gehen ab.) Fünfte Szene Ballsaal im Hause des Don Giovanni (Don Giovanni geleitet einige Mädchen zu ihren Plätzen zurück. Leporello schwätzt mit einigen der Männer.) DON GIOVANNI Ruht euch aus, meine Schönen. LEPORELLO Nehmt eine Erfrischung, ihr braven Jungen. DON GIOVANNI, LEPORELLO Bald dreht ihr euch wieder, bald scherzt und tanzt ihr wieder. DON GIOVANNI (zu den Dienern) Heda, Kaffee! LEPORELLO Schokolade! MASETTO Oh, Zerlina, hüte dich! DON GIOVANNI Gefrorenes! LEPORELLO Konfekt! MASETTO Oh, Zerlina, hüte dich! ZERLINA, MASETTO (beiseite) Die Szene hat so süß begonnen, sie könnte bitter enden. DON GIOVANNI Du bist so anmutig, meine herrliche Zerlina. ZERLINA Ihr seid zu freundlich. MASETTO (beiseite) Die Teufelin feiert! LEPORELLO (zu den Mädchen) Auch ihr seid hübsch, Giannotta, Sandrina. MASETTO (beiseite) Faß sie nur an, damit ich dir den Kopf abreißen kann! ZERLINA Masetto sieht wie wahnsinnig aus, das wird immer ärger. DON GIOVANNI, LEPORELLO Masetto wirkt arg verstört. Besser, wir nutzen unsern Verstand. MASETTO Die Teufelin feiert! Faß sie nur an, damit ich dir den Kopf abreißen kann! Oh, Schurkin, du willst mich verwirren! usw. (Donna Anna, Donna Elvira und Don Ottavio treten auf, immer noch maskiert.) LEPORELLO Tretet näher, meine schönen Masken. DON GIOVANNI Jeder ist willkommen! Es lebe die Freiheit! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Wir danken für all Eure Großzügigkeit. ALLE Es lebe die Freiheit! usw. DON GIOVANNI (zu den Musikern) Nun spielt wieder auf! (zu Leporello) Ordne die Paare zum Tanz! LEPORELLO Nun, ihr Braven, geht tanzen! (Man tanzt.) DONNA ELVIRA (zu Donna Anna) Das ist das Bauernmädchen. DONNA ANNA Ich sterbe! DON OTTAVIO Verbirg deine Gefühle! DON GIOVANNI, LEPORELLO Es ist wirklich alles in Ordnung! MASETTO (sarkastisch) Es ist wirklich alles in Ordnung! DON GIOVANNI (zu Leporello) Halte Masetto im Auge. LEPORELLO (zu Masetto) Mein armer Junge, du tanzt nicht! Komm her, mein lieber Masetto, tun wir, was die andern tun. DON GIOVANNI (zu Zerlina) Ich bin dein Kavalier, Zerlina, komm mit mir. MASETTO Nein, nein, ich will nicht tanzen. LEPORELLO Komm, laß uns tanzen, mein Freund! MASETTO Nein! LEPORELLO Ja, lieber Masetto! DONNA ANNA Ich halt es nicht aus! DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Bemüht Euch um des Mitleids willen. LEPORELLO Tanze! MASETTO Nein, nein, ich will nicht! LEPORELLO Nun tanze, mein Freund! Laß uns tun, was die andern tun. (Leporello tanzt mit Masetto. Don Giovanni führt Zerlina während des Tanzes zu einem Ausgang.) DON GIOVANNI Komm mit mir, mein Leben! MASETTO Laß mich! O nein! Zerlina! ZERLINA Ihr Götter! Ich bin verloren! (Don Giovanni und Zerlina gehen ab.) LEPORELLO Das wird eine Katastrophe. (Er stürzt den vorigen hastig nach.) DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Der Schurke zieht die Schlinge um seinen eigenen Hals. ZERLINA (hinter der Bühne) Hilfe, ihr Leute, Hilfe! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Laßt uns die Unschuldige retten! MASETTO Oh, Zerlina! ZERLINA (hinter der Bühne) Du Schuft! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Jetzt schreit sie von dort her! ZERLINA (hinter der Bühne) Schuft! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Laßt uns die Tür aufbrechen! ZERLINA (hinter der Bühne) Rettet mich, sonst bin ich verloren! DONNA ANNA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO Wir sind hier, dir zu helfen! (Don Giovanni, den Degen in der Hand, tritt wieder ein und zerrt Leporello hinter sich her.) DON GIOVANNI Hier ist der Bube, der das tat! Doch ich werde ihn strafen! Stirb, du Bösewicht! LEPORELLO Was tut Ihr? DON GIOVANNI Ich sage, du stirbst! LEPORELLO Was tut Ihr? DON GIOVANNI Ich sage, du stirbst! LEPORELLO Was tut Ihr? DON OTTAVIO (eine Pistole in der Hand) Ihr hofft vergebens auf Eure List! DONNA ELVIRA, DONNA ANNA, DON OTTAVIO Der Schurke glaubt, so könne er sein Verbrechen verbergen! (Sie nehmen die Masken ab.) DON GIOVANNI Donna Elvira! DONNA ELVIRA Ja, Ungeheuer! DON GIOVANNI Don Ottavio! DON OTTAVIO Ja, mein Herr! DON GIOVANNI Ihr müßt mir glauben ... ALLE außer DON GIOVANNI und LEPORELLO Verräter! Wir wissen alles! usw. Zittre, zittre, du Schurke! Jetzt wird die ganze Welt dein schreckliches, schwarzes Verbrechen kennen, und deine wilde Grausamkeit! Höre den Donner der Rache, der dich umdröhnt. Auf deinen Kopf werden heute die Blitze fallen. LEPORELLO Sein Kopf ist ihm verwirrt. Er weiß nicht mehr, was geschieht. Ein schrecklicher Sturm, o Gott, donnert über ihn hinweg. Doch es fehlt ihm nicht an Mut! Noch ist er nicht verloren. Und ginge die Welt auch unter, nichts könnte ihm Angst einjagen! DON GIOVANNI Mein Kopf ist mir ver wirr t. Ich weiß nicht länger, was geschieht. Ein schrecklicher Sturm, o Gott, donnert über mich hinweg. Doch es fehlt mir nicht an Mut! Noch bin ich nicht verloren. Und ginge die Welt auch unter, nichts könnte mir Angst einjagen. (Don Giovanni geht ab.) Erste Szene Eine Straße nahe einem Gasthaus. Nacht. Duett DON GIOVANNI Genug, du Narr, du ärgerst mich! LEPORELLO Nein, nein, Herr, ich bleibe nicht! DON GIOVANNI Höre, mein Freund - LEPORELLO Ich will gehen, das sage ich Euch! DON GIOVANNI Was aber hätte ich dir getan, daß du mich verlassen willst? LEPORELLO Oh, gar nichts. Nur, daß Ihr mich beinahe getötet habt. DON GIOVANNI Komm, du bist verrückt! Das war nur Spaß! LEPORELLO Und ich mache keinen Spaß, ich will gehen. (Leporello will sich davonmachen.) DON GIOVANNI Genug, du Narr, usw. LEPORELLO Nein, nein, Herr, usw. Rezitativ DON GIOVANNI Leporello! LEPORELLO Mein Herr? DON GIOVANNI (bietet ihm Geld) Komm her, laß uns Frieden schließen, nimm! LEPORELLO Was ist das? DON GIOVANNI Vier Dublonen. LEPORELLO (nimmt das Geld) O hört, für dieses Mal akzeptiere ich die Zeremonie. Doch macht Euch das nicht zur Gewohnheit! Glaubt nicht, daß Ihr mich so herumkriegt wie Eure Frauen, nicht einmal mit Geld. DON GIOVANNI Reden wir nicht mehr davon. Hast du den Mut, zu tun, was ich dir anschaffe? LEPORELLO So lange es nicht um Frauen geht! DON GIOVANNI So lange es nicht um Frauen geht? Verrücktheit! So lange es nicht um Frauen geht! Du weißt, ich brauche sie nötiger als das Brot, das ich esse, als die Luft, die ich atme! LEPORELLO Und Ihr habt das Herz, sie alle zu betrügen? DON GIOVANNI Aus reiner Liebe! Wer nur einer treu ist, ist grausam gegenüber den anderen. Ich aber, mit meinem Überfluß an Empfindung, liebe sie alle. Frauen können nicht klar denken - daher nennen sie mein gutes Naturell Betrug. LEPORELLO Nie habe ich größere Natürlichkeit in reicherem Maß verschwendet gesehen. Nun also, was wollt Ihr, daß ich tue? DON GIOVANNI Höre! Hast du Donna Elviras Zofe gesehen? LEPORELLO Ich? Nein! DON GIOVANNI Dann hast du was schönes verpaßt, mein lieber Leporello. Ich will mein Glück bei ihr versuchen und dachte, da es beinahe Abend ist, ich kitzelte ihren Appetit noch mehr, wenn ich mich in deinen Kleidern präsentierte. LEPORELLO Und warum könnt Ihr Euch nicht in Euren eigenen Kleidern zeigen? DON GIOVANNI Die Kleider eines Edelmanns haben nicht viel Kredit bei den Leuten ihrer Klasse. (Er legt seinen Mantel ab.) Komm, voran! LEPORELLO Herr, aus verschiedenen Gründen ... DON GIOVANNI Ruhig! Ich dulde keinen Widerspruch! (Sie tauschen Mäntel und Hüte. Donna Elvira erscheint am Fenster des Gasthofes.) Terzett DONNA ELVIRA Schweig stille, du zauderndes Herz! Schlage nicht so in meiner Brust! Er ist ein Schurke, ein Betrüger, Und falsch ist es, Mitleid zu fühlen. LEPORELLO Ruhe! Ich höre, mein Herr, die Stimme der Donna Elvira. DON GIOVANNI Ich werde die Gelegenheit ergreifen. Du bleibst ein wenig hier! (Er stellt sich hinter Leporello und spricht für ihn, wobei er mit den Armen seines Dieners die entsprechenden Gesten vollführt.) Elvira, meine Geliebte! DONNA ELVIRA Ist das der Undankbare? DON GIOVANNI Ja, mein Leben, ich bin es, und bitte um Gnade. DONNA ELVIRA Ihr Götter, welch eig'nes Empfinden erwacht in meiner Brust. LEPORELLO Wart's ab: Diese Verrückte wird ihm wieder Glauben schenken! DON GIOVANNI Komm herunter, meine Schöne. Dann siehst du, daß nur du es bist, die meine Seele anbetet. Ich bin wirklich bußfertig. DONNA ELVIRA Nein, ich glaube dir nicht, Grausamer! usw. DON GIOVANNI O glaube mir, oder ich töte mich! Meine Liebste, komm zu mir! usw. LEPORELLO (zu Don Giovanni) Hört auf damit, sonst muß ich lachen! usw. DONNA ELVIRA Welch ein Konflikt! Soll ich gehen oder bleiben? O Herr, bitte beschütze mein leichtgläubiges Herz! usw. DON GIOVANNI Ich hoffe, daß sie sich schnell ergibt! Welch ein hübscher kleiner Anschlag! Ein fruchtbareres Talent als das meine ist nirgendwo zu finden! usw. LEPORELLO Schon wieder beginnt das Lügenmaul die arme Frau zu verführen! O Götter, schützt sie vor ihrem eigenen leichtgläubigen Herz! usw. (Donna Elvira tritt vom Fenster zurück.) Rezitativ DON GIOVANNI Mein Freund, was denkst du? LEPORELLO Ich denke, Ihr habt ein Herz aus Eisen. DON GIOVANNI Geh, welch ein Narr du bist! Höre gut zu: Wenn sie heraustritt, läufst du, sie zu umarmen, liebkosest sie ein oder zweimal, ahmst meine Stimme nach; und dann versuchst du, sie geschickt von hier wegzulocken. LEPORELLO Schaut, Herr ... DON GIOVANNI Keine weiteren Widerworte! LEPORELLO Und wenn sie mich erkennt? DON GIOVANNI Sie wird dich nicht erkennen, wenn du es nicht willst; psst, sie kommt! Paß auf! (Don Giovanni verbirgt sich auf einer Seite. Donna Elvira tritt auf.) DONNA ELVIRA Hier bin ich. DON GIOVANNI (beiseite) Laß sehen, was sie tut. LEPORELLO (beiseite) Welch ein Durcheinander! DONNA ELVIRA So kann ich also glauben, daß meine Tränen dein Herz bezwungen haben? Daß mein geliebter Don Giovanni reumütig zu seinen Pflichten und in Liebe zu mir zurückkehrt? LEPORELLO Ja, Geliebte! DONNA ELVIRA Grausamer, wenn du wüßtest, wie viele Tränen und Seufzer du mich gekostet hast! LEPORELLO Ich, mein Leben? DONNA ELVIRA Ihr! LEPORELLO Armes Mädchen! Wie ich das bedaure! DONNA ELVIRA Wirst du mich jemals wieder fliehen? LEPORELLO Nein, mein schöner Engel. DONNA ELVIRA Wirst du mein für immer sein? LEPORELLO Für immer. DONNA ELVIRA Geliebter! LEPORELLO Geliebte! (beiseite) Der Spaß ist nach meinem Geschmack. DONNA ELVIRA Mein Schatz! LEPORELLO Meine Venus! DONNA ELVIRA Ich stehe in Flammen für dich. LEPORELLO Und ich verbrenne zu Asche. DON GIOVANNI (beiseite) Der Kerl kommt in Fahrt. DONNA ELVIRA Und wirst mich nicht betrügen? LEPORELLO Gewiß nicht. DONNA ELVIRA Schwöre es mir. LEPORELLO Ich schwöre es in diese Hand, die ich stürmisch küsse, und bei diesen lieblichen Augen. (Don Giovanni tut, als brächte er jemanden um.) DON GIOVANNI Da, da, nimm dies und stirb! DONNA ELVIRA, LEPORELLO Ihr Götter! (Sie eilen davon.) DON GIOVANNI Ha, ha, ha! Solange das Schicksal mir beisteht, sehen wir zu! Das sind die Fenster. Also singen wir. (Er nimmt eine Mandoline, die Leporello zurückgelassen hat, und begleitet sich selbst.) Kanzonette Komm ans Fenster, mein Schatz, Komm, tröste meinen Jammer. Wenn du mir das Labsal verweigerst, möchte ich vor deinen Augen sterben! Du, deren Mund süßer ist als Honig, du, die du das Herz mit Zucker versüßt - sei nicht so grausam zu mir, mein Leben! Laß wenigstens dich sehen, meine Geliebte! Rezitativ DON GIOVANNI Da ist jemand am Fenster! Vielleicht sie! Psst! (Masetto tritt mit einer Gruppe von Landleuten auf.) MASETTO Nicht müde werden. Mein Herz sagt mir, daß wir ihn finden werden. DON GIOVANNI (beiseite) Jemand spricht! MASETTO Halt! Ich glaube, dort bewegt sich jemand. DON GIOVANNI (beiseite) Wenn ich nicht irre, ist's Masetto! MASETTO Wer ist da? Keine Antwort; nun denn, legt die Flinten an. Wer ist da? DON GIOVANNI (beiseite) Er ist nicht allein; ich muß mich hüten. (laut) Ihr Freunde. (beiseite) Ich darf mich nicht aufgeben. (laut) Bist du das, Masetto? MASETTO Derselbe. Und du? DON GIOVANNI Du kennst mich nicht? Ich bin der Diener von Don Giovanni. MASETTO Leporello, der Diener dieses unwürdigen Edelmannes. DON GIOVANNI Gewiß! Dieses Schurken! MASETTO Dieses ehrlosen Mannes! Ah, sag mir, wo ich ihn finden kann. Wir suchen ihn, um ihn zu töten. DON GIOVANNI (beiseite) Lächerlich! (laut) Dreimal bravo, Masetto! Ich will mich euch anschließen, um diesem Lump von Herrn ein Ende zu machen. So hört meinen Plan. Arie Einige von euch gehen dorthin, die andern dorthin! Und leise, still schaut aus nach ihm! Er ist nicht weit weg! Wenn ihr einen Mann und ein Mädchen auf dem Platz spazieren seht, wenn ihr unter einem Fenster hört, daß jemand Liebe macht, dann feuert, feuert mit allen Mitteln, denn es wird mein Herr sein. Auf seinem Kopf trägt er einen Hut, bedeckt mit weißen Federn; über seinen Schultern einen weiten Umhang, und an seiner Seite einen Degen. Wenn ihr einen Mann, usw. Einige von euch gehen dorthin, usw. Eilt, geht und findet ihn! Du aber, Masetto, kommst mit mir. Wir werden den Rest tun, und bald wirst du wissen, was das ist, usw. (Die Landleute gehen ab.) Rezitativ DON GIOVANNI Still! Laß mich lauschen! Wunderbar: Nun, wir müssen ihn töten? MASETTO Sicherlich! DON GIOVANNI Wäre es nicht genug, ihm die Knochen zu brechen, die Schultern zu zerschmettern? MASETTO Nein, nein, ich will ihn töten, ihn in hundert Stücke schneiden. DON GIOVANNI Bist du gut bewaffnet? MASETTO Allerdings! Ich habe diese Muskete und dazu diese Pistole. (Er reicht Don Giovanni die Waffen zur Begutachtung.) DON GIOVANNI Und weiter? MASETTO Ist das nicht genug? DON GIOVANNI (schlägt Masetto) O gewiß ist das genug; nun, der ist für die Pistole, und der für die Muskete! MASETTO Oh, mein Kopf! DON GIOVANNI Still - oder ich töte dich! Der dafür, weil du ihn töten willst, der dafür, daß du ihn in Stücke schneiden willst. Du Schurke! Du Lump! Du Hundefratze! (Don Giovanni geht ab.) MASETTO Oh, oh, mein Kopf! Oh, meine Schultern! Oh, meine Brust! ZERLINA (kommt mit einem Licht herbei) Ich dachte, ich hätte Masetto gehört! MASETTO O Gott, Zerlina, meine Zerlina, hilf mir! ZERLINA Was ist geschehen? MASETTO Der Schuft, der Schurke hat mir die Knochen gebrochen und die Nerven zerschmettert! ZERLINA Mein Ärmster! Wer? MASETTO Leporello, oder ein Teufel, der so aussieht wie er! ZERLINA Grausamer, habe ich dich nicht gewarnt, daß deine verrückte Eifersucht dir Schwierigkeiten macht? Wo tut es weh? MASETTO Hier. ZERLINA Wo noch? MASETTO Hier, und hier auch! ZERLINA Nichts weiter schmerzt? MASETTO Dieser Fuß schmerzt ein wenig, dieser Arm, und diese Hand. ZERLINA Komm, komm, das ist nicht so schlimm, wenn alles andere gesund ist. Komm mit mir nach Hause, und wenn du versprichst, weniger eifersüchtig zu sein, werde ich mich um dich kümmern, mein lieber Gemahl. Arie Wenn du gut bist, mein Geliebter, wirst du sehen, welche schöne Medizin ich dir gebe! Sie ist ganz natürlich, macht keinen Verdruß, und der Apotheker kennt sie nicht. Es ist ein gewisser Balsam, den ich mit mir führe; ich kann ihn dir geben, wenn du ihn probieren willst. Weißt du, wo ich ihn bewahre? Fühle mein Herz schlagen! Berühre mich hier! (Sie gehen gemeinsam ab.) Zweite Szene Eine dunkle Vorhalle im Hause der Donna Anna Rezitativ LEPORELLO Ich sehe Lichter um uns her, Geliebte, laß uns im Verborgenen bleiben, bis sie verschwunden sind. DONNA ELVIRA Was fürchtest du, mein vielgeliebter Gemahl? LEPORELLO Nichts, nichts ... nur gewisse Vorkehrungen, ich gehe und schaue, ob sich die Lichter entfernen. (beiseite) Oh, wie komme ich nur los von ihr? (laut) Bleib hier, Geliebte! DONNA ELVIRA Ach, verlaß mich nicht! Sextett Allein an diesem dunklen Ort höre laut mein Herz ich schlagen, und solche Angst wandelt mich an, daß ich glaube, ich müßte sterben. LEPORELLO Je eifriger ich die Türe suche, desto schwerer ist sie zu finden. Leise, leise, ich habe sie! Das ist der rechte Augenblick zur Flucht! (Donna Anna und Don Ottavio treten ein.) DON OTTAVIO Trockne deine Augen, mein Leben, und gewähre Ruhe deinem Schmerz! Der Schatten deines Vaters sollte Mitleid mit deinem Leiden haben. DONNA ANNA Laß mir wenigstens diese Erleichterung meines Schmerzes; nur der Tod, mein Schatz, kann meinen Tränen ein Ende setzen. DONNA ELVIRA Ach, wo ist mein Gemahl? LEPORELLO Wenn sie mich findet, bin ich verloren! DONNA ELVIRA, LEPORELLO Dort sehe ich eine Tür; leise, leise, ich muß hinaus! (Leporello will abgehen. Zerlina und Masetto treten auf und stehen ihm gegenüber.) ZERLINA, MASETTO Halt, du Bube! Wo willst du hin? DONNA ANNA, DON OTTAVIO Da ist der Schuft! Wie kommt er hierher? DONNA ANNA, ZERLINA, DON OTTAVIO, MASETTO Oh, Tod dem Treulosen, der mich verraten hat! DONNA ELVIRA Es ist mein Gemahl! Seid gnädig! DONNA ANNA, ZERLINA, DON OTTAVIO, MASETTO Ist das Donna Elvira, die ich dort sehe? Ich glaube es kaum! Nein! Er muß sterben! (Don Ottavio zieht seinen Degen gegen Leporello, der seine Verkleidung ablegt und auf die Knie fällt.) LEPORELLO Vergebt mir, vergebt mir, Ihr Herrschaften! Ich bin nicht mein Herr; sie irrt sich! Laßt mich leben, ich flehe Euch an! DONNA ANNA, ZERLINA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO, MASETTO Herrgott! Leporello! Welche Täuschung ist das? Ich begreife nichts! Was soll das heißen? LEPORELLO Tausend verrückte Gedanken gehen mir durch den Kopf. Wenn ich mich aus diesem Sturm rette, ist das wahrlich ein Wunder, usw. DONNA ANNA, ZERLINA, DONNA ELVIRA, DON OTTAVIO, MASETTO Tausend verrückte Gedanken gehen mir durch den Kopf. Welch ein Tag, o Himmel, ist das! Welch unvorhergesehenes Geschehen! usw. (Donna Anna geht ab.) Rezitativ ZERLINA So warst du es, der vorhin meinen Masetto so grausam mißhandelt hat? DONNA ELVIRA So warst du es, Kerl, der mich in die Irre führte und sich selbst als Don Giovanni ausgab? DON OTTAVIO So warst du es, der in dieser Verkleidung herkam, ein Verbrechen zu begehen? DONNA ELVIRA An mir ist es, ihn zu bestrafen. ZERLINA Nein, an mir. DON OTTAVIO Nein, nein, an mir. MASETTO Laßt uns alle Hand anlegen. Arie LEPORELLO Gnade, liebe Leute! Zeigt Erbarmen mit mir! Ihr seid zu Recht wütend, doch das Verbrechen ist nicht meines! Mein strenger Herr machte mich zum Komplizen. Donna Elvira, seid gnädig! Ihr habt verstanden, was geschah. (zu Zerlina) Von Masetto weiß ich nichts. (auf Donna Elvira deutend) Diese Dame kann bestätigen, daß ich etwa eine Stunde mit ihr zusammen war. (zu Don Ottavio) Euch, mein Herr, kann ich nichts sagen. Ich hatte Angst, ein unglücklicher Zufall: ein Licht näherte sich, drinnen aber war's dunkel, kein Ausweg, die Tür, die Mauer, dann ... nun ... ich ... ich wollte dorthin, versteckte mich dann dort, Ihr kennt den Rest. Hätte ich's gewußt, wäre ich hier entlang geflohen! (Leporello nähert sich der Tür und rennt hinaus.) Rezitativ DONNA ELVIRA Halt, Schurke, halt! MASETTO Der Kerl hat Flügel an den Füßen! ZERLINA Wie geschickt er uns entkommen ist, der Schuft! DON OTTAVIO Meine Freunde, nach solchem Geschehen können wir nicht länger zweifeln, daß Don Giovanni Donna Annas Vater teuflisch ermordet hat. Bleibt für eine kleine Weile im Hause, und bald schon wird ihn die Rache ereilen. Das wollen Mitleid, Pflicht und Liebe! Arie Inzwischen soll meine Liebste sich zu trösten suchen und die Tränen von ihren schönen Augen trocknen. Sagt ihr, daß ich das Unrecht rächen werde, daß ich nicht zurückkehre ohne die Kunde von seinem Tod. Inzwischen soll mein Schatz, usw. (Alle außer Donna Elvira gehen ab.) Rezitativ & Arie DONNA ELVIRA Welche Verbrechen, ihr Götter, welch schreckliche Missetaten hat dieser Schurke begangen! O nein, nicht länger können der Zorn und die Gerechtigkeit des Himmels hinausgezögert werden. Ich sehe schon den Blitzschlag des Schicksals, der sein Haupt treffen wird! Ich sehe, wie sich ihm zu Füßen das Grab öffnet! Arme Elvira! Welch widersprüchliche Gefühle toben in mir? Warum diese Seufzer? Warum dieser Kummer? Der undankbare Schuft hat mich betrogen, mich ins Elend gestürzt, o Herr, er hat mich betrogen und verlassen, und doch würde ich ihm vergeben. Der undankbare, usw. Wenn ich meine schreckliche Pein fühle, so schreit mein Herz nach Rache, doch wenn ich ihn in Gefahren sehe, erregt sich mein Herz noch immer für ihn. Der undankbare, usw. (Geht ab.) Dritte Szene Kirchhof. Nacht. (Abgeschlossener Ort mit verschiedenen Statuen, darunter auch diejenige des Komturs.) Rezitativ DON GIOVANNI (steigt über die Mauer) Ha, ha, ha. Das ist gut. Jetzt soll sie mich suchen! Welch eine herrliche Nacht! Klarer ist sie als der Tag, wie geschaffen für die Jagd auf Mädchen. Es ist spät? Nein, nicht einmal zwei Uhr. Hören möcht' ich, wie die Sache mit Leporello und Donna Elvira zu Ende ging. Ob er wohl klug gehandelt hat? LEPORELLO (hinter der Mauer) Er will mich ruinieren. DON GIOVANNI Da ist er. He, Leporello! LEPORELLO Wer ruft mich? DON GIOVANNI Kennst du deinen Herrn nicht? LEPORELLO Wenn's nur so wäre! DON GIOVANNI Was, du Schuft? LEPORELLO (tritt auf) Ah, Ihr seid es? Verzeihung. DON GIOVANNI Was geschah? LEPORELLO Wegen Euch wurde ich beinahe getötet. DON GIOVANNI Nun, wäre das keine Ehre für dich gewesen? LEPORELLO Herr, die brauche ich nicht! DON GIOVANNI Komm, komm! Höre! Ich habe dir herrliche Sachen zu sagen. LEPORELLO Doch was tut Ihr hier? (Leporello kommt herein; sie tauschen ihre Kleider.) DON GIOVANNI Komm her, und ich sag' es dir. Eine Reihe unterhaltsamer Dinge hat es gegeben, seit wir uns trennten, doch davon ein andermal. Jetzt gibt es nur eines, das ich dir erzählen will. LEPORELLO Ein weibliches Ereignis, nicht wahr? DON GIOVANNI Natürlich. Ich traf ein Mädchen auf der Straße, ein liebliches junges Ding. Ich folgte ihr, nahm sie bei der Hand. Sie wollte mich fliehen. Ich sprach ein paar Worte, und sie verwechselte mich mit - rate mit wem? LEPORELLO Keine Idee. DON GIOVANNI Mit Leporello. LEPORELLO Mit mir? DON GIOVANNI Mit dir. LEPORELLO Wie hübsch. DON GIOVANNI Also ergriff sie meine Hand. LEPORELLO Noch besser. DON GIOVANNI Sie liebkoste mich, umarmte mich: „Mein lieber Leporello! Leporello, mein Lieber!" So erkannte ich, daß sie eine deiner Eroberungen war. LEPORELLO Verfluchter! DON GIOVANNI Natürlich machte ich mir ihren Irrtum zunutze. Ich weiß nicht, wie sie mich erkannte, doch plötzlich begann sie zu schreien. Ich hörte Leute kommen und rannte weg. Dann kletterte ich rasch über die Mauer. LEPORELLO Und Ihr sagt mir das mit solcher Gleichgültigkeit? DON GIOVANNI Warum nicht? LEPORELLO Wie nun, wenn das Mädchen meine Frau gewesen wäre? DON GIOVANNI Desto besser! STATUE DES KOMTURS Noch vor dem Sonnenaufgang endet dein Lachen. DON GIOVANNI Wer sprach da? LEPORELLO Ah, das muß ein Geist aus einer andern Welt gewesen sein, der Euch von Grund auf kennt. DON GIOVANNI Sei still, du Narr! Wer geht dort? (Er zieht sein Schwert.) DIE STATUE Dreister Schuft! Laß die Toten in Frieden! LEPORELLO Das sagte ich Euch! DON GIOVANNI Es muß jemand da draußen sein, der seinen Scherz mit uns treibt! He, ist das nicht die Statue des Komturs? Lies die Inschrift? LEPORELLO Verzeiht, ich habe nie gelernt, bei Mondlicht zu lesen. DON GIOVANNI Lies, sage ich! LEPORELLO „Ich warte hier auf die Rache an dem Gottlosen, der mich in den Tod schickte!" Habt Ihr das gehört? Ich fürchte mich! DON GIOVANNI Der alte Narr! Sag ihm, daß ich ihn heute noch zum Nachtmahl erwarte! LEPORELLO Welche Verrücktheit! Doch ich denke - o Gott, schaut, welch schrecklichen Blick er uns zuwirft! Er scheint lebendig! Als hörte er uns und wollte sprechen! DON GIOVANNI Nun los, geh hin! Oder ich bring dich um und begrabe dich gleich hier! LEPORELLO Gemach, gemach, Herr. Ich gehorche ja. Duett Oh, höchst ehrenwerte Statue des großen Komturs ... Mein Herr! Mir bebt das Herz; ich komme nicht weiter! DON GIOVANNI Bring's zu Ende, oder ich senke diese Klinge in deine Brust! LEPORELLO (beiseite) Welch ein Malheur, welche Laune! DON GIOVANNI (beiseite) Welch ein Spaß! Welch ein Vergnügen! LEPORELLO Ich fühle mich wie gefroren! DON GIOVANNI Ich will ihn zittern machen! LEPORELLO Oh, höchst ehrenwerte Statue, obwohl Ihr ganz aus Marmor seid ... Ach, Herr, schaut! Er starrt mich noch immer an! DON GIOVANNI So stirb! LEPORELLO Nein, wartet! Herr, dieser mein Meister - wohlbemerkt, nicht ich - möchte mit Euch zur Nacht speisen! Ach, welche Szene ist das! O Himmel! Er neigte das Haupt! DON GIOVANNI Weiter! Du bist ein Narr! LEPORELLO Schaut nur, Herr! DON GIOVANNI Was sollte ich sehen? LEPORELLO, dann mit DON GIOVANNI Mit seinem Marmorkopf nickt er so, so! DON GIOVANNI (zur Statue) Sprich, wenn du kannst. Du kommst zum Nachtmahl? DIE STATUE Ja! LEPORELLO Ich kann mich kaum rühren. Meine Kraft, o Gott, ist dahin! Um der Barmherzigkeit willen, laßt uns gehen, Machen wir uns davon! DON GIOVANNI Die Szene ist wahrlich bizarr. Der alte Mann will zum Nachtmahl kommen. Laß uns gehen, es vorzubereiten! Verlassen wir also diesen Ort! (Sie gehen ab.) Vierte Szene Ein Gemach im Hause der Donna Anna Rezitativ DON OTTAVIO Beruhige dich, meine Geliebte. Wir werden bald sehen, daß der Schurke für seine schweren Verbrechen bestraft wird; und uns wird Rache werden. DONNA ANNA Doch mein Vater, o Gott! DON OTTAVIO Wir müssen uns dem himmlischen Willen beugen. Schöpfe Atem, meine Geliebte! Wenn du willst, werde ich deinen bitteren Verlust morgen mit meinem Herzen, meiner Hand und meiner zarten Liebe ersetzen ... DONNA ANNA Ihr Götter! Was sagst du da in so trauriger Zeit? DON OTTAVIO Was jetzt? Willst du mit neuem Zögern meinen eigenen Schmerz vermehren? Grausame! Rezitativ & Arie DONNA ANNA Grausam? O nein, Geliebter, ich bin zu unglücklich, daß ich die Freuden, die wir so lange ersehnen, aufschieben muß. Doch, o Gott, was würden die Leute sagen! Versuche nicht, die Entscheidung meines armen Herzens zu erschüttern. Deine Liebe spricht für dich! Sag mir nicht, meine wahre Liebe, daß ich dir gegenüber grausam bin. Du weißt wohl, wie sehr ich dich liebe, du weißt, wem ich mich verpfändet habe. Beruhige, beruhige deinen Schmerz, wenn du nicht willst, daß ich Kummers sterbe. Sag mir nicht, usw. Vielleicht wird der Himmel eines Tages Mitleid mit mir haben. (Geht ab.) Rezitativ DON OTTAVIO Ach, ich folge ihr und teile ihren Kummer; wenn ich an ihrer Seite bin, ist ihr Leid nicht gar so groß. (Geht ab.) Fünfte Szene Ein Saal im Hause des Don Giovanni (Die Tafel ist für das Nachtmahl hergerichtet.) Finale DON GIOVANNI Das Essen ist bereitet. Spielt, meine lieben Freunde! Da ich mein Geld so leicht verschwende, will ich unterhalten sein. Leporello, bediene mich, rasch. LEPORELLO Ich stehe ganz zu Eurer Verfügung. DON GIOVANNI Da ich mein Geld so leicht verschwende, will ich unterhalten sein. usw. Spielt, meine lieben Freunde! usw. (Seine Musiker beginnen, eine Arie aus Martíns „Una cosa rara" zu spielen.) LEPORELLO Exzellent! Cosa rara! DON GIOVANNI Was denkst du von diesem feinen Konzert? LEPORELLO So, wie Ihr's verdient! DON GIOVANNI Oh, welch delikate Speise! LEPORELLO (beiseite) Welch barbarischer Appetit! Welch gewaltige Bissen! Ich glaube, ich werde ohnmächtig! DON GIOVANNI (beiseite) Wie er meine großen Bissen sieht, glaubt er ohnmächtig zu werden, usw. LEPORELLO Welch barbarischer Appetit, usw. DON GIOVANNI Wie er meine großen Bissen sieht, usw. Bedienung! LEPORELLO Sogleich! (Das Orchester beginnt ein Stück aus Sartis „Fra i due litiganti il terzo gode" zu spielen.) Ein Hoch auf die Litiganti. DON GIOVANNI Schenk Wein ein! Exzellenter Marzimino! LEPORELLO (beiseite) Dieses Stück Fasan werde ich heimlich vertilgen! DON GIOVANNI (beiseite) Der Schlingel ißt! Ich tue, als merkte ich's nicht! (Das Orchester spielt ein Stück aus Mozarts „Le nozze di Figaro".) LEPORELLO Das Stück kenne ich nur zu gut. DON GIOVANNI Leporello! LEPORELLO (mit vollem Mund) Herr! DON GIOVANNI Sprich deutlich, du Kerl! LEPORELLO Eine Erkältung hindert mich, die Worte besser auszusprechen. DON GIOVANNI Pfeif' was, während ich esse. LEPORELLO Das kann ich nicht. DON GIOVANNI Warum nicht? LEPORELLO Verzeiht! Doch so vorzüglich ist Euer Koch, daß auch ich zu kosten wünschte. DON GIOVANNI So vorzüglich ist mein Koch, daß auch er zu kosten wünschte. DON GIOVANNI, LEPORELLO So vorzüglich, usw. DONNA ELVIRA (tritt aufgeregt ein) Der letzten Probe meiner Liebe will ich dich nun unterzieh'n. Ich denke nicht mehr an deine Lügen, Mitleid fühle ich mit dir. DON GIOVANNI, LEPORELLO Was ist? DONNA ELVIRA (niederkniend) Mein bedrücktes Herz bittet nicht mehr um Lohn für die Treue. DON GIOVANNI Ich bin erstaunt. Was wollt Ihr? Wenn Ihr Euch nicht erhebt, so knie auch ich! DONNA ELVIRA Ach, lachte nicht über meine Verzweiflung! LEPORELLO Sie macht mich beinahe weinen, usw. DON GIOVANNI Ich lachte über dich? Himmel, Warum? Was willst du, meine Liebe? DONNA ELVIRA Daß du dein Leben änderst! DON GIOVANNI Bravo! DONNA ELVIRA Treuloses Herz! DON GIOVANNI Bravo! DONNA ELVIRA Treuloses Herz! DONNA ELVIRA, LEPORELLO Treuloses Herz! DON GIOVANNI Laß mich essen, und wenn du willst, so speise mit mir. DONNA ELVIRA So bleibe hier, Barbar, und wälze dich in deinen Sünden, entsetzliches Beispiel der Niedertracht! usw. LEPORELLO Wenn ihr Gram ihn nicht bewegt, ist von Stein sein Herz - oder nicht vorhanden, usw. DON GIOVANNI Es leben die Frauen, Es lebe der Wein! Die Stütze und Glorie der Menschlichkeit! usw. DONNA ELVIRA Ach! (Donna Elvira will den Saal durch eine Tür verlassen, schreit auf, schreckt zurück, und eilt durch eine andere hinaus.) DON GIOVANNI, LEPORELLO Warum hat sie geschrien? DON GIOVANNI Geh und schau, was es war! (Leporello geht hinaus, um nachzuschauen, schreit und kommt wieder herein.) LEPORELLO Ach! DON GIOVANNI Was für teuflischer Schrei? Leporello, was ist? LEPORELLO O Herr, um der Barmherzigkeit willen, verlaßt nicht diesen Raum! Der Mann aus Stein, der weiße Mann, Ach, mein Herr, ich fürchte, ich werde ohnmächtig. Wenn Ihr sehen könntet, wie er aussieht, wenn Ihr hörtet, wie er geht: Ta ta ta ta! DON GIOVANNI Ich verstehe das alles nicht. LEPORELLO Ta ta ta ta! DON GIOVANNI Du hast den Verstand verloren. (Es klopft laut an der Tür.) LEPORELLO Ach, hört! DON GIOVANNI Jemand klopft. Öffne die Tür! LEPORELLO Ich habe Angst! DON GIOVANNI Öffne, sage ich! LEPORELLO Ach! DON GIOVANNI Öffne die Tür! LEPORELLO Ach! DON GIOVANNI Verrückter! Um dem ein Ende zu machen, werde ich selbst gehen. LEPORELLO Ich möchte das nicht noch einmal sehen, also such' ich mir ein Versteck. (Die Statue tritt ein. Leporello versteckt sich unter dem Tisch.) DIE STATUE Don Giovanni, du hast mich zum Essen geladen, und ich bin gekommen! DON GIOVANNI Ich hätte das nie geglaubt; aber ich werde tun, was ich kann. Leporello, sorge sogleich, für ein zweites Gedeck! LEPORELLO Ach, Herr, wir sind verloren! DON GIOVANNI Geh, sage ich! DIE STATUE Warte ein wenig! Wer von himmlischen Speisen sich nährt, bedarf nicht der Speisen der Sterblichen! Andere, schwerere Sorgen haben mich bestimmt, hierher zu kommen! LEPORELLO Ich fühle mich wie im Fieber, und meine Glieder kann ich nicht beherrschen. DON GIOVANNI Sprich also! Was verlangst du? Was willst du? DIE STATUE Ich spreche. Höre zu! Ich habe nicht viel Zeit! usw. DON GIOVANNI So sprich, denn ich höre, usw. LEPORELLO Mein Glieder kann ich nicht beherrschen, usw. DIE STATUE Du hast mich zum Essen geladen, jetzt kennst du deine Pflicht. Antworte mir: Wirst du mit mir dinieren? LEPORELLO O weh! Er hat keine Zeit, entschuldigt ihn. DON GIOVANNI Niemand wird von mir sagen, ich sei je ängstlich gewesen. DIE STATUE Entscheide dich! DON GIOVANNI Das habe ich schon getan. DIE STATUE Du wirst kommen? LEPORELLO Lehnt es ab! DON GIOVANNI Mein Herz ist stark. Ich fürchte nichts: Ich komme! DIE STATUE Deine Hand darauf! DON GIOVANNI Hier ist sie! (Er gibt der Statue die Hand.) O weh! DIE STATUE Was ist? DON GIOVANNI Welch eine tödliche Kälte? DIE STATUE Bereue! Ändere dein Leben, denn das ist deine letzte Stunde! DON GIOVANNI (versucht sich zu befreien) Nein, nein, ich werde nicht bereuen. Mach dich weg! DIE STATUE Bereue, Schurke! DON GIOVANNI Nein, du alter Narr! DIE STATUE Bereue! usw. DON GIOVANNI Nein! usw. DIE STATUE Doch! DON GIOVANNI Nein! DIE STATUE Doch! DON GIOVANNI Nein! LEPORELLO Doch! Doch! DON GIOVANNI Nein! Nein! DIE STATUE Ah! Deine Zeit ist um! (Die Statue verschwindet. Flammen erscheinen auf allen Seiten und die Erde beginnt zu beben.) DON GIOVANNI Welch ungewohnte Angst Ergreift meine Seele! Wo kommen die schrecklichen Flammen her? CHOR DER TEUFEL All das ist nichts angesichts deiner Sünden! Komm, es wird noch ärger werden! DON GIOVANNI Wer zerfleischt meine Seele? Wer foltert meinen Körper? Welcher Sturm, o weh! welcher Todeskampf? Welch eine Hölle! Welch Entsetzen! LEPORELLO Welch ein Anblick der Verzweiflung! Die Gebärden der Verdammten! Welche Schreie, welche Klagen! Wie er mich in Angst versetzt! CHOR All das ist nichts angesichts, usw. DON GIOVANNI Wer zerfleischt mein Seele, usw. LEPORELLO Welch ein Anblick, usw. DON GIOVANNI, dann LEPORELLO Ach! (Die Flammen verschlingen Don Giovanni. Die Szene ist wieder wie zuvor und die anderen Personen treten ein.) Epilog DONNA ELVIRA, DONNA ANNA, ZERLINA, DON OTTAVIO, MASETTO Wo ist der Schurke? Wo ist der Elende? All meine Wut entlade ich auf ihn! DONNA ANNA Nur wenn ich ihn in Ketten geschlagen sehe, wird mein Schmerz gelindert sein. LEPORELLO Gebt die Hoffnung auf, ihn je zu finden. Gebt eure Suche auf, er ist weit weg. DIE ANDERN Was ist geschehen? Erzähle? Nun voran, eile dich! LEPORELLO Ein Riese kam, doch ich kann nicht weiter ... DIE ANDERN Nun voran, eile dich! LEPORELLO In Feuer und Rauch, hört nur, der Mann aus Stein ... wartet einen Augenblick ... Genau hier gab er ein Zeichen, und genau hier erschien der Teufel und riß ihn mit sich hinab! DIE ANDERN Himmel, was müssen wir hören! LEPORELLO Ich sage Euch die Wahrheit! DONNA ELVIRA Ach, es muß der Geist gewesen sein, der mir dort draußen begegnete. DONNA ANNA, ZERLINA, DON OTTAVIO, MASETTO Ach, es muß der Geist gewesen sein, der ihr dort draußen begegnete, usw. DON OTTAVIO Nun, mein Schatz, da wir alle vom Himmel gerächt wurden, gewähre mir den Lohn und erhöre mein Sehnen! DONNA ANNA Mein Liebster, laß mich ein Jahr noch trauern. DON OTTAVIO Den Wünschen der Geliebten muß ein treuer Liebender entsprechen. usw. DONNA ANNA Den Wünschen der Geliebten muß ein treuer Liebender entsprechen. usw. DONNA ELVIRA Ich ziehe mich ins Kloster zurück und werde dort mein Leben enden. ZERLINA Wir, Masetto, geh'n nach Hause und werden gemeinsam essen! MASETTO Wir, Zerlina, geh'n nach Hause und werden gemeinsam essen! LEPORELLO Und ich geh in die Taverne und finde mir einen bessern Herrn. ZERLINA, MASETTO, LEPORELLO So kann der Schuft dort unten bei Proserpina und Pluto bleiben. Und wir, ihr lieben Leute, singen wieder einmal frohgemut das alte Lied: ALLE So endet jeder Missetäter; und dem Treulosen ist der Tod stets dasselbe wie das Leben! usw. ENDE |
libretto by Eckhardt van den Hoogen |