Marchese von Calatrava (Bass) Leonora de Vargas; seine Tochter; (Sopran) Don Carlo de Vargas; sein Sohn; (Bariton) Alvaro; Inkaspross (Mestize); (Tenor) Preziosilla; eine junge Zigeunerin; (Mezzosopran) Pater Guardiano; Franziskanermönch; (Bass) Fra Melitone; Franziskanermönch; (Bariton) Curra; Leonoras Kammerzofe; (Sopran) Ein Alkalde; (Bass) Mastro Trabuco; Maultiertreiber; später Hausierer; (Tenor) Ein Chirurg; im spanischen Heer; (Tenor) Maultiertreiber, spanische und italienische Landleute, spanische und italienische Soldaten, Ordonnanzen, italienische Rekruten, Franziskanermönche, Greise, Kinder, Bettler. Spanisches und italienisches Landvolk, Marketenderinnen, Bettlerinnen. (Chor) Wirt, Wirtin, Bediente der Schenke, Maultiertreiber, spanische und italienische Soldaten aller Waffengattungen, Trommler, Trompeter, Landvolk und Kinder, ein Seiltänzer, Hausierer. Ouvertüre Sevilla Ein getäfelter Saal im Geschmack des 18. Jahrhunderts mit Damasttapete, Familienbildern, Wappen; alles ist in nachlässigem Zustand. Im Hintergrund zwei Fenster, das linke ist geschlossen, das rechte, offene, eine Balkontür, durch die man den Mond am klaren Nachthimmel sieht, der die Baumwipfel in sein helles Licht taucht. Zwischen den Fenstern ein großer geschlossener Schrank, der Kleider, Wäsche, usw. enthält. An den Seiten je zwei Türen. (Der Marchese von Calatrava, eine Leuchte in der Hand, will Leonora, die einen nervösen Eindruck macht, gute Nacht sagen. Curra tritt von links ein.) MARCHESE Gute Nacht, Leonora... Begib dich zur Ruhe. Warum steht diese Tür noch auf? (Er schließt die Tür.) LEONORA (für sich) Mir ist so bang! MARCHESE Warum sagst du kein Wort? Weshalb so traurig? LEONORA Vater... Verzeih... MARCHESE Im Frieden dieser Auen Wirst du dein Leid vergessen! Du weißt, daß dieser Fremde deiner unwert... Schenk Vertrauen dem Vater, der heiß dich liebt; Leg dein Geschick ohne Sorge in meine Hände! LEONORA Mein Vater!... MARCHESE Mein Kind, was quält dich? Nicht weinen! LEONORA (fürsich) Diese Qualen! MARCHESE Leonora... LEONORA (wirft sich impulsiv in die Arme ihres Vaters) Geliebter Vater! MARCHESE Möge dich Gott behüten. Schlaf wohl, mein Kind. LEONORA Mein Vater... (Der Marchese nimmt den Leuchter und geht in seine Gemächer. Curra schließt hinter ihm die Tür und kehrt zu Leonora zurück, die weinend in den Sessel gesunken ist.) CURRA Ich glaubte schon, er bliebe hier bis morgen! Rasch die Tür wieder auf... Nun kann er kommen. Dann fliehen wir. (Sie nimmt aus dem Schrank eine Reisetasche und verstaut darin Kleider und Wäsche.) LEONORA Warum kann denn mein Vater Den Wunsch meines Herzens nicht begreifen? O Gott, was soll ich denn nur tun? CURRA Was sagst du? LEONORA Jedes Wort, das er sprach, Hat wie ein Dolchstoß mein Herz durchbohrt... Wär er geblieben, ich hätt es ihm gesagt... CURRA (von ihrer Arbeit ablassend) Und morgen läg in seinem Blute der edle Don Alvaro, oder man brächt ihn in den Kerker und hängt ihn am Galgen auf. LEONORA Schweige! CURRA Und dieses alles, weil er ein Weib geliebt, das ihn nicht liebte. LEONORA Ich ihn nicht lieben!? Willst du daran zweifeln? Heimat, Familie, Vater, Kann mehr ich für ihn opfern? Ich Ärmste! Gott allein kennt meine Leiden! Bald werd ich fern der Heimat sein, Muß sie für immer meiden, Der gnadenlose Schicksalsruf der Liebe Zwingt mich zu scheiden... Traurig wird jeder Tag vergehn; Und wird mein Herz verzagen, Wer hilft mir dann, der Seele Last, Die Qual der Reue zu ertragen? usw. Leb wohl, mit Tränen scheide ich, Geliebte Heimat, auf ewig! Nie wird meine heiße Sehnsucht Nach dir vergehn. Teure geliebte Heimat, leb' ewig wohl! CURRA Kannst du mir denn nicht helfen!? Bald ist er da. LEONORA Wenn er nicht käme? (sieht auf die Uhr.) So spät schon! Mitternacht ist vorüber! (beglückt) Nein, nein! Er kommt nicht mehr!... CURRA Hörst du nichts kommen? Sie sind unten am Tore! LEONORA Er ist es! CURRA War ich doch sicher, er würde kommen! LEONORA O Himmel! CURRA Nur keine Angst! (Don Alvaro tritt vom Balkon her ein und eilt in Leonoras Arme.) DON ALVARO Ach, auf ewig. holder Engel, Sind wir beide nun verbunden, Und die seligste der Stunden Füllt mit Jubel mir das Herz. LEONORA Don Alvaro! DON ALVARO Gott. du zitterst ja! LEONORA Schon naht der Morgen. DON ALVARO Tausend Hindernisse Gab's zu überwinden, Deshalb komme ich so spät. Soll die Liebe uns verbinden, Laß ich nie die Hoffnung schwinden, Daß Gott selbst in seiner Gnade, Kehrt in Freude alles Leid. (zu Curra) Wirf die Kleider in den Garten! Schnell doch! LEONORA (zu Curra) Nein. warte! DON ALVARO (zu Curra) Nein. rasch... (zu Leonora) Folge mir, Flieh mit mir aus diesem Kerker. LEONORA Ach, ich wag es nicht zu tun! DON ALVARO Zwei schnelle Pferde tragen uns fort von hier; Bringen uns sicher in fremde Lande. Dort wird ein Priester uns bald vereinen, Und Gottes Gnade segne den Bund. Wenn dann die Sonne, einst Perus Gottheit, Die meine Ahnen gläubig verehrten, Mit ihrem Glanze die Welt erleuchtet, Sieht sie uns beide selig vereint. LEONORA Es ist so spät schon. DON ALVARO (zu Curra) Du mußt dich eilen! LEONORA (zu Curra) Wart noch ein wenig. DON ALVARO Ach, Leonora. LEONORA Bis morgen... DON ALVARO Was sagst du? LEONORA Hör meine Bitte. DON ALVARO Weshalb? LEONORA Und morgen flieh ich mit dir. Eh wir auf immer von hier entfliehen, Möcht ich den Vater noch einmal sehen; Du wirst die Bitte mir gern gewähren! Ja, denn du liebst mich... Du mußt mich hören... Alvaro, du weißt, ich lieb dich von Herzen Und bin so glücklich, unendlich glücklich... Freude erfüllt mir das Herz. Wir bleiben... Ja, mein Alvaro, ich lieb dich! (Tränen ersticken ihre Stimme.) DON ALVARO Du fühlst im Herzen Freude und weinst dabei? Ist dir vor Freude die Hand so grabeskalt?, Alles versteh ich! Alles, mein Fräulein... LEONORA Alvaro! Alvaro! DON ALVARO Leonora... Ich weiß es zu ertragen! Daß aus Mitleid du mit mir gingst, Das möge Gott verhüten! Nimm deine Freiheit... Denn die Hochzeitsfackeln, Sie leuchteten uns beiden nur zum Tode... Wenn du, wie ich, nicht liebtest und bereutest . . LEONORA Ich bin die Deine, Alvaro, Ich bin dein fürs ganze Leben! Ja! Mit dir, Geliebter, gehe ich Bis an der Welten Ende, Mit dir vereint ertrage ich, Was auch das Schicksal sende; Denn dir gilt meine Liebe. Auf ewig bin ich dein! Es scheidet unsre Liebe ja nur der Tod allein. DON ALVARO Bin dein für alle Ewigkeit, Nur dir gehört mein Leben! Und bis zum letzten Atemzug Würd ich es für dich geben! Mein einzig Glück auf dieser Welt Wird Leonora sein! Es scheidet unsre Liebe Ja nur der Tod allein! (Sie eilen zum Balkon. Man hört das Öffnen und Schließen von Türen.) LEONORA Welch ein Geräusch? CURRA (lauscht) 's ist jemand auf der Treppe! DON ALVARO Schnell fort! LEONORA Schnell fort! DON ALVARO und LEONORA Es scheidet unsre Liebe Ja nur der Tod allein! LEONORA Zu spät! DON ALVARO Bewahre nur die Ruhe! CURRA Heil'ge Jungfrau! LEONORA (zu Alvaro) Verbirg dich dort! DON ALVARO (eine Pistole ziehend) Nein! Ich muß dich jetzt verteidigen. LEONORA Nicht mit der Waffe... Willst du meinen Vater erschießen? DON ALVARO Nein, eher mich selber... LEONORA Alvaro! (Nach mehrmaligem heftigen Klopfen tritt der Marchese von Calatrava wütend mit gezogenem Degen ein; ihm folgen zwei Diener mit Leuchtern.) MARCHESE Schändlicher Lump! Und du, du Dirne! LEONORA (sich ihm zu Füßen werfend) O hör, mein Vater . . MARCHESE Der bin ich nicht mehr... DON ALVARO (zum Marchese) Nur ich bin der Schuldige, hier steh ich! (ihm die Brust darbietend) Nun, so rächt Euch doch! MARCHESE (zu Don Alvaro) Ich will Euch gleich beweisen, Wie man den Mann behandeln muß, Der mir das Haus besudelt! DON ALVARO Was soll das heißen? MARCHESE (zu Leonora) Fort mit dir... (zu den Bedienten) Ergreift den Lumpen! DON ALVARO (erneut die Pistole ziehend) Wehe dem, der mir zu nah kommt ... LEONORA (stürzt auf ihn zu) Alvaro, Gott, halt ein! DON ALVARO (zum Marchese) Ihr allein dürft mich töten. MARCHESE Den Tod von diesen Händen? Am Galgen durch des Henkers Hand Wirst du dein Leben enden! DON ALVARO Marchese von Calatrava! Rein, wie es Gottes Engel sind, Ist Euer Kind, das schwör ich! Ich nur bin schuldig. Und wagt Ihr, an meinen Worten zu zweifeln, So biet ich Euch mein Leben. Seht, ich bin wehrlos... (Er wirft die Pistole weg, wobei sich beim Aufschlag auf den Boden ein Schuß löst, der den Marchese tödlich verwundet.) MARCHESE Ich sterbe! DON ALVARO (verzweifelt) Wahnsinn des Schicksals! LEONORA (eiltzu ihrem Vater) Zu Hilfe! MARCHESE (zu Leonora) Faß mich nicht an... Entweih mit deiner Nähe nicht mein Sterben. LEONORA Vater! MARCHESE Du sollst verflucht sein! (Er bricht in den Armen der Diener zusammen.) LEONORA Himmel, erbarm dich! DON ALVARO O Grauen! (Die Diener tragen den Marchese in seine Gemächer, während Don Alvaro die unglückliche Leonora mit sich auf den Balkon zieht.) Erste Szene Das Dorf Hornachuelos Große Küche einer Schenke zu ebener Erde. Seitwärts ein gedeckter Tisch, auf dem eine Lampe brennt. (Der Wirt und dessen Frau sind eifrig beschäftigt, das Essen zu richten. Der Alkalde sitzt am Feuer, ein Student am Tisch. Einige Maultiertreiber, darunter Mastro Trabuco, Bauern und Bäuerinnen.) CHOR Holla! Für heute ist's genug! Laßt alle Arbeit ruhn! Erholt euch hier beim Wein, Und fröhlich wolln wir sein. Wir haben endlich Ruhe! Die Tiere sind im Stall. (Die Wirtin setzt eine große Suppenschüssel auf den Tisch.) ALKALDE (setzt sich an den Tisch) Nun kommt zum Essen! ALLE (nehmen am Tisch Platz) Zum Essen! DON CARLO (für sich) Ich finde weder Schwester noch Verführer... Schändliche! CHOR (zum Alkalden) Der Alkalde soll erst beten. ALKALDE Der Herr da kann es besser! DON CARLO Meinetwegen... In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. CHOR (setzen sich hin) Amen. LEONORA (erscheint ängstlich in der halboffenen Türe des Zimmers zur Rechten) Er ist es! Ja! Mein Bruder! (Sie geht. Die Wirtin hat inzwischen den Reis ausgeteilt und setzt sich ebenfalls. Später wird ein anderes Gericht aufgetragen. Trabuco hält sich abseits, immer auf seinem Sattel hockend.) ALKALDE (kostet) Schmeckt's Euch? DON CARLO (ißt) Ausgezeichnet . CHOR Es will sagen: ,.Friß mich doch!" DON CARLO (zur Wirtin) Tu das epulis accumbere Divum. ALKALDE Latein kann sie gar nicht, aber sie kann kochen! DON CARLO Bravo die Köchin! ALLE Sie lebe! DON CARLO Und Ihr, Mastro Trabuco?: TRABUCO Ich esse nichts! DON CARLO Ihr fastet? TRABUCO So ist es. DON CARLO Und was ist mit dem Burschen, den Ihr brachtet? (Preziosilla kommt mit tänze linden Schritten herein.) PREZIOSILLA Kampf allerwege! ALLE Preziosilla! DON CARLO und CHOR Komm doch zu mir! ALLE Du sollst die Zukunft uns prophezein! PREZIOSILLA Wer strebt nach Ruhm und Ehren? ALLE Jeder von uns. PREZIOSILLA Dann macht euch auf und geht nach Italien, wo die Flammen des Krieges heftig entbrannten. ALLE Tod den Deutschen! PREZIOSILLA Ewige Geißel Italiens und seiner Väter. ALLE Wir sind dabei! PREZIOSILLA Ich ziehe auch mit euch! ALLE Er lebe! PREZIOSILLA Es wirbelt die Trommel, Es stampfen die Pferde, Es speien Kartaunen Verderben und Tod! Wie schlägt dem Soldaten Im Kampfe das Herz! Wie herrlich zu siegen! Es lebe der Krieg! Es lebe der Krieg! ALLE Es lebe der Krieg! PREZIOSILLA (wendet sich von einem zum andern) Mir sagt deine Hand: Du wirst bald Korporal; Du Hauptmann, du Oberst, und du General! Dann braucht ihr euch nach Schönen Nicht länger zu sehnen, Sie kommen in Scharen, Dann habt ihr die Wahl! Wie herrlich zu siegen! ALLE Es lebe der Krieg! Er lebe! DON CARLO (hält Preziosilla die Hand hin) Was hält das Glück bereit für den Studenten? PREZIOSILLA (seine Hand lesend) Du bist ein Unglückskind, dir geht es schlecht... DON CARLO Was sagst du? PREZIOSILLA (ihn forschend ansehend) Ich gaukle dir nichts vor. (dann, leise) Doch du, das sehe ich, Bist kein Student... Doch keine Sorge, nein, nein, nein, Ich bin verschwiegen! Denn mir ist das vollkommen gleich, Ob du ein Bettler oder reich, Tra la la la! ALLE Es lebe der Krieg, usw. (Pilger nahen und überschreiten die Szene.) CHOR DER PILGER (aus der Ferne) Ewiger Vater und Gott, Erbarme dich! Erbarme dich! Sohn des Vaters, o Gott, Heiliger Geist, Erbarme dich! Heilige Dreifaltigkeit, Erbarme dich! ALLE (sich erhebend, ihre Hüte abnehmend) Wer kommt da? ALKALDE Es sind die Pilger, sie ziehn zum Jubiläum. LEONORA (immer noch an der Tür) Könnt ich nur fliehen! DON CARLO und MAULTIERTREIBER Wir lassen sie vorbeiziehn. ALKALDE Wir beten mit! ALLE Wir beten mit! (Sie stehen vom Tisch auf und knien nieder.) Auf Knien flehen wir dich an: Erhalt uns deine Gnade! Und vor der Hölle Qualen Bewahre uns voll Huld, o Gott! Erbarme dich! LEONORA (für sich) Errett mich aus des Bruders Hand. Hilf mir, erbarme dich, rette mich Vor dem Bruder, er trachtet mir nach dem Leben, Errette mich! Erbarmen! Erbarme dich! (Leonora zieht sich in ihr Zimmer zurück und schließt die Tür. Alle nehmen ihre Plätze am Tisch wieder ein. Eine Flasche wird herumgereicht.) DON CARLO Freunde, nun laßt uns wieder trinken! ALLE Bravo! DON CARLO (hebt sein Glas) Jetzt wird gelebt! Die Ewigkeit hat Zeit! ALLE (einander zutrinkend) Halleluja. DON CARLO Ist Trabuco schon im Himmel? TRABUCO Mir scheint, hier ist die Hölle! DON CARLO Und jenes junge Herrchen, das Ihr führtet, Reiste zum Jubiläum? TRABUCO Vielleicht. DON CARLO Nun sagt, ist's ein Hähnchen oder Hühnchen? TRABUCO Kümmert mich das? Ein jeder zählt das gleiche! DON CARLO Sehr philosophisch! (wendet sich an den Alkalden) Und Ihr, was meint Ihr von dem Herrchen? Warum ißt er nicht mit? ALKALDE Ich weiß nicht. DON CARLO Er verlangte Wasser nur und Essig, Ha, ha, sich zu erfrischen . ALKALDE Mag sein. DON CARLO Ist's wahr, daß er hübsch und ohne Bart ist? ALKALDE Gab nicht Obacht. DON CARLO (für sich) Bring nichts heraus! (zu Trabuco) Nur noch ein Wort: Saß der Herr seitwärts Oder rittlings auf dem Maultier? TRABUCO (die Geduld verlierend) Ach, geht doch! DON CARLO Sagt, woher kam er? TRABUCO Ich weiß nur: ich bin bald im Paradiese. DON CARLO Warum? TRABUCO Weil mich schon das Fegefeuer brennt... DON CARLO Wo wollt Ihr hin? TRABUCO In den Stall; ich will schlafen bei den Tieren, die verstehn nicht lateinisch und lassen mich in Frieden. (Die Vorigen ohne Trabuco.) ALLE Haha! Er verschwindet! DON CARLO Weil dem Fremden der Schnurrbart fehlt, will ich ihm mit Farbe einen malen. Da gibt es was zu lachen! ALLE Bravo, bravo! ALKALDE Die Fremden stehn in meinem Schutz! Ich verbiet es! Dürfte ich wohl erfahren, wo du herkommst, wo du hinwillst und wie dein Name? DON CARLO Ist es nur das? Gern will ich euch berichten. Don Pereda, so lautet mein Name, Ich studierte in Salamanca, Und ich wäre längst schon Doktor beider Rechte, Hätt in Salamanca ich mein Studium beendet. Doch ich lernte Don Vargas dort kennen, Und er lud nach Sevilla mich ein. So verließ ich mit ihm Salamanca; Wir beschlossen, treue Freunde zu sein. Doch ein fremder Galan seiner Schwester Tötete den Vater, als er sie entführte, Und Don Vargas, ein Jüngling von Ehre, War zur Rache entschlossen... Bis nach Cadiz verfolgten wir die beiden, Doch entkommen waren Schwester und Galan. Tief zu Herzen ging mir des Freundes Leiden, Denn wie ein Bruder war ich ihm zugetan. Später hörte der Freund, seine Schwester Sei zugleich mit dem Vater gestorben, Und nach heftigem Kampf mit den Dienern, Sei der Fremde im Dunkel entflohen. Doch Don Vargas, er schwor, ihn zu finden, Und so trennte die Freunde das Geschick. Nach Amerika verfolgte er den Frevler, Ich aber kehrte zum Studium zurück. ALLE Wahrlich, schaurig ist diese Ballade. Solche Freundschaft belohne das Glück. ALKALDE Zum Wohlsein! PREZIOSILLA (schroff) Ermordet ward der Marchese? DON CARLO Nun .... PREZIOSILLA Und der Mörder entführte die Tochter? DON CARLO Ja. PREZIOSILLA Und mit dem Freunde zogst du nach Cadiz, Um ihn zu suchen, doch erst nach Sevilla? Das mag dir glauben, wer es will! Doch keine Sorge, Ich bin still... Tra la la la! (Alkalde erhebt sich und sieht auf die Uhr.) ALKALDE 's ist spät, ihr Leute; da ihr nun gespeist habt, sagt euer Dankgebet! Dann zu Bett! PREZIOSILLA, DON CARLO und CHOR Wir gehen! Gehn wir schlafen. Gute Nacht! Gute Nacht! ALLE Gehn wir. Seid fröhlich, Mautiertreiber! Es ist die Stunde der Ruhe. DON CARLO Ich bin Don Pereda, so lautet mein Name, usw. ALKALDE Zum Wohlsein! PREZIOSILLA Ha-ha-ha! Das mag dir glauben, wer es will! Doch keine Sorge, ich bin still... ALLE Gute Nacht! Wir gehen! Zweite Szene Umgebung von Hornachuelos Kleiner ebener Platz am Abhang eines steilen Gebirges. Rechts Abgründe und Felsen, im Hintergrund die Fassade der Kirche „Madonna degli Angeli", links die Klosterpforte. Heller Mondschein beleuchtet die Szene. (Leonora tritt ein; sie trägt Männerkleidung.) LEONORA Am Ziele! Dank dem Himmel! Der letzte Zufluchtsort ist dies. Ach endlich! Ich zittre... Von meinem düstren Schicksal erfuhren viele Leute, mein eigner Bruder erzählt es!... Ob er mich wohl erkannte? Himmel! Mein Bruder sagte, Alvaro habe sich gerettet! Er ist entkommen in der Nacht, da ich selber, ich, mit Vaterblut befleckt die Hände, auf der Flucht ihn verloren! Alvaro lebt noch, verließ und vergaß mich! Weh mir! Mein Herz will mir versagen! (Sie fällt auf die Knie.) Jungfrau Maria, gnadenreich, Vergib mir meine Sünden, Verbann aus meinem Herzen Des Undankbaren Bild. In dieser stillen Einsamkeit Laß meine Schuld mich söhnen... Mein Gott und Herr, erbarm dich mein, Erbarm dich gnädig meiner Not! (Man hört eine Orgel den Morgengesang der Mönche begleiten.) Der feierliche Chorgesang... (erhebt sich) Der Orgel sanfte Klänge, Sie steigen auf zum Himmel, Wie des Weihrauchs heilge Düfte, Sie schenken meiner Seele Glauben und Trost und Frieden! CHOR DER MÖNCHE (von innen) Venite, adoremus er procedamus ante Deum, Ploremus, ploremus coram Domino, coram Domino qui fecit nos. LEONORA (sie tritt ab ) Ob ich wohl schon wagen kann, Zu dieser frühen Stunde? Doch folgt vielleicht mein Bruder mir. O arme Leonora, zagst du? Vertrau dem Diener Gottes hier, er weist dich nicht zurück, nein... Mein Gott und Herr, erbarm dich meiner Qual, Gott, Steh mir bei! Erbarm dich mein! MÖNCHE Ploremus, ploremus coram Domino qui fecit nos. (Leonora zieht an der Glocke des Klosters. Das Fensterchen in der Tür geht auf. Lichtschein fällt auf Leonoras Gesicht, die erschrocken stehen bleibt. Fra Melitone spricht immer von innen.) MELITONE Wer seid Ihr? LEONORA Meldet mich dem Prior. MELITONE Kommt Ihr zum Jubiläum? Um fünf wird erst geöffnet! LEONORA Ich will zum Prior! Hört Ihr denn nicht? MELITONE Ich höre nie vor fünf Uhr! LEONORA Mich sendet Pater Cleto. MELITONE Wie, der Heilge! Und weswegen? LEONORA Es eilt mir. MELITONE Und warum? LEONORA Ich brauche Hilfe... MELITONE Üble Sache! Komm herein, ich will öffnen. LEONORA Ich darf nicht! MELITONE Nicht? Traf Euch der Bann der Kirche? Nun gut, so macht, was Ihr wollt und wartet draußen. Ich meld Euch. Komm ich nicht wieder, Wünsch ich gute Nacht. (Er schließt das Fensterchen.) LEONORA Doch wenn er mich zurückweist? Rühmt man nicht seine Güte? Bestimmt hilft er auch Mir. Jungfrau Maria, steh du mir bei! (Pater Guardiano erscheint zusammen mit Fra Melitone.) GUARDIANO Wer verlangt mich? LEONORA Ein Pilger. GUARDIANO Sprich denn. LEONORA Ein Geheimnis... GUARDIANO Entfern dich, Melitone. MELITONE (im Abgehen, für sich) 's ist ein Geheimnis! Und nur die Heilgen dürfen alles erfahren! Die andern sind nicht reif dafür... GUARDIANO Was hast du da zu brummeln? MELITONE O nichts! Ich bemerkte nur, Daß die Türen wieder knarren. GUARDIANO Geh, gehorche. MELITONE (für sich) Das nennt sich nun ein Prior! (Er geht ins Kloster zurück.) GUARDIANO Niemand stört uns. Sprich offen. LEONORA Vor Euch steht eine Frau. GUARDIANO Eine Frau! Zu dieser Stunde! Was wollt Ihr? LEONORA Ohne Eltern, verlassen, betrogen, Von der Welt und vom Himmel verstoßen, Fleh ich weinend Euch an auf den Knien: Rettet mich vor den Qualen der Hölle! GUARDIANO Welche Hilfe erwartet Ihr hier? LEONORA Pater Cleto schrieb Euch doch von mir! GUARDIANO Sendet er Euch? LEONORA Ja. GUARDIANO (überrascht) Dann seid Ihr Also Leonora di Vargas! LEONORA Ihr zürnt mir? GUARDIANO Nein. Willkommen im Zeichen des Kreuzes. Nur in ihm findet Frieden die Seele. (Leonora kniet am Fuß des Kreuzes, küßt es und kehrt wieder zum Pater Guardiano zurück.) LEONORA Leichter trag ich meine Qualen, Da das Kreuz ich vor mir sehe. Der Verdammnis düstre Bilder Schwinden hin in seiner Nähe... Meinen Augen sind entschwunden Meines Vaters blutge Wunden, Nimmer hör ich, wie er sterbend Seine Tochter laut verflucht. GUARDIANO Satans Macht muß hier vergehen, Der die Gläubigen versucht. LEONORA Darum zeigt mir jene Zelle, Wo vor mir schon andre litten. GUARDIANO Wie? Du wüßtest? LEONORA Cleto sagt es. GUARDIANO Und du wolltest? LEONORA Gott mich weihen. GUARDIANO Gibst du dich auch keiner Täuschung hin? Fühlst du morgen nicht schon Reue, Und die ungebrochne Jugendkraft Quält die Seele dir aufs neue? LEONORA Leichter trag ich meine Qualen, usw. GUARDIANO Wehe dem, der sich verleiten läßt! Kannst du lesen in der Zukunft, Ob du morgen denkst wie heute? Dein Geliebter? LEONORA Ach, nur durch Zufall Schoß er meinen Vater tot. GUARDIANO Und dein Bruder? LEONORA Ach, mein Leben Ist durch seinen Schwur bedroht! GUARDIANO Bessre Zuflucht Bietet dir gewiß ein Kloster. LEONORA Ein Kloster? Nein! Wenn Ihr mich abweist trotz meiner Reue, Schrei in den Felsen ich laut um Hilfe. Dort in der Wildnis finde ich Zuflucht, Die wilden Tiere verstehn mein Leid. Herab vom Himmel kam eine Stimme: „Hier unterm Kreuze findest du Gnade..." Und Ihr verstoßt mich? Laßt hier mich bleiben! Wollt Ihr mir rauben den letzten Trost? GUARDIANO Preis dir und Ehre, du Allerbarmer, Schützer der Schwachen, Vater der Armen, Der du allmächtig über uns thronst, Dein heilger Wille soll geschehn in Ewigkeit! Du bist entschlossen? LEONORA Entschlossen! GUARDIANO So nehme Gott dich auf. LEONORA In seiner Güte! GUARDIANO Nur ich kenn deinen Namen. Dort im Fels ist eine Höhle; Da sollst du wohnen. Ich bring dir selber dein kärgliches Brot Zum nahen Quell alle sieben Tage. LEONORA So gehn wir. GUARDIANO (zur Tür gewandt) Melitone? (zu Melitone, der erscheint) Laß alle Brüder mit entflammten Kerzen Am Hochaltar sich versammeln, Vor Gottes ew'gem Antlitz dort zu beten... (Melitone verschwindet.) Allein wirst du beim Morgenrot Zur Klause dich begeben, Doch soll zuvor des Himmels Brot Dir Seelenstärke geben. Dann nimm das schlichte Büßerkleid; Bleibe im Herzen rein. Zu tragen deine Einsamkeit, Mög Gott dir Kraft verleihn. (Er geht ins Kloster und kommt wieder zurück mit einer Franziskanerkutte über dem Arm, die er Leonora überreicht.) LEONORA Gnade des Himmels Fleh ich auf mich hernieder! Vertrauen und Zuversicht Beleben mich nun wieder! Schon fühle ich in meiner Brust Das Leben neu erblühn. Nun jauchze laut, du Engelschor: Der Herr hat mir verziehn. Dank dir, o Herr! GUARDIANO Dann nimm das schlichte Büßerkleid, usw. LEONORA Nun jauchze laut, du Engelschor: Der Herr hat mir verziehn, usw. (Sie gehen in das Pförtnerzimmer. Die breite Kirchentür geht auf. Man sieht im Hintergrund den erleuchteten Hochaltar. Orgelklänge ertönen. Vom Chor kommen in zwei langen Reihen die Mönche mit brennenden Kerzen. Später Pater Guardiano, hinter ihm Leonora in Mönchskleidung. Die Mönche bilden einen Halbkreis. Leonora wirft sich vor Pater Guardiano auf die Knie, er breitet feierlich die Hände über sie.) GUARDIANO Der ew'ge Name des Vaters im Himmel, Er sei gepriesen. CHOR Er sei gepriesen. GUARDIANO Ein reuig Herz sucht zur Büßung der Sünden In der Öde Zuflucht und Frieden. Die heilge Klause will ich ihm öffnen. Ihr alle kennt sie. CHOR Sie ist bekannt. GUARDIANO Ihr dürft der Klause niemals euch nahen! Wollt ihr's versprechen? CHOR Wir bleiben fern. GUARDIANO Und auch den Weg, Der zu ihr hinaufführt, den sollt ihr meiden! CHOR Wir meiden ihn. GUARDIANO Wer die Verbote schmählich mißachtet, Wer nach des Fremdlings Geheimnis trachtet Und seinem Namen, der soll verflucht sein in Ewigkeit! CHOR Der soll verflucht sein in Ewigkeit! Es möge des Himmels Flammenstrahl den Frevler schlagen, der solch Gebot will zu brechen wagen! Des stillen Grabes Ruh soll nie er finden, Und seines Leibes Staub gehör den Winden. Streut seine Asche in alle Winde. GUARDIANO (zu Leonora) Erhebe dich, Geh zur Klause. Du siehst hinfort kein lebendes Wesen. Durch ein Glöckchen gibst du uns Kunde, Wenn Gefahren dich bedrohen, Oder sich nahet deine letzte Stunde. CHOR und GUARDIANO An deiner Seite Sollst du uns dann sehen, Den letzten Trost Der Seele zu spenden. LEONORA An deiner Seite Sollst du uns dann sehen, Den letzten Trost Der Seele zu spenden. ALLE An deiner Seite, usw. (Leonora küßt Pater Guardianos Hand und geht allein zur Eremitenklause. Nachdem die Mönche ihre Kerzen ausgelöscht haben, ziehen sie sich in die Kirche zurück. Pater Guardiano bleibt an der Pforte stehen; hebt segnend seine Arme in die Richtung in der Leonora verschwand.) Erste Szene Bei Velletri in Italien Wald. Tiefdunkle Nacht. Don Alvaro in der Uniform eines spanischen Grenardierhauptmannes kommt langsam aus dem Hintergrunde. Von rechts hört man Stimmen hinter der Szene. STIMMEN Beim Spiel gilt Schlauheit, nur Schlauheit... ERSTE STIMME Ich hab den Buben! ZWEITE STIMME Gewonnen! ERSTE STIMME Ich hab die Dame! Ich den König. ZWEITE STIMME Verloren! DON ALVARO Mein Dasein ward für mich zur Hölle. Vergebens wünsch ich mein Ende. Sevilla! Leonora! Welch ein Erinnern! O Nacht, In der mein Glück ich verloren! Mir gab das Leben nichts als Leiden, nur Unheil! Es wollte einst mein Vater unsre Heimat Von fremdem Joch befreien, Er nahm zum Weib der Inka letzte Tochter. Nach der Krone trachtete kühn sein Mut. Es war ein Fehlschlag! Im Gefängnis geboren, In der Fremde erzogen, leb ich nur, weil niemand ahnt, daß ich königlicher Abkunft. Meine Eltern! Sie träumten vom Throne, starben durchs Beil des Henkers! Wie lang soll ich das Leben noch ertragen!? Du darfst im Schoß der Ewigkeit Oben im Himmel weilen, Du darfst die höchste Seligkeit Dort mit den Engeln teilen. O blick auf mich hernieder, Geliebte, denke mein, laß mich in meinem Elend, Meinem Jammer nicht allein! Nicht ganz verloren sein! Ich sehne meinen Tod herbei, Dann endet alle Qual. Leonora erbarm dich mein, o du mein Engel. Erbarm dich meiner Not! Erbarm dich mein! DON CARLO (hinter der Szene) Verdammter Schurke! STIMMEN Stirb! DON ALVARO Welch ein Schreien? DON CARLO Zu Hilfe! DON ALVARO Ja, ich komme! STIMMEN Stirb! Stirb! (Alvaro eilt nach der Seite, von der die Rufe ertönen; man hört Degenklirren; einige Offiziere eilen in regelloser Flucht über die Szene. Don Alvaro kehrt mit Don Carlo zurück.) DON ALVARO Sie fliehn! Seid Ihr verwundet? DON CARLO Nein, ich dank Euch mein Leben. DON ALVARO Wer waren sie? DON CARLO Feige Mörder. DON ALVARO Hier dem Lager so nah? DON CARLO Ich will's gestehn: ein Streit beim Spiele. DON ALVARO Verstehe... Im Haus dort drüben? DON CARLO Ja. DON ALVARO Doch sagt mir, wie kommt ein Mann von Stande In eine solche Spelunke? DON CARLO Fremd noch bin ich, kam gestern erst her mit Befehl vom Generale! Ohne Euch wäre ich tot. Nun sagt mir: wem verdank ich mein Leben? DON ALVARO Dem Zufall . . DON CARLO Hört meinen Namen zuvor (beiseite) doch nicht den wahren!: (zu Don Alvaro) Don Felice de Bornos, Adjutant unsres Herzogs. DON ALVARO Ich bin Hauptmann bei den Grenadieren: Don Federico Herreros. DON CARLO Der Stolz des ganzen Heeres! DON ALVARO Zu gütig... DON CARLO Gewährt mir Eure Freundschaft! Ich bitte und hoffe. DON ALVARO Und ich bin stolz, mich Euren Freund zu nennen! (Sie reichen sich die Hand.) DON ALVARO und DON CARLO Als Freunde sind wir verbunden Auf ewig, welch Schicksal uns auch droht! Verbunden fürs ganze Leben; Es trennt uns nur der Tod! (Hinter der Szene hört man Rufe und den Klang einer Trompete.) CHOR Zum Kampfe! DON ALVARO und DON CARLO Nun gilt es! Zum Kampfe! DON CARLO Euch zur Seite zieh ich in den Kampf, Um es Euch an Kühnheit gleich zu tun. DON ALVARO Werd ich Zeuge von Eurem Mut, Wird mein Blick voller Stolz auf Euch ruhn. CHOR Zum Kampfe! (Beide eilen fort.) Zweite Szene Ein Raum in der Nähe von Velletri Es ist Morgen. Empfangsraum eines höheren Offiziers der spanischen Truppen in Italien, unfern Velletri. Man hört den Lärm der nahen Schlacht. (Ein Militärarzt und einige Ordonnanzen treten ein und eilen zum Fenster.) SOLDATEN Seht, wie sie kämpfen! CHIRURG (schaut durch das Fernrohr) Brave Grenadiere! SOLDATEN Herreros führt sie. CHIRURG Gott! Er ist verwundet! Sie müssen weichen! Der Adjutant bringt sie zum Stehen... Sie formieren sich zum Angriff!. Jetzt fliehen unsre Feinde! Der Sieg ist unser! STIMMEN (hinter der Szene) Es lebe Spanien! ANDERE STIMMEN Es lebe Italien! ALLE Sieg! CHIRURG Sie bringen den verwundeten Capitano. (Don Alvaro wird verwundet und ohnmächtig auf einer Bahre von vier Grenadieren hereingetragen. Neben ihm auf der einen Seite der Arzt, auf der anderen Don Carlo, staubbedeckt, mit bekümmertem Gesichtsausdruck. Ein Soldat legt ein Felleisen auf ein Tischchen.) DON CARLO Sachte... Setzt nieder. Bereitet schnell sein Lager. CHIRURG Nur Ruhe. DON CARLO Ist's gefährlich? CHIRURG Die Kugel in der Brust macht mir Bedenken. DON CARLO Ihr müßt ihn retten. DON ALVARO (kommt zu sich) Sagt, wo bin ich? DON CARLO Bei deinem Freunde. DON ALVARO Es geht mit mir zu Ende. DON CARLO Nein! Treue Pflege wird dich heilen... Deinen Heldenmut lohnt der Orden von Calatrava. DON ALVARO Von Calatrava! Nein! Nie... DON CARLO (für sich) Wie? Warum erschrak er denn bei meinem Namen? DON ALVARO Felice... CHIRURG Nur nicht sprechen... DON ALVARO Ein einzig Wort... DON CARLO (zu dem Chirurg) Verlaßt uns, Herr Chirurgus. (Der Chirurg zieht sich in den Hintergrund zurück. Alvaro winkt Carlo dicht zu sich.) DON ALVARO Die Stunde ist heilig, Drum schwör, was ich fordre, Getreu zu erfüllen! DON CARLO Ich schwör es. DON ALVARO Such hier an dem Herzen . DON CARLO Diesen Schlüssel! DON ALVARO (zeigt auf das Felleisen) Dort drin wirst du finden ein Bündel von Briefen. Ich hab es versiegelt. Es birgt ein Geheimnis; Das sterbe mit mir. Du sollst es verbrennen. DON CARLO Ich schwör es, mein Freund. DON ALVARO Nun sterb ich in Frieden In meines Freundes Armen . . DON CARLO Vertraue dem Himmel. vertraue auf Gott. DON ALVARO und DON CARLO Leb wohl'. (Der Chirurg und die Ordonnanzen bringen den Verwundeten in den Schlafraum.) DON CARLO O Gott'. So jung zu sterben! So unverzagt. so tapfer! Grausames Los! Wer kann sich ihm vergleichen? Was schreckte ihn an meinem Namen? Ob er erfahren des Hauses tiefe Schmach? Himmel... Ich ahne: ist er wohl der Verführer?... In meinen Händen! Und lebt noch! Wenn ich mich täuschte? Mag der Schlüssel reden! (Er öffnet hastig das Felleisen und zieht ein versiegeltes Päckchen hervor.) Hier die Briefe! Was tu ich? (Er hält inne.) Hab ich ihm nicht geschworen? Daß ich noch lebe, Verdanke ich seinem Mut! Das ist vergolten! Ist er der verfluchte Indianer, Der mein edles Blut geschändet? Ich erbreche das Siegel! Hier sieht es niemand! Ha! Seh ich's nicht selber? (Er wirft das Päckchen weg.) In meinen Händen halt ich mein Schicksal! Doch der Versucher, er bleibe mir ferne! Ich kam zu rächen unsere Ehre, Nicht neuen Makel zu häufen auf mich. Ich schwur dem Freunde als Mann von Ehre: Drum bleibe unentschleiert das Geheimnis. Nie darf ich wagen. daran zu denken, Es wäre Verrat an dem Freunde und mir. Sollt ich nach anderen Beweisen suchen? Ich wag's. (Er durchsucht das Felleisen.) Hier ist kein Siegel... 's ist ein Bild... Von einem Bilde war nicht die Rede... Drum laß sehen... Gott! Leonora! Ja, es ist Don Alvaro! Jetzt soll er leben, Um dann durch mich zu sterben!... (Der Chirurg tritt ein.) CHIRURG Freudige Botschaft: gerettet! (geht ab) DON CARLO Gerettet! O Wonne! Ah! Er wird leben! O welche Freude weckt das Wort in meinem Herzen! Meine Rache soll er fühlen! O wie grausam wird sie sein! Leonora, sag, wo weilst du? Bist mit ihm du noch verbunden, Der die Ehre dir geschändet, der aus Deines Vaters Wunden dich mit rotem Blut befleckt? Ah! Die Rache wär vollendet, Könnte ich mit meinem Degen Dich zugleich mit dem Verräter Ganz dem Gott der Hölle weihn! (Eilt schnell fort.) Dritte Szene Feldlager bei Velletri Links vorn ein Trödlerladen, rechts eine Bude mit Lebensmitteln, Getränken und Früchten. Ringsum Soldatenzelte, Krämerbaracken, usw. Es ist Nacht. Die Bühne ist leer. (Eine Patrouille kommt, vorsichtig das Gelände absuchend.) CHOR Auf Wache wir gehen, Den Feind zu erspähen... Man hört keinen Laut... Kein Lichtschein zu sehen, Und rings in den Zelten Liegt alles im Schlaf. Auf Wache wir gehen. Bald künden Trompeten Den nahenden Tag... So kommt! 's ist alles still! (Langsam graut der Morgen. Don Alvaro tritt, in Gedanken verloren, ein.) DON ALVARO Ist mir niemals beschieden Nur eine Stunde Ruhe? Die Qual der Seele, ich ertrage sie nicht mehr! Ruhe und Frieden such ich vergebens! (Don Carlo tritt auf) DON CARLO Mein Hauptmann... DON ALVARO Wer ruft mich? (Er erkennt Carlo.) Du, laß für deine treue Pflege dir danken! DON CARLO Seid Ihr nun genesen von eurer Wunde? DON ALVARO Ja. DON CARLO Kräftig? DON ALVARO Wie früher. DON CARLO Sogar für ein Duell? DON ALVARO Mit wem? DON CARLO Habt Ihr denn keine Feinde? DON ALVARO Wer hat die nicht... Doch was soll das? Ich kann nicht begreifen... DON CARLO Nicht? So habt Ihr nie gehört Von dem Indianer Alvaro? DON ALVARO Ich bin verraten! Du Schurke! Pflegst du so deine Schwüre zu halten? DON CARLO Nicht brach ich das Siegel, Dies Bild gab mir Kunde: Vor Euch steht Don Carlo di Vargas als Rächer! DON ALVARO Mit wütendem Drohen Kannst du mich nicht schrecken.. DON CARLO Nun zieht Euren Degen und stellt Euch zum Kampfe... DON ALVARO Ich fürchte den Tod nicht und weiß mich zu wehren, Doch nicht gegen dich, dem als Freund ich verbunden. DON CARLO O schweigt! Dieses Wort wird durch Euch nur entweiht. DON ALVARO Ein unselger Zufall entriß dir den Vater, Und sie, Leonora, blieb rein wie ein Engel! Nun schauen sie beide dort vom Himmel nieder! Sie mögen bezeugen, daß ich ganz frei von Schuld. DON CARLO Leonora wär tot? DON ALVARO In jener unseligen Nacht Ward im Kampfe ich tödlich verwundet, Ich suchte sie, ein Jahr lang verfolgt ich ihre Spur. Doch bald schien mir sicher: Leonora sei tot. DON CARLO Wie schändlich gelogen! Die Schwester fand Hilfe bei nahen Verwandten: Ich suchte vergehens... DON ALVARO Wo war sie? DON CARLO Entflohen . DON ALVARO (glückselig) Sie lebt! O Freund! DON CARLO Ja, sie lebt! DON ALVARO Wie freudig schlägt mir das Herz! Kannst du ermessen, was das bedeutet? Ach, fühlst du nicht die Seligkeit, Die mir die Nachricht bereitet? Carlo! Sie lebt! O Seligkeit! O Freude! DON CARLO Leonora lebt, doch bald trifft sie der Tod! Sie lebt, doch bald trifft sie der Tod! DON ALVARO Nein, wenn sie noch am Leben ist, Sollst unsern Bund du segnen! Eilen wir beide gemeinsam zu suchen, Wo Leonora weilt. Daß ich von edler Abkunft bin, Schwör ich mit heilgen Eiden. Leuchtend erstrahlt mein Adel! Glaub mir, er ist dem deinen gleich. DON CARLO Wahnsinn! Wahnsinn! Für alle Zeiten Wird des Vaters Gruft uns trennen! Glaubst du im Ernst, ich könnte Bruder nennen, der alles mir geraubt? Ob hohen oder niedern Stamms, Noch heute mußt du sterben, Dann stirbt auch Leonora, Weil sie ihr Blut verriet. DON ALVARO Was sagst du? DON CARLO Leonora stirbt. DON ALVARO O schweige! DON CARLO Ja, Leonora folgt dir zur Hölle! DON ALVARO Du stirbst als erster hier auf dieser Stelle! DON CARLO Rache! Und wehe Leonora, Gibt mein Degen dir den Tod! Denn soll er ihr Herz durchbohren, Noch von deinem Blute rot! DON ALVARO Rache! Glaube nur: Banditen schafft mein Degen harte Not! Deine Stunde hat geschlagen. Auf, bereite dich zum Tod! DON ALVARO, DON CARLO Auf! Zum Tod! (Sie ziehen die Degen und kämpfen wutentbrannt miteinander. Die Lagerwache eilt herbei, um sie zu trennen.) CHOR Halt! Auseinander! DON CARLO (wutentbrannt) Nein! 's geht um Leben und Sterben CHOR Macht diesem Kampf ein Ende! DON ALVARO (für sich) Herrgott! Erbarm dich meiner müden Seele! DON CARLO Ich schwur ihm Tod! CHOR (zu Don Carlo, der sich zu befreien sucht) Laß ihn! DON CARLO (zu Alvaro) Du Mörder meines edlen Vaters! DON ALVARO Was soll nun werden? Die Güte Gottes Erleuchte gnadenvoll meinen Geist... Im Kloster, in Einsamkeit, am heilgen Altare Wird Trost und Vergessen der Seele zuteil. (Er tritt ab. Alle verlassen nach und nach die Szene. Die Sonne geht auf. Der Weckruf, Trommeln und Trompeten erklingt. Die Szene belebt sich allmählich. Spanische und italienische Soldaten aller Waffengattungen kommen aus den Zelten, putzen Gewehre, reinigen Uniformen, usw. Marketenderinnen bieten Getränke, Früchte, Brot, usw. feil. In einer Bude, erhöht stehend, betätigt sich Preziosilla als Wahrsagerin. Äußerst lebhaftes Treiben.) CHOR Trommeln wirbeln, Pfeifen schallen Und die Donnerbüchsen knallen! Froh im Winde weht das Banner! Jauchzend, jubelnd folgt man ihm nach! Ein Soldat hat keine Sorgen, Fragt nach gestern nicht und morgen, Seine einzigen Gedanken Gelten nur dem heutgen Tag. PREZIOSILLA (zu den Frauen) Herbei, ihr hübschen Mädchen, Und zeigt mir eure Hände! Ich mach euch das Geheimnis Der Zukunft offenbar! (zu den Soldaten) Heran, ihr wackern Krieger, Ich will euch ehrlich sagen, Wem seine Liebste treu ist, Und wem sie untreu war. CHOR Geht doch zu der Prophetin! Sie will euch ehrlich sagen, Wem seine Liebste treu ist Und wem sie untreu war. Herbei, herbei, ihr Leute. SOLDATEN Gebt uns zu trinken, ihr Mädchen! (Marketenderinnen reichen ihnen Getränke) SOLDAT Auf unsere Gesundheit! ALLE (trinken) Prosit! (Die allgemeine Aufmerksamkeit richtet sich auf den Hausierer Trabuco, der aus seinem Laden links herauskommt, um den Hals einen Kasten mit Trödelkram tragend.) TRABUCO Wer möchte kaufen billige Waren, Scheren, Nadeln, duftende Seifen? Doch habt ihr Leute etwas zu bieten, Kauf ich selber zu gutem Preis. SOLDAT Hier ist ein Halsband; was gibst du mir? EIN ANDERER Ich hab 'ne Kette; schau her! Was zahlst du? EIN ANDERER Ohrringe hab ich; kaufst du sie ab? ALLE (zeigen ihm Uhren, Ringe usw.) Sag, was du zahlen willst... TRABUCO Was ich da sehe, Ist lauter wertloser Plunder. ALLE Wertloser Plunder ist deine Visage! TRABUCO Nicht gleich so aufgeregt! Ich nehm's ja schon... Für jedes Stück zahl ich dreißig Soldi. ALLE Du bist ein Gauner! TRABUCO Nur nicht so hitzig! Man darf doch handeln! Ich zahl was drauf, und dann sind wir einig. Gebt mir die Sächelchen. ALLE Erst die Moneten! Laßt einmal sehen, ob sie auch echt sind!... TRABUCO Erst eure Ware... dann die Bezahlung. ALLE (geben ihm die Sachen) Da nimm. TRABUCO (nimmt die Sachen an sich und zahlt) Gib her! Nur weiter, nur weiter! ALLE (treiben ihn weg) Nimm! Pack dich! TRABUCO (für sich, ins Fäustchen lachend) So haut man Dumme übers Ohr! (laut) Wer möchte kaufen billige Waren. (Er geht nach der anderen Seite des Lagers. Die Vorigen, dazu bettelnde Bauern mir Kindern an der Hand.) BAUERN Ach, erbarmt euch unsrer Not, Geht uns doch ein Stückchen Brot! Unser Haus der Krieg zerstörte, Unser Feld der Feind verheerte! (Die Vorigen und einige frisch eingezogene jammernde Rekruten.) REKRUTEN Von unsern Müttern, die weinen und klagen, Riß uns ein grausames, hartes Geschick! Kaum kann die Liebste die Trennung ertragen. Schickt uns doch wieder nach Hause zurück! MARKETENDERINNEN (fröhlich umringen sie die Rekruten und schenken ihnen Wein ein.) Nur nicht weinen, arme Knaben, Statt der Mütter und der Bräute Findet ihr hier brave Schwestern, Die euch trösten Tag und Nacht! Wir sind auch nicht zu verachten! Darum trocknet eure Tränen. Warum sich nach andern sehnen, Wenn auch hier die Liebe lacht?! PREZIOSILLA (tritt unter die Rekruten und nimmt einige am Arm und sagt im Spaß:) Es ist wahrlich eine Schande! Diese Buben, sie benehmen sich wie Narren! Sehn die Mädchen eure Tränen, Lachen sie euch alle aus. Laßt von mir euch prophezeien: schaut euch um in diesem Kreise, Und ihr findet mehr als eine, Die euch süßen Trost gewährt. Auf, nun, fasset Mut! ALLE Wir sind wirklich liebe Schwestern! Warum sehnt ihr euch nach andern, Wenn euch hier die Liebe lacht? Die Buben sollen leben! (Die Marketenderinnen nehmen die Rekruten ungeniert am Arm, und es beginnt ein lebhafter allgemeinerTanz. Melitone tritt auf; der in den Tanzwirbel mitgerissen und im ersten Augenblick gezwungen wird, mit den Marketenderinnen zu tanzen. Es gelingt ihm endlich, sich zu befreien, und er ruft im Predigtton:) MELITONE Ho, ho! Heißa juchhei! Hier geht's ja hoch her! Ist denn so etwas möglich? 's ist nicht zu glauben! Eure armen Seelen mit frommem Trost zu ölen, Dazu kam ich her! Was seh ich? Ist dies ein Lager von Christen? Seid ihr denn Türken? Sah man wohl jemals weit und breit, daß man Den heilgen Sonntag so entweiht? Mächtiger ziehen Die Bouteillen euch an, als die Bataillen! Statt Buße zu tun in Sack und Asche, Leert ihr weidlich dem Wandrer Pack und Tasche! Und lieber als Messen und Litaneien Sind eure Karessen und Liebeleien! Statt durch Gebet euch zu stählen im Glauben, Denkt ihr an Sengen. an Stehlen und Rauben! Und jedes Bistum verwandelt eure Wut in eitel Wüsttum. Nicht sicher ist der Kelch im Tabernakel! Alles geht durcheinander! Und woher kommt's? Pro peccata vestra, von euren vielen Sünden. SOLDATEN Halt deinen Schnabel! MELITONE Ihr verhöhnt die heilgen Feste Durch Raufen und durch Saufen! ITALIENISCHE SOLDATEN Verdammte Kutte! SPANISCHE SOLDATEN Mach nur weiter, Pfaffe! MELITONE Ich kenn euch längst! Ihr alle seid ja Ketzer: Einer wie der andere! Alle schwimmt ihr in Lastern und in Sünden. Doch Geduld! Seinen Lohn wird jeder finden! Euch ist gesichert lange schon die Stelle In dem ewigen Flammenpfuhl der Hölle! ITALIENISCHE SOLDATEN (umzingeln ihn) Laufe! Laufe! SPANISCHE SOLDATEN (verteidigen ihn) Nein, zum Himmel! ITALIENISCHE SOLDATEN Geh zum Teufel! (Sie trachten danach ihn zu schlagen, aber er entkommt ihnen, immer weiter predigend.) PREZIOSILLA (zu den Soldaten, die ihm nachlaufen) Ach, laßt den Schwätzer laufen! Mit Pfaffen sich zu raufen! Welche Torheit! Ihr hört nicht! So muß der Trommel Klang ihn retten. (Sie ergreift die erstbeste Trommel und trommelt. Die Soldaten laufen eiligst herbei, dazu der ganze Troß.) PREZIOSILLA und CHOR Rataplan, rataplan, rataplan, heil dem Sieger. Dem Soldaten weist die Trommel zur Ehre di Bahn! Rataplan, rataplan, rataplan, heil dem Sieger. Jedem Sieger gehen wirbelnd, die Trommeln voran! Rataplan, auf zum Kampfe! Rataplan, trommeln schützen in jeder Gefahr! Rataplan, und zu Boden sinkt Die Fahne der feindlichen Schar! Rataplan, pfui dem Feigling, der im Kampfe Zur Flucht sich hat gewandt! Rataplan, doch wer wacker sich geschlagen, Wird nach Jahren noch von Enkeln genannt. Rataplan, rataplan, heil dem Sieger, Der im Kampfe den Lorbeer gewann! Rataplan, rataplan, nach dem Siege Grüßt die Trommel den tapfersten Mann. Rataplan, rataplan! (Alle eilen fort.) Umgebung von Hornachuelos Erste Szene Im Kloster „Madonna degli Angeli". Ein baufälliger Säulengang umgibt einen kleinen Hof mit Orangen, Oleander und Jasmin. Links das Tor zur Landstraße; rechts eine Tür mit der Aufschrift: Clausura. (Pater Guardiano geht, versunken in seinem Brevier lesend, auf und ab. Von links tritt eine Schar Bettler aller Altersstufen auf, primitive Näpfe, Teller und Schüsseln in den Händen.) CHOR DER BETTLER Habt doch Barmherzigkeit... Laßt nicht so lang uns stehen, Wir müssen wieder gehn. Barmherzigkeit! (Fra Melitone kommt von rechts, eine große weiße Schürze vorm Bauch, und schleppt mit Hilfe eines Laienbruders einen großen Kessel herbei. Der Laienbruder geht wieder ab.) MELITONE He! Seid ihr in der Schenke? Ruhe! (teilt die Suppe aus.) BETTLER (drängelnd und stoßend) Hier, mir zuerst. MELITONE Ruhe! Ruhe! Ruhe! Ruhe! DIEALTEN MÄNNER Das nenne ich Portionen. So viel bekam ich nie! Seht nur, die kriegt gleich dreimal... EINE BETTLERIN (zu Melitone) Ich will vier . . BETTLER Sie will vier! DIE BETTLERIN Ja! Ich habe doch sechs Kinder... MELITONE Warum hast du denn sechs? DIE BETTLERIN Mir schenkte sie der Himmel. MELITONE Ach was, der Himmel... Das wär anders, Wenn man sich mehr kasteite, mit einer scharfen Geißel den Rücken sich zerbläute. Und zu der Jungfrau Ehre des Abends Fleißig sänge ein keusches Miserere... GUARDIANO Sei still... MELITONE Ist mit der Armut die Fruchtbarkeit gepaart? Fast könnte es so scheinen! GUARDIANO Behandle sie als Christ. DIE ALTEN MÄNNER Ist wohl von dieser Brühe noch etwas für uns übrig? MELITONE Die gute Gabe Gottes Bezeichnet ihr als Brühe? BETTLER (ihre Teller hinhaltend) Gib her, Pater, gib her, usw. MELITONE Gesindel, geht zum Henker Und laßt das laute Schreien, Sonst soll euch hier mein Löffel Den Buckel benedeien! usw. GUARDIANO Hab Geduld! BETTLERINNEN Barmherziger und milder war Pater Raffael! MELITONE Ja, ja, doch nach acht Tagen Entsagte er auf immer Den Armen und der Suppe, Und blieb auf seinem Zimmer; Er lud auf meinen Rücken Die Plackerei und Mühe, Und ich hab alle Tage Den Ärger mit der Brühe! GUARDIANO Es ist die erste Christenpflicht, Den Bittenden zu Geben. MELITONE Diesen Leuten, die das Betteln Zum Daseinszweck erheben? Gebt acht auf unsern Glockenturm, Die stehlen wie die Raben. Und nennen dann noch „Brühe", Ja „Brühe" Gottes Gaben... Gesindel! Und nennen dann, usw. BETTLERINNEN Oh, der Pater Raffaele! usw. MÄNNER Er war ein Heiliger, ein Engel! usw. MELITONE Hört doch nur auf zu schreien! BETTLER Ein Heiliger! Ein Heiliger! Ja, ja, ja, ja, ein Heiliger! usw. MELITONE (stößt mit einem Fußtritt den Kessel um) Hört zu: Den Rest da schenk ich euch, Doch haltet euren Schnabel! usw. Fort, und verlaßt den Klosterhof, Sonst könnt ihr was erleben! Verlaßt den Klosterhof, usw. Zu eurem Ahnherrn Lazarus Könnt ihr in Frieden gehn. Marsch fort, Gesindel, und läßt euch nie mehr sehn! Schert euch fort! Jetzt hab ich es endlich satt! Zu eurem Ahnherrn Lazarus, usw. BETTLER Oh, der Pater Raffaele! Er war ein Engel! Er war ein Heiliger! usw. MELITONE Zu eurem Ahnherrn Lazarus, usw. BETTLER Der Pater Raffaele! Er war ein Engel! Ein Heiliger! usw. MELITONE Fort, und verlaßt den Klosterhof!. ...Ihr Gesindel! Marsch, hinaus! usw. (Wütend treibt der Mönch alle aus dem Klosterhof, dann holt er ein Taschentuch aus seinem Ärmel, trocknet sich damit die Stirn. Am Tor wird heftig geläutet.) GUARDIANO Wer mag das sein? Geh öffnen... (Er tritt ab. Fra Melitone öffnet die Türe. Don Carlo, in einen großen Mantel gehüllt, tritt ohne Zögern ein.) DON CARLO (herablassend) Seid Ihr der Pförtner? MELITONE (für sich) Was soll die dumme Frage! (laut) Ihr seht ja: ich öffne... DON CARLO Lebt hier ein Pater Raffael? MELITONE (für sich) Was will er? (laut) Wir haben zweie! Einer ein Weinfaß, mächtig, schwerhörig wie ein Maulwurf, der andere hager, dunkel, mit Augen... (für sich) Was für Augen! (laut) Welchen meint Ihr? DON CARLO Den aus der Hölle. MELITONE (für sich) Das ist er... Das ist er... (laut) Wen soll ich melden? DON CARLO Einen Kavalier... MELITONE (für sich) Ein Prahlhans! Wie der sich aufbläst! (Fra Melitone tritt ab.) DON CARLO Umsonst, Alvaro, suchtest du hier im Kloster, Im Gewande des Mönches Schutz vor dem Rächer Deiner Tat. Den Weg zu diesem Kloster hat mir mein Haß gezeigt und der heiße Durst nach Rache, und Keinen gibt's auf der Welt, der uns noch trennte! Dein Blut, allein dein Blut kann die Schande tilgen, Die meine Ehre befleckte. Ja, fließen soll dein Blut! Ich schwör's beim Himmel! (Don Alvaro, in eine Mönchskutte gehüllt, tritt ein.) DON ALVARO Mein Bruder... DON CARLO So erkennst du mich? DON ALVARO Don Carlo! Du! Du lebst noch! DON CARLO Dich such ich seit fünf Jahren, Und endlich, endlich hab ich dich gefunden... Mit deinem Blute büßt du mir Die Schande meines Hauses! Es steht im Buch des Schicksals: Du stirbst durch meine Hand! Wenn aus dem Krieger ein Mönch nun ward, Der Waffen nicht mehr trägt: Heut mußt du doch den Degen ziehn! Wähle: einer ist für dich! DON ALVARO Ich war ein Weltkind, ich weiß es... Jetzt aber zeigt mein Büßerkleid, Daß ich mein ganzes Leben Fortan der Reu geweiht. Drum zwing mich nicht, ich kämpfe nicht. DON CARLO O glaub nur nicht, ich ließe mich erweichen! Du Feigling, komm und kämpf mit mir! DON ALVARO (wutentbrannt) Ein Feigling! Ich ein Feigling! Nein! Nein! (versucht sich zu beherrschen) Steh du mir bei, mein Heiland! (zu Don Carlo) All dein Drohen und dein Schmähen Mag im Windeshauch verwehen, Sei mein Bruder und verzeih! Verzeihe mir, verzeih! Kannst du kränken einen Menschen, Der vom Schicksal so geschlagen? Laß gemeinsam uns es tragen, [Vergib, was einst geschah! DON CARLO Du wagst, Bruder mich zu nennen. Du entehrtest meine Schwester, Die du schnöde dann verlassen Und gestürzt in tiefes Leid! DON ALVARO Unbefleckt blieb ihre Ehre! Schenke Glauben dem Schwur des Priesters! Wie ich sie auf Erden liebte, Lieben Wesen reiner Sphären, Und mir ahnt, daß Leonora Mich mit gleicher Reinheit liebt. DON CARLO Dieses mönchische Gewinsel Kann die Wut in mir nicht töten. Nimm die Waffe, du Verräter, Und stell dich endlich mir zum Kampf! DON ALVARO Rührt dich nicht mein heißes Flehen, Spricht mein Jammern nicht zu dir, Sieh, was nie ein Mensch gesehn: Auf den Knien lieg ich hier. (Er kniet vor Don Carlo.) DON CARLO Ha! Den Makel deiner Herkunft Zeigst du klar mit solcher Haltung! DON ALVARO (zornig aufspringend) Ohne Makel ist mein Adel! DON CARLO Ja, vielleicht bei den Mulatten! DON ALVARO (seiner selbst nicht mächtig) Diesen Schimpf sollst du mir büßen! Gib mir den Degen! (Er greift nach einem Degen.) Zum Kampfe! DON CARLO Also endlich! DON ALVARO (ruhiger) Nein... Nein... Die Hölle soll nicht siegen... Geh, verlaß mich... (Er wirft den Degen fort.) DON CARLO Hältst du mich für einen Narren? DON ALVARO Geh! DON CARLO Willst du Feigling es nicht wagen, Dich im Kampf mit mir zu schlagen, Nun, so fühle deine Schande... (Er schlägt ihm ins Gesicht.) DON ALVARO (voller Wut) Ha, der Degen soll entscheiden! Rache! (Er rafft den Degen auf) DON CARLO Rache! Dein harrt der Tod! DON CARLO und DON ALVARO Ach! Rache! Dein harrt der Tod! (Beide stürmen hinaus.) Zweite Szene Vor Leonoras Klause Tal zwischen unersteigbaren Felsen, von einem Gießbach durchflossen. Links im Hintergrund führt eine Tür zu einer Behausung. Die Sonne geht unter. Langsam bricht die Dunkelheit herein, der Mond geht in vollem Glanze auf. (Leonora, bleich, entstellt, kommt in tiefinnerer Erregung aus ihrer Behausung.) LEONORA Frieden, mein Heiland, Schenke mir Frieden! Ach, diesem Jammer erliegt mein armes Herz! Seit wieviel Jahren Quält sich meine Seele In Leid und bittrem Schmerz. Ich liebte ihn! War er doch schön und edel, Wie keiner auf der Welt! Ich lieb ihn noch: aus dem gequälten Herzen Wird nie sein Bild entfliehn! O welch ein Los! Ich denke sein bei Tag und Nacht... Wenn hienieden auch Schwere Schuld uns trennt. Alvaro, ich lieb dich, Doch steht im Buch des Schicksals, Daß ich dich nie mehr seh. Mein Herrgott! Laß mich sterben; Denn die Ruhe gibt einzig mir der Tod. Erlöse mich aus dieser Not Und ende dieses Daseins Qual. (Sie geht zu einem Felsen, auf der die Nahrung liegt, die Pater Guardiano für sie hinterlassen hat.) Nahrung, du scheinst mir nur gesendet, Mein Elend zu verlängern! Das sind Menschen! Wer wagt, die heilge Klause zu entweihen? Wer es auch sein mag, er soll verdammt sein! (Sie kehrt in die Behausung zurück, die sie hinter sich verschließt.) DON CARLO (hinter der Szene) Ich sterbe... Ich will beichten...Helft meiner Seele... DON ALVARO (tritt mit gezücktem Degen ein) Nun floß erneut das Blut eines Vargas... DON CARLO Ich will beichten... DON ALVARO (den Degen fortwerfend) Nein, ich bin nicht würdig, Doch ich ruf den Eremiten... (Er läuft zu der Klause und klopft an die Tür.) Gebt einem Sterbenden den letzten Trost. LEONORA (von drinnen) Ich darf nicht! DON ALVARO Mein Bruder! Im Namen unsres Herrn! LEONORA Ich darf nicht! DON ALVARO (stärker klopfend) Die Zeit drängt... LEONORA (die Glocke läutend) Zu Hilfe! Zu Hilfe! DON ALVARO Ihr müßt helfen! (Leonora erscheint in der Tür.) LEONORA Ihr Verwegnen. entflieht dem Zorne des Himmels! DON ALVARO Ist es möglich? Die Stimme! Nein, nein... Es ist Täuschung... LEONORA (Alvaro erkennend) Alvaro! DON ALVARO Du! Leonora... LEONORA Bist du's Alvaro? Endlich seh ich dich wieder... DON ALVARO Fliehe vor mir, denn meine Hände triefen vom Blute... Sieh dorthin... LEONORA Ich versteh nicht... DON ALVARO (zeigt zum Wald hin) Dort liegt ein Mann, der stirbt... LEONORA Bist du sein Mörder? DON ALVARO Alles versuchte ich, den Kampf zu meiden, Ich lebte nur der Buße. Er kam ins Kloster, reizte mich, so kam es... LEONORA Wer war es? DON ALVARO 's war dein Bruder! LEONORA Mein Bruder! (Sie eilt in den Wald.) DON ALVARO Grausames Schicksal, kannst du so meiner spotten?! Noch lebt Leonora, aber ich fand sie wieder an diesem Tag, da ich vergossen hab das Blut des Bruders. LEONORA (hinter der Szene) Ah! DON ALVARO Wer schreit da? Leonora!? (Leonora, gestützt von Pater Guardiano, tritt verwundet auf) Bist du verwundet? LEONORA (sterbend) Sogar im Sterben konnt er nicht verzeihen. Er rächte meine Schuld mit meinem Blute. DON ALVARO Ist die Rache des Himmels denn noch nicht vollendet!? Ich fluch dem Himmel! GUARDIANO (ernst) Bruder, in Demut beuge dich vor deinem Gott, Der gerecht und heilig, Der uns führt zu ewgen Freuden Über die Pfade des Leidens... Zähme dein Wüten und lästre Gott nicht mehr, Flehe zum Herrn um Gnade. Sieh! Schon schwebt dieser reine Engel Zum Throne unsres Herrn... Beuge dich! LEONORA Büße und bete! Am Thron des Herrn fleh ich um Gnade. DON ALVARO Verdammt bin ich, verworfen auf ewig! Uns trennt ein Strom von Blut für alle Zeit... LEONORA Büße und bete! GUARDIANO Wirf dich auf die Knie! LEONORA Am Thron des Herrn fleh ich um Gnade. Bete! DON ALVARO Aus deinen Worten spricht unser Herrgot selbst zu mir... (Er stürzt vor ihr auf die Knie.) GUARDIANO Wirf dich auf die Knie! DON ALVARO Leonora, ja, mir hat Gott vergeben, Der Himmel hat vergeben die Schuld! LEONORA und GUARDIANO Himmel! Gelobt seist du, o Herr! LEONORA (zu Alvaro) Freudig geh ich voran zu Gott In seinen ewgen Frieden... Da enden Streit und Rache, Nur noch die Liebe bleibt. DON ALVARO Du läßt mich hier allein zurück Und fliehst in bessre Welten! Weh mir! Und ich allein bin an all dem Elend schuld! Ach Geliebte, hab mit mir Erbarmen! GUARDIANO Heilig durch ihre Leiden Schwebt sie zu Gottes Thron empor... An ihrem Tod Zeigt sich die Gnade unsres Herrn! LEONORA Ich seh dich wieder, Alvaro... DON ALVARO Ach. verlaß nicht nicht, Leonora, ach, nein... GUARDIANO An ihrem Tod, usw. LEONORA Alvaro, ich werde... Ah! (Sie stirbt.) DON ALVARO Sie stirbt. GUARDIANO Sie ging zu Gott! |