Cho-Cho-San, genannt „Butterfly“ (Sopran) Suzuki, Butterflys Dienerin (Mezzosopran) Kate Pinkerton (Sopran) Benjamin Franklin Pinkerton, der amerikanische Marineleutnant (Tenor) Sharpless, der amerikanische Konsul (Bariton) Goro (Tenor) Yamadori, der Fürst (Tenor) Onkel Bonze (Bass) Die Mutter Butterflys (Sopran) Ein Hügel bei Nagasaki (Japanisches Haus, Terrasse und Garten, im Hintergrunde, tief unten, sieht man die Stadt mit dem Hafen. Goro zeigt dem überraschten Pinkerton das Haus.) PINKERTON Diese Wände und Decken... GORO Könnt Ihr alle verschieben, Und immer nach Belieben In demselben Gemache 'nen wechselnden Anblick Euch verschaffen. PINKERTON Und unser Brautgemach Wo ist's? GORO Ihr habt die Auswahl... PINKERTON Auch diese Wand verschiebbar! Die Stube? GORO (auf die Terrasse weisend) Bitte! PINKERTON Hier im Freien...? GORO Doch könnt Ihr schließen... PINKERTON Versteh' schon! Auch die hier... die schiebt man... GORO Ein und aus! PINKERTON Au! Der Witz ist nicht übel. GORO Türme sind selbst so fest nicht; Solid vom Grund zum Giebel! PINKERTON Das ist ein schönes Kartenhaus! GORO (klatscht dreimal in die Hände. Zwei Männer und ein Weib eilen herbei und knien langsam und demütig vor Pinkerton nieder) Dies hier ist Eure Zofe; Sie fand als Kammerkätzchen Bei der Braut schon ihr Plätzchen -Der Diener... - und Hier... der Koch. Sie sind verwirrt von der großen Ehre. PINKERTON Die Namen? GORO „Miss Zarter Wolkenschleier", „Strahl der Morgensonne", „Duftend Gewürze" SUZUKI Ach, Euer Gnaden lächelt? Weil Glück Euch hold umfächelt! Okunama, der Weise, Sagt: „Lächeln zerreiße Kummers Gewebe... Breche der Perlen Schale, Öffne dem die Tore zum Paradiese, Den immer es umschwebe, Den plätschernd es umfließe..." Okunama, der Weise, Sagt: „Lächeln zerreiße Kummers Gewebe." (Pinkerton blickt gelangweilt umher. Goro bemerkt es, und klatscht in die Hände- die drei Bediensteten eilen ins Haus zurück.) PINKERTON Im Schwatzen sind sie gleich, Die Weiber aller Zonen. Was guckst du? GORO Ob die Braut noch nicht zu sehn ist. PINKERTON Alles fertig? GORO Und zur Stelle! PINKERTON Welch prächtiger Geselle! GORO Alles kommt! Unser Standesamtsverweser, Die Verwandten, und Euer Konsul, Und's Fräulein Braut. Hier auf Bergeshöhe Schließt Ihr dann Eure Ehe. PINKERTON Sind es viele Verwandte... ? GORO Die Großmama, die Schwiegermutter, Der Oheim, ein Bonze (der sich sicher Hier nicht sehn läßt). Dann die Vettern und Kusinen... Im ganzen wohl zwei Dutzend Verwandte... aller Grade. Aber die Zahl wird wachsen... Und dafür sorgt in Treu Ihr, mein Herr, und die schöne Butterfly. PINKERTON Welch trefflicher Geselle! STIMME DES SHARPLESS Ich schwitze und klettere! Schnaufe und wettere! GORO Das ist der Konsul! SHARPLESS (tritt schnaufend auf) Ouh! Dies Steingeröll... Bin ganz beklommen! PINKERTON Seid mir willkommen! GORO Seid uns willkommen! SHARPLESS Ouff! PINKERTON Vorwärts, Goro Bring uns Erfrischung! SHARPLESS Hoch ist's PINKERTON Und herrlich! SHARPLESS Nagasaki, das Meer, der Hafen... PINKERTON Und hier ein Häusel Mit viel Bambusgesäusel. SHARPLESS Eures? PINKERTON Ja, es ist mein für ganze Neunhundertneunundneunzig Jahre; Wobei das Recht ich mir wahre, Jeden Monat zu künd'gen. Hier ist alles elastisch, Sowohl der Kaufvertrag, Als auch die Häuser... SHARPLESS Man findet oft hier seinen Nutzen. PINKERTON Freilich. (Goro kommt eilig aus dem Hause und mit ihm zwei Diener, die Gläser, Flaschen, Teller, Bestecke und zwei Rohrsessel bringen. Sie decken einen kleinen Tisch für zwei Personen und eilen dann ins Haus zurück.) Im weiten Weltall Fühlt sich der Yankee heimisch, Lebt er doch überall Kühn seinem Handel. An manch Gestade Führt ihn seiner Schiffe Wandel... (unterbricht sich, um Sharpless ein Getränk anzubieten.) Milk-Punch oder Whisky? An manch Gestade Führt ihn seiner Schiffe Wandel, Bis eines schönen Tags das wilde Meer Ihn samt dem Schiff verschlinget. Das Leben zu genießen, Irrt er lüstern umher, Wo Schätze sich erschließen... SHARPLESS O, die leichtgeschürzte Weisheit... PINKERTON Und wo die Liebe ihm winkt. SHARPLESS So leichtgeschürzte Weisheit Macht's Leben uns wohl heiter, Doch läßt sie's Herze kalt. PINKERTON Beugt's ihn auch nieder, Rafft er empor sich wieder, Fügt nach dem Sinne Die halbe Welt sich. Nun verheirat' ich mich auf japanisch, Für neunhundert Und neunundneunzig Jahre; Freilich darf ich kündigen Jeden Monat. SHARPLESS O leichtgeschürzte Weisheit! PINKERTON „America for ever!" SHARPLESS „America for ever!" Ist's ein liebliches Mädchen? GORO (Der das gehört hat, zeigt sich auf der Terrasse.) 's ist wie ein Sträußel von frischen Blumen, Wie ein Sternlein mit gold'nen Strahlen. Und so billig: Nur hundert Yen! Will Eu'r Gnaden mich beehren? Ich habe noch reiche Auswahl. PINKERTON Geh und führe die Braut her! SHARPLESS Wie nach ihr Euch verlanget! Ihr seid wohl schon Ganz Feuer und Flamme? PINKERTON Mag sein! Mag sein! Hab' niemals was Holderes gesehen! Ob's echte Liebe, möcht' ich mich fragen; Eins kann ich sagen: Mich hat die Kleine Im Netze gefangen. Leicht wie ein Gläsel von jung-mildem Weine; Edel und zierlich, schlank und manierlich, Ganz so japanisch - Nippesfigürlich! Tief hinter Fächern Und Matten verstecket, Wartet sie drauf, Daß ein Aug' sie entdecket; Huscht wie ein Schmetterling Flugs in die Weite, Setzt sich dann wieder Und lacht von der Seite. Solch kleinen Falter ich erjagen wollte, Ob's auch die Flügel ihm zerschlagen sollte! SHARPLESS Ach, heute sind's drei Tage: Da kam sie ins Konsulat. Ich sah sie nicht, Doch hört' ich reden sie, Und beim Klang ihrer Stimme Ward mir, ich weiß nicht, wie! Wer so innig und warm davon spricht, Dess' Lieb' ist echt... Die kleinen zarten Flüglein, Die dürft Ihr nimmer zerschlagen, Dürft nimmer brechen ein gläubig Herzelein! Ich hörte ihre Stimme, die klang so süß, Klang ach! so innig. Ewig nie tön' sie in Schmerzenslauten! PINKERTON Trefflicher Konsul, glaubet mir, Ihr nehmt es viel zu schwer; Ihr habt der Jugend leichten Sinn nicht mehr. Weg mit der Trübsal! Man ist nur einmal, einmal im Leben Jung und liebesfroh! Whisky? SHARPLESS Noch ein Gläschen nehm' ich. Sei's Eurer fernen Familie zum Heile! PINKERTON Und trinken wir auf meinen Bund, Den künft'gen Eh'bund Mit einer echten Amerikanerin... GORO (kommt atemlos den Hügel herauf.) Seht Ihr! Da sind sie, Sie kommen immer näher. Hört Ihr das lust'ge Plaudern? Wie der Wind in Blättern rauschet, Klingt's, wenn man lauschet. BUTTERFLYS FREUNDINNEN Ah! Ah! Oh! Weiter Himmel! Endlos Meer! BUTTERFLY Bald sind wir auf der Höhe. FREUNDINNEN Wie langsam du bist. BUTTERFLY Wartet! FREUNDINNEN Sieh doch, Sieh den Blumenflor! BUTTERFLY Über das Meer und alle Lande Weht es wie ein Hauch von holdem Frühling. SHARPLESS O, glücklich Reden junger Menschen. BUTTERFLY War je ein anderes Mädchen In Japan und der weiten Welt so fröhlich? O Liebe, dir nun folg' ich, deinem zärtlichen Ruf. Ich nah' mich deiner Schwelle, o Liebe, Im Saale deiner Freuden Selig zu ruhn Ihr Guten! Ich folg' dem Ruf der Liebe, Und nah bin ich ihr. FREUNDINNEN Weiter Himmel! Endlos Meer! Welche Pracht! Leb' ewig in Freuden, o Gespielin. Doch eh' dein Fuß berührt die Schwelle, Die dein harret, wende dich um Und sieh den weiten Himmel, Sieh das endlos weite Meer, Das dich rings umgibt! BUTTERFLY Da sind wir. (Sie sieht die Gruppe der drei Männer und erkennt Pinkerton Sie schließt sofort den Sonnenschirm und zeigt Pinkerton ihren Freundinnen.) B. F. Pinkerton! Heil! FREUNDINNEN Heil! BUTTERFLY Große Ehre! FREUNDINNEN Seid gegrüßet! PINKERTON Recht beschwerlich War der Aufstieg? BUTTERFLY Hab' als Braut von guten Sitten Eh'r an Ungeduld gelitten. PINKERTON Ei, das Kompliment ist selten. BUTTERFLY Noch viel schön're wüßt' ich Euch. PINKERTON Schön wie Perlen! BUTTERFLY Macht's Euch Freude, sie zu hören? PINKERTON Danke, nein! SHARPLESS Miss Butterfly - wie reizend! Welch passender Name! Seid Ihr von Nagasaki? BUTTERFLY Ja, mein Herr! Und aus einst wohlgestellter Familie. (zu den Freundinnen) So ist's? FREUNDINNEN So ist's! BUTTERFLY Ich weiß ja wohl, daß niemand Will arm geboren sein; Jeder Vagabunde Möcht' gerne uns erzählen Von edler Herkunft. Ach, glaubt im Ernste nur: Wir waren reich! Doch der Wettersturm zerbricht Auch die allerstärksten Stämme. Da sangen wir als Geisha Ums täglich Leben. (zu den Freundinnen) War's so? FREUNDINNEN So war's! BUTTERFLY Sollt' ich's verschweigen? Sollt' mich schämen? Ihr lächelt? Warum? So ist das Leben. PINKERTON Wie sie redet und zierlich tut, Ist nun gar zum Entzücken! SHARPLESS Und Ihr habt noch Geschwister? BUTTERFLY Nein, Ihr Herren, nur die Mutter. GORO Eine adlige Dame. BUTTERFLY Daß sie nun auch verarmte, Hinderte nicht ihr Name. SHARPLESS Und Euer Vater? BUTTERFLY (hält betroffen inne, dann antwortet sie kurz) Tot! SHARPLESS Und wie alt seid ihr? BUTTERFLY Ihr sollt drauf raten. SHARPLESS Zehn Jahr BUTTERFLY Was höher SHARPLESS Zwanzig BUTTERFLY Was tiefer... Fünfzehn genau vollendet; Bin doch wahrlich schon alt! SHARPLESS Fünfzehn Jahre alt! PINKERTON Fünfzehn Jahre alt! SHARPLESS Die Zeit der Spiele PINKERTON Und Karamellen. GORO Der Regierungskommissarius, Der Herr Standesamtsverweser, Die Verwandten... PINKERTON Goro eilt Euch. (Goro eilt ins Haus. Pinkerton spricht mit dem Konsul.) Welche Posse! Die Parade dieser neuen Anverwandten! BASE und VERWANDTE Er ist wirklich nicht schön. Er ist nicht schön. BUTTERFLY Er ist so schön Wie man im Traume nur wünschen sich mag! MUTTER und FREUNDE Er scheint mir wie ein König. Mit großem Vermögen sicherlich. BASE (zu Butterfly) Goro bot mir ihn auch schon an, Doch sagt' ich Nein! BUTTERFLY Ach, tu' dich nicht! VERWANDTE (zur Base) Ihre Schönheit ist im Erblassen schon. Die Scheidung folgt bald. BASE und VERWANDTE Ich hoffe es ONKEL YAKUSIDE Gibt's hier Wein? Laßt uns umsehen. Ich sah schon was, Halb braun wie Tee, halb Karmesin. GORO Zum Himmel, sprecht leiser! Sch! Sch! Sch! SHARPLESS Im Glück seid ihr, O Pinkerton! Euch reift zur vollen Rose Die kaum erblühte Knospe! PINKERTON Ja, es stimmt, sie ist eine Blume. Ihr exotischer Duft Hat mir das Hirn vernebelt. BASE und VERWANDTE Er bot ihn mir auch schon an, Doch ich sagte, „Ich will nicht" MUTTER und FREUNDE Er sieht gut aus und scheint mir Wie ein König! Jch hätt' nicht nein gesagt! SHARPLESS Sah ich doch wahrlich niemals Ein schöner Mädchen. Spiel nicht mit dem Vertrag Und ihrem Vertrauen... BASE und VERWANDTE Ohne viel zu spähen Find' ich bessere. Ich will's ihm auf den Kopf zusagen! MUTTER und FREUNDE Ich stimm nicht zu. Er ist ein großer Herr. Ich hätt' nicht nein gesagt! BUTTERFLY Höret! Achtet auf mich! PINKERTON Ja, es stimmt, sie ist eine Blume. Und ich habe sie gepflückt! SHARPLESS ... Habet acht' Sie glaubt daran! BUTTERFLY Mutter, komm her! Achtet auf mich, Und tuet mir nach: Eins, zwei, drei... All' auf die Knie! (Alle verbeugen sich vor Pinkerton und Sharpless. Pinkerton ergreift Butterflys Hand.) PINKERTON Meine Geliebte... Gefällt dir unser Häuschen? BUTTERFLY O Herr B. F. Pinkerton, Verzeihung. Ach, ich möchte... ein paar zierliche Sachen. PINKERTON Und wo sind sie? BUTTERFLY Sie sind hier, Euch mißfällt das? (Holt Gegenstände aus dem Ärmel hervor.) PINKERTON 's ist mir neu, Meine holde Butterfly! BUTTERFLY Seid'ne Tüchlein. Die Pfeife. Weiter: Ein Gürtel und eine kleine Brosche. Dann ein Spiegel und ein Fächer. PINKERTON Und die Büchse da? BUTTERFLY Dann ist was zum Färben. PINKERTON Oho! BUTTERFLY Mißfällt's Euch? (Sie wirft die Büchse fort.) Fort! PINKERTON Und dies da? BUTTERFLY Das ist etwas Heil'ges. PINKERTON Und kann man das nicht sehen? BUTTERFLY Zuviele Leute. Ihr verzeiht wohl?! GORO (flüstert Pinkerton ins Ohr) Ein Geschenk vom Mikado An ihr'n Vater... mit der Weisung. (Er ahmt die Bewegung des Bauchaufschlitzens nach) PINKERTON Und ihr Vater? GORO Folgte der Weisung. BUTTERFLY (holt aus den Ärmeln einige Statuetten hervor) Die Ottoke'n PINKERTON Die Figürchen - Und die bedeuten? BUTTERFLY Die Seelen meiner Ahnen. PINKERTON Ah! All meine Achtung! BUTTERFLY Hört nur: Ganz im Geheimen Ging ich gestern ins Haus der Missionen. Nun mein Leben ein neues, Darf auch ein neuer Glauben in mir wohnen. Onkel Priester weiß nichts, Noch die Meinen ahnen's. Ich folg' des Schicksals Reigen Und werde demutsvoll Vorm Gotte des Herrn Pinkerton Mich neigen. So will's mein Schicksal! In derselben Kapelle Knie' ich nieder mit Euch, Um dem gleichen Gott zu dienen. Und ist's Euch zu Gefallen, Könnt' ich fast meine Leute ganz vergessen. Mir sei's verziehn! GORO Alles stille! KOMMISSÄR Wir gestatten dem hier zugeg'nen Benjamin Franklin Pinkerton, Offizier auf dem Kanonenboote Lincoln, Marine der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Und dem zugeg'nen Fräulein Butterfly Aus dem Viertel Omara-Nagasaki, Die Ehe einzugehn. Dem Erstgenannten Auf den eignen Willen hin, Und ihr auf Grund Des Konsenses der Verwandten, Die alle hier zugegen. GORO (sehr förmlich) Der Eh'mann. Nun die Eh'frau. Und alles fertig. FREUNDINNEN O Madam' Butterfly! BUTTERFLY Jetzt Madam' B. F. Pinkerton KOMMISSÄR Die besten Wünsche! PINKERTON Ich danke recht ergebenst. KOMMISSÄR Geht Ihr hinunter, Konsul? SHARPLESS Ich begleit' Euch. (zu Pinkerton) Wir zwei sehn uns morgen. PINKERTON Das will ich meinen. STANDESBEAMTER Nachkommenschaft! PINKERTON Versuchen wir's. SHARPLESS (bedeutungsvoll zu Pinkerton) Doch Vorsicht' (Sharpless, der Standesbeamte und der Kommissär gehen ab.) PINKERTON (beiseite) Und nun erledigen wir die Familie! Ihr sollt sehn, daß ich nicht knause; Doch geht recht bald nach Hause! (Erhebt sein Glas.) Hip! Hip! VERWANDTE O Kame! O Kame! PINKERTON Aufs Wohl meiner allerliebsten Dame! (Plötzlich erscheint eine furchterregende Person. Es ist der Bonze, der wütend vortritt, seine Hände drohend nach Butterfly ausstreckend.) DER ONKEL BONZE Cho-cho-san! Du bist mir Abscheu! BUTTERFLY und DIE VERWANDTEN 's ist der Oheim! GORO Was will denn der hier oben?! Ist doch wahrlich der Ort nicht hier Zum Schreien und Toben! BONZE Cho-cho-san! Weshalb warst du Im Missionshaus? ALLE Gib Antwort, Cho-cho-san! PINKERTON Ei, was gibt's da zu brüllen? BONZE Gib Antwort auf die Frage! Himmel! Ist dein Auge trocken? Konnt' so dein Herz verstocken? Sie hat uns all' verleugnet. ALLE Hou! Cho-cho-san! BONZE Ja, ich sag' euch, verleugnet Den alten Glauben! ALLE Hou! Cho-cho-san! BONZE Kami sarundasico! Daß deine faule Seele Ew'ge Folterpein quäle! PINKERTON Euch sag' ich: Nun ist's Maß voll! BONZE Von hinnen alle - Kommt mit mir! Du hast uns verleugnet... Nun sei verstoßen! PINKERTON Macht euch schleunig von dannen! In meinem Hause duld' ich kein Lärmen Und keine Bonzerei! ALLE (im Abgehen) Hou! Cho-cho-san! Kami sarundasico! Hou! Cho-cho-san! Nun sei verstoßen! PINKERTON Mägdlein, ach Mägdlein, weine nicht, Weil die Affen dort brüllen. VERWANDTE (von fern) Hou! Cho-cho-san! BUTTERFLY Hört, wie sie schrein! PINKERTON All das betörte Volk, Und alle Bonzen hier im Land Sind wahrlich nicht wert, Daß deine schönen Augen weinen. BUTTERFLY Im Ernst? Ich weine nicht mehr; Und fast ist mir nicht leid, Daß ich verstoßen... Weil so liebreiche Worte Mir nun widerklingen tief in der Brust. (Sie neigt sich, um Pinkerton die Hand zu küssen) PINKERTON Ei was! Die Hand? BUTTERFLY Man sagt mir, daß da drüben, Bei wohlerzog'nen Leuten, Dies will bedeuten: Herzliche Verehrung. SUZUKI (von innen) Izagi, Izanami sarundasico, Kami, Izagi Izanami sarundasico, Kami. PINKERTON Wer murmelt da im Haus? BUTTERFLY Die Suzuki Sie flüstert ihr Gebet für die Nacht. PINKERTON Ja, es ward Abend... BUTTERFLY Und schattig und stille. PINKERTON Und du allein hier... BUTTERFLY Allein und gar verstoßen! Ausgestoßen... Und so selig! PINKERTON (klatscht dreimal in die Hände. Die Diener eilen hinaus.) Wohlan, nun schließet. BUTTERFLY Ja, wir sind ganz allein hier; Allein und weltverloren. PINKERTON Kein Schrei gellt mehr den Ohren. BUTTERFLY Suzuki, mein Gewand! (Suzuki sucht in einer Truhe nach und reicht dann Butterfly das Nachtgewand.) SUZUKI Gute Nacht! BUTTERFLY Die prunkende Schleife Laß endlich mich lösen; Weiß wie die Lilie Erscheine die Braut... ! Er lächelt und flüstert Und spähet verstohlen... Wo könnt' ich mich bergen?! Ich brenne vor Scham! Ich hör' die böse Stimme, Die mich verfluchte. Butterfly ausgestoßen! Ja, ausgestoßen... Und doch so glücklich! PINKERTON Behende wie ein Eichhörnchen Löset sie die Knoten! Wer dächte, daß dies Püppchen Meine Gattin sei! Welch ein holdselig Wesen! Heiß wie Glut Fühl' ich Verlangen nach ihr Mich ganz verzehren. (Er steht auf, nähert sich Butterfly und reicht ihr die Hand.) Mädchen, in deinen Augen liegt ein Zauber, Dem bin ich ganz verfallen. Wie leuchtet auf schnee'gem Gewande Der dunkle Schmuck deines Haares! Du gleichst einer Göttin! BUTTERFLY Als Göttin des Mondes erschein' ich; Als Göttin des Mondes, Die leis' in der Nacht Auf der Brücke des Himmels herabsteigt. PINKERTON Sie bezaubert die Herzen... BUTTERFLY Und ergreift sie, Hüllt sie sorgend ins weiße Gewand, Und führt sie in die Ferne, in Himmelsgefilde. PINKERTON Willst du nun endlich mir sagen, Ob auch recht von Herzen mich lieb hast? Wohl kennt jene Göttin das Wörtlein, Danach sich der Liebende sehnt? BUTTERFLY Sie weiß es, Doch mag sie's nicht sagen, Weil an ihm zu sterben sie wähnt. PINKERTON Törichter Wahn ist's, Daß Liebe uns töte... Liebe ist Leben, macht uns Jubeln vor ungemess'ner Wonne; Sowie nun jubelt deines Auges Fremdschöne Sonne. BUTTERFLY Ja, nun seid Ihr für mich der Himmel! Seid mein Licht und Leben! Oh! Ihr gefielet mir schon, Als ich eben Euch nur erschauet. Ihr seid groß und kräftig! Ihr lacht so offen und von Herzen; Von Euren Worten, da fliehn alle Schmerzen. Wie bin ich glücklich! Wollt Ihr mich nun lieben, ein ganz klein wenig lieben, Dann gibt sich so ein Mägdlein, Wie ich bin, schon zufrieden; Ein wenig nur lieben! Wir sind an alles Kleine von jeher gewöhnet. Stille und voller Demut, Lieben leises Kosen Von mächtigen Gewalten, Wie das linde Gewell' auf dem Meere. PINKERTON Laß mir die kleine Hand, Die ich begehre... O Butterfly! Das ist der rechte Name. Schmetterling, du holder! BUTTERFLY Wer in Euren Landen 'nen Schmetterling erjagt, Sticht eine Nadel Durch sein zierliches Leibchen, Ihn auf ein Brett festzunageln! PINKERTON 's ist schon was Wahres dran, Und weißt du auch warum? Damit er nimmer flieh'! Du bist gefangen... Ich fühle dich erbeben... Sei mein denn! BUTTERFLY Ja, und fürs Leben! PINKERTON Komm, Geliebte, auf, befreie die Seele Von Zweifeln und von Kummer. Sieh, die Nacht leuchtet helle! Rings liegt alles im Schlummer! Ja, befrei dein zagend Herz, um Wonne nur zu fühlen, Komm, Geliebte! Sei die Meine! BUTTERFLY Ah! Welch ein Himmel voller Sterne! wie ich heut' ihn lieben lerne! Leuchtet! Glitzert! Glüht und funkelt! Aller Erden Glanz verdunkelt. .. ! Oh! Die tausend hellen Äuglein! Allenthalben schaun sie her Auf die Lande, übers Meer. Die tausend hellen Äuglein schau'n herunter... O selig holde Nacht! Sieh der Himmel lacht, Und uns're Liebe leb'! Inneres von Butterflys Häuschen (Suzuki kauert vor dem Bildnisse Buddhas und betet; von Zeit zu Zeit läutet sie an der Gebetsglocke. Butterfly steht steif und regungslos vor einem Wandschirm.) SUZUKI Izaghi, Izanami,, Sarundasico und Kami... Oh, woran denk' ich! Und du, Ten-Sjoo-day! Gebet, daß Butterfly sich wieder freu'! O hört mein Flehn! BUTTERFLY Faul und gefühllos sind die Götter in Japan. Der Gott der Amerikaner, Deß bin ich sicher, Hört sofort auf die Stimme, Die ihn anfleht. Doch glaub' ich wohl, er weiß nicht, Daß wir Armen hier wohnen. Suzuki, Wie fern ist noch das Elend? (Suzuki öffnet einen kleinen Tisch und nimmt ein paar Münzen heraus, die sie Butterfly zeigt.) SUZUKI Hier ist all' unsre Habe. BUTTERFLY Das hier?- Oh! Zuviel Kosten! SUZUKI Kehrt er nicht wieder, und eilig, So kann es schlimm für uns werden. BUTTERFLY Er kommt. SUZUKI Wer es wußt'! BUTTERFLY Warum verfügt'er, daß der Konsul Unsrer Wohnung Zins bezahle... ? Gib Antwort mir! Warum hat er so sorglich das Haus versehn Mit Schlössern und mit Riegeln, Wenn er nie wieder zu uns kehren wollt'? SUZUKI Ach, wer weiß. BUTTERFLY Weißt du's nicht? Soll ich dir's sagen? Daß von gift'gen Mücken Und Verwandten und Plagen Nie was hereinkomm' Ins Haus hier, wo so sorglich Sein treues Weib er heget, Mich, sein Weib und seine Liebe, Butterfly! SUZUKI Nie, daß ich wüßte, Frommt's japanischen Frauen, Dem fremden Mann zu trauen. BUTTERFLY Ah! Schweige! Ich erwürg' dich! Als ich am letzten Morgen „Kehrt ihr wieder, o Herr" Ihn fragend bat, Da gab er schweren Herzens, Doch, sein Leid zu verbergen, Leise lächelnd zur Antwort: „O Butterfly, mein süßes, kleines Weibchen, Wenn die Rosen erblühn, Dann kehr' ich zu dir wieder, Und wenn Jung-Rotkehlchen Leis' im Neste zwitschern..." Oh! Er kommt! SUZUKI Ich hoff's. BUTTERFLY Sag' es mir nach: Ja, er kommt! SUZUKI Ja, er kommt. BUTTERFLY Weh mir! Du weinst! Ach, dir fehlt der Glaube! Höre! Eines Tages Sehn wir ein Streifchen Rauch Im Osten überm Meer In die Lüfte steigen: Sein Schiff wird sich dann zeigen. Und das weiße Kriegsschiff, Schnell naht sich's dem Hafen, Donnert den Salutschuß, Bringt mein Glück mir wieder! Ich gehe nicht hinunter, o nein! Ich lagre mich am Rande des Hügels Und warte, warte geduldig, Und währt es lange, Macht mich's nicht bange, Und kommt er dann gemach in unsre Nähe, Wird sichtbar wie ein Punkt er, Steigt langsam auf die Höhe... Ob er's ist? Ob er's ist? Und wenn er dann gekommen... Was er sagt? Was er sagt? Ja, dann ruft er, „Butterfly! von weitem; Mag wohl zuerst sich sorgen, Denn ich halt' mich verborgen; Nicht nur zum Scherze: Damit ich nicht vergeh' Am Wiedersehen! Und suchend schaut er hier und dort umher, Bis er jauchzt: „Mein treues, kleines Weibchen, Süßduftende Verbene!" Ach, all der Namen Schatz Aus holden Zeiten! Ich gelobe dir heilig, Daß dies eintrifft... Halte für dich die Zweifel, Ich will mit Zuversicht Ihn erwarten. (Butterfly entläßt Suzuki, die durch den linken Ausgang abgeht. - Im Garten sieht man Goro und Sharpless.) GORO Kommt, da ist sie SHARPLESS Bin so frei Madam' Butterfly! BUTTERFLY Madam' Pinkerton - Bitte. (Sie wendet sich.) Ei was, mein Herr Konsul ist's, Mein Herr Konsul! SHARPLESS Ihr kennt mich wieder? BUTTERFLY Willkommen! Ihr seid hier in Landsmanns Hause! SHARPLESS Danke. BUTTERFLY Nun denn... Eure Ahnen alle munter? Ich hoffe. BUTTERFLY Ihr rauchet? (gibt Suzuki ein Zeichen, die Pfeife zurechtzumachen.) SHARPLESS Danke. Ich möcht'... BUTTERFLY Herr Konsul, Wie blau ist doch der Himmel! SHARPLESS Danke. Ich... BUTTERFLY Ach, Ihr wünscht lieber amerikan'sche Zigaretten? SHARPLESS Dank. Ich wollt' Euch zeigen... BUTTERFLY (reicht Sharpless ein brennendes Streichholz) Für Euch. SHARPLESS Es schrieb mir Benjamin Franklin Pinkerton. BUTTERFLY Wahrhaftig! Und wie geht's ihm? SHARPLESS Vortrefflich. BUTTERFLY Ich bin das fröhlichste Weibchen in ganz Japan. Darf' ne Frag' ich an Euch stellen? SHARPLESS Freilich. BUTTERFLY Wißt Ihr wohl, wann ihr Nest bau'n in Amerika... Die Rotkehlchen? SHARPLESS Ei, was meint Ihr? BUTTERFLY Ja... bau'n sie später hier? SHARPLESS Doch warum? BUTTERFLY Mein Gemahl hat mir versprochen, Daß er zurückkehrt in dem holden Monat, Wo leis' im Neste Jung-Rotkehlchen zwitschern. Hier kam schon dreimal aufs neu die Brut. Doch mag es sein, daß überm Meere Andre Gewohnheit waltet... Wer lacht da? Oh, der Nakodo... Ein schlimmer Bursche! GORO Freut mich. BUTTERFLY Stille. (zu Sharpless) Er hat gewagt... Nein, gebt mir erst Antwort auf meine Frage... SHARPLESS Ich bedaure... ich weiß nicht... Niemals studiert' ich Ornithologie. BUTTERFLY Orni... SHARPLESS ... thologie BUTTERFLY Ei, kurz und gut Ihr wißt's nicht. SHARPLESS Nein. Nun denn also... BUTTERFLY Ach, ja... Goro, Sobald nur B. F. Pinkerton in See war, Ließ keine Stunde Ruh' mir, Mit Reden und Geschenken Bald für diesen, bald für jenen Mich zu werben. Nun verspricht er Kleinodien Im Namen eines Gecken... GORO ... des reichen Yamadori! Sie ist arm und kann's brauchen; Von den Verwandten Will niemand sie mehr sehen. (Hinter der Terrasse sieht man Yamadori in einer Sänfte kommen. von Dienern umgeben.) BUTTERFLY Aufgepaßt! Da kommt er! Yamadori, so brennt Der Liebe süße Pein Euch noch im Busen? Geht's an Leben Euch und Ehre, Wenn den Kuß ich noch verwehre? YAMADORI Nichts im Leben ist so lästig Wie dies Schmachten ohne Zweck. BUTTERFLY Nun, Ihr fandet doch gewißlich Schon zu vielen Frau'n den Weg. YAMADORI Hab' sie allesamt geeh'licht, Und durch Scheidung ward ich frei. BUTTERFLY Sehr verbunden... YAMADORI Doch würd' ich Euch Ew'ge Treu geloben. SHARPLESS Oh, ich fürcht', in meiner Sache Richt' ich heute nicht viel aus. GORO Villen, Diener, Schätze - in Omara, Ein wahrhaft fürstlich Haus! BUTTERFLY Hab' den Gatten schon gefunden. GORO und YAMADORI (zu Sharpless) O sie hält sich für gebunden. BUTTERFLY Nein, ich halt' mich nicht, ich bin es! GORO Das Gesetz doch... BUTTERFLY Kenn' ich nicht. GORO „Wird die Ehefrau verlassen, Achte man's der Scheidung gleich." BUTTERFLY Gesetz bei euch Japanern, Doch nicht in meinem Lande. GORO Wo denn? BUTTERFLY In Nordamerika. SHARPLESS Oh, armes Wesen! BUTTERFLY Wenn hier die Tür man aufreißt Und die Frau ohne weiteres hinausweist, Redet man groß von Scheidung. Dort in Amerika Geht so etwas nicht. (zu Sharpless) Nicht wahr? SHARPLESS Wahr ist's... Jedoch... BUTTERFLY Da ist ein Richter, Der ruft sich den Eh'mann, Fragt ihn dann strenge: „Ihr wollt die Gattin fliehn? Sagt uns, warum?" „Ich bin sie müde, Hört meine Bitte!" Drauf sagt der Richter: „Flugs in den Kasten - drei Tage fasten!" Suzuki, Tee! YAMADORI Ihr hörtet! SHARPLESS Die Verblendung erfüllt Mit Kummer meinen Sinn. GORO Pinkertons Schiff Ist schon im Hafen gemeldet. YAMADORI Sieht sie ihn dann erst wieder! SHARPLESS Er will sich hier nicht zeigen. Ich komm' ja gerade, Sie vom Wahn zu befreien... BUTTERFLY Euer Gnaden gestatten... Was für lästige Menschen! YAMADORI Lebt wohl! Ich laß Euch nun Mit schwerem Herzen. Ich hoffe noch... BUTTERFLY Oh, bitte... YAMADORI Wenn ihr nur wolltet... BUTTERFLY (Yamadori geht, Goro folgt ihm.) Nur schade, daß ich nicht will! SHARPLESS Hört mich an Und setzt Euch her: Wollt Ihr in Ruhe lesen Hier den Brief mit mir? BUTTERFLY Gebt ihn. (Sie nimmt den Brief, küßt ihn und hält ihn an ihr Herz.) Erst ihn küssen, ihn herzen... O wie schön, daß Ihr heute gekommen! Und nun beginnet. SHARPLESS „Mein Lieber, geh Und sprich mit dem herzigen Mädchen." BUTTERFLY Steht das wirklich so da? SHARPLESS Ja, so steht da; Doch wenn bei jedem Satze... BUTTERFLY O, ich schweige... Kein Wort mehr! SHARPLESS „Ach, die Zeit ist schon ferne, Drei Jahre sind vergangen." BUTTERFLY Wie genau er's behalten! SHARPLESS „Vielleicht denkt Butterfly Kaum mehr an mich zurück!" BUTTERFLY Denk' nicht an ihn mehr?! Suzuki, hör' doch, hör! „Denkt kaum an mich zurück!" SHARPLESS Was hilft es! „Doch wenn sie mich noch liebt, Mich erwartet... " BUTTERFLY O die herzlieben Worte! Du sei gesegnet! SHARPLESS „So bitte ich Euch dringend, ihr mögt die Gute zeitig Und behutsam vorbereiten... " BUTTERFLY So kommt er! SHARPLESS „Auf alles... " BUTTERFLY Wann denn? Morgen! Morgen! SHARPLESS (fürsich) Vortrefflich. Jetzt durchhau' ich den Knoten... Nun sagt mir, (zu Butterfly) Madam' Butterfly, Was Ihr wohl begännt, Wenn er den Weg zur Rückkehr Nie mehr fänd'? BUTTERFLY Zwei Dinge könnt' ich tun: Die guten Leut Erfreun mit Sang und Tanz... Oder auch - besser - sterben. SHARPLESS Meinem Herzen tut es wehe, Euch vom Wahne zu befrein... Hört mich an: Was auch geschehe, Nehmt den reichen Yamadori. BUTTERFLY Ihr! Ihr, mein Herr, Ihr sagt mir dieses! Ihr? SHARPLESS Großer Gott, was soll ich tun? BUTTERFLY Schnell, Suzuki, hurtig, hurtig, Der Herr Konsul geht hinaus... SHARPLESS Ich verstehe... BUTTERFLY O ich bitt' Euch, Alle Müh' wär' doch vergebens. SHARPLESS Ich war grausam, Kann's nicht leugnen... BUTTERFLY Oh, Ihr tatet mir so wehe, Tief im Herzen, ach so wehe! Laßt nur, danke! War dem Tode schon nah', doch geht's vorüber, Wie die Wolk' überm Meer sich verzieht. Ha! Er vergaß mich? (In das innere Zimmer gehend, kommt sie dann mit einem Kind auf dem Arm zurück.) Und das? Und das? Kann er das auch jemals vergessen? SHARPLESS 's ist sein Kind? BUTTERFLY Sah man denn jemals Bei Kindern hier in Japan blaue Äuglein? Und die Lippe! Und seines Haares gold'ne Löckchen? SHARPLESS Ohne Zweifel... Und Pinkerton weiß nichts? BUTTERFLY Nein. Nein. Es kam erst, Als er schon drüben In seinem großen Land war, Doch Ihr nun müßt ihm schreiben: Es erwartet ein süßer, Kleiner Sohn Euch! O, dann sollt Ihr mal sehn Wie er hierher eilt, Durch die Lande, über Meere! Weißt du, was der Herr da Zu denken sich nicht scheute? Deine Mutter soll dich im Arme tragen Und so bei Regen und Sturm Die ganze Stadt durchziehn, Für dich um täglich Brot Und Kleid zu bitten; Soll vor den mitleidvollen Leuten Schön tanzen, wie vor Jahren einst! Wär's möglich? Mit Dolchen im Herzen Und mit Tränen im Auge könnt' ich armes Weib Durch die Straßen ziehn in lachendem Gewerbe? Wär' es wohl denkbar, daß Butterfly Am Ende wieder Geisha werd', Und im Takt der Gitarren Wollüstig wieg' ihren Leib vor aller Welt? Das frohe Lied, das dabei zu erklingen hätte. Traurig würd's enden! O nein! Das soll nicht sein, Nicht dies Gewerbe Nach so großem Glücke! Sterben! Doch Geisha nie! Viel lieber ging ich zehnmal in den Tod. Ah! Sterben! SHARPLESS (fürsich) Wie mich's ergreift! (zu Butterfly) Ich muß Euch lassen... Könnt Ihr verzeihen? BUTTERFLY Auch du, gib ihm dein Händchen! SHARPLESS Die schönen, blonden Haare! Sag' mir, wie du denn heißest? BUTTERFLY So sage: Heute noch heiß' ich Kummer. Doch sagt meinem Vater im Briefe, Daß ich bei seiner Rückkehr Jubel heiße, Jubel! So heiß' ich dann. SHARPLESS Dein Vater soll's erfahren, ich gelob dir's. (Er eilt hinaus.) SUZUKI (von draußen, schreiend) Wespe! Giftgeschwoll'ne Kröte! (Sie kommt herein, Goro gewaltsam mit sich ziehend.) BUTTERFLY Was ist? SUZUKI Der böse Vampyr Flattert um uns, Der alle Tage in alle Winde hinaus schreit, Daß niemand weiß, Wer unsers Knaben Vater! GORO Ich meinte bloß, Daß dort in Amerika, Wenn ohne Segen Ein Kind zur Welt gekommen, Es stets und allerwegen gemieden und verachtet! BUTTERFLY Ha! Du lügest, Scheusal! Sag's noch einmal, so stirbst du! SUZUKI Nein! BUTTERFLY O pfui! Wart ab, herziges Lieb, Mein Weh und ach! mein Balsam... Herzliebes Kind, Du sollst sehen, dein Rächer kommt hierher. Und führt uns hinweg In sein Heimatland. Hinweg ins ferne Land. (Kanonenschuß.) SUZUKI Die Kanone im Hafen! Das ist sicher ein Kriegsschiff... BUTTERFLY Ein weißes... ein weißes... Und das Sternenbanner wehet von den Masten. Sieh, es drehet und gehet vor Anker. (Sie holt ein Fernglas vom Tisch.) Stütze meine Hand, Damit ich den Namen lese, Den Namen, den Namen... Siehst du wohl: Abraham Lincoln! Ihr habt gelogen, alle, alle! Die Liebe trügt nicht! Freut dich nun noch Dein läppischer Zweifel? Da ist er! Da ist er gekommen, Grad' an dem Tage, Wo man mir sagte: Weine, verzweifle! O herrlicher Sieg meiner Lieb', meiner Treu, O Sieg der Liebe: Er ist gekommen! Schüttle alle Zweige dieses Kirschbaums, Ich will Blüten um mich. All dieser Blüten duftender Regen Kühle die Stirn mir. SUZUKI Herrin, beruhigt Euch, ihr weint ja! BUTTERFLY Nein. Sieh nur, ich lache! Müssen wir noch lang seiner harren? Was meinst du - ,ne Stunde? SUZUKI Wohl mehr. BUTTERFLY Vielleicht zwei Stunden. Alles, alles sei voll von Blumen, Sowie die Nacht Von lichten Sternen. Geh doch, geh! SUZUKI Alle Blumen? BUTTERFLY Was da blühet - alles, alles: Pfirsich, Veilchen, Rosmarin, Alles, was blüht An Strauch und Bäumen rings umher. SUZUKI Winterlich kahl und trübe Wird es ausschau'n allhier. BUTTERFLY Ja, denn der ganze Frühling, hold Blüh' und dufte er hier! SUZUKI Winterlich kahl und trübe Wird es ausschau'n allhier. So nehmet, Herrin. BUTTERFLY Pflücke nur weiter. SUZUKI Wie oft sah'n Euch die Blumen In Meeresferne spähn, Tränen im Auge, Weil nie sein Schiff sich zeigen wollt! BUTTERFLY Nun ist er gekommen, Nichts von der See mehr wünsch' ich. Tränen gab ich dem Boden, Gebe er Blumen mir. SUZUKI Das ist alles. BUTTERFLY Das ist alles? Komm' und hilf mir. SUZUKI Rosen an der Türschwelle. BUTTERFLY Ja, denn den ganzen Frühling über Hold blüh' und dufte es hier! BUTTERFLY und SUZUKI Sehen wir rings um uns April. SUZUKI Lilien?! Veilchen?! BUTTERFLY Streu sie allenthalben. Hier sein Sessel Sei mit Kränzen rings umwunden. BUTTERFLY und SUZUKI Mit vollen Händen streu'n wir Veilchen und Tuberosen, Geranien und Verbenen, Alles, was wonnig blüht! BUTTERFLY Nun schmücke mir das Haar. Nein! Erst bringe das Kind her. Wär' ich wie damals! Allzuviel Seufzer entsandte die Brust; Mein Auge blickte wohl Allzu starr in die Ferne! Röt' mir die Wangen Ein wenig mit dem Pinsel... Und auch hier unserm Kleinen Soll nicht sein Antlitz Vom langen Wachen Allzu blaß erscheinen. SUZUKI Nun haltet stille, Sonst kann ich das Haar Euch nicht kämmen. BUTTERFLY Was sie nun sagen, Die Herrn Verwandten... Sah'n sie doch alle Froh meinen Schaden! Und Yamadori hat mich verloren! Blamiert sind sie alle, blamieret, Die mich so drangsalieret! SUZUKI Bin fertig. BUTTERFLY Das Gewand, das ich als Braut trug. O, welch Erinnern! Wenn er mich so, wie damals, wiedersieht. Eine rote Mohnblum' ins Haar. Wonne wird's ihm sein, so recht. In den Sho'si mach ich drei kleine Löcher, Um durchzuspähn! Wir warten stille, wie drei kleine Mäuschen, Bis wir ihn sehn. (Butterfly führt das Kind bis zum Shosi, in den sie drei Löcher macht - eines oben für sich, ein anderes weiter unten für Suzuki und ein drittes ganz unten für das Kind, welches aufmerksam hinausblickt. Butterfly stellt sich vor das oberste Loch und blickt regungslos, starr wie eine Bildsäule, hindurch. Es ist Nacht, der Mond scheint durch den Shosi. In der Ferne hört man Stimmen.) Summ-Chor (Morgendämmerung. Butterfly, noch immer regungslos, blickt hinaus; das Kind schläft auf seinem Kissen, auch Suzuki schläft, in sich zusammengekauert. Stimmen von Matrosen ertönen von dem Hafen unten.) STIMMEN VON MATROSEN (von fern) Oh eh! Oh eh! Oh eh! SUZUKI Schon Morgen! Cho-cho-san. BUTTERFLY Er kommt - du wirst es sehn! SUZUKI So gehet nun hinauf und gönnt Euch Ruhe. Sobald er kommt, weck' ich Euch auf. BUTTERFLY Schlummre, mein Liebling, Sanft an meinem Herz. Du bist beim Herrgott, Und ich bei meinem Schmerz. Bist hell umstrahlt Von lautrem Gold, Liebling mein, schlummre! SUZUKI Ach, arme Butterfly! BUTTERFLY Schlummre, mein Liebling, Sanft an meinem Herz. Du bist beim Herrgott, Und ich bei meinem Schmerz. SUZUKI Ach, arme Butterfly! Wer's sein mag? Oh! (Pinkerton und Sharpless kommen herauf.) PINKERTON Stille! Stille! Weck' sie nicht auf! SUZUKI Sie war wirklich todmüde! Sie wartete auf Euch Die ganze Nacht hindurch, mit dem Kinde. PINKERTON Doch wie erfuhr sie... ? SUZUKI Es läuft wohl seit drei Jahren Kein Schiff in den Hafen ein, Das Butterfly von weitem nicht Auf Flagge und Herkunft prüfte. SHARPLESS (zu Pinkerton) Ich sagt' es Euch! SUZUKI Ich ruf' sie. PINKERTON Nein - noch nicht! SUZUKI Seht das Zimmer - Sie wollt' gestern abend Alles voll von Blumen. SHARPLESS Hatt' ich recht? PINKERTON O Pein! SUZUKI Wer ist da draußen im Garten? Eine Dame! PINKERTON Stille! SUZUKI Wer ist's? Wer ist's? SHARPLESS Laßt sie alles erfahren. SUZUKI Wer ist's? Wer ist's? PINKERTON Sie begleitet mich... SUZUKI Wer ist's? Wer ist's? SHARPLESS Seine Gattin! SUZUKI Heilige Seele der Ahnen! Für die Kleine Verlosch der Tag! SHARPLESS Wir wählten ja die frühe Stunde, Allein mit dir zu reden, Suzuki, Und eine Stütze An dir zu gewinnen, In all dem Leid! SUZUKI Was hülf' ich? Was hülf' ich? SHARPLESS Ich weiß, für solch ein Leid Fehlt der Trost, fehlt die Lind'rung. Doch des Knäbleins Zukunft Müssen wir zu sichern streben! PINKERTON Oh! Der bittre Duft Dieser toten Blumen Ziehet giftig mir ins Herz. Rings umher ist noch alles wie Dazumal. SHARPLESS Dies nicht waget, Hereinzutreten, Nimmt sich des Kindes Voll Liebe an. SUZUKI Oh, ich Arme! Ihr verlanget, Ich soll an eine Mutter... Das Ansinnen stellen... SHARPLESS Wohlan denn, rede mit jener Guten Und geleite sie her! Wenn auch Butterfly sie säh!, Was verschlüg' es? Besser wär' es wohl gar, wenn ihr Anblick schon Die Wahrheit ihr offenbarte... Komm, Suzuki, hör! PINKERTON Doch weht ein Schauer hindurch. Mein altes Bildnis!... Drei Jahre sind vergangen, Und von drei langen Jahren Zählt sie alle Tage Und jede Stunde! Ich kann hier nicht verweilen; Sharpless Ihr kommt wohl nach. SHARPLESS Sagt ich's nicht voraus? PINKERTON Bietet ihr was als hilfreiche Gabe; Wie quält mich die Reue! SHARPLESS Ich sagt' es Euch schon damals, Als sie die Hand Euch reichte: Gebt acht, sie glaubt Euch im Ernste, Und wahr hab' ich gesagt. Taub für jede Warnung, Harrte sie ihres Eh'gemahls; Liebend verschloß ihr Herze Der Wahrheit sich. PINKERTON Oh, wie ich mein Vergehen Nun voll und ganz erkenne, So fühl' ich auch schon Die Qualen der Reue Ewig lasten auf mir! Oh! SHARPLESS So gehet denn! Die bitt're Wahrheit Wird bald ihr offenbart. PINKERTON Leb' wohl, mein Blütenreich! Teure Stätte, lebe wohl! Ewig wird mir im Herzen leuchten, Niemals verblassen ihr Bild. SHARPLESS Aber nunmehr ahnt schon Dieses reine Herz... Ich sagt' es, usw. PINKERTON Mich faßt der Reue Qual, Nennt mich feig - ich flieh' von hier! Du ewig teure Stätte, leb' wohl! SHARPLESS Die bitt're Wahrheit wird ihr offenbart. (Pinkerton eilt hinaus. Kate und Suzuki kommen vom Garten herein.) KATE Willst du's ihr sagen? SUZUKI Ich versprech's Euch. KATE Und willst du sie bewegen, Mir zu vertrauen? SUZUKI Ich versprech's Euch. KATE Und ihr Kind sei das meine! SUZUKI Ich glaub' Euch, doch richtet's ein, Daß ich ihr allein zur Seite... In der schlimmen Stunde! Ich nur! Sie wird weinen und jammern! BUTTERFLY Suzuki! Suzuki! Sag, wo bist du! Suzuki! Suzuki! Sag, wo bist du! SUZUKI Bin hier - Am Beten, bin hier und mache Ordnung... nein- hört doch - hört, ach, bleibet... BUTTERFLY Er ist hier, er ist hier... Ist er verborgen? Doch wo? Doch wo? Der Herr Konsul... Und wo denn? Wo nur? Er ist nicht da! Eine Dame? Was will denn die hier? Niemand redet! Weshalb dies Weinen? Nein, ich will keine Antwort... Stille! Es könnt' mich zu Tode treffen im Augenblick. Du, Suzuki, du treue und gute - Ach, weine nicht - Die du so an mir hängst: Sag ja, oder nein, sag's leise: Lebt er? SUZUKI Ja. BUTTERFLY Doch er kommt Nicht mehr? Du wirst wissen! Wespe! Antwort' mir auf der Stelle! SUZUKI Nie wieder! BUTTERFLY Er ist doch angekommen? SUZUKI Ja. BUTTERFLY Oh! Diese Dame! Warum kommt sie zu mir? Was sie wohl wünschet? SHARPLESS Sie ist die schuldlose Ursach' All Eures Leides... Ihr verstehet wohl... BUTTERFLY Ha! 's ist sein Weib! Alles endet nun! Für mich gibt es nichts mehr! Oh! SHARPLESS Faßt Mut! BUTTERFLY Nun kommt man und verlangt Von mir mein Kind! SHARPLESS Bringet Ihr doch für sein Wohl dies schwere Opfer! BUTTERFLY Ach, arme Mutter, arme Mutter! Verzichten . . .aufs eigene Kind! Er ist der Herr! Und ich muß mich fügen. KATE Ach, könnt Ihr mir vergeben, Butterfly? BUTTERFLY Unter dem Bogen des Himmels Kann an Glück sich kein Weib Euch vergleichen. Seid immer glücklich; Tragt keine Sorge um mich! KATE Ach, die arme Kleine! SHARPLESS Es greift mir ans Herz! KATE Ob's Kind sie uns wohl läßt? BUTTERFLY Ihm selber kann ich es geben, Wenn er's zu holen kommet. Ich erwart' Euch In einer halben Stunde. SUZUKI Wie dem gefang'nen Vöglein die Flügel, Also schlägt das kleine Herz! BUTTERFLY Viel zu hell ist es hier, Zu hell und zu viel Frühling... Schließ doch. Das Kind, wo mag's sein? SUZUKI Beim Spiele. Ich bring's Euch. BUTTERFLY Laß es nur beim Spiel, Geh, leist' ihm Gesellschaft. SUZUKI Ich bleib' bei Euch. BUTTERFLY Geh, geh! Muß ich befehlen? (Suzuki verläßt weinend den Raum. Butterfly zündet vor dem Reliquienschrein ein Licht an und kniet nieder Dann nimmt sie den Dolch und küßt ihn. Sie liest die Worte, die in die Klinge geritzt sind.) „Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr Leben kann in Ehren." (Sie setzt das Messer von der Seite an die Gurgel, da öffnet sich die linke Tür und man sieht den Arm Suzukis, der das Kind zu seiner Mutter hin ins Zimmer schiebt. - Butterfly läßt das Messer fallen, stürzt ihrem Kinde entgegen und umarmt und küßt es fast zum Ersticken.) Du? Du? Du kleiner Herrgott! Du Herrgott meines Lebens, Schön wie Lilien und Rosen! Sollst es nie erfahren: Für dich, Für deine reinen Augen Stirbt Butterfly, Daß übers Meer du kannst Ins andre Land ziehn, Ohne daß dich bekümmert, Wie ich dich einst verlassen. Der mir vom goldnen Throne Des Himmels hergesendet, Blicke mir fest ins Antlitz, Ach, ins Antlitz deiner Mutter, Daß noch eine Spur dir bleibe... Sieh mich an! Leb' wohl, mein Herze! Leb' wohl, Mein einziges Lieb! Geh, spielen...spielen... (Sie nimmt das Kind, setzt es auf eine Matte, verbindet ihm leicht die Augen. In die Hände gibt sie ihm ein amerikanisches Fähnchen. Dann geht sie hinter die spanische Wand. Man hört das Messer fallen. Butterfly stürzt zu Boden. Halb streckt ihr Körper sich vor die spanische Wand. Sie schleppt sich bis zu dem Kind, umarmt es. Dann fällt sie neben es. In diesem Augenblick ist von draußen die Stimme Pinkertons zu hören.) STIMME PINKERTONS Butterfly! Butterfly! Butterfly! (Auf den Ruf wankt Butterfly hinter dem Wandschirm hervor und versucht, sich zur rechten Tür hinzuschleppen, wie um sie zu öffnen. Sie schleppt sich wirklich noch bis zur Türe, aber dann ist ihre letzte Kraft zu Ende: sie fällt zu Boden und stirbt.) ENDE |