Tannhäuser” by Richard Wagner libretto (German)

Personen

Hermann - Bass
Tannhäuser - Tenor
Wolfram von - Bariton
Walther von der Vogelweide - Tenor
Biterolf - Bass
Heinrich der Schreiber - Tenor
Reinmar von Zweter - Bass
Elisabeth - Sopran
Venus - Sopran
Ein junger Hirt - Sopran
Vier Edelknaben - Sopran und Alt

Thüringische Ritter. Grafen und Edelleute. Edelfrauen. Altere und jüngere Pilger. Sirenen. Najaden. Nymphen. Bacchantinnen

Zeit: Im Anfange des 13 Jahrhunderts

Erster Aufzug: Das Innere des Hörselberges bei Eisenach; ein Tal vor der Wartburg
Zweiter Aufzug: Auf der Wartburg
Dritter Aufzung: Tal vor der Wartburg

OUVERTÜRE

ERSTER AUFZUG

ERSTE SZENE
Die Bühne stellt das Innere des Venusberges (Hörselberges bei Eisenach) dar. Weite Grotte, welche sich im Hintergrunde durch eine Biegung nach rechts wie unabsehbar dahinzieht. Aus einer zerklüften Öffnung, durch welche mattes Tageslicht hereinscheint, stürzt sich die ganze Höhe der Grotte entlang ein grünlicher Wasserfall herab, wild über Gestein schäumend; aus dem Becken welches das Wasser auffängt, fliesst nach dem ferneren Hintergrunde der Bach hin, welcher dort sich zu einem See sammelt, in welchem man die Gestalten badender Najaden und an dessen Ufern gelagerte Sirenen gewahrt. Zu beiden Seiten der Grotte Felsenvorsprünge von unregelmässiger From, mit wunderbaren, korallenartigen, tropischen Gewächsen bewachen. Vor einer nach links aufwärts sich dehnenden Grottenöffnung, aus welcher ein zarter rosinger Dämmer herausscheint liegt im Vordergrunde Venus auf einem reichen Lager, vor ihr, das Haupt in ihrem Schosse, die Harfe zur Seite, Tannhäuser, halb knieend. Das Lager umgeben, in reizender Verschlingung gelagert, die drei Grazien. Zur Seite und hinter dem Lager zahlreiche schlafende Amoretten, wild über und nebeneinander gelagert, einen verworrenen Knäuel bilden, wie Kinder, die, von einer Balgerei ermattet, eingeschlafen sind. Der ganze Vordergrund ist von einem zauberhaften, von unter her durchscheinenden, rötlichen Lichte beleuchtet, durch welches das Smaragdgrün des Wasserfalles, mit dem Weiss seiner schäumenden Wellen, stark durchbricht. Der ferne Hintergrund mit den Seeufern ist von einem verklärt blauen Duffe mondscheinartig erhellt. - Beim Aufzuge des Vorhanges sind, auf den erhöhten Vorsprüngen bei Bechern, noch die Jünglinge gelagert, welche jetzt sofort den verlockenden Winken der Nymphen folgen und zu diesen hinabeilen; die Nymphen hatten um das schäumende Becken des Wasserfalles den auffordernden Reigen begonnen, welcher die Jünglinge zu ihnen führen sollte: die Paare finden und mischen sich; Suchen, Fliehen und reizendes Necken beleben den Tanz. Aus dem fernen Hintergrunde naht ein Zug von Bacchantinnen, welcher durch die Reihen der liebenden Paare, zu wilder Lust auffordernd, daherbraust. Durch Gebärden begeisterter Trunkenheit reizen die Bacchantinnen die Liebenden zu wachsender Ausgelassenheit auf. Die Berauschten stürzen sich in brünstige Liebesumarmungen. Satyre und Faune sind aus den Klüften erschienen und drängen sich jetzt mit ihrem Tanze zwischen die Bacchanten und liebenden, Paare. Sie vermehren durch ihre Jagd auf die Nymphen die Verwirrung; der allgemeine Taumel steigert sich zur höchsten Wut. Hier, beim Ausbruch der höchsten Raserei, erheben sich entsetzt die drei Grazien. Sie suchen den Wütenden Einhalt zu tun und sie zu entfernen. Machtlos fürchten sie selbst mit fortgerissen zu werden: sie wenden sich zu den schlafenden Amoretten, rütteln sie auf und jagen sie in die Höhe. Diese flattern wie eine Schar Vögel aufwärts auseinander, nehmen in der Höhe, wie in Schlachtordnung, den ganzen Raum der Höhle ein und schiessen von da herab einen unaufhörlichen Hagel von Pfeilen auf das Getümmel in der Tiefe. Die Verwundeten lassen, von mächtigem Liebessehnen ergriffen, vom rasenden Tanze ab und sinken in Ermattung. Die Grazien bemächtigen sich der Verwundeten und suchen, indem sie die Trunkenen zu Paaren fügen, sie mit sanfter Gewalt nach dem Hintergrunde zu zerstreuen. Dort nach den verschiedensten Richtungen hin, entfernen sich, teils auch von der Höhe herab durch die Amoretten verfolgt, die Bacchanten, Faunen, Satyren, Nymphen und Jünglinge. Ein immer dichterer rosiger Duft senkt sich herab: in ihm verschwinden zuerst die Amoretten, dann bedeckt er den ganzen Hintergrund, so dass endlich, ausser Venus und Tannhäuser, nur noch die drei Grazien sichtbar zurückbleiben. Diese wenden sich jetzt nach dem Vordergrunde zurück; in anmutigen Verschlingungen nahen sie sich Venus, ihr gleichsam von dem Siege berichtend, den sie über die wilden Leidenschaften der Untertanen ihres Reiches gewonnen. Venus blickt dankend zu ihnen. (Der dichte Duft im Hintergrunde zerteilt sich: ein Nebelbild zeigt die Entführung der Europa, welche auf dem Rücken des mit Blumen geschmückten weissen Stieres, von Tritonen und Nereïden geleitet, durch das blaue Meer dahinfährt)

CHOR DER SIRENEN
(unsichtbar)
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erbarmen
still' eure Triebe!
Der rosige Duft schliesst sich wieder, das Bild verschwindet, und die Grazien deuten nun durch einen anmutigen Tanz den geheimnisvollen Inhalt des Bildes als ein Werk der Liebe an. Von neuem teilt sich der Duft. Man erblickt in sanfter Mondesdämmerung Leda am Waldesteiche ausgestreckt; der Schwan schwinmmt auf sie zu und birgt schmeichelnd seinen Hals an ihrem Busen

CHOR DER SIRENEN
Naht euch dem Strande!
Naht euch dem Lande!
Allmählich verbleicht auch dieses Bild. Der Duft verzieht sich endlich ganz und zeigt die ganze Grotte einsam und still. Die Grazien verneigen sich schelmisch vor Venus und entfernen sich langsam nach der Liebesgrotte. Tiefste Ruhe. Unveränderte Gruppe der Venus und Tannhäusers.

ZWEITE SZENE
(Tannhäuser zuckt mit dem Haupte empor, als fahre er aus einem Traume auf. - Venus zieht ihn schmeichelnd zurück)
(Tannhäuser führt die Hand über die Augen, als suche er ein Traumbild festzuhalten)

VENUS
(sehr ruhig)
Geliebter, sag, wo weilt dein Sinn?

TANNHÄUSER
(schnell)
Zu viel! Zu viel!

(langsamer und leise)

O, dass ich nun erwachte!

VENUS
(ruhig und schmeichelnd)
Sag mir, was dich mühet!

TANNHÄUSER
Im Traum war mir's als hörte ich -
was meinem Ohr so lange fremd! -
als hörte ich der Glocken frohes Geläute!
O sag, wie lange hört' ich's doch nicht mehr?

VENUS
(wie vorher)
Was fasst dich an?
Wohin verlierst du dich?

(Sie führt die Hand sanft
über seine Stirne)


TANNHÄUSER
(schwermütig)
Die Zeit, die hier ich verweil',
ich kann sie nicht ermessen:
Tage, Monde gibt's für mich nicht mehr;
denn nicht mehr sehe ich die Sonne,
nicht mehr des Himmels freundliche Gestirne;
den Halm seh' ich nicht mehr, der frisch ergrünend
den neuen Sommer bringt;
die Nachtigall hör' ich nicht mehr,
die mir den Lenz verkünde.
Hör' ich sie nie, seh' ich sie niemals mehr?

VENUS
(mit ruhiger Verwunderung)
Ha! Was vernehm' ich? Welch' tör'ge Klagen!
Bist du so bald der holden Wunder müde,
die meine Liebe dir bereitet?
Oder wie? könnt'ein Gott zu sein so sehr dich reu'n?
Hast du so bald vergessen, wie du einst
gelitten, während jetzt du dich erfreust?

(Sie erhebt sich)

Mein Sänger, auf!
(Sie nimmt die Harfe
und hält sie ihm vor)


Auf, und ergreif' deine Harfe;
die Liebe fei're, die so herrlich du besingst,
dass du der Liebe Göttin selber dir gewannst!
Die Liebe fei're, da ihr höchster Preis dir ward!

TANNHÄUSER
(zu einem plözlichen Entschlusse
ermannt, ergreift seine Harfe und stellt
sich feierlich vor Venus hin)


Dir töne Lob! die Wunder sei'n gepriesen,
die deine Macht mir Glücklichem erschuf!
Die Wonnen süss, die deiner Huld entspriessen,
erheb' mein Lied in lautem Jubelruf!
Nach Freude, ach! nach herrlichem Geniessen
verlangt' mein Herz, es dürstete mein Sinn:
da, was nur Göttern einstens du erwiesen,
gab deine Gunst mir Sterblichem dahin.
Doch sterblich, ach! bin ich geblieben,
und übergross ist mir dein Lieben;
wenn stets ein Gott geniessen kann,
bin ich dem Wechsel untertan;
nicht Lust allein liegt mir am Herzen,
aus Freuden sehn'ich mich nach Schmerzen.
Aus deinem Reiche muss ich fliehn,
o Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!

VENUS
(wie aus einem Traume erwachend)
Was muss ich hören? Welch ein Sang!
Welch trübem Ton verfällt dein Lied?
Wohin floh die Begeistrung dir,
die Wonnesang dir nur gebot?
Was ist's? Worin war meine Liebe lässig.
Geliebter, wessen klagest du mich an?

TANNHÄUSER
Dank deiner Huld, gepriesen sei dein Lieben!
Beglückt für immer, wer bei dir geweilt!
Ewig beneidet, wer mit warmen Trieben
in deinen Armen Götterglut geteilt!
Entzückend sind die Wunder deines Reiches,
die Zauber aller Wonnen atm' ich hier;
kein Land der weiten Erde bietet Gleiches,
was sie besitzt, scheint leicht entbehrlich dir.
Doch ich aus diesen ros'gen Düften
verlange nach des Waldes Lüften,
nach unsres Himmels klarem Blau,
nach unserm frischen Grün der Au',
nach unsrer Vöglein liebem Sange,
nach unsrer Glocken trautem Klange:
aus deinem Reiche muss ich fliehn!
O Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!

VENUS
(von ihrem Lager aufspringend)
Treuloser! weh! was lässest du mich hören?
Du wagest meine Liebe zu verhöhnen?
Du preisest sie, und willst sie dennoch fliehn?
Zum Überdruss ist mir mein Reiz gediehn?

TANNHÄUSER
Ach schöne Göttin, wolle mir nicht zürnen!

VENUS
Zum Überdruss ist die mein Reiz gediehn?

TANNHÄUSER
Dein übergrosser Reiz ist's, den ich fliehe!

VENUS
Weh dir! Verräter! Heuchler! Undankbarer!
Ich lass' dich nicht! du darfst nicht von mir ziehen!

TANNHÄUSER
Nie war mein Lieben grösser, niemals wahrer,
Als jetzt, da ich für ewig dich muss fliehn! (Venus hat sich mit einem Schrei abgewandt, ihr Gesicht in den Händen bergend. - Langes Stillschweigen)
(Dann sucht sie allmählich wieder Tannhäuser Blick, dem sie plötzlich mit verführerischem Lächeln sich zuwendet) (Auf ihren Wink erscheint eine zauberische Grotte auf welche sie deuten)

VENUS
(mit leiser Stimme beginnend)
Geliebter, komm! sieh dort die Grotte,
von ros'gen Düften mild durchwallt;
Entzücken böt' selbst einem Gotte
der süss'sten Freuden Aufenthalt!
Besänftigt auf dem weichsten Pfühle,
flieh' deine Glieder jeder Schmerz;
dein brennend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durchschwelle dein Herz!

(Indem sie ihn sanft nach sich zu ziehen sucht)
Komm, süsser Freund, komm, folge mir! komm!

CHOR DER SIRENEN
(unsichtbar)
Naht euch dem Strande!

VENUS
Aus holder Ferne mahnen süsse Klänge,
dass dich mein Arm in trauter Näh' umschlänge;
von meinen Lippen, aus meinen Blicken,
schlürfst du den Göttertrank,
strahlt dir der Liebesdank:
ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier lass uns froh begehen;
nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn:
mit der Liebe Göttin schwelge im Verein!
Sag, holder Freund, sag, mein Geliebter:
willst du fliehn?

TANNHÄUSER
(auf das äusserste hingerissen, nochmals die Harfe ergreifend)

Stets soll nur dir, nur dir mein Lied ertönen,
gesungen laut sei nur dein Preis von mir!
Dein süsser Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Die Glut, die du mir in das Herz gegossen,
als Flamme lodre hell sie dir allein!
Ja, gegen alle Welt will unverdrossen
fortan ich nun dein kühner Streiter sein!
Doch hin muss ich zur Welt der Erden,
bei dir kann ich nur Sklave werden;
nach Freiheit doch verlangt es mich,
nach Freiheit, Freiheit, dürste ich;
zu Kampf und Streite will ich stehn,
sei's auch auf Tod und Untergehn! -
Drum muss aus deinem Reich ich fliehn!
O Königin!
Göttin, lass' mich ziehn!  
VENUS
(im heftigsten Zorne)
Zieh hin! Wahnbetörter! Zieh hin!
Geh! Verräter, sieh, nicht halt ich dich!
Flieh, ich geb dich frei
Zieh hin! Betörter!
was du verlangst, das sei dein Los!
Zieh hin! zieh hin!
Hin zu den kalten Menschen flieh,
vor deren blödem, trüben Wahn
der Freude Götter wir entflohn
tief in der Erde wärmenden Schoss.
Zieh hin, Betörter! Suche dein Heil,
suche dein Heil, - und find' es nie!
Sie, die du siegend einst verlachtest,
die jauchzenden Mutes du verhöhnst,
nun fleh sie an um Gnade, wo du verachtest,
jammre nun um Hold!
Dann leuchte dein Schande,
der hellen Schmach wird dann ihr Spott!
Gebannt, verflucht, ha! wie seh' ich schon
dich mir nahn, tief das Haupt zur Erde: -
"o! fädest du sie wieder,
die einst dir gelächelt!
ach! öffnete sie dir wieder
die Tore ihrer Wonnen!"
Auf der Schwelle, sieh' da!
ausgestreckt liegt er nun,
dort wo Freude einst ihm geflossen!
Um Mitleid fleht er bettelnd, nicht um Liebe!
Zurück! Entweich, Bettler!
Knechten nie, nur Helden öffnet sich mein Reich!

TANNHÄUSER
Nein! Mein Stolz soll dir den Jammer sparen,
mich entehrt je dir nah zu sehn!
Der heut von dir scheidet, o Göttin,
der kehret nie zu dir zurück!

VENUS
(mit einem Schrei)
Ha! du kehrtest nie zurück! -
Wie sagt' ich?
Ha! wie sagte er?
Nie mir zurück!
wie soll ich's denken?
Wie es erfassen!
Mein Geliebter ewig mich fliehn?
(mit zartem Zögern)

Wie hätt' ich das erworben,
wie träf' mich solch Verschulden,
das mir die Lust geraubt,
dem Trauten zu verzeihn?
Der Königin der Liebe,
der Göttin aller Hulden,
wär' einzig dies versagt,
Trost dem Freunde zu weihn?
Wie einst, lächelnd unter Tränen,
ich sehnsuchtsvoll dir lauschte,
den stolzen Sang zu hören,
der rings so lang mir verstummt;
o! Sag, wie könntest je du wohl wähnen,
dass ungerührt ich bliebe,
dräng' zu mir einst deiner Seele
Seufzen, hört' ich dein Klagen?
Dass letzte Tröstung in deinem Arm ich fand,
o, lass' des mich nicht entgelten,
verschmäh einst auch du nicht meinen Trost!

(in Verzweiflung ausbrechend)

Kehrst du mir nicht zurück,
so treffe Fluch die ganze Welt!
und für ewig sei öde sie,
aus der die Göttin wich!

(verzweiflungsvoll flehend)

O kehr, kehr wieder!
Trau meiner Huld, meiner Liebe!

TANNHÄUSER
Wer, Göttin, dir entfliehet, flieht ewig jeder Huld!

VENUS
Nicht wehre stolz deinem Sehnen,
wenn zurück zu mir es dich zieht!

TANNHÄUSER
Mein Sehnen drängt zum Kampfe,
nicht such ich Wonn' und Lust!
ach, mögest du es fassen, Göttin!
Hin zum Tod, den ich suche,
zum Tode drängt es mich!

VENUS
Kehr zurück, wenn der Tod selbst dich flieht,
wenn vor dir das Grab selbst sich schliesst.

TANNHÄUSER
Den Tod, das Grab, hier im Herzen ich trag',
durch Buss' und Sühne wohl find ich Ruh' für mich!

VENUS
Nie ist Ruh' dir beschieden,
nie findest du Frieden!
kehr wieder mir, suchst einst du dein Heil!

TANNHÄUSER
Göttin der Wonn' und Lust!
Nein! ach, nicht in dir find ich Frieden und Ruh'!
Mein Heil liegt in Maria!
(Venus verschwindet. - Die Szene verwandelt sich schnell)

DRITTE SZENE

Tannhäuser, der seine Stellung nicht verlassen hat, befindet sich plötzlich in ein schönes Tal versetzt. Blauer Himmel, heitere Sonnenbeleuchtung. - Rechts im Hintergrunde die Wartburg; durch die Talöffnung nach links erblickt man den Hörselberg. - Rechts führt auf der halben Höhe des Tales ein Bergweg von der Richtung der Wartburg her nach dem Vordergrunde zu, wo er dann seitwärts abbiegt; in demselben Vordergrunde ist ein Muttergottesbild, zu welchem ein niedriger Bergvorsprung hinaufführt. - Von der Höhe links vernimmt man das Geläute von Herdeglocken; auf einem hohen Vorsprunge sitzt ein junger Hirt mit der Schalmei, dem Tale zugekehrt

DER HIRT
Frau Holda kam aus dem Berg hervor,
zu ziehn durch Fluren und Auen,
gar süssen Klang vernahm da mein Ohr,
mein Auge begehrte zu schauen.

(Er spielt)

Da träumt' ich manchen holden Traum,
und als mein Aug' erschlossen kaum,
da strahlte warm die Sonnen,
der Mai, der Mai war kommen.
Nun spiel ich lustig die Schalmei,
der Mai ist da, der liebe Mai!
(Man hört den Gesang der älteren Pilger, welche, von der Richtung der Wartburgherkommend, auf dem Bergwege sich nähern. Der Hirt spielt auf der Schalmei)

DIE ÄLTERE PILGER
Zur dir wall ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
Gelobt sie, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!

(Der Hirt, den Gesang vernehmend,
halt auf der Schalmei ein und hört
andächtig zu)


Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen!
Drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast,
und wähle gern mir Müh' und Plagen.
Am hohen Fest der Gnad' und Huld,
in Demut sühn ich meine Schuld;
gesegnet, wer im Glauben treu:
er wird erlöst durch Buss' und Reu'.

DER HIRT
(als die Pilger auf der ihm gegenüberliegenden Höhe angekommen sind, ruft ihnen, die Mütze schwenkend, laut zu)

Glück auf! Glück auf nach Rom!
Betet fur meine arme Seele!

(Tannhäuser, der in der Mitte der Büne wie festgewurzelt gestanden, sinkt heftig erschüttert auf die Knie)

TANNHÄUSER
Allmächt'ger, dir sei Preis!
Gross sind die Wunder deiner Gnade! (Der Zug der Pilger biegt von hier an auf dem Bergwege bei dem Muttergottesbilde links ab und verlässt so die Bühne; - der Hirt entfernt sich ebenfalls mit der Schalmei rechts von der Höhe, - man hört die Herdeglocken immer entfernter)

DIE PILGER
Zur dir wall ich, mein Jesus Christ,
der du des Pilgers Hoffnung bist!
(auf dem Theater - immer entfernter)

Gelobt sei, Jungfrau süss und rein,
der Wallfahrt wolle günstig sein!

(Die Pilger haben hier die
Bühne bereits verlassen)


TANNHÄUSER
(auf den Knien, wie in brünstiges Gebet versunken)

Ach, schwer drückt mich der Sünden Last,
kann länger sie nicht mehr ertragen:
drum will ich auch nicht Ruh' noch Rast,
und wähle gern mir Müh' und Plagen.
(Tränen ersticken seine Stimme; er neigt das Haupt tief zur Erde und scheint, wie von Eisenach her, hört man Glockengeläute)

DIE PILGER
(sehr entfernt)
Am hohen Fest der Gnad' und Huld,
in Demut sühn ich meine Schuld;
(Waldhorn auf dem Theater, entfernt)
gesegnet, wer im Glauben treu.

(Waldhörner entfernt. Während sich der Klang der Hörner allmählich nähert, schweigt das entfernte Geläute) (Von der Anhöhe links herab, aus einem Waldwege, treten der Landgraf und die Sänger in Jägertracht einzeln auf)

VIERTE SZENE

DER LANDGRAF
(auf halber Höhe Tannhäuser erblickend)

Wer ist der dort in brunstigem Gebete?

WALTHER
Ein Büsser wohl.

BITEROLF
Nach seiner Tracht ein Ritter.

WOLFRAM
(eilt zunächst auf Tannhäuser zu und erkennt ihn)

Er ist es!

WALTHER, HEINRICH DER SCHREIBER, BITEROLF, REINMAR
Heinrich! Heinrich! Seh' ich recht?

(Tannhäuser, der überrascht und schnell aufgefahren ist, fasst sich und verneigt sich stumm gegen den Landgrafen, nachdem er einen flüchtigen Blick auf ihn und die Sänger geworfen)

LANDGRAF
Du bist es wirklich? Kehrest in den Kreis
zurück, den du in Hochmut stolz verliessest?

BITEROLF
Sag, was uns deine Wiederkehr bedeutet?

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Sag es an!

BITEROLF
Versöhnung? oder gilt's erneutem Kampf?

WALTHER
Nahst du als Freund uns oder Feind?

DIE SÄNGER
ausser
WOLFRAM
Als Feind?

WOLFRAM
O fraget nicht! Ist dies des Hochmuts Miene?

(Er geht freundlich auf Tannhäuser zu)

Gegrüsst sei uns, du kühner Sänger,
der ach! so lang' in unsrer Mitte fehlt!

WALTHER
Willkommen, wenn du friedlich nahst!

BITEROLF
Gegrüsst, wenn du uns Freunde nennst!
Gegrüsst, gegrüsst, gegrüsst sei uns!

DIE ANDERN SÄNGER
ausser
WOLFRAM
Gegrüsst, gegrüsst, gegrüsst sei uns!

DER LANDGRAF
So sei willkommen denn auch mir!
Sag' an, wo weiltest du so lang?

TANNHÄUSER
Ich wanderte in weiter, weiter Fern' -
da, wo ich nimmer Rast noch Ruhe fand.
Fragt nicht! Zum Kampf mit euch kam ich' nicht her;
seid mir versöhnt - und lasst mich weiter ziehn!

DER LANDGRAF
Nicht doch! Der unsre bist du neu geworden.

WALTHER
Du darfst nicht ziehn.

BITEROLF
Wir lassen dich nicht fort.

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
ausser
BITEROLF
Bleib bei uns!

TANNHÄUSER
Lasst mich! Mir frommet kein Verweilen;
und nimmer kann ich rastend stehn!
Mein Weg heisst mich nur vorwärts eilen,
und nimmer darf ich rückwärts sehn!

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Oh bleib'! Bei uns sollst du verweilen,
wir lassen dich nicht von uns gehn!
Du suchtest uns, warum enteilen?
Nach solchem kurzen Wiedersehn?

TANNHÄUSER
(sich losreissend)
Fort, fort von hier!

DIE SÄNGER
Bleib, bleib bei uns!

WOLFRAM
(Tannhäuser in der Weg tretend, mit crhobener Stimme)
Bleib bei Elisabeth!

TANNHÄUSER
Elisabeth! - O Macht des Himmels,
rufst du den süssen Namen mir?

WOLFRAM
Nicht sollst du Feind mich schelten, dass ich ihn genannt!
(zu dem Landgrafen)
Erlaubest du mir, Herr, dass ich
Verkünder seines Glücks ihm sei?

DER LANDGRAF
Nenn ihm den Zauber, den er ausgeübt:
und Gott verleih ihm Tugend,
dass würdig er ihn löse!

WOLFRAM
Als du in kühnem Sange uns bestrittest,
bald siegreich gegen unsre Lieder sangst,
durch unsre Kunst Besiegung bald erlittest;
ein Preis doch war's, den du allein errangst.
War's Zauber, war es reine Macht,
durch die solch Wunder du vollbracht,
an deinen Sang voll Wonn' und Leid
gebannt die tugendreichste Maid?
Denn ach! als du uns stolz verlassen,
verschloss ihr Herzunsrem Lied;
wir sahen ihre Wang' erblassen,
für immer unsern Kreis sie mied.
O kehr zurück, du kühner Sänger,
dem unsren sei dein Lied nicht fern!
Den Festen fehle sie nicht länger,
aufs neue leuchte uns ihr Stern!

DIE SÄNGER
ausser
WOLFRAM

Sei unser, Heinrich, kehr uns wieder!
Zweitracht und Streit sei abgetan!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!

WOLFRAM
O kehr zurück, du kühner Sänger!
O kehr zurück!
Vereint ertönen unsre Lieder,
und Brüder nenne uns fortan!

DER LANDGRAF
O kehr zurück, du kühner Sänger!
Zwietracht und Streit sei abgetan (Tannhäuser, von heftiger Rührung ergriffen, stürzt sich in Wolframs Arme, begrüsst der Reihe nach herzlich jeden der Sänger und verneigt sich innig dankend vor dem Landgrafen)

TANNHÄUSER
Zu ihr! Zu ihr! Oh, führet mich zu ihr!
Ha, jetzt erkenne ich sie wieder,
die schöne Welt, der ich entrückt!
Der Himmel blickt auf mich hernieder,
die Fluren prangen reich geschmückt!
Der Lenz, der Lenz,
mit tausend holden Klängen
zog jubelnd in die Seele mir!
In süssem, ungestümen Drängen
ruft laut mein Herz:
Zu ihr! Zu ihr!
Führt mich zu ihr!

(Während des Vorhergehenden hat sich nach und nach der ganze Jagdtross des Landgrafen mit Falkenträgern usw. auf der Bühne versammelt Die Jäger stossen in die Hörner)

LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Er kehrt zurück, den wir verloren!
Ein Wunder hat ihn hergebracht!
Die ihm den Übermut beschworen,
gepriesen sei die holde Macht!
Nun lausche unsern Hochgesängen
von neuem der Gepriesnen Ohr!
Es tön in froh belebten Klängen
das Lied aus jeder Brust hervor!
(Das ganze Tal wimmelt jetzt vom immer noch stärker angewachsenen Jagdtross)
(Der Landgraf und die Sänger wenden sich den Jägern zu; der Landgraf stösst in sein Horn, lautes Hornschmettern und Rüdengebell antwortet ihm. Während der Landraf und die Sänger die Pferde, die ihnen von der Wartburg zugeführt worden sind, besteigen, fällt der Vorhang)

ZWEITER AUFZUG

EINLEITUNG

ERSTE SZENE
(Die Sängerhalle auf der Wartburg; im Hintergrunde freie Aussicht auf den Hofund das Tal)

ELISABETH
Dich, teure Halle, grüss ich wieder,
froh grüss ich dich, geliebter Raum!
In dir erwachen seine Lieder
und wecken mich aus düstrem Traum.
Da er aus dir geschieden,
wie öd erschienst du mir!
Aus mir entfloh der Frieden,
die Freude zog aus dir!
Wie jetzt mein Busen hoch sich hebet,
so scheinst du jetzt mir stolz und hehr,
der mich und dich so neu belebet,
nicht weilt er ferne mehr!
Sei mir gegrüsst!
Sei mir gegrüsst!
Du, teure Halle,
Sei mir gegrüsst!
(Tannhäser, von Wolfram geleitet, tritt mit diesem aus der Treppe im Hintergrunde auf)

ZWEITE SZENE
(Elisabeth erblickt Tannhäuser)

WOLFRAM
(zu Tannhäuser)
Dort ist sie: nahe dich ihr ungestört!
(Er bleibt an die Mauerbrüstung gelehnt im Hintergrund)

TANNHÄUSER
(stürzt ungestüm zu den Füssen Elisabeths)

O Fürstin!

ELISABETH
(in schüchterner Verwirrung)
Gott! Stehet auf! Lasst mich!
Nicht darf ich Euch hier sehn!

(Sie macht eine Bewegung,
sich zu entfernen)


TANNHÄUSER
Du darfst! O bleib, und lass'
zu deinen Füssen mich!

ELISABETH
(wendet sich ihm freundlich zu)
So stehet auf!
Nicht sollet hier Ihr knien, denn diese Halle
ist Euer Königreich. O stehet auf!
Nehmt meinen Dank, dass Ihr zurückgekehrt!
Wo weiltet Ihr so lange?

TANNHÄUSER
Fern von hier,
in weiten, weiten Landen; dichtes Vergessen
hat zwischen heut und gestern sich gesenkt.
All mein Erinnern ist mir schnell geschwunden,
und nur des Einen muss ich mich entsinnen,
dass ich nie mehr gehofft, Euch zu begrüssen,
noch je zu Euch mein Auge zu erheben.

ELISABETH
Was war es dann, das Euch zurückgeführt?

TANNHÄUSER
Ein Wunder war's,
ein unbegreiflich hohes Wunder!

ELISABETH
Ich preise dieses Wunder
aus meines Herzens Tiefe!
(sich mässigend, in Verwirrung)
Verzeiht, wenn ich nicht weiss, was ich beginne!
Im Traum bin ich und tör'ger als ein Kind,
machtlos der Macht der Wunder preisgegeben.
Fast kenn ich mich nicht mehr... O helfet mir,
dass ich das Rätsel meines Herzens löse!
Der Sänger klugen Weisen
lauscht ich sonst wohl gern und viel;
ihr Singen und ihr Preisen
schien mir ein holdes Spiel.
Doch welch ein seltsam neues Leben
rief Euer Lied mir in die Brust!
Bald wollt es mich wie Schmerz durchbeben,
bald drang's in mich wie jähe Lust;
Gefühle, die ich nie empfunden,
Verlangen, das ich nie gekannt!
Was sonst mir lieblich, war verschwunden
vor Wonnen, die noch nie genannt!
Und als Ihr nun von uns gegangen,
war Frieden mir und Lust dahin;
die Weisen, die die Sänger sangen,
erschienen matt mir, trüb ihr Sinn;
im Traume fühlt ich dumpfe Schmerzen,
mein Wachen ward trübsel'ger Wahn; -
die Freude zog aus meinem Herzen: -
Heinrich! Heinrich! Was tatet Ihr mir an?

TANNHÄUSER
(begeistert)
Den Gott der Liebe sollst du preisen!
Er hat die Saiten mir berührt,
er sprach zu dir aus meinen Weisen,
zu dir hat er mich hergeführt.

ELISABETH
Gepriesen sei die Stunde,
gepriesen sei die Macht,
die mir so holde Kunde
von Eurer Näh' gebracht!
Von Wonneglanz umgeben,
lacht mir der Sonne Schein;
erwacht zu neuem Leben,
nenn ich die Freude mein!

TANNHÄUSER
Gepriesen sei die Stunde,
gepriesen sei die Macht,
die mir so holde Kunde
aus deinem Mund gebracht!
Dem neu erkannten Leben
darf ich mich mutig weihn;
ich nenn in freud'gem Beben
sein schönstes Wunder mein!

WOLFRAM
(im Hintergrunde)
So flieht für dieses Leben
mir jeder Hoffnung Schein!

(Tannhäuser trennt sich von Elisabeth; er geht auf Wolfram zu, umarmt ihn heftig und entfernt sich mit ihm durch die Treppe)
(Elisabeth blickt Tannhäuser vom Balkon aus nach)

DRITTE SZENE

(Der Landgraf tritt aus einer Seitentüre ein, Elisabeth eilt auf ihn zu und birgt ihr Gesicht an seiner Brust)

LANDGRAF
Dich treff ich hier in dieser Halle, die so lange du gemieden?
Endlich denn lockt dich ein Sängerfest, das wir bereiten?

ELISABETH
Mein Oheim! O, mein güt'ger Vater!

LANDGRAF
Drängt
Es dich, dein Herz mir endlich zu erschliessen?

ELISABETH
Sieh mir ins Auge! Sprechen kann ich nicht.

LANDGRAF
Noch bleibe denn unausgesprochen
dein süss Geheimnis kurze Frist;
der Zauber bleibe ungebrochen,
bis du der Lösung mächtig bist.
So sei's! Was der Gesang so Wunderbares
erweckt und angeregt, soll heute er
enthüllen und mit Vollendung krönen;
die holde Kunst, sie werde jetzt zur Tat!

(Trompeten im Hintergrunde tief,
wie im Burghofte)


Schon nahen sich die Edlen meiner Lande,
die ich zum seltnen Fest hierher beschied;
zahlreicher nahen sie als je, da sie
gehört, dass du des Festes Fürstin sei'st.

VIERTE SZENE

(Der Landgraf und Elisabeth treten an den Balkon, um nach der Ankunft der Gäste zu sehen. Vier Edelknaben treten auf und melden an. Sie erhalten vom Landgrafen Befehl für den Empfang usw)
(Trompeten im Burghof) (Von hier an treten die Ritter und Grafen einzeln mit Edelfrauen und Gefolge, welches im Hintergrunde bleibt, ein und werden vom Landgrafen und von Elisabeth empfangen)

CHOR DER RITTER UND EDLEN
Freudig begrüssen wir die edle Halle,
wo Kunst und Frieden immer nur verweil,
wo lange noch der Ruf erschalle,
Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann, Heil!

CHOR DER EDELFRAUEN
Freudig begrüssen wir die edle Halle
wo Kunst und Frieden immer nur verweil,
wo lange noch der Ruf erschalle,
Thüringens Fürsten, Landgraf Hermann, Heil!
(Die Versammelten haben alle die ihnen angewiesenen, einen grossen Halbkreis bildenden Plätze eingenommen. Der Landgraf und Elisabeth nehmen im Vordergrunde unter einem Baldachin Ehrensitze ein)
(Trompeten auf dem Theater)
(Die Sänger treten auf und verneigen sich feierlich mit ritterlichem Grusse gegen die Versammlung; darauf nehmen sie in der leergelassenen Mitte des Saales die in einem engeren Halbkreise für sie bestimmten Sitze ein, Tannhäuser im Mittelgrunde rechts, Wolfram am rntgegengesetzten Ende links, der Versammlung gegenüber)
(Der Landgraf erhebt sich)

LANDGRAF
Gar viel und schön ward hier in dieser Halle
von euch, ihr lieben Sänger, schon gesungen,
in weisen Rätseln, wie in heitern Liedern
erfreutet ihr gleich sinnig unser Herz.
Wenn unser Schwert in blutig ernstern Kämpfen
stritt für des deutschen Reiches Majestät,
wenn wir dem grimmen Welfen widerstanden
und dem verderbenvollen Zwiespalt wehrten:
so ward von euch nicht minder Preis errungen.
Der Anmut und der holden Sitte,
der Tugend und dem reinen Glauben
erstrittet ihr durch eure Kunst
gar hohen, herrlich schönen Sieg.
Bereitet heute uns denn auch ein Fest,
heut, wo der kühne Sänger uns zurückgekehrt,
den wir so ungern lang vermissten.
Was wieder ihn in unsre Nähe brachte,
ein wunderbar Geheimnis dünkt es mich;
durch Liedes Kunst sollt ihr es uns enthüllen:
deshalb stell ich die Frage jetzt an euch:
könnt ihr der Liebe Wesen mir ergründen?
Wer es vermag, wer sie am würdigsten besingt,
dem reich' Elisabeth den Preis,
er fordre ihn, so hoch und kühn er wolle,
ich sorge, dass sie ihn gewähren solle!
Auf, liebe Sänger! Greifet in die Saiten!
Die Aufgab' ist gestellt, kämpft um den Preis,
und nehmet all im voraus unsem Dank!
(Trompeten auf dem Theater)

CHOR
Heil! Heil! Thüringens Fürsten Heil!
Der holden Kunst Beschützer, Heil! Heil! Heil!
(Alle setzen sich)
(Die vier Edelknaben treten hervor, sie sammeln in einem goldenen Becher von jedem der Sänger seinen auf ein zusammengerolltes Blättchen gezeichneten Namen; - darauf reichen sie den Becher Elisabeth, welche eines der Blättchen herauszieht und es wiederum den Edelknaben reicht; diese lesen den Namen und treten dann feierlich in die Mitte)

VIER EDELKNABEN
Wolfram von Eschenbach, beginne!
(Sie setzen sich zu Füssen des Landgrafen und Elisabeths nieder. Wolfram erhebt sich. Tannhäuser stützt sich, wie in Träumerei verfallend, auf seine Harfe)  

DER SÄNGERKRIEG

WOLFRAM
Blick ich umher in diesem edlen Kreise,
welch hoher Anblick macht mein Herz erglühn!
So viel der Helden, tapfer, deutsch und weise,
ein stolzer Eichwald, herrlich, frisch und grün; -
und hold und tugendsam erblick ich Frauen,
lieblicher Blüten düftereichsten Kranz.
Es wird der Blick wohl trunken mir vom Schauen,
mein Lied verstummt vor solcher Anmut Glanz.
Da blick ich auf zu einem nur der Sterne,
der an dem Himmel, der mich blendet, steht: -
es sammelt sich mein Geist aus jeder Ferne,
andächtig sinkt die Seele im Gebet.
Und sieh, mir zeiget sich ein Wunderbronnen,
in den mein Geist voll hohen Staunens blickt:
aus ihm er schöpfet gnadenreiche Wonnen,
durch die mein Herz er namenlos erquickt.
Und nimmer möcht ich diesen Bronnen trüben,
berühren nicht den Quell mit frevlem Mut:
in Anbetung möcht ich mich opfernd üben,
vergiessen froh mein letztes Herzensblut!
Ihr Edlen möght in diesen Worten lesen,
wie ich erkenn der Liebe reinstes Wesen.

(Er setzt sich)

CHOR DER RITTER UND FRAUEN
(in beifälliger Bewegung)
So ist's! So ist's! Gepriesen sei dein Lied! (Tannhäuser fährt wie aus dem Traume auf; seine trotzige Miene nimmt sofort den Ausdruck der Entzückung an, mit welchem er in die Luft vor sich hinstarrt; ein leises Zittern der Hand, die bewusstlos nach den Saiten der Harfe sucht, ein unheimliches Lächen des Mundes zeight an, dass ein fremder Zauber sich seiner bemächligt. Als er dann, wie erwachend, kräftig in die Harfe greift, verrät seine ganze Haltung, dass er kaum mehr weiss, wo er ist und namentlich Elisabeth nicht mehr beachtet)

TANNHÄUSER
O Wolfram, der du also sangest,
du hast die Liebe arg entstellt;
wenn du in solchem Schmachten bangest,
versiegte wahrlich wohl die Welt!
Zu Gottes Preis in hoch erhabne Fernen,
blickt auf zum Himmel, blickt auf zu seinen Sternen:
Anbetung solchen Wundern zollt,
da ihr sie nicht begreifen sollt!
Doch was sich der Berührung beuget,
euch Herz und Sinnen nahe liegt,
was sich, aus gleichem Stoff erzeuget,
in weicher Formung an mich schmiegt:
ich nah ihm kühn, dem Quell der Wonnen,
in die kein Zagen je sich mischt,
denn unversiegbar ist der Bronnen,
wie mein Verlangen nie erlischt:
so, dass mein Sehnen ewig brenne;
lab an dem Quell ich ewig mich!
und wisse, Wolfram, so erkenne
der Liebe wahrstes Wesen ich.
(Allgemeines Erstaunen. Elisabeth im Widerstreit mit Hinterissenheit und banger Befremdung)
(Biterolf erhebt sich schnell und zornig)

BITEROLF
Heraus zum Kampfe mit uns allen!
Wer bliebe ruhig, hört er dich?
Wird deinem Hochmut es gefallen,
so höre, Lästrer, nun auch mich!
Wenn mich begeistert hohe Liebe,
stählt sie die Waffen mir mit Mut;
dass ewig ungeschmäht sie bliebe,
vergöss' ich stolz mein letztes Blut!
Für Frauenehr und hohe Tugend
als Ritter kämpf ich mit dem Schwert;
doch, was Genuss beut deiner Jugend,
ist wohlfeil, keines Streiches wert!

CHOR DER RITTER UND FRAUEN
(in tobendem Beifalle)
Heil, Biterolf! Hier unser Schwert!

TANNHÄUSER
(mit immer steigender Hitze auffahrend)
Ha, tör'ger Prahler Biterolf!
Singst du von Liebe, grimmer Wolf!
Gewisslich hast du nicht gemeint,
was mir geniessenswert erscheint!
Was hast du, Ärmster, wohl genossen?
Dein Leben war nicht liebereich, -
und was von Freuden dir entsprossen,
das galt wohl wahrlich keinen Streich!

DIE RITTER
(in grösster Aufregung)
Lasst ihn nicht enden! Wehret seiner Kühnheit!

DER LANDGRAF
(zu Biterolf, der das Schwert zieht)
Zurück das Schwert! lhr, Sänger, haltet Frieden!

WOLFRAM
(erhebt sich; bei seinem Beginn tritt sogleich wieder die grösste Ruhe ein)

O Himmel, lass' dich jetzt erflehen!
Gib meinem Lied der Weihe Preis!
Gebannt lass' mich die Sünde sehen
aus diesem edlen, reinen Kreis!
Dir, hohe Liebe töne
begeistert mein Gesang,
die mir in Engelsschöne
tief in die Seele drang!
Du nahst als Gottgesandte,
ich folg aus holder Fern:
so führst du in die Lande,
wo ewig strahlt dein Stern!

TANNHÄUSER
(springt auf, in äusserster Verzückung)
Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen,
gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!
Dein süsser Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir!
Wer dich mit Glut in seine Arme geschlossen,
was Liebe ist, kennt der, nur der allein!
Armsel'ge, die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin! Zieht in den Berg der Venus ein!
(Allgemeiner Aufbruch und Entsetzen)

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Ha, der Verruchte! Fliehet ihn!
Hört es! Er war im Venusberg!

CHOR DER RITTER UND FRAUEN
Ha, der Verruchte! Fliehet ihn!
Hört es! Er war im Venusberg!
Hinweg! Hinweg, aus seiner Näh'!
(Alle Frauen verlassen in grösster Bestürzung und mit Gebärden des Abscheus die Halle. Elisabeth, die dem Streite der Sänger mit wachsender Angst zugehört hatte, bleibt von den Frauen allein zurück, - bleich, nur mit dem grössten Aufwande ihrer Kraft an einer der hölzernen Säulen des Baldachins sich aufrecht erhaltend. - Der Landgraf, alle Ritter und Sänger haben ihre Sitze verlassen und treten zusammen. - Tannhäuser, zur äussersten Linken, verbleibt noch eine Zeitlang wie in Verzückung)

DER LANDGRAF. DIE SÄNGER. CHOR DER RITTER

Ihr habt's gehört! Sein frevler Mund
tat das Verbrechen schrecklich kund;
er hat der Hölle Lust geteilt,
im Venusberg hat er geweilt!
Entsetzlich! Scheusslich! Fluchenswert!
In seinem Blute netzt das Schwert!
Zum Höllenpfuhl zurückgesandt,
sei er gefehmt, sei er gebannt!
(Alle dringen mit gezücktem Schwerte auf Tannhäuser ein, welcher eine trotzige Stellung einnimmt; Elisabeth stürzt dazwischen)

ELISABETH
Haltet ein!
(Alle halten in grösster Betroffenheit an)

DER LANDGRAF. DIE SÄNGER. CHOR DER RITTER
Was hör ich? Wie? Was seh ich? Elisabeth,
die keusche Jungfrau für den Sünder?

ELISABETH
(Tannhäuser mit ihrem Leibe deckend)
Zurück! Des Todes achte ich sonst nicht!
Was ist die Wunde eures Eisens gegen
den Todesstoss, den ich von ihm empfing?

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
Elisabeth! Was muss ich hören?
Wie liess dein Herz dich so betören,
von dem die Strafe zu beschwören,
der auch so furchtbar dich verriet?

CHOR DER RITTER
Elisabeth! Wie liessest du dich so betören,
von dem die Strafe zu beschwören,
der auch so furchtbar dich verriet?

ELISABETH
Was liegt an mir? Doch er, - sein Heil!
Wollt ihr sein ewig Heil ihm rauben?

DER LANDGRAF. DIE SÄNGER CHOR. DER RITTER

Verworfen hat er jedes Hoffen,
niemals wird ihm des Heils Gewinn!
Des Himmels Fluch hat ihn getroffen!
(Sie dringen von neuen auf Tannhäuser ein)
in seinen Sünden fahr er hin!

ELISABETH
Zurück von ihm! Nicht ihr seid seine Richter!
Grausame! Werft von euch das wilde Schwert!
Und gebt Gehör der reinen Jungfrau Wort!
Vernehmt durch mich, was Gottes Wille ist!
Der Unglücksel'ge, den gefangen
ein furchtbar mächt'ger Zauber hält,
wie? sollt er nie zum Heil gelangen,
durch Sühn' und Buss' in dieser Welt?
Die ihr so stark im reinen Glauben,
verkennt ihr so des Höchsten Rat?
Wollt ihr des Sünders Hoffnung rauben,
so sagt, was euch er Leides tat?
Seht mich, die Jungfrau, deren Blüte
mit einem jähen Schlag er brach,
die ihn geliebt tief im Gemüte,
der jubelnd er das Herz zerstach!
Ich fleh für ihn, ich flehe für sein Leben;
reuvoll zur Busse lenke er den Schritt!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
dass auch für ihn einst der Erlöser litt!

TANNHÄUSER
(nach und nach von der Höhe seiner Aufregung
und seines Trotzes herabgesunken, durch Elisabeths Fürsprache
auf das Heftigste ergriffen, sinkt in Zerknirschung zusammen)


Weh! Weh mir Unglücksel'gem!

DER LANDGRAF UND DIE SÄNGER
(allmählich beruhigt und gerührt)
Ein Engel stieg aus lichtem Äther,
zu künden Gottes heil'gen Rat! Blick hin, du schändlicher Verräter!
Werd inne deiner Missetat!
Du gabst ihr Tod, sie bittet für dein Leben!
Wer bliebe rauh, hört er des Engels Flehn?
Darf ich auch nicht dem Schuldigen vergeben,
dem Himmelswort kann nicht ich widerstehn!

CHOR DER RITTER
Blick hin! Blick hin, du schändlicher Verräter!
Blick hin auf sie!
Du gabst ihr Tod, sie bittet für dein Leben!
Wer bliebe rauh, hört er des Engels Flehn?
Darf ich auch nie dem Schuldigen vergeben,
dem Engelswort darf nicht ich widerstehn!

TANNHÄUSER
Zum Heil den Sündigen zu führen,
die Gottgesandte nahte mir;
doch ach! sie frevelnd zu berühren,
hob ich den Lästerblick zu ihr!
O du, hoch über diesen Erdengründen,
die mir den Engel meines Heils gesandt!
Erbarm dich mein, der, ach! so tief in Sünden,
schmachvoll des Himmels Mittlerin verkannt!
Erbarm dich mein! Erbarm dich mein!
Ach, erbarm dich mein!

ELISABETH
Ich fleh' für ihn, ich flehe für sein Leben!
Der Mut des Glaubens sei ihm neu gegeben,
dass auch für ihn einst der Erlöser litt!
(Der Landgraf tritt feierlich in die Mitte)

LANDGRAF
Ein furchtbares Verbrechen ward begangen;
es stahl mit heuchlerischer Larve sich
zu uns der Sünde fluchbeladner Sohn!
Wir stossen dich von uns, bei uns darfst du
nicht weilen! Schmachbefleckt ist unser Herd
durch dich, und dräuend blickt der Himmel selbst
auf dieses Dach, das dich zu lang schon birgt!
Zur Rettung doch vor ewigem Verderben
steht offen dir ein Weg: von mir dich stossend,
zeig ich ihn dir: nütz ihn zu deinem Heil!
Versammelt sind aus meinen Landen
bussfert'ge Pilger, stark an Zahl;
die ältren schon voran sich wandten,
die jüngern rasten noch im Tal.
Nur um geringer Sünde willen
ihr Herz nicht Ruhe ihnen lässt;
der Busse frommen Drang zu stillen,
ziehn sie nach Rom zum Gnadenfest.

DER LANDGRAF. DIE SÄNGER. CHOR DER RITTER
Mit ihnen sollst du wallen
zur Stadt der Gnadenhuld,
im Staub dort niederfallen
und büssen deine Schuld;
vor ihm stürz dich darnieder,
der Gottes Urteil spricht!
Doch kehre niemals wieder,
ward dir sein Segen nicht! Musst unsre Rache weichen,
weil sie ein Engel brach,
dies Schwert wird dich erreichen,
harrst du in Sünd' und Schmach!

ELISABETH
Lass' hin zu dir ihn wallen,
du Gott der Gnad' und Huld!
Ihm, der so tief gefallen,
vergib der Sünden Schuld!
Für ihn nur will ich flehen,
mein Leben sei Gebet!
Lass ihn dein Leuchten sehen,
eh' er in Nacht vergeht!
Mit freudigem Erbeben
lass' dir ein Opfer weihn;
nimm hin, o! nimm mein Leben!
Ich nenn es nicht mehr mein!

TANNHÄUSER
Wie soll ich Gnade finden?
Wie büssen meine Schuld?
Mein Heil sah ich entschwinden,
mich flieht des Himmels Huld!
Doch will ich büssend wallen,
zerschlagen meine Brust,
im Staube niederfallen;
Zerknirschung sei mir Lust!
O, dass nur er versöhnet,
der Engel meiner Not,
der sich, so frech verhöhnet,
zum Opfer doch mir bot!

CHOR DER JÜNGEREN PILGER
(im Hintergrunde, tief, wie aus dem Tale heraufschallend)
Am hohen Fest der Gnad' und Huld,
in Demut sühn ich meine Schuld.
Gesegnet, wer im Glauben treu!
Er wird erlöst durch Büss' und Reu'.
(Alle haben unwillkürlich ihre Gebärden gemässigt; Elisabeth, wie um Tannhäuser nochmals zu schützen, hatte sich den von neuem Andringenden entgegengestellt; sie verwiest jetzt auf den verheissungsvollen Gesang der jungen Pilger. - Tannhäuser hält plötzlich in den Bewegungen der leidenschaftlichsten Zerknirschung ein und lauscht dem Gesange)

TANNHÄUSER
(Ein jäher Hoffnungsstrahl leuchtet ihm,
er stürzt sich mit krampfhafter
Heftigkeit zu Elisabeth Füssen küsst
inbrünstig hastig den Saum ihrer Gewandes
und bricht dann, von ungeheurer Erregung
taumelnd, auf mit dem Rufe:)


Nach Rom!

ALLE
(rufen ihm nach:)
Nach Rom!

(Der Vorhang fällt)

DRITTER AUFZUG

EINLEITUNG

TANNHÄUSERS PILGERFAHRT

(Der Vorhang geht auf. Tal vor der Wartburg, links der Hörselberg, wie am Schluss des ersten Aufzuges, nur in herbstlicher Färbung. Der Tag neigt sich zum Abend. Auf dem kleinen Bergvorsprunge rechts liegt Elisabeth vor dem Muttergottesbilde betend ausgestreckt. Wolfram kommt links von der waldigen Höhe herab: auf halber Höhe hält er an, als er Elisabeth gewahrt)

ERSTE SZENE

WOLFRAM
Wohl wüsst ich hier sie im Gebet zu finden,
wie ich so oft sie treffe, wenn ich einsam
aus wald'ger Höh mich in das Tal verirre!
Den Tod, den er ihr gab, im Herzen, -
dahingestreckt in brünst'gen Schmerzen,
fleht für sein Heil sie Tag und Nacht: -
o heil'ger Liebe ew'ge Macht!
Von Rom zurück erwartet sie die Pilger,
schon fällt das Laub, die Heimkehr steht bevor!
Kehrt er mit den Begnadigten zurück?
Dies ist ihr Fragen, dies ihr Flehen, -
ihr Heil'gen, lasst erfüllt es sehen!
Bleibt auch die Wunde ungeheilt, -
o, würd' ihr Lindrung nur erteilt!

(Als er tiefer in das Tal hinabsteigenwill,
vernimmt er den Gesang der Pilger und hält an)


CHOR DER ÄLTEREN PILGER
(aus grosser Ferme sich langsam der Bühne nähernd)
Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen
und grüssen froh deine lieblichen Auen;
nun lass ich ruhn den Wanderstab,
weil Gott getreu ich gepilgert hab!

ELISABETH
(erhebt sich, dem Gesange lauschend)
Dies ist ihr Sang! Sie sind's! Sie kehren heim!
Ihr Heil'gen, zeigt mir jetzt mein Amt,
dass ich mit Würde es erfülle!

WOLFRAM
Die Pilger sind's, - es ist die fromme Weise,
die der empfangnen Gnade Heil verkündet!
O Himmel, stärke jetzt ihr Herz
für die Entscheidung ihres Lebens!

CHOR DER ÄLTEREN PILGER
(allmählich der Bühne näher)
Durch Sühn' und Buss' hab' ich versöhnt
den Herren, dem mein Herze fröhnt,
der meine Reu' mit Segen krönt,
den Herren, dem mein Lied ertönt!

(Hier betreten die Pilger die Bühne
von rechts im Vordergrunde her)


Der Gnade Heil ist dem Büsser beschieden,
er geht einst ein in der Seligen Frieden;

(Sie ziehen während des Folgenden an dem
Bergvorsprunge vorbei langsam das Tal
entlang dem Hintergrunde zu)


Vor Höll' und Tod ist ihm nicht bang;
drum preis ich Gott mein Lebenlang!

(Die Pilger haben sich hier bereits
der Hintergrunde zugewendet,
sich allmählich entfernend)


Hallelujah! Hallelujah! In Ewigkeit!

ELISABETH
(die von ihrem erhöhten Standpunkte
aus mit grosser Aufregung unter den
vorüberziehenden Pilgern nach
Tannhäuser geforscht hat,
in schmerzlicher aber ruhiger Fassung)

Er kehret nicht zurück!

DIE PILGER
(entfernen sich unter dem Folgenden
immer mehr und verschwindem endlich
durch die Talöffnung nach rechts)


Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen,
und grüssen froh deine lieblichen Auen!
Nun lass ich ruhn den Wanderstab!
(Der Gesang verhallt allmählich; die Sonne geht unter)

ELISABETH
(mit grosser Feierlichkeit sich auf die Knie senkend)
Allmächt'ge Jungfrau, hör mein Flehen!
Zu dir, Gepriesne, rufe ich!
Lass mich im Staub vor dir vergehen,

o, nimm von dieser Erde mich!
Mach, dass ich rein und engelgleich
eingehe in dein selig Reich!
Wenn je, in tör'gem Wahn befangen,
mein Herz sich abgewandt von dir, -
wenn je ein sündiges Verlangen,
ein weltlich Sehnen keimt' in mir: -
so rang ich unter tausend Schmerzen,
dass ich es töt' in meinem Herzen!
Doch, konnt ich jeden Fehl nicht büssen,
so nimm dich gnädig meiner an,
dass ich mit demutvollem Grüssen
als würd'ge Magd dir nahen kann,
um deiner Gnaden reichste Huld
nur anzuflehn für seine Schuld!
(Sie verbleibt eine Zeitlang wie in andächtiger Entrücktheit; als sie sich dann langsam erhebt erblickt sie Wolfram, welcher sich ihr nähert, um sie anzureden)
(Sie bittet ihn durch eine Gebärde, nich mit ihr zu sprechen)

WOLFRAM
Elisabeth, dürft ich dich nicht geleiten?
(Elisabeth drückt ihm abermals durch Gebärden aus: sie danke ihm und seiner treuen Liebe aus vollem Herzen; ihr Weg führe sie aber gen Himmel, wo sie ein hohes Amt zu verrichten habe; er solle sie daher ungeleitet gehen lassen, ihr auch nicht folgen)
(Sie besteigt die halbe Berghöhe und verschwindet allmählich auf dem Fussteige, welcher auf dieser nach der Wartburg führt, nachdem man ihre Gestalt lange noch in der Entfernung erblickt hat)
(Wolfram, der Elisabeth lange noch mit den Augen verfolgt hat, setzt sich am Fusse des linken Talhügels nieder und beginnt auf der Harfe zu spielen)

ZWEITE SZENE

WOLFRAM
Wie Todesahnung, Dämm'rung deckt die Lande,
umhüllt das Tal mit schwärzlichem Gewande;
der Seele, die nach jenen Höh'n verlangt,
vor ihrem Flug durch Nacht und Grausen bangt!
Da scheinest du, o lieblichster der Sterne,
dein sanftes Licht entsendest du der Ferne,
die nächt'ge Dämmrung teilt dein lieber Strahl,
und freundlich zeigst du den Weg aus dem Tal.
O du, mein holder Abendstern,
wohl grüsst' ich immer dich so gern;
vom Herzen, das sie nie verriet,
grüsse sie, wenn sie vorbei dir zieht, -
wenn sie entschwebt dem Tal der Erden,
ein sel'ger Engel dort zu werden!
(Er verbleibt mit gen Himmel gerichtetem Auge auf der Harfe fortspielend)

DRITTE SZENE

(Es ist gänzlich Nacht geworden. Tannhäuser tritt auf; er trägt zerrissene Pilgerkleidung sein Antlitz ist bleich und entstellt; er wankt matten Schrittes auf seinen Stab gestützt)

TANNHÄUSER
(mit matter Stimme)
Ich hörte Harfenschlag, - wie klang er traurig! -
Der kam wohl nicht von ihr.

WOLFRAM
Wer bist du, Pilger,
der du so einsam wanderst?

TANNHÄUSER
Wer ich bin? -
Kenn ich doch dich recht gut! - Wolfram bist du,
(höhnisch)
der wohlgeübte Sänger!

WOLFRAM
(heftig auffahrend)
Heinrich! Du!
Was bringt dich her in diese Nähe? Sprich!
Wagst du es, unentsündigt noch den Fuss
nach dieser Gegend herzulenken?

TANNHÄUSER
Sei ausser Sorg', mein guter Sänger!
Nicht such ich dich, noch deiner Sippschaft Einen.
(mit unheimlicher Lüsternheit)

Doch such ich wen, der mir den Weg wohl zeige,
den Weg, den einst so wunderleicht ich fand -

WOLFRAM
Und welchen Weg?

TANNHÄUSER
Den Weg zum Venusberg!

WOLFRAM
Entsetzlicher! Entweihe nicht mein Ohr!
Treibt es dich dahin?

TANNHÄUSER
(leise)
Kennst du wohl den Weg?

WOLFRAM
Wahnsinn'ger! Grausen fasst mich, hör ich dich!
Wo warst du? Zogst du denn nicht nach Rom?

TANNHÄUSER
(wütend)
Schweig mir von Rom!

WOLFRAM
Warst nicht beim heil'gen Feste?

TANNHÄUSER
Schweig mir von ihm!

WOLFRAM
So warst du nicht? Sag, ich
beschwöre dich!

TANNHÄUSER
(wie sich besinnend, mit schmerzlichem Ingrimm)
Wohl war auch ich in Rom!

WOLFRAM
So sprich! Erzähle mir, Unglücklicher!
Mich fasst ein tiefes Mitleid für dich an!
(Tannhäuser betrachtet Wolfram lange mit gerührter Verwunderung)

TANNHÄUSER
(langsam)
Wie sagst du, Wolfram? Bist du denn nicht mein Feind?

WOLFRAM
Nie war ich es, so lang ich fromm dich wähnte.
Doch sag, du pilgertest nach Rom?

TANNHÄUSER
Nun denn,
hör an! Du, Wolfram, du sollst es erfahren.
(Er setzt sich erschöpft auf Fusse
des Bergvorsprunges nieder; Wolfram
will sich an seiner Seite ebenfalls
niederlassen)


Zurück von mir! Die Stätte, wo ich raste, ist verflucht!
(Wolfram bleibt in geringer
Entfernung vor Tannhäuser stehen)


Hör an, Wolfram, hör an!
Inbrunst im Herzen, wie kein Büsser noch
sie je gefühlt, sucht ich den Weg nach Rom.
Ein Engel hatte, ach! der Sünde Stolz
dem Ubermütigen entwunden;
für ihn wollt'ich in Demut büssen,
das Heil erflehn, das mir verneint,
um ihm die Träne zu versüssen,
die er mir Sünder einst geweint! -
Wie neben mir der schwerstbedrückte Pilger
die Strasse wallt', erschien mir allzuleicht: -
betrat sein Fuss den weichen Grund der Wiesen,
der nackten Sohle sucht ich Dorn und Stein;
liess Labung er am Quell den Mund geniessen,
sog ich der Sonne heisses Glühen ein;
wenn fromm zu Himmel er Gebete schickte,
vergoss mein Blut ich zu des Höchsten Preis;
als im Hospiz der Müde sich erquickte,
die Glieder bettet' ich in Schnee und Eis;
verschlossnen Augs, ihr Wunder nicht zu schauen,
durchzog ich blind Italiens holde Auen! -
Ich tat's, denn in Zerknirschung wollt ich büssen,
um meines Engels Tränen zu versüssen!
Nach Rom gelangt ich so zur heil'gen Stelle,
lag betend auf des Heiligtumes Schwelle.
Der Tag brach an; da läuteten die Glocken,
hernieder tönten himmlische Gesänge;
da jauchzt' es auf in brünstigem Frohlocken,
denn Gnad' und Heil verhiessen sie der Menge!
Da sah ich ihn, durch den sich Gott verkündigt,
vor ihm all Volk im Staub sich niederliess.
Und Tausenden er Gnade gab, entsündigt
er Tausende sich froh erheben hiess. -
Da naht auch ich, - das Haupt gebeugt zur Erde,
klagt ich mich an, mit jammernder Gebärde,
der bösen Lust, die meine Sinn' empfanden,
des Sehnens, das kein Büssen noch gekühlt;
und um Erlösung aus den heissen Banden
rief ich ihn an, von wildem Schmerz durchwühlt.
Und er, den so ich bat, hub an:
"Hast du so böse Lust geteilt,
dich an der Hölle Glut entflammt,
hast du im Venusberg geweilt
so bist nun ewig du verdammt!
Wie dieser Stab in meiner Hand
nie mehr sich schmückt mit frischem Grün,
kann aus der Hölle heissen Brand
Erlösung nimmer dir erblühn!"
Da sank ich in Vernichtung dumpf darnieder,
die Sinne schwanden mir. Als ich erwacht',
auf ödem Platze lagerte die Nacht,
von fern her tönten frohe Gnadenlieder:
Da ekelte mich der holde Sang!
Von der Verheissung lügnerischem Klang,
der eiseskalt mir durch die Seele schnitt,
trieb Grausen mich hinweg mit wildem Schritt!
Dahin zog's mich, wo ich der Wonn' und Lust
so viel genoss, an ihre warme Brust!

(in grauenhafter Begeisterung)

Zu dir, Frau Venus, kehr ich wieder,
in deiner Zauber holde Nacht;
zu deinem Hof steig ich darnieder,
wo nun dein Reiz mir ewig lacht!

WOLFRAM
Halt ein! halt ein! Unsel'ger!

TANNHÄUSER
Ach, lass' mich nicht vergebens suchen!
Wie leicht fand ich doch einstens dich!

WOLFRAM
Halt ein! Unsel'ger!

TANNHÄUSER
Du hörst, dass mir die Menschen fluchen,
nun, süsse Gottin, leite mich!
(Finstere Nacht; leichte Nebel verhüllen allmählich die Szene)

WOLFRAM
(in heftigem Grausen)
Wahsinniger! Wen rufst du an?

TANNHÄUSER
Ha! Fühlest du nicht milde Lüfte?

WOLFRAM
Zu mir! Es ist um dich getan!

TANNHÄUSER
Und atmest du nicht holde Düfte?
(Die Nebel beginnen in fosiger
Dämmerung zu erglühen)

Horst du nicht jubelnde Klänge?

WOLFRAM
In wildem Schauer bebt die Brust!

TANNHÄUSER
(immer aufgeregter, je näher der Zauber kommt)
Das ist der Nymphen tanzende Menge!
Herbei, herbei zu Wonn und Lust!
(Wirre Bewegungen tanzender Gestalten werden erkennbar)

WOLFRAM
Weh! Böser Zauber tut sich auf!
Die Hölle naht mit wildem Lauf.

TANNHÄUSER
Entzücken dringt durch meine Sinne,
gewahr ich diesen Dämmerschein!
Dies ist das Zauberreich der Minne,
(ausser sich)
im Venusberg drangen wir ein!
(In einer hellen, rosigen Beleuchtung erscheint Venus, auf ihrem Lager ruhend)

VENUS
Willkommen, ungetreuer Mann!
Schlug dich die Welt in Acht und Bann?
Und findest nirgend du Erbarmen,
suchst Liebe du in meinen Armen?

TANNHÄUSER
Frau Venus, o Erbarmungsreiche!
Zu dir, zu dir zieht es mich hin!

WOLFRAM
Zauber der Hölle weiche, weiche!
Berücke nicht des Reinen Sinn!

VENUS
Nahst du dich wieder meiner Schwelle,
sei dir dein Übermut verziehn;
ewig fliesse dir der Freuden Quelle,
und nimmer sollst du von mir fliehn!

TANNHÄUSER
(indem er sich mit wilder Entschlossenheit von Wolfram losreisst)
Mein Heil, mein Heil hab ich verloren, nun sei der Hölle Lust erkoren!

WOLFRAM
Allmächt'ger! Steh dem Frommen bei!
(Er hält Tannhäuser von neuem)
Heinrich! Ein Wort, es macht dich frei!
Dein Heil - !

VENUS
(in keimender Angst)
O komm! O komm! Auf ewig sei nun mein!

TANNHÄUSER
(zu Wolfram)
Lass ab! Lass ab von mir!

WOLFRAM
Noch soll das Heil dir Sünder werden!
(Tannhäser und Wolfram ringen heftig)

VENUS
O komm!

TANNHÄUSER
Nie Wolfram! Nie! Ich muss dahin!

WOLFRAM
Ein Engel bat für dich auf Erden,
bald schwebt er segnend über dir;

VENUS
Komm, o komm! Zu mir! Zu mir!

TANNHÄUSER
Lass mich!

WOLFRAM
Elisabeth!

TANNHAUSER
(der sich soeben losgerissen, bleibt plötzlich wie an die Stelle geheftet)
Elisabeth!
(Die Nebel verfinstern sich allmählich; heller Fackelschein leuchtet dann durch sie auf)

WALTHER, HEINRICH DER SCHREIRER, BITEROLF, REINMAR, MÄNNERCHOR
Der Seele Heil, die nun entflohn
dem Leib der frommen Dulderin!

WOLFRAM
(in erhabener Rührung)
Dein Engel fleht für dich an Gottes Thron,
er wird erhört: - Heinrich, du bist erlöst!

VENUS
(bereits unsichtbar)
Weh! mir verloren!
(Sie versinkt. Die Nebel verschwinden gänzlich. Morgendämmerung.
- Von der Wartburg her schreitet ein Trauerzug mit Fackeln der Tiefe des Tales zu)


WALTHER, HEINRICH DER SCHREIRER, BITEROLF, REINMAR, MÄNNERCHOR

Ihr ward der Engel sel'ger Lohn,
himmlischer Freuden Hochgewinn!

WOLFRAM
(Tannhäuser sanft umschlungen haltend)
Und hörst du den Gesang?

TANNHÄUSER
Ich höre!
(Hier betritt der Zug die Bühne in der Tiefe des Tales, die älteren Pilger voran - die Sänger zunächst dem offenen Sarge, in welchem Elisabeths Leiche von ihnen getragen wird; der Landgraf, Ritter und Edle folgen dem Sarge)

MÄNNERCHOR
Heilig die Reine, die nun vereint
göttlicher Schar vor dem Ewigen steht!

(Hier macht Wolfram eine Gebärde,
welche die Sänger, als sie Tannhäuser
erkennen, bewegt, den Sarg niederzusetzen)


Selig der Sünder, dem sie geweint,
dem sie des Himmels Heil erfleht!
(Tannhäuser ist von Wolfram zum Sarge geleitet worden; über Elisabeths Leiche hingebeugt, sinkt er langsam nieder)

TANNHÄUSER
Heilige Elisabeth, bitte für mich!
(Er stirbt. - Alle senken die Fackeln zur Erde und löschen sie so aus. Morgenrot arhellt vollends die Szene)

CHOR DER JÜNGERE PILGER
(auf dem vorderen Bergvorsprunge
einherziehend und in ihrer Mitte
einen neu ergrünten Priesterstab tragend)


Heil! Heil! Der Gnade Wunder Heil!
Erlösung ward der Welt zuteil.
Es tat in nächtlich heil'ger Stund'
der Herr sich durch ein Wunder kund:
den dürren Stab in Priesters Hand
hat er geschmückt mit frischem Grün:
dem Sünder in der Hölle Brand
soll so Erlösung neu erblühn!
Ruft ihm es zu durch alle Land',
der durch dies Wunder Gnade fand!
Hoch über aller Welt ist Gott,
und sein Erbarmen ist kein Spott!

WALTHER, HEINRICH DER SCHREIRER,
WOLFRAM, BITEROLF, REINNAR, DER LANDGRAF, DIE RITTER UN DIE ÄLTEREN PILGER

(alle in höchster Ergriffenheit)
Der Gnade Heil ward dem Büsser beschieden,
nun geht er ein in der Seligen Frieden!

DIE JÜNGERE PILGER
Hallelujah! Hallelujah! Hallelujah!

(Der Vorhang fällt)
libretto by Richard Wagner 

 

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